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AAV
Text gilt ab: 01.05.2023
Gesamtvorschrift gilt bis: 15.07.2027
Fassung: 03.06.2008
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Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten
(Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung – AAV)[1]
Vom 3. Juni 2008
(GVBl. S. 327)
BayRS 791-1-11-U

Vollzitat nach RedR: Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung (AAV) vom 3. Juni 2008 (GVBl. S. 327, BayRS 791-1-11-U), die zuletzt durch Verordnung vom 25. April 2023 (BayMBl. Nr. 200) geändert worden ist
Auf Grund von § 43 Abs. 8 Sätze 1, 4 und 5 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) vom 25. März 2002 (BGBl I S. 1193), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 8. April 2008 (BGBl I S. 686), erlässt die Bayerische Staatsregierung folgende Verordnung:

[1] Die Verordnung vom 25.4.2023 (BayMBl. Nr. 200) ist vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt durch Entscheidung des BayVGH v. 30.11.2023, Az. 14 NE 23.1503, 14 NE 23.1658 (vgl. Bek. v. 11.12.2023, GVBl. S. 659).
§ 1
Ausnahmen für Kormorane
(1) Zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der heimischen Tierwelt wird nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 abweichend von § 44 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) die Tötung von Kormoranen (Phalacrocorax carbo sinensis) durch Abschuss in einem Umkreis von 200 m um Gewässer erlaubt.
(2) Von der Gestattung ausgenommen sind
1.
befriedete Bezirke gemäß Art. 6 Abs. 1 und 2 des Bayerischen Jagdgesetzes,
2.
Naturschutzgebiete nach § 23 BNatSchG sowie Nationalparke nach § 24 Abs. 1 bis 3 BNatSchG in Verbindung mit Art. 13 des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayNatSchG),
3.
Europäische Vogelschutzgebiete gemäß der Bayerischen Natura 2000-Verordnung.
(3) 1Der Abschuss ist nur zulässig in der Zeit vom 16. August bis 14. März. 2In Schonbezirken nach Art. 70 des Bayerischen Fischereigesetzes (BayFiG) sowie in geschlossenen Gewässern nach Art. 2 BayFiG ist der Abschuss vorbehaltlich besonderer Schutzvorschriften in der Zeit vom 16. August bis 31. März zulässig. 3Nicht zulässig ist der Abschuss von eineinhalb Stunden nach Sonnenuntergang bis eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang. 4§ 11 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes (AVBayJG) gilt entsprechend.
(4) Zum Abschuss berechtigt sind Personen, die zur Ausübung der Jagd befugt sind.
(5) Die höhere Naturschutzbehörde kann die Befugnis entziehen, wenn gegen die Abs. 1 bis 3 verstoßen wird.
(6) 1Abschussort, wie Jagdrevier, Gewässer oder Gewässerabschnitt sowie Gewässertyp, und Abschussdatum, die Anzahl der jeweils abgeschossenen Kormorane und bei beringten Vögeln die Ringnummer sind der zuständigen Jagdbehörde bis spätestens 10. April jeden Jahres auf einem Einlegeblatt zur jagdlichen Streckenliste (§ 16 AVBayJG) mitzuteilen. 2Die Jagdbehörde übermittelt die Einlegeblätter bis zum 1. Mai jeden Jahres der zuständigen höheren Naturschutzbehörde.
§ 2
Ausnahmen für Biber
(1) 1Zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden, im Interesse der Gesundheit des Menschen sowie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit wird nach Maßgabe der Abs. 2 bis 7 abweichend von § 44 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG gestattet, Bibern (Castor fiber) in der Zeit vom 1. September bis 15. März nachzustellen, sie zu fangen und zu töten. 2Abweichend von § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG dürfen Biberdämme, soweit besetzte Biberburgen nicht beeinträchtigt werden, und nicht besetzte Biberburgen beseitigt werden.
(2) Maßnahmen nach Abs. 1 Satz 1 sind erlaubt
1.
an Kläranlagen, an Triebwerkskanälen von Wasserkraftanlagen sowie an gefährdeten Stau- und Hochwasserschutzanlagen wie Stauwehren, Deichen und Dämmen und
2.
in den gemäß Abs. 3 festgesetzten Bereichen.
(3) 1Die Kreisverwaltungsbehörde als untere Naturschutzbehörde soll erwerbswirtschaftlich genutzte Fischteichanlagen, Abschnitte von angelegten Be- und Entwässerungsgräben sowie Abschnitte von öffentlichen Straßen festsetzen, bei denen Maßnahmen nach Abs. 1 Satz 1 aus den dort genannten Gründen erforderlich sind. 2Dies setzt voraus, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und die Populationen des Bibers in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen.
(4) Abs. 1 bis 3 gelten nicht in
1.
Naturschutzgebieten nach § 23 BNatSchG sowie Nationalparken nach § 24 Abs. 1 bis 3 BNatSchG in Verbindung mit Art. 13 BayNatSchG,
2.
Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung und in Europäischen Vogelschutzgebieten gemäß der Bayerischen Natura 2000-Verordnung.
(5) 1Zu Maßnahmen nach Abs. 1 Satz 1 ist berechtigt, wer
1.
die erforderlichen Kenntnisse nachweisen kann und
2.
von der unteren Naturschutzbehörde hierzu bestellt ist.
2Ein Abschuss erfolgt im Benehmen mit dem jagdausübungsberechtigten Revierinhaber.
(6) 1Es dürfen nur für den Fang von Bibern geeignete Fallen verwendet werden. 2Beim Abschuss müssen Büchsenpatronen verwendet werden, deren Kaliber mindestens 6,5 mm beträgt; im Kaliber 6,5 mm und darüber müssen die Büchsenpatronen eine Auftreffenergie auf 100 m (E 100) von mindestens 2000 Joule haben. 3Beim Töten von in Fallen gefangenen Bibern mit Pistolen oder Revolvern sowie bei der Abgabe von Fangschüssen mit Pistolen oder Revolvern muss die Mündungsenergie der Geschosse mindestens 200 Joule betragen. 4Die Bestimmungen über verbotene Fangmethoden, Verfahren und Geräte (§ 4 der Bundesartenschutzverordnung – BArtSchV) bleiben unberührt.
(7) Fang- und Abschussort, wie Gewässer oder Gewässerabschnitt und Gewässertyp, sowie Fang- und Abschussdatum, die Anzahl der jeweils gefangenen und getöteten Biber sowie Informationen über die Entsorgung bzw. den Verbleib der getöteten Tiere sind der unteren Naturschutzbehörde unverzüglich mitzuteilen.
§ 3[1]
Ausnahmen für Fischotter
(1) Zur Abwendung ernster fischereiwirtschaftlicher Schäden wird nach Maßgabe der Abs. 2 bis 7 gestattet, Fischotter (Lutra lutra) in einem Bereich von 200 m vom jeweiligen Gewässerrand einer Teichanlage, die der Zucht oder Produktion von Fischen dient, nachzustellen, mit Lebendfallen zu fangen, zu vergrämen oder durch Abschuss zu töten, soweit es keine zumutbare Alternative gibt.
(2) Ein ernster fischereiwirtschaftlicher Schaden liegt vor, wenn durch Fischotter
1.
ein Verlust von 10 % der erzeugten Fische der Teichanlage bezogen auf die Zahl der eingesetzten Fische oder
2.
ein nicht ersetzbarer Verlust von Laichfischen
eingetreten ist.
(3) 1 Eine zumutbare Alternative im Sinne des Abs. 1 gibt es nicht, wenn ein Zaunbau rechtlich oder tatsächlich nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzumutbar ist. 2Ein Zaunbau ist wirtschaftlich unzumutbar, wenn die Kosten der Errichtung inklusive der Kosten für Genehmigungsverfahren und im Einzelfall erforderlicher naturschutzrechtlicher Gutachten und unter Berücksichtigung staatlicher Zuschüsse und der Unterhaltung die in einem Zeitraum von zehn Jahren durch die Bewirtschaftung der umzäunten Teiche zu erzielende Rendite übersteigen.
(4) 1 Maßnahmen nach Abs. 1 sind ausschließlich in Gebieten zulässig, in denen der Fischotter
1.
einen günstigen Erhaltungszustand aufweist oder
2.
der Erhaltungszustand der Population zwar ungünstig ist, sich durch die Ausnahme aber nicht verschlechtert und die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes nicht behindert wird.
2Die Ermächtigung nach § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG wird insoweit auf das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten übertragen als dieses ermächtigt wird, die Gebiete nach Satz 1 durch Verordnung festzulegen. 3Die Landesanstalt für Landwirtschaft (Landesanstalt) gibt jährlich eine Höchstzahl von Fischottern, die getötet werden dürfen, sowie tagesaktuell eine Information über den Stand der im jeweiligen Jahr bereits getöteten Fischotter bekannt.
(5) Vom 1. Februar bis zum 30. November dürfen Fischotter nicht ohne vorherige Gewichtsüberprüfung getötet werden, sondern zunächst nur lebend gefangen und anschließend nur dann getötet werden, wenn sie ein Gewicht von weniger als 4 kg oder mehr als 8 kg aufweisen; andernfalls sind sie am Fangort umgehend und unversehrt wieder freizulassen.
(6) Fang- und Abschussort, Teichanlage, Abschuss- und Fangdatum, das Datum des Aufstellens von Fallen sowie Informationen über die Entsorgung und den Verbleib des getöteten Fischotters sind der Landesanstalt unverzüglich mitzuteilen.
(7) Im Übrigen bleiben die Vorschriften des Jagdrechts unberührt.

[1] § 3 eingef. mWv 1.5.2023 durch V v. 25.4.2023 (BayMBl. Nr. 200).
Die Verordnung vom 25.4.2023 (BayMBl. Nr. 200) ist vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt durch Entscheidung des BayVGH v. 30.11.2023, Az. 14 NE 23.1503, 14 NE 23.1658 (vgl. Bek. v. 11.12.2023, GVBl. S. 659).
§ 4
Ausnahmen für Zwecke der Forschung, Lehre und Bildung
(1) 1Abweichend von § 44 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 4 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG ist es gestattet, Exemplare wild lebender Tier- und Pflanzenarten nach Maßgabe der Abs. 2 bis 4 der Natur zu entnehmen. 2Die Entnahme ist auf den für die Erreichung des jeweiligen Zwecks zwingend erforderlichen Umfang zu beschränken. 3Die Exemplare sind, sofern möglich, nach der Zweckerfüllung unverzüglich an ihrem Entnahmeort wieder in die Natur zu entlassen. 4Die Bestimmungen des § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG sowie des § 7 BArtSchV und weitergehender Schutzvorschriften bleiben unberührt.
(2) 1Bedienstete und Beauftragte der Naturschutzbehörden sowie des Landesamts für Umwelt, der Landesanstalten für Landwirtschaft sowie Wald und Forstwirtschaft, Leiter und die von diesen beauftragten Mitarbeiter wissenschaftlicher Fakultäten an staatlichen und nicht staatlichen Hochschulen im Sinn des Art. 1 des Bayerischen Hochschulgesetzes, Mitarbeiter der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns dürfen besonders und streng geschützte Tier- und Pflanzenarten im Sinn des § 7 Abs. 2 Nrn. 13 und 14 BNatSchG für Zwecke der Forschung und Lehre der Natur entnehmen. 2Dies gilt nicht für europäische Vogelarten, Säugetiere sowie Tier- und Pflanzenarten, die in der aktuellen Fassung der Roten Liste der gefährdeten Tiere und Gefäßpflanzen Bayerns in den Gefährdungskategorien „vom Aussterben bedroht“ und „stark gefährdet“ aufgeführt sind. 3Die erhobenen Daten sind der örtlich zuständigen höheren Naturschutzbehörde für Zwecke der Arterfassung zur Verfügung zu stellen. 4Die Entnahme ist der höheren Naturschutzbehörde mindestens vier Wochen vorher unter Angabe der betroffenen Artgruppe, des Entnahmegebiets und des Umfangs der Entnahme anzuzeigen.
(3) 1Lehrer an öffentlichen oder privaten Unterrichtseinrichtungen im Sinn des Art. 3 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, pädagogisches Personal von Kindertageseinrichtungen im Sinn des Art. 2 des Bayerischen Kinderbildungs- und betreuungsgesetzes sowie sonstigen Umweltbildungseinrichtungen dürfen besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten im Sinn des § 7 Abs. 2 Nr. 13 BNatSchG aus für Bildungs- und Unterrichtszwecke angelegten Anlagen wie Teichen und Gärten für den Unterricht entnehmen. 2Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(4) Die höhere Naturschutzbehörde kann die Entnahme ganz oder teilweise untersagen oder mit Nebenbestimmungen versehen, insbesondere um die Einhaltung der Voraussetzungen dieser Regelung, des § 45 Abs. 7 BNatSchG und sonstiger naturschutzrechtlicher Bestimmungen sicherzustellen.
§ 5
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
1Diese Verordnung tritt am 16. Juli 2008 in Kraft. 2Sie tritt mit Ablauf des 15. Juli 2027 außer Kraft.
München, den 3. Juni 2008
Der Bayerische Ministerpräsident
Dr. Günther B e c k s t e i n