Inhalt

OLG Bamberg, Urteil v. 05.05.2025 – 4 U 120/24 e
Titel:

Berechtigtes Interesse, Nichtzulassungsbeschwerde, Feststellungsinteresse, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Dsgvo, Personenbezogene Daten, Verantwortlichkeit, Grundfreiheiten, Mobilfunkvertrag, Unterlassungsantrag, Kostenentscheidung, Datenübermittlung, Prozeßvoraussetzungen, Vollstreckungsgericht, Kosten des Berufungsverfahrens, Grundrechte, Informationelle Selbstbestimmung, Personenbezogenheit, Bestimmtheitsgebot, Sicherheitsleistung

Schlagworte:
Schadensersatzanspruch, Datenübermittlung, Positivdaten, Betrugsprävention, Unterlassungsantrag, Feststellungsinteresse, Interessenabwägung
Vorinstanz:
LG Würzburg, Urteil vom 05.08.2024 – 92 O 2018/23
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 8805

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 05.08.2024, Az. 92 O 2018/23, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Würzburg sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Kläger begehrt Schadensersatz für immaterielle Schäden, Unterlassung und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden, weil die Beklagte nach Abschluss eines sogenannten Postpaid-Mobiltelefonvertrags mit dem Kläger personenbezogene Positivdaten aus dem Vertrag an die Auskunftei Schufa Holding AG (künftig: Schufa) weitergeleitet hat. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Ansprüche weiter.
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Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da weder die Revision gegen das Urteil zulässig ist, noch dagegen gemäß § 544 Abs. 2 ZPO die Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden kann.
II.
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Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
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1. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO, da die (unstreitig) von der Beklagten vorgenommenen Übermittlung von sogenannten Positivdaten aus dem Mobilfunkvertrag an die Schufa gerechtfertigt war und damit kein Verstoß gegen Regelungen der DSGVO vorliegt.
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In der Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die von der Beklagten behaupteten Interessen an der Datenübermittlung, namentlich Betrugsprävention, Überschuldungsprävention und Ermöglichung von Ausfallrisikoprognosen das Recht des Kunden auf informationelle Selbstbestimmung überwiegen und damit der Rechtfertigungsgrund des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO vorliegt (dafür u.a.: LG Gießen, GRUR-RS 2024, 7986; LG Koblenz, GRUR-RS 2024, 14360; LG Berlin II, GRUR-RS 2024, 16755; LG Siegen, GRUR-RS 2024, 31639; LG Kiel, GRUR-RS 2025, 3301; LG Köln, GRUR-RS 2025, 1120; LG Verden, GRUR-RS 2025, 1117; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2024, 32757; Paal, NJW 2024, 1689; dagegen: LG München I, GRUR-RS 2023, 10317; LG Köln, GRUR-RS 2023, 9811).
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Der Senat schließt sich der mehrheitlich vertretenen Auffassung an, wonach die mit der Weitergabe der Daten erfolgte Verarbeitung (Art. 4 Nr. 2 DSGVO) nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO gerechtfertigt war.
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a) Nach der Rechtsprechung des EUGH (Urteil vom 04.07.2023, Az. C-252/21, NJW 2023, 2997, Rn. 105 ff.) sind Verarbeitungen personenbezogener Daten nach Art. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO unter drei kumulativen Voraussetzungen rechtmäßig: Erstens muss von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von einem Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden, zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, gegenüber dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten nicht überwiegen. Hierbei gilt, dass es nach Art. 13 Abs. lit. d) DSGVO dem Verantwortlichen obliegt, einer betroffenen Person zu dem Zeitpunkt, zu dem personenbezogene Daten bei ihr erhoben werden, die verfolgten berechtigten Interessen mitzuteilen, wenn diese Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO beruht. Weiter darf das berechtigte Interesse an der Verarbeitung der Daten nicht in zumutbarer Weise ebenso wirksam mit anderen Mitteln erreicht werden können, die weniger stark in die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen, insbesondere die durch die Art. 7 und 8 EUGRCh garantierten Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten, eingreifen. Ferner dürfen Interessen oder Grundfreiheiten und Grundrechte der Person, deren Daten geschützt werden sollen, gegenüber dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten nicht überwiegen; dies erfordert eine Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen, deren Ergebnis grundsätzlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt.
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b) Diese Voraussetzungen für eine rechtmäßige Datenübermittlung liegen hier vor.
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aa) Ein berücksichtigungsfähiges Interesse im Sinne Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO liegt hier jedenfalls mit dem Ziel der Betrugsprävention vor.
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aaa) Was als berechtigtes Interesse zu gelten hat, bestimmt die Vorschrift nicht ausdrücklich näher. Anhalt bietet jedoch der Erwägungsgrund Nr. 47 zur DSGVO. Der Begriff ist im Ausgangspunkt weit zu verstehen und umfasst jedes von der Rechtsordnung anerkannte Interesse. Damit werden nur solche Interessen ausgenommen, die von der Rechtsordnung abgelehnt werden. Zu den anerkannten Interessen zählen nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interessen. Bloße Allgemeininteressen reichen demgegenüber nicht aus. Insbesondere die Betrugsprävention wird in Erwägungsgrund Nr. 47 ausdrücklich genannt. Berechtigte Interessen können sich auch aus den Rechten der Gewinnerzielung (Art. 16 EUGRCh) einschließlich der Vorbereitung von Geschäften (etwa Bonitätsabfragen) ergeben sowie der Verteidigung des eigenen Vermögens (Art. 17 EUGRCh). Berechtigtes Interesse kann nicht nur dasjenige des Verantwortlichen selbst sein, sondern auch ein solches eines Dritten (Art. 4 Nr. 10 DSGVO), das der Verantwortliche fördern will, nicht aber ein Interesse der betroffenen Person (LG Siegen Urt. v. 21.10.2024 – 8 O 43/24, GRUR-RS 2024, 31639 Rn. 46).
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bbb) Danach ist die Betrugsprävention ohne Weiteres als berechtigtes Interesse anzuerkennen. Auch der Kläger hat den Vortrag der Beklagten nicht in Zweifel gezogen, wonach in den Fällen, in denen potentielle Kunden in kurzer Zeit unerklärlich viele Mobilfunkverträge abschließen, auf die Absicht des Kunden geschlossen werden kann, an die teure Hardware zu gelangen, und dass die Auskunfteien dazu nähere Bewertungsmethoden entwickelt haben (OLG Düsseldorf Urt. v. 31.10.2024 – I-20 U 51/24, GRUR-RS 2024, 32757 Rn. 44).
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bb) Unstreitig erfolgte zum Vertragsbeginn durch die Beklagte auch die Mitteilung an den Kläger, dass Positivdaten an die Schufa zum Zwecke des Profilings übermittelt werden (Anlage B2).
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cc) Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. So ist die Übermittlung von sog. Positivdaten über den Abschluss von Verträgen im Vergleich zu stigmatisierenden Negativdaten regelmäßig als deutlich geringfügiger einzustufen. Dies gilt auch deshalb, weil das Fehlen von Positivdaten als den Score-Wert begünstigende Faktoren zu einem „negative bias“ führen kann (LG Kiel Urt. v. 21.2.2025 – 4 O 100/24, GRUR-RS 2025, 3301 Rn. 21-24; Paal, a.a.O., Rn. 19). Soweit teilweise vertreten wird, dass eine Betrugsprävention auch durch mildere Maßnahmen erreicht werden könne, etwa durch eine personalintensivere Akquise mit höheren Kontrollschwellen oder durch geänderte Leistungskonzepte (LG München I, Urteil vom 25.4.2023 – 33 O 5976/22, ZD 2024, 46), werden diese dem hochautomatisierten Massengeschäft der Telekommunikationsdienstleister nicht gerecht und sind in Folge dessen möglicherweise ein milderes, aber kein geeignetes Mittel zur Erreichung des legitimen Interesses (LG Gießen Urt. v. 3.4.2024 – 9 O 523/23, GRUR-RS 2024, 7986 Rn. 17).
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dd) Im Ergebnis überwiegen auch die Interessen oder Grundfreiheiten und Grundrechte des Klägers gegenüber den oben dargestellten berechtigten Interessen von Dritten nicht. Insoweit war zu berücksichtigten, dass die übermittelten Positivdaten keine sensiblen Daten darstellen, sondern solche, die auf einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung zutreffen und die im Ergebnis lediglich die Information vermitteln, dass die Person XY einen Postpaid-Mobiltelefonvertrag abgeschlossen hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die übermittelten Daten in irgendeiner Form eine negative Auswirkung auf den Kläger haben können; insbesondere ist kein negativer Einfluss auf dessen Kreditwürdigkeit zu befürchten. Vielmehr kann, wie oben dargestellt, das Vorhandensein von Positivdaten einen positiven Einfluss auf den die Kreditwürdigkeit darstellenden Score haben. Soweit der Kläger vorträgt, dass die nachfolgende Löschung von Positivdaten einen negativen Einfluss auf den Score haben könne, trifft dies zwar zu. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, weswegen der Score des Klägers dadurch im Ergebnis schlechter stehen sollte, als dieser ohne die zuvor erfolgte Übermittlung gestanden hätte. Darüber hinaus werden, nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten, den Vertragspartnern der Schufa bei entsprechenden Anfragen auch nicht die hier streitgegenständlichen Positivdaten des Klägers mitgeteilt, sondern lediglich der hieraus errechnete Score. Weiter war zu berücksichtigen, dass die Betrugsprävention dem Kläger zwar zunächst nicht unmittelbar persönlich zugute kommt. Allerdings ist die Frage der Bonität für alle Marktteilnehmer für die eigene Preisfindung von besonderer Bedeutung, da eine höhere Unsicherheit durch höhere Preise umverteilt werden muss. Insofern lässt sich jedenfalls ein mittelbarer Nutzen der Meldung auch für den Kläger feststellen (LG Kiel, a.a.O., Rn. 24).
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Insgesamt ist damit von der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung auszugehen.
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2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Unterlassungsantrag des Klägers bereits unzulässig, weil er nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt.
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In dem Antrag wird nicht ausreichend konkret beschrieben, welche Daten des Klägers die Beklagte unterlassen soll zu übermitteln. Denn die vermeintlich eindeutige Definition der „Positivdaten des Klägers“ als „personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags“ enthält weiterhin unbestimmte Rechtsbegriffe bzw. auslegungsbedürftige Formulierungen (Zahlungserfahrungen; nicht vertragsgemäßes Verhalten; Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags), deren Auslegung dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe, was nicht zulässig ist. Bereits aus diesem Grund fehlt es an der notwendigen Bestimmtheit des Unterlassungsantrags, so dass dieser unzulässig ist. (OLG Koblenz, Hinweisbeschluss v. 5.2.2025 – 5 U 1033/24, GRUR-RS 2025, 1765 Rn. 25, 26).
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3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen.
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Dabei kann dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse schlüssig behauptet hat. Denn dieses ist nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung. Wenn die Klage hingegen – wie hier – unbegründet ist, kann sie unabhängig von einem bestehenden Feststellungsinteresse aus sachlichen Gründen abgewiesen werden (BGH, Urteil vom 10.10.2017 – XI ZR 456/16, NJW 2018, 227 Rn. 16; Zöller-Greger, ZPO, 34. Aufl., § 256 Rn. 13).
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zur Klärung einer der geprüften und festgestellten Gesichtspunkte ist nicht geboten. Jedenfalls soweit dies entscheidungserheblich ist, ist die Auslegung der maßgeblichen unionsrechtlichen Begriffe durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt.
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Die Revision war nicht zuzulassen. Die Entscheidung steht nicht im Widerspruch zu Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte. Der Senat hat sich auch an der Rechtsprechung des EuGH orientiert, ohne von dieser abzuweichen. Der Rechtsstreit hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.