Inhalt

Text gilt ab: 01.08.2021
Gesamtvorschrift gilt bis: 31.12.2031

3. Privilegierte Vorhaben im Außenbereich

1Privilegierte Bauvorhaben sind im Außenbereich nach dem Willen des Gesetzgebers bevorrechtigt zulässig, wenn ihre ausreichende Erschließung gesichert ist. 2Öffentliche Belange hindern die Zulässigkeit – anders als bei „Sonstigen Vorhaben“ – nicht schon bei bloßer Beeinträchtigung, sondern nur, wenn sie entgegenstehen. 3Im Einzelfall entgegenstehende öffentliche Belange, die die Zulassung an einem bestimmten (Außenbereichs-) Standort hindern können, können insbesondere die Schutzwürdigkeit bestimmter Flächen aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, der Wasserwirtschaft (insbesondere Wasserschutzgebiete, Überschwemmungsgebiete) oder die Erhaltung eines bestimmten Landschaftsbildes, aber auch konkrete standortbezogene Aussagen in Flächennutzungsplänen oder Programmen oder Plänen der Landesplanung (insbesondere in Regionalplänen) sein, sofern sie über den bloßen Regelungsgehalt des § 35 Abs. 2 BauGB hinausgehen, also etwa nicht nur allgemein auf den Schutz des Außenbereichs vor Bebauung abzielen. 4Anders als für Sonstige Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB genügt für privilegierte Bauvorhaben eine ausreichende Erschließung. 5An die ausreichende Erschließung sind damit geringere Anforderungen zu stellen. 6Sie bezieht sich insbesondere auf die wegemäßige Erschließung, die Strom- und Wasserversorgung sowie die Abwasserbeseitigung und richtet sich nach dem jeweiligen Vorhaben sowie den örtlichen Gegebenheiten. 7Was die Zugänglichkeit über Straßen und Wege betrifft, ist insbesondere das zu erwartende Verkehrsaufkommen zu berücksichtigen. 8Die Erschließung besonders einzeln gelegener land- und forstwirtschaftlicher Betriebe kann bei entsprechender Situation vor Ort über landwirtschaftliche Wirtschaftswege erfolgen. 9Die Betriebe sind nicht generell auf betonierte oder asphaltierte Straßen angewiesen; je nach den örtlichen Gegebenheiten kann ein nur geschotterter Weg oder ein Feldweg als Erschließung ausreichen (so ausdrücklich BVerwG vom 30. August 1985, NVwZ 1986, 38).

3.1 Zweckbestimmung privilegierter land- und forstwirtschaftlicher Anlagen

1Die Privilegierung eines im Außenbereich geplanten Vorhabens hängt nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB davon ab, dass es einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb „dient“. 2Das bedeutet, dass das Bauvorhaben eine bestimmte Funktion im Betrieb erfüllen und seinerseits nach Lage, Ausstattung und Gestaltung von dieser Funktion geprägt sein muss. 3Es genügt nicht, dass es dem Betrieb nur förderlich ist, also etwa die Bewirtschaftung erleichtert; andererseits muss es nicht unentbehrlich sein. 4Innerhalb des damit gegebenen Rahmens muss für das Merkmal des „Dienens“ nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf abgestellt werden, ob ein vernünftiger Landwirt, der die Entscheidung des Gesetzgebers, dass im Außenbereich grundsätzlich nicht gebaut werden soll, so weit wie möglich respektiert, das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb erstellen würde. 5Das Vorhaben muss danach im konkreten Fall üblich und angemessen und auch äußerlich erkennbar durch die Zuordnung zu dem Betrieb geprägt sein. 6Es darf zudem nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen und ist in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen (§ 35 Abs. 5 Satz 1 BauGB). 7Das Erfordernis des „Dienens“ kann damit sowohl darüber entscheiden, ob ein Vorhaben überhaupt gebaut werden darf, als auch für seinen Standort, seinen Umfang und seine Ausgestaltung von Bedeutung sein. 8Das „Dienen“ ist bei widersprüchlichem und rechtsmissbräuchlichem Verhalten zu verneinen (zum Beispiel BayVGH vom 14. August 2013, BeckRS 2013, 55312; BayVGH vom 12. August 2016, BeckRS 2016, 50809: Der betriebliche Bedarf für das Vorhaben war durch die vorherige, den Maßstäben eines „vernünftigen Landwirts“ nicht entsprechende Nutzungsänderung einer baulichen Anlage zu landwirtschaftsfremden Zwecken überhaupt erst ausgelöst worden und diese nutzungsgeänderte Anlage war für die beabsichtigten Zwecke nach aktuellen Anforderungen gleichermaßen geeignet).

3.2 Wirtschaftsgebäude und sonstige Betriebsanlagen

1Die für die ordnungsgemäße Führung des konkreten land-, forstwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betriebes bestimmten baulichen Anlagen erfüllen regelmäßig die vorstehenden Anforderungen. 2Stallungen, (offene) Unterstände, Lager- und Maschinenhallen, Silos für betriebliche Produktionsmittel sowie gegebenenfalls Einrichtungen für Verarbeitung und Verkauf selbsterzeugter Produkte sind somit in aller Regel privilegierte Vorhaben. 3Baurechtliche Probleme werden hier allenfalls bezüglich der Größe und Ausgestaltung dieser Anlagen auftreten. 4Reit- und Bewegungshallen können einem landwirtschaftlichen Pensionspferdebetrieb „dienen“. 5Eine artgerechte Pferdehaltung setzt nämlich ein regelmäßiges, möglichst tägliches Bewegen der Tiere voraus. 6Neben Flächen für den Weidegang und einem befestigten Außenreitplatz ist deshalb grundsätzlich eine ständig verfügbare, von Witterungsbedingungen unabhängige Bewegungsmöglichkeit erforderlich. 7Jedes Vorhaben bedarf einer gründlichen fachlichen Einzelbeurteilung und Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Aspekte, der Tiere und des Tierschutzes. 8Die Zulassung einer Halle im Einzelfall ist einmal eine Frage der Wirtschaftlichkeit. 9Anlagen, deren Kosten (Kosten aus der Investition und Betriebskosten) in keinem angemessenen Verhältnis zu den damit erzielbaren Einnahmen (zum Beispiel Zulagen zu den Pensionspreisen bei Vorhandensein einer Halle) stehen, sind nicht privilegiert. 10Zur Wirtschaftlichkeit des Gesamtbetriebes und der einzelnen Betriebsgebäude äußert sich das jeweilige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. 11Notwendig ist eine angemessene Relation zwischen der Größe der Pensionstierhaltung und derjenigen der Reit- und Bewegungshalle. 12Besondere Bedeutung hat ferner das Gebot einer flächensparenden und den Außenbereich schonenden Bauausführung. 13Die Mindestgröße einer Reithalle zur artgerechten Bewegung von Pferden beträgt 20 m x 40 m (bereitbare Fläche). 14Auf die nahe räumliche Zuordnung der Halle zur Hofstelle, ihre Unterordnung unter den landwirtschaftlichen Betrieb, die angemessene Einbindung in die Landschaft und die äußere Gestaltung ist besonders zu achten. 15Bei Pferdezuchtbetrieben können Reithallen auch deshalb notwendig sein, um Jungpferde bis zur Verkaufsreife auszubilden (Veredelung des Zuchtprodukts). 16Für solche Reit- und Bewegungshallen für Pferdezuchtbetriebe gelten die vorstehenden Grundsätze für Bewegungshallen bei Pensionspferdebetrieben entsprechend.

3.3 Betrieblicher Wohnraum

3.3.1 Betriebsleiter

1Bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ist wegen seiner dienenden Funktion Wohnraum für den Betriebsleiter nebst Ehe-/Lebenspartner, seine haushaltsangehörigen Kinder sowie gegebenenfalls zu pflegenden Eltern regelmäßig zulässig. 2Es gibt allerdings spezielle Formen von Nebenerwerbsbetrieben, bei denen nicht angenommen werden kann, dass sie zu einer planmäßigen und betriebswirtschaftlich sinnvollen Betriebsführung ein Wohnhaus gerade im Außenbereich benötigen. 3Bei Damtierhaltung oder Fischzucht ist dies beispielsweise in der Regel nicht der Fall.

3.3.2 Altenteiler

1Zum herkömmlichen Bild eines landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebes gehört, dass mehrere Generationen auf dem Hof leben, in gewissem Umfang im Betrieb mitarbeiten (oder mitgearbeitet haben) und damit zur reibungslosen Fortführung des auf Dauer angelegten Betriebes beitragen. 2Insofern „dient“ es auch dem Betrieb, wenn für den früheren Hofinhaber – oder im Fall mehrerer Generationen für die früheren Hofinhaber – ein entsprechender Austragswohnraum an der Hofstelle eingerichtet wird. 3Es kommt darauf an, ob sich generationenübergreifend der Bedarf abzeichnet, einen für die Dauer der Existenz des Betriebes voraussehbaren, bei jeder zukünftigen Hofübernahme wieder auftretenden Wohnraumbedarf zu decken; dies ist bei langjährig bestehenden Betrieben mit bestehender Betriebsleiterwohnung regelmäßig der Fall. 4Die Ausführungen in den Sätzen 1 bis 3 gelten entsprechend bei langjährig bestehenden und auf Dauer angelegten Nebenerwerbslandwirtschaften. 5Bei der Neuerrichtung von Nebenerwerbslandwirtschaften muss allerdings die Konkretisierung dieses Bedarfs im Austragsfall durch einen entsprechenden notariell beglaubigten Hofübergabevertrag eindeutig nachgewiesen werden. 6Ist die Dauerhaftigkeit des neu errichteten Betriebs im Hinblick auf die langfristige Wirtschaftlichkeit und die Wahrscheinlichkeit einer Fortführung durch weitere Generationen zu bejahen, kann ein Bedarf im vorgenannten Sinne – ausgerichtet auf die Wohnbedürfnisse des potentiellen Hofnachfolgers – gegebenenfalls auch schon vor der eigentumsrechtlichen Hofübergabe zu bejahen sein. 7Dies gilt insbesondere, wenn der künftige – fachlich bereits entsprechend qualifizierte – Hofnachfolger die Betriebsführung Schritt für Schritt übernimmt oder in erheblichem Umfang im Betrieb mitarbeitet. 8Es ist jedenfalls nicht sachgerecht, die Genehmigung für ein Austragshaus für einen Nebenerwerbsbetrieb ausschließlich mit der pauschalen Begründung abzulehnen, die Nebenerwerbslandwirtschaft erfordere außer dem Nebenerwerbslandwirt keine weitere Arbeitskraft. 9Vielmehr lässt die Anerkennung der Zulässigkeit eines Betriebsleiterhauses im Regelfall bereits die Schlussfolgerung zu, dass auch ein Austragshaus – ausgerichtet auf die Wohnbedürfnisse der früheren Hofinhaber – zulässig ist. 10Ist ein Austragshaus zulässigerweise errichtet worden, ist eine vorübergehende anderweitige Nutzung nicht ausgeschlossen, zum Beispiel als Ferienwohnung oder als Wohnung für andere Familienmitglieder. 11Dies gilt auch für den Fall, dass das Austragshaus – siehe oben – den Wohnbedarf von mehreren Generationen früherer Hofinhaber berücksichtigt. 12Es muss aber rechtlich sichergestellt sein, dass das Austragshaus – auch wenn vorübergehend kein „Austragswohnbedarf“ besteht – langfristig dem Betrieb zugeordnet bleibt. 13Daher ist zugunsten des Trägers der Bauaufsichtsbehörde eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu bestellen, die der Behörde ein Mitspracherecht bei der Nutzung des Gebäudes einräumt. 14Werden Austragshäuser oder Austragswohnungen von dem fortbestehenden landwirtschaftlichen Betrieb losgelöst (zum Beispiel durch eine nunmehr nicht mehr genehmigungspflichtige Grundstücksteilung oder durch Verselbstständigung nach dem Wohnungseigentumsgesetz), besteht kein Anspruch mehr auf eine neue (zweite) Austragswohneinheit.

3.3.3 Sonstige Personengruppen

1Das privilegierte Wohnen an der Hofstelle ist – abgesehen von Austragswohnraum – grundsätzlich nur dem in Nrn. 3.3.1 und 3.3.2 genannten Personenkreis, dem jeweiligen Betriebsleiter nebst Ehe-/Lebenspartner, seinen haushaltsangehörigen Kindern sowie gegebenenfalls zu pflegenden Eltern vorbehalten. 2Solche Wohngebäude dürfen insbesondere nicht der Schaffung zusätzlichen Wohnraums oder der Befriedigung der Wohnbedürfnisse anderer Familienangehöriger im Außenbereich dienen. 3Weiterer betrieblicher Wohnraum kann im Einzelfall für Vollerwerbsbetriebe zugelassen werden, wenn dieser aufgrund der Größe und der Abläufe des Betriebes (nachgewiesener zusätzlicher dauerhafter Arbeitskräftebedarf von regelmäßig > 0,5 AK) sowie des Fehlens anderweitiger Wohnmöglichkeiten dem Betrieb dienlich ist. 4Die dauerhafte Zuordnung zum Betrieb muss über eine Grunddienstbarkeit gesichert sein. 5Dies gilt entsprechend, sofern der Betrieb nachweislich regelmäßig Auszubildende beschäftigt; auch für diese kann ein entsprechender Unterkunftsbedarf als dienlich im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB anzuerkennen sein. 6Unterkünfte für Saisonarbeitskräfte in landwirtschaftlichen Betrieben können diesen dienen, wenn das Vorhaben sinnvoll, wirtschaftlich, finanziell tragbar und auf ein schlüssiges nachhaltiges Betriebskonzept ausgerichtet ist. 7Zur Ermittlung des Bedarfs ist der Nachweis des Anbaus von Sonderkulturen in entsprechendem Umfang und ein schlüssiges Betriebskonzept Voraussetzung. 8Zunächst sollte eine Prüfung alternativer Unterbringungsmöglichkeiten (leerstehender Wohnraum an der Hofstelle oder Wohnmöglichkeiten in nahegelegenen Ortschaften) erfolgen. 9Die bauliche Ausführung muss einen Missbrauch (zum Beispiel Schaffung von Einzelzimmern zur dauerhaften Vermietung an Montage-Arbeiter) ausschließen, das heißt die bauliche Ausgestaltung muss die besonderen Bedürfnisse für Saisonarbeitskräfte berücksichtigen (Mehrbettzimmer, sanitäre Anlagen, Koch- und Essgelegenheiten, Sozialräume), funktional auf Saisonarbeitskräfte ausgerichtet und eine wirtschaftliche Bauausführung erkennbar sein. 10In der Regel werden derartige Unterkünfte nur für eine befristete Zeit im Laufe des Jahres genutzt. 11Eine Anbindung zum landwirtschaftlichen Betrieb beziehungsweise Hofnähe sollte gegeben sein.

3.3.4 Umsetzung des Wohnraumbedarfs, Wohnraumgröße

1Bei Baumaßnahmen zur Deckung des Wohnraumbedarfs ist das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs einzuhalten (§ 35 Abs. 5 Satz 1 BauGB). 2Zunächst ist zu prüfen, ob der vorgesehene Wohnraum angemessen mit zumutbaren und wirtschaftlichen Umbaumaßnahmen in bestehenden Gebäuden oder durch Anbau an diese geschaffen werden kann. 3Dieses Gebot kann auch einer beabsichtigten Umwidmung eines Betriebsleiterwohnhauses in ein Altenteilerwohnhaus entgegenstehen, wenn damit der Neubau eines Betriebsleiterwohnhauses einhergehen soll und das alte Betriebsleiterwohngebäude als Austragshaus überdimensioniert wäre. 4Bei dem dementsprechend erforderlichen Wohnflächenvergleich ist allerdings auch der Wohnbedarf von mehreren Generationen früherer Hofinhaber zu berücksichtigen, der dafür sprechen kann, das bisherige Betriebsleiterhaus nunmehr als Austragshaus zu nutzen und dem neuen Betriebsinhaber den Bau eines neuen Betriebsleiterhauses zu ermöglichen. 5Das Wohngebäude muss in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle stehen. 6Die dienende Funktion entfällt zum Beispiel bei überdimensionierten Wohngebäuden, die in keinem Bezug zu dem konkreten Betrieb mehr stehen. 7Bei Betriebsleiterwohngebäuden ist dabei zusätzlich zur (reinen) Wohnfläche auch die angemessene betriebliche Nutzfläche (zum Beispiel für Büro, Schmutzschleuse) zu berücksichtigen (vergleiche zum Beispiel VG Regensburg, Urteil vom 26. Januar 2016, BeckRS 2016, 44595). 8Für den Altenteilerwohnraum wurde von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung das (an sich mit Ablauf des 31. Dezember 2001 außer Kraft getretene) II. Wohnungsbaugesetz in der Fassung vom 19. August 1994 zwar im Hinblick auf die ungefähr angemessene Wohnraumgröße weiterhin als Orientierungsgrundlage herangezogen. 9Ergänzend hierzu sind zugunsten der Antragsteller allerdings auch die jeweils geltenden bayerischen Wohnraumförderungsbestimmungen als Anhaltspunkt heranzuziehen, soweit sich aus ihnen im Einzelfall flexiblere und familienfreundlichere Ansätze ergeben können („Günstigkeitsprinzip“). 10Dies gilt grundsätzlich auch für die oben angeführten Wohnbedürfnisse von mehreren Generationen früherer Hofinhaber; hier kann sich auch die – gegebenenfalls zu bejahende – Frage der Anerkennung des Wohnbedarfs einer Pflegeperson stellen. 11Im Besonderen ist auch der durch barrierefreie oder -arme Ausgestaltung anfallende Flächenbedarf zu berücksichtigen. 12Bei Betriebsleiterwohnraum sind die in den Sätzen 8 und 9 genannten Erkenntnisquellen regelmäßig nicht zur Beurteilung der Angemessenheit der Wohnfläche heranzuziehen.

3.4 Beispiele mitgezogener Betätigungen („Zweites Standbein“)

1Vorhaben in Zusammenhang mit mitgezogenen Betätigungen im Sinne von Nr. 2.5 können unter den dort dargestellten Voraussetzungen an der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BauGB teilhaben. 2Typische Beispiele hierfür werden im Folgenden dargestellt.

3.4.1 Vermietung von Übernachtungsmöglichkeiten

1In der Praxis wohl häufigste Form mitgezogener Betätigung ist die Vermietung von Ferienzimmern oder Ferienwohnungen, die – obwohl für sich betrachtet gewerblicher Art – an der Privilegierung teilnehmen kann, solange sie nicht damit ihrerseits den Betrieb prägt. 2Ferienzimmer beziehungsweise Ferienwohnungen sollen nach Möglichkeit unter Verwendung bestehender Gebäudesubstanz geschaffen werden. 3Die Einrichtung von Ferienwohnungen durch Umnutzung bestehender Räumlichkeiten oder Ersatz von nicht erhaltenswerter Bausubstanz wird im Regelfall als mitgezogene Nutzung zulässig sein. 4Ähnlich wie Austragshäuser, bei denen die Gefahr einer Verselbstständigung und Zweckentfremdung besteht, bedürfen aber auch Ferienwohnungen, sollen sie an der Privilegierung teilhaben, einer rechtlichen oder tatsächlichen Sicherung, die die Zuordnung zu dem Betrieb auf Dauer gewährleistet. 5An die Ausgestaltung (Raumaufteilung, Küchenausstattung und so weiter) werden keine einschränkenden Anforderungen gestellt. 6Bei der Schaffung von Übernachtungsmöglichkeiten durch Neubau ist im Hinblick auf die Voraussetzungen mitgezogener privilegierter Nutzungen deren untergeordneter Charakter zu prüfen. 7Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, ob ein Neubau nach seinem baulichen Maß hinter die landwirtschaftlich privilegierten baulichen Nutzungen an der Hofstelle zurücktritt und im räumlich-funktionalen Zusammenhang der Hofstelle nicht deren Gepräge ändert. 8Sollte ein Neubau als mitgezogene Nutzung zulässig sein, muss dieser im Übrigen möglichst flächenschonend ausgeführt werden (zum Beispiel als Anbau, Aufstockung oder Ähnliches). 9Aus den dargestellten Voraussetzungen für mitgezogene Vorhaben ergibt sich, dass gegebenenfalls auch Nebeneinrichtungen genehmigungsfähig sein können, die der Ermöglichung von Freizeitaktivitäten oder Beschäftigung von hauseigenen Gästen auf dem Bauernhof dienen, zum Beispiel Erweiterung einer Wagenremise zur Nutzung als Spielscheune für Kinder. 10Auch insoweit ist entscheidend, dass die Einrichtungen untergeordneten Charakter haben und die Prägung als landwirtschaftlicher Betrieb erhalten bleibt. 11In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Campingplatz nicht von einem landwirtschaftlichen Betrieb „mitgezogen“ werden kann (vergleiche zum Beispiel BayVGH vom 20. Februar 2006, BauR 2006, 2021). 12Eine andere Betrachtung kann für einige wenige Wohnmobile gelten, deren Einrichtung den Begriff „Campingplatz“ auch in anderen einschlägigen Rechtsgebieten (noch) nicht erfüllt (vergleiche Art. 25 Abs. 1 Landesstraf- und Verordnungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Dezember 1982, das zuletzt durch § 2 des Gesetzes vom 27. April 2020 (GVBl. S. 236) geändert worden ist, wonach unter „Campingplätzen“ der „[…] Betrieb und die Benutzung von Plätzen, die zum Aufstellen und Bewohnen von mehr als drei Zelten oder Wohnwagen bestimmt sind, […]“ zu verstehen sind). 13Die dafür erforderlichen Sanitär- und sonstigen Einrichtungen sind nach Möglichkeit in bestehenden Räumlichkeiten unterzubringen. 14Insbesondere ist zu berücksichtigen, ob das äußere Erscheinungsbild eines landwirtschaftlichen Betriebs erhalten bleibt. 15Ein Mitziehen scheidet jedenfalls dann aus, wenn ein Wohnmobilstellplatz durchgehend von dem gleichen Benutzer genutzt wird, es sich gleichsam um eine feste Wohnung handelt.

3.4.2 Verarbeitung und Vermarktung eigen erzeugter Produkte

1Bestimmte Stufen der Verarbeitung/Veredelung (zumindest überwiegend) selbsterzeugter Produkte gehören zur Landwirtschaft im Sinne von § 201 BauGB. 2Entscheidend hierfür ist, ob die jeweilige Verarbeitung/Veredelung erforderlich ist, um die erstmalige Marktfähigkeit (gegebenenfalls auch für den Absatz an Endverbraucher) des landwirtschaftlich erzeugten Produkts herzustellen. 3Bis zu dieser Verarbeitungs-/Veredelungsstufe ist auch die (Direkt-)Vermarktung der Landwirtschaft zuzuordnen, wenn eine räumliche Nähe der Vermarktungseinrichtung zum landwirtschaftlichen Betrieb gegeben ist. 4Kann die Weiterverarbeitung oder der Verkauf demnach nicht mehr als bloße Endstufe der Bodenertragsnutzung angesehen werden, so können diese baulichen Anlagen unter dem Gesichtspunkt der „mitgezogenen“ Nutzung privilegiert zulässig sein. 5Der Einbau von Verkaufsräumen und -fläche in landwirtschaftliche Betriebsgebäude oder deren Umnutzung zum Zweck einer Weiterverarbeitung sind daher regelmäßig auch im Außenbereich zulässig. 6Die Errichtung von Verkaufsräumen und -fläche ist zulässig, wenn der Absatz von Produkten aus überwiegend im Betrieb erzeugten Rohstoffen, deren Zubereitung und Verkostung im Vordergrund steht. 7Räumlichkeiten für land-, forstwirtschafts- und ernährungsnahe Bildung sind regelmäßig zulässig. 8Bei Winzerbetrieben können Vorhaben in Zusammenhang mit Räumlichkeiten für den Probeausschank von Wein sowie untergeordnete gastronomische Einrichtungen mitgezogen privilegiert sein. 9Von einem untergeordneten Charakter wird im Regelfall auszugehen sein, soweit sich die Gastronomie im üblichen räumlichen Umfang sogenannter Straußwirtschaften bewegt (vergleiche als Anhaltspunkt Gaststättenverordnung). 10Die Vermarktung der im eigenen Betrieb erzeugten oder veredelten Produkte steht dabei hier im Vordergrund. 11Dieses Kriterium gilt sinngemäß auch für Hofcafés und Brotzeitstüberl. 12Der Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft übersteigt demgegenüber regelmäßig das Maß dessen, was als „bodenrechtliche Nebensache“ an der Privilegierung eines landwirtschaftlichen Betriebs teilhaben könnte (BVerwG vom 23. Juni 1995, BRS 57 Nr. 102). 13Hinsichtlich der Zulässigkeit von Verkaufsständen an öffentlichen Straßen wird auf das IMS vom 28. März 2015 „Vorübergehende Verkaufsstände, Werbe- und Hinweisschilder außerhalb der Bundesautobahnen und autobahnähnlich ausgebauten Straßen durch landwirtschaftliche Betriebe“ (Az. IC4/IIB2/IIB4/IID9-3612.333-199) verwiesen.

3.4.3 Landwirtschaftliche Lohnunternehmen, Vermietung von Lagerkapazitäten

1Der überbetriebliche Maschineneinsatz ist heute Kernbestandteil einer wettbewerbsfähigen Landbewirtschaftung, da er auch bäuerlich strukturierten Betrieben wirtschaftlich tragbare Möglichkeiten eröffnet, den technischen Fortschritt zu nutzen. 2Überbetriebliche Lohnmaschinenarbeit ermöglicht darüber hinaus den Anbietern als landwirtschaftsnahe, aber gewerbliche Tätigkeit einen zusätzlichen Einkommensbeitrag. 3Insofern können Bauvorhaben in Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Lohnunternehmen an der „mitgezogenen“ Privilegierung teilnehmen, wenn die landwirtschaftliche Prägung des Gesamtbetriebs erhalten bleibt. 4Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die baulichen Anlagen der Lohnunternehmung denen der landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäude untergeordnet sind. 5Entsprechendes gilt für Bauvorhaben in Zusammenhang mit der Lagerung landwirtschaftlicher, nicht im eigenen Betrieb erzeugter Produkte beziehungsweise verwendeter Betriebsmittel. 6Soweit es hingegen die Lagerung sonstiger Gegenstände betrifft, wird allenfalls eine Umnutzung leerstehender vorhandener Gebäude in Betracht kommen; Neubauten werden für diese Zwecke unzulässig sein.

3.4.4 Erneuerbare Energien

1Auch Anlagen für erneuerbare Energien, die die Hofstelle mit Strom oder Wärme versorgen, können nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert sein, soweit ein räumlich-funktionaler Zusammenhang besteht. 2Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung, dass der betriebsbezogene Anteil der Energieversorgung den zur Einspeisung in das öffentliche Netz bestimmten Anteil deutlich übersteigt (vergleiche BVerwG vom 4. November 2008, ZfBR 2009, 149). 3Zu beachten ist, dass die 10-H-Regelung für solche nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierte Windkraftvorhaben nicht gilt.