Inhalt

OLG München, Endurteil v. 03.04.2025 – 6 U 2414/23 e
Titel:

Verletzungshandlung, Unterlassungsantrag, Berechtigtes Interesse, DS-GVO, Mobilfunkvertrag, Telekommunikationsvertrag, Wirtschaftsauskunftei, Auskunftei, Wegfall der Wiederholungsgefahr, Berufungsinstanz, Begehungsgefahr, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Datenweitergabe, Datenübermittlung, Personenbezogene Daten, Übermittlung, Unterlassungsanspruch, Konkrete Verletzungsform, Internetversteigerung, Erstbegehungsgefahr

Schlagworte:
Unterlassungsanspruch, Datenübermittlung, Wirtschaftsauskunftei, S., Positivdaten, Bestimmtheitsgebot, Abmahnkosten
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 25.04.2023 – 33 O 5976/22
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 7896

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Endurteil des Landgerichts München I vom 25.04.2023 (Az. 33 O 5976/22) abgeändert und die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

I.
1
In der Berufungsinstanz streiten die Parteien noch darüber, ob es der Beklagten erlaubt ist, Daten zur Beantragung, Begründung und Beendigung von Verträgen mit ihren Kunden (nachfolgend: Positivdaten bzw. Vertragsdaten) an eine Wirtschaftsauskunftei zu melden.
2
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein und als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG eingetragen. Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunternehmen, das unter u. a. unter „o2“, „blau“ und „Telefónica“ Mobilfunkleistungen anbietet.
3
Die Klage richtet sich dagegen, dass die Beklagte jedenfalls bis zum 01.09.2022 die genannten Positivdaten an die Auskunftei S. übermittelte. Die S. speicherte diese Information als sog. Servicekonto. U.a. mithilfe der Positivdaten ermittelte die Auskunftei bestimmte Wahrscheinlichkeitswerte, sog. Scorewerte, die die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls beschreiben. Wenn ein Unternehmen bei der Auskunftei eine Anfrage tätigt, erfährt es auf Grundlage des ihm darauf mitgeteilten Scorewerts, wie wahrscheinlich es ist, dass ein potentieller Vertragspartner des Unternehmens seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen wird. Im Zusammenhang mit gemeldeten Mobilfunkverträgen wird ab einer gewissen Zahl von gemeldeten Verträgen dieser Umstand als Hinweis auf Betrug gewertet. Das abfragende Mobilfunkunternehmen wird gewarnt und schließt keine weiteren Verträge mit der Person ab.
4
Die Beklagte beschreibt die Übermittlung von Positivdaten in Ziff. 9 ihres „Datenschutzmerkblatt für Kunden der Telefónica Germany GmbH & Co. OHG“ in der Fassung V3.0 (Anlage K 3; kurz: Datenschutzmerkblatt) unter der Überschrift „Erstellung eines Servicekontos (S. )“ wie folgt:
„9. Datenübermittlung an Auskunfteien
Im Rahmen des Abschlusses sowie der Durchführung und Beendigung von Verträgen arbeiten wir mit folgenden Auskunfteien zusammen:
- S. Holding AG, K.weg 5, 6... W. (im Folgenden: S. “)
- infoscore Consumer D1. GmbH, R1.straße 99, 7... B1.
- CRIF GmbH, L. straße 244, 8... M2.
Im Rahmen von Vertragsabschlüssen mit Geschäftskunden arbeiten wir zudem mit folgenden Auskunfteien zusammen:
- Verband der Vereine Creditreform e.V., Hammfelddamm 13, 4... N.
- Dun & B2. Deutschland GmbH, R2. Str. 11, 6... D2.
Bonitäts- und ldentitätsprüfunq
(…)
Einmeldung von Forderungen
(…)
Erstellung eines Servicekontos (S. )
Wir übermitteln zum Schutz der Marktteilnehmer vor Forderungsausfällen und Risiken personenbezogene Daten über die Beantragung, Aufnahme und Beendigung des Telekommunikationsvertrages (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Information über den Abschluss dieses Telekommunikationsvertrags, Referenz zum Vertrag) an die S. , wenn sich dahingehend aus den Verträgen eine hinreichende Relevanz ergibt (Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO). Für eine zuverlässige Einschätzung der Kreditwürdigkeit ist ein möglichst umfassendes Bild über bestehende finanzielle Verpflichtungen wichtig. Hierzu trägt die Speicherung von Vertragsbeziehungen aus dem Telekommunikationsbereich bei der S. bei. Sollten Sie die Übermittlung an die S. nicht wünschen, schreiben Sie bitte an ...@telefonica.com.
Weitergehende Informationen der Auskunfteien können Sie hier abrufen:
- Schufa: https://www.schufa,de/datenschutz-DS-GVO/
- infoscore & Telekommunikations-Pool: https:I/www.experian.de/selbstauskunft
- CRIF: https:/jwww.crif-de/datenschutz/
- Creditreform: https:/jwww.creditreform.de/datenschutz
- Dun& Bradstreet: https://www.dnb.com/de-de/daten-und-Sicherheit/“
(Anlage K 3, Seite 5 ff.)
5
Mit Schreiben vom 25.01.2022 (Anlage K 4) mahnte der Kläger die Beklagte u.a. wegen entsprechender Datenübermittlung ab.
6
Der Kläger hat vorgetragen, er sei klagebefugt nach UKlaG und § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG.
7
Die Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien sei eine Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DS-GVO. Sie erfolge nicht auf Basis einer Rechtsgrundlage und stelle damit einen Verstoß gegen den datenschutzrechtlichen Rechtmäßigkeitsgrundsatz gemäß Art. 6 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 lit. a) DS-GVO, welche verbraucherschützende und marktverhaltensregelnde Vorschriften seien, dar. Namentlich von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) DS-GVO sei die Datenverarbeitung nicht gedeckt, weil Kunden auch ohne Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien Verträge abschließen könnten. Auch von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO sei die Datenverarbeitung nicht gedeckt, da kein berechtigtes Interesse der Beklagten an der Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien bestehe, welches die Interessen der Betroffenen an dem Schutz ihrer Daten überwiege. Betrugsprävention sei kein berechtigtes Interesse; insoweit seien Positivdaten aus Sicht der Beklagten ggf. besonders praktisch, sie seien aber nicht zwingend erforderlich. Durch die Übermittlung von Positivdaten an die Auskunfteien könne etwa die Identität nicht verifiziert werden.
8
Die Beklagte könne nach ihrem Datenschutzmerkblatt Positivdaten unabhängig von dem konkreten Wert der im Rahmen eines Mobilfunkvertrages individuell zur Verfügung gestellten Hardware übermitteln. Jedenfalls gehe aus dem Datenschutzmerkblatt nicht eindeutig hervor, dass eine gewisse Wertschwelle bzw. eine gewisse Vertragslaufzeit für die Übermittlung der Positivdaten maßgeblich sei.
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Die Klägerin hat – soweit noch relevant – erstinstanzlich zuletzt beantragt
wie erkannt.
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Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat vorgetragen, die von ihr weitergegebenen Daten beträfen lediglich die Sozialsphäre der Betroffenen, nicht ihre Privat- oder gar Intimsphäre. Übermittelt werde lediglich der Zeitpunkt des Beginns und des Endes einer Vertragsbeziehung mit dem Kunden. Das Zahlungsverhalten der Kunden werde nicht überwacht. Positivdaten würden nicht anlasslos an Auskunfteien übermittelt.
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Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht klagebefugt, denn die Klage sei nicht von seinem Satzungszweck gedeckt. Der Unterlassungsantrag sei zudem widersprüchlich und daher unzulässig. Die Beklagte hat weiter gemeint, die Datenverarbeitungen für die Bonitäts- und Identitätsprüfung bei potenziellen Vertragsabschlüssen sei zulässig nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) DS-GVO, denn die Verarbeitung erfolge zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen auf Antrag des Betroffenen und sei zu diesem Zweck notwendig. Die Übermittlung sei im Streitfall außerdem gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO zulässig.
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Mit Urteil vom 25.04.2023, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht – soweit noch relevant – die Beklagte verurteilt,
I. es bei Meidung der aufgeführten Ordnungsmittel künftig zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern nach Abschluss eines Telekommunikationsvertrages sog. Positivdaten, also personenbezogene Daten, die keine negativen Zahlungserfahrungen oder sonstiges, nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beantragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrages darstellen, an Wirtschaftsauskunfteien, namentlich die S. Holding AG, K.weg 5, 6... W., zu übermitteln, wie in Anlage K 3 unter der Überschrift „Erstellung eines Servicekontos (S. )“ beschrieben. [es folgt die Einblendung von Anlage K 3]
II. an den Kläger 260,- Euro (inklusive 19% Umsatzsteuer) zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.06.2022 zu zahlen.
14
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.
15
Sie wiederholt und vertieft zur Begründung ihrer Berufung ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Sie ist der Meinung, das Landgericht habe Tatsachen nicht berücksichtigt, die für die Interessenabwägung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO maßgeblich seien. Eine sorgfältige Interessenabwägung führe zu dem Ergebnis, dass die Einmeldung von Vertragsdaten an die S. durch die Beklagte auf die Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO gestützt werden könne, da die Beklagte ein legitimes Interesse an dieser Einmeldung habe, die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten erforderlich sei und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Betroffenen die Interessen der Beklagten nicht überwögen.
16
Die Beklagte beantragt,
Auf die Berufung der Beklagten wird unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 25.04.2023 (Az.: 33 O 5976/22) die Klage insgesamt abgewiesen.
17
Der Kläger beantragt (nach Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung,
dass Schlüssigkeitsbedenken gegen den Klageantrag bestünden), das Urteil des Landgerichts unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten aufrechtzuerhalten mit der Maßgabe, dass Ziffer I. des Tenors lautet, es bei Meidung der aufgeführten Ordnungsmittel künftig zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern nach Abschluss eines Telekommunikationsvertrages sog. Positivdaten, also personenbezogene Daten, die keine negativen Zahlungserfahrungen oder sonstiges, nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beantragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrages darstellen, an Wirtschaftsauskunfteien, namentlich die S. Holding AG, K.weg 5, 6... W., entsprechend der eigenen Darstellung wie in Anlage K 3 unter „Erstellung eines Servicekontos (S. )“ zu übermitteln, soweit dies
a) auf Basis eines berechtigten Interesses (also ohne Einwilligung oder zur Vertragserfüllung),
b) alleine anhand allgemeiner Kriterien (wie Vertragsart, Laufzeit oder Vertragsvolumen) und
c) ohne Risikoabwägung im Einzelfall erfolgt.“
18
Es folgt Anlage K 3.
19
Der Kläger verteidigt das Ersturteil und macht geltend, die von der Beklagten angeführte Einschränkung, wann sie Daten übermittle, sei so niedrigschwellig, dass faktisch jeder Mobilfunkvertrag hierunter falle.
20
Soweit die Beklagte nach dem erfolgten Vertragsabschluss Daten übermittle, halte die Beklagte keinerlei Informationen zu dem jeweiligen Kunden zurück. Der Datenaustausch nach dem schon abgeschlossenen Vertrag mit dem Kunden helfe der Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, insbesondere nicht zu der behaupteten Betrugsprävention.
21
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2025 Bezug genommen.
II.
22
Die nach § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nummer 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß § 519 Abs. 1, Abs. 2, § 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 520 Abs. 2, Abs. 3 ZPO begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
A.
23
Der Kläger dringt mit seinem Unterlassungsbegehren in der Gestalt, in der er Tenor I des Ersturteils verteidigt, nicht durch.
24
I. Der Unterlassungstrag genügt nicht den an ihn zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen, er ist unzulässig.
25
1. Allerdings ist er nicht widersprüchlich, wie die Beklagte rügt. Diese macht in diesem Zusammenhang geltend, das in Bezug genommene Datenschutzmerkblatt gemäß Anlage K 3 widerspreche dem Unterlassungsantrag, weil nach dem Unterlassungsantrag die Übermittlung an „Wirtschaftsauskunfteien“ untersagt werden solle, während die Anlage K 3 nur bestimmte Auskunfteien nenne, nämlich die S. . Damit dringt sie nicht durch.
26
a) Zwar ist ein Antrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die darauf beruhende Verurteilung – wegen Widersprüchlichkeit unbestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nummer 2 ZPO, wenn der Kläger eine Verallgemeinerungsform wählt, deren abstrakter Inhalt die „Insbesondere“-Variante nicht mehr umfasst. Stellt ein insbesondere-Zusatz kein minus, sondern ein aliud gegenüber dem Antrag dar, kann der Antrag insgesamt, weil in sich widersprüchlich, zu unbestimmt sein (BGH WRP 2016, 869 Rn. 13 – ConText; GRUR 2020, 405 Rn. 15 – ÖKOTEST II; Büscher in: Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht: UWG, 3. Auflage, Rn. 302 zu § 12; Köhler/Feddersen in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage, Rn. 1.46 zu § 12).
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b) So liegt der Fall hier aber nicht. Denn der Antrag bezieht sich auf die Datenübermittlung an Wirtschaftsauskunfteien, namentlich die S. . Bei der S. handelt es sich unstreitig um eine Wirtschaftsauskunftei. „Namentlich“ bedeutet nichts anderes als „insbesondere“, es bedeutet nicht „nämlich“. Aber auch bei dem Verständnis von namentlich als nämlich umfasst der abstrakte Inhalt des Antrags hier die „insbesondere“/“nämlich“-Variante.
28
2. Jedoch geht aus dem nunmehr in der Berufung noch verfolgten Klagebegehren der Verbotsgegenstand nicht hinreichend bestimmt hervor, § 253 Abs. 2 Nummer 2 ZPO
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a) Grundsätzlich darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (statt vieler BGH GRUR 2003, 958 – Paperboy; BGH GRUR 2005, 604, 605 – Fördermittelberatung; GRUR 2007, 607 Rdnr. 16 – Telefonwerbung für „Individualverträge”).
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b) Diesen Anforderungen genügt das vom Kläger in der Berufung verfolgte Verbot nicht.
31
aa) Zwar ist der im Verbotsantrag verwendete Begriff der Positivdaten hinreichend definiert mit „also personenbezogene Daten, die keine negativen Zahlungserfahrungen oder sonstiges, nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beantragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrages darstellen“.
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bb) Der Antrag ist aber im übrigen unbestimmt.
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Verbotsziel des Klägers ist vorliegend keine konkrete Verletzungshandlung. Das in den Antrag einbezogene Datenschutzmerkblatt gemäß Anlage K 3 stellt keine konkrete Verletzungshandlung dar. Mit ihm erfüllt die Beklagte lediglich ihre Pflicht gemäß Art. 13, Art. 14 DS-GVO.
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Der begehrte Antrag benennt auch nicht das Charakteristische der Verletzungshandlung, insbesondere nicht die tatsächliche Handhabung der Datenweitergabe durch die Beklagte. Zudem ist dem Klägervortrag nicht zu entnehmen, dass er – eventuell hilfsweise – diese tatsächliche Handhabung der Datenweitergabe und insbesondere die tatsächlich von der Beklagten hierfür angewandten Kriterien angreift. Vielmehr hebt der Kläger ausdrücklich hervor, dass er die Unterlassung der Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien begehrt, wenn dies nicht ausnahmsweise datenschutzrechtlich legitimiert ist. Damit verlagert er aber die Entscheidung darüber, was der Beklagten verboten ist, ins Vollstreckungsverfahren.
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Letztlich begehrt er damit ein gesetzeswiederholendes Verbot, wie lit. a) seines Unterlassungsantrags mit der Formulierung „auf Basis eines berechtigten Interesses (also ohne Einwilligung oder zur Vertragserfüllung)“ zeigt. Denn dies gibt lediglich den Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DS-GVO wieder. Derartige gesetzeswiederholende Verbote sind grundsätzlich kritisch zu bewerten. Ein Fall, in dem dies ausnahmsweise zulässig wäre (vgl. Köhler/Feddersen in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage, Rn. 1.40 ff. zu § 12), liegt nicht vor.
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Daran ändern auch die in der Berufungsinstanz in den Verbotsantrag eingefügten weiteren Kriterien nichts. So ist unklar, was unter der Datenweitergabe „alleine anhand allgemeiner Kriterien (wie Vertragsart, Laufzeit oder Vertragsvolumen)“ in lit. b) des Antrags oder unter „alleine anhand allgemeiner Kriterien (wie Vertragsart, Laufzeit oder Vertragsvolumen)“ in lit. c des Antrags zu verstehen ist. Der Beklagten wird nicht vor Augen geführt, was ihr verboten werden soll.
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II. Die Klage ist hinsichtlich Tenor I. des Ersturteils in der Gestalt, in der der Kläger den Ausspruch verteidigt, zudem unbegründet, so dass es – ungeachtet des bereits in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweises zur Unschlüssigkeit des zunächst gestellten Antrags und der seitens der Beklagten geäußerten Bestimmtheitsbedenken in Bezug auf den zuletzt gestellten Antrag – keines weiteren Hinweises des Senats bedurfte.
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1. Es fehlt an der Begehungsgefahr als materielle Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch (BGH GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin; GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; GRUR 1983, 127, 128 – Vertragsstrafeversprechen; GRUR 1992, 318, 319 – Jubiläumsverkauf).
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a) Begehungsgefahr liegt vor, wenn entweder die Gefahr eines erstmaligen Wettbewerbsverstoßes drohend bevorsteht (Erstbegehungsgefahr) oder der Anspruchsgegner sich bereits wettbewerbswidrig verhalten hat und Wiederholungsgefahr besteht. Wiederholungsgefahr wird aufgrund einer bereits erfolgten Verletzungshandlung vermutet wird (Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage, Rn. 1.11 f. zu § 8).
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Dabei erstreckt sich die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr grundsätzlich auch auf alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (BGH GRUR 1989, 445, 446 – Professorenbezeichnung in der Ärztewerbung II; GRUR 1991, 672, 674 – Anzeigenrubrik I; GRUR 1993, 579, 581 – R3. GmbH; GRUR 1996, 199 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; GRUR 1996, 800, 802 – EDV-Geräte; GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; GRUR 1999, 509, 511 – Vorratslücken; GRUR 2000, 337, 338 – Preisknaller; GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler; GRUR 2008, 702 Rn. 55 – Internet-Versteigerung III; Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage, Rn. 1.46 zu § 8). Im Kern gleichartig ist ein Verhalten aber nur, wenn es – ohne identisch zu sein – von der Verletzungshandlung nur unbedeutend abweicht (Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage, Rn. 1.47 zu § 8). Entscheidend ist, dass sich das Charakteristische der Verletzungshandlung wiederfindet.
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b) Mit Blick auf diese Grundsätze fehlt es an der Begehungsgefahr für die angegriffene Verhaltensweise. Denn das vom Kläger begehrte Verbot richtet sich gemäß seiner in der Berufungsinstanz aufgenommenen lit. b) und c) gegen die Datenweitergabe soweit dies alleine anhand allgemeiner Kriterien (wie Vertragsart, Laufzeit oder Vertragsvolumen) und ohne Risikoabwägung im Einzelfall erfolgt.
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Davon, dass die Beklagte in diesem Sinne keine Risikoabwägung vornimmt, ist nicht auszugehen. Denn tatsächlich gibt die Beklagte Positivdaten nach ihrem Vortrag nur in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse mit einer Laufzeit von mindestens 12 Monaten und einer kumulierten Grundgebühr von mehr als 100,- Euro weiter, und nur dann, wenn die betroffene Person selbst Vertragspartner war und ein kreditorisches Risiko bei der der Beklagten besteht. Ein solches Risiko nimmt die Beklagte an bei einer Hardwarefinanzierung oder bei der Nutzung von volumen- oder verbrauchsabhängigen entgeltpflichtigen Mehrwertdiensten, also bei Vorleistung durch die Beklagte. Die Beklagte bietet neben solchen Postpaid-Verträgen, mit denen kreditorische Risiken einhergehen, aber auch Prepaid-Verträge an, bei denen sie keine Vertragsdaten weitergibt. Zudem biete sie Verträge ohne vorfinanzierte Hardware oder ohne sonstige Vorleistung an und gibt diesbezüglich ebenfalls keine Vertragsdaten weiter.
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Der diesbezügliche Beklagtenvortrag wurde im Ersturteil als streitig behandelt (LGU, Seite 18/ 19), was hier gemäß § 314 ZPO zugrunde zu legen ist. Er wird vom Kläger aber jedenfalls in der hiesigen Berufungsinstanz nicht mehr in Frage gestellt, so dass § 138 Abs. 3 ZPO greift. Der Kläger hebt nämlich nur hervor, dass diese Kriterien derart niedrigschwellig seien, dass sie von nahezu allen Mobilfunkverträgen erfüllt würden (Berufungserwiderung, Seite 4, Bl. 56 d. Akte des OLG). Einen konkreten Fall, in dem die Beklagte zudem tatsächlich verbotswidrig gehandelt hat, benennt der Kläger ebenfalls nicht.
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2. Der in der Berufungsinstanz verfolgte Unterlassungsanspruch ist zudem zu weit gefasst.
45
Er umfasst auch rechtlich zulässiges Verhalten der Beklagten, insbesondere Verhalten, das unter den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO fällt. Denn das begehrte Verbot greift auch dann, wenn die Beklagte insbesondere die unter lit. b) des Antrags genannten allgemeinen Kriterien der Datenweitergabe derart ausgestaltet, dass die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO erfüllt sind, weil ein berechtigtes Interesse der Beklagten zur Betrugsprävention, die in Erwägungsgrund 46 der DSVGO ausdrücklich erwähnt ist, nicht verneint werden kann und sich die Verarbeitung im unbedingt erforderlichen Umfang hält.
46
Spräche man ein solch allgemeines Verbot der Einmeldung von Positivdaten an Auskunfteien aus, führte dies dazu, dass eine Übermittlung selbst bei datenschutzkonformer Ausgestaltung dieses Prozesses (also unter Darlegung, in welchen Szenarien und unter Vorschaltung interner Prüfprozesse etc. eine Übermittlung erfolgt) untersagt wäre, was mit dem zitierten Erwägungsgrund der DS-GVO nicht übereinstimmen würde. Nicht entscheidend ist, ob das Gericht ein solches zulässiges Szenario benennen kann. Es geht vielmehr darum, der Beklagten einen ihr nach der DS-GVO eingeräumten Spielraum beim Umgang mit Positivdaten zu belassen, den sie in den bestehenden Grenzen gestalten kann (so auch OLG Köln GRUR-RS 2023, 34611).
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Diesem zu weit gefassten Antrag kann auch nicht im Wege der Auslegung als minus entnommen werden, dass jedenfalls ein konkretes Verhalten verboten werden soll (BGH GRUR 2004, 605, 607 – Dauertiefpreise; GRUR 2008, 702 Rn. 32 – Internetversteigerung III; GRUR 2011, 444 Rn. 13 – Flughafen FrankfurtHahn; GRUR 2011, 82 Rn. 37 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer).
48
Voraussetzung hierfür wäre nämlich, dass ohne weiteres feststellbar ist, welche konkrete Verletzungsform auf jeden Fall erfasst sein soll. Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere stellt weder das in den Antrag einbezogene Datenschutzmerkblatt gemäß Anlage K 3 eine konkrete Verletzungsform dar noch grenzen die übrigen in der Berufung aufgenommenen Einschränkungen gemäß seiner weiteren lit. a) und lit. b) den Antrag derart ein, dass nur unzulässiges Verhalten unter den Antrag fällt. Denn danach soll die Datenübermittlung untersagt werden, soweit sie auf Basis eines berechtigten Interesses (also ohne Einwilligung oder zur Vertragserfüllung) und ohne Risikoabwägung im Einzelfall erfolgt. Damit sind weiterhin auch Fälle erfasst, in denen die Beklagte die genannten allgemeinen Kriterien gemäß lit. c) des Antrags derart ausgestaltet, dass die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO erfüllt sind.
49
Zudem gilt, dass eine Abspaltung als „minus“ ausscheidet, wenn der Kläger ausdrücklich an seinem Antrag festhält und eine Einschränkung ablehnt. Denn es ist nicht Sache des Gerichts, einen zu weit gefassten Antrag so umzuformulieren, dass er Erfolg hat oder haben könnte (BGH GRUR 1998, 489, 492 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; GRUR 2002, 187, 188 – Lieferstörung). Hier macht der Kläger durch die erfolgte Umstellung nach Hinweis auf die Unschlüssigkeit seines zunächst gestellten Antrags deutlich, dass er sich pauschal dagegen wendet, Daten über den Vertragsabschluss und die Vertragsbeendigung bei Mobilfunkverträgen an die Schufa zu übermitteln. Er begehrt also ein generelles Verbot und hat sich in Bezug auf die Reichweite des Verbots nie auf die tatsächliche Handhabung der Datenübermittlung durch die Beklagte bezogen.
B. 
50
Die Beklagte hat auch mit ihrer Berufung gegen Tenor II. des Ersturteils (Zahlung der Abmahnkosten nebst Zinsen) Erfolg. Eine für einen solchen Anspruch vorausgesetzte berechtigte Abmahnung liegt nicht vor, denn auch mit seiner Abmahnung vom 25.01.2022 (Anlage K 4) hat der Kläger Ansprüche geltend gemacht, die ihm bereits nach dem (insoweit nicht angegriffenen) Urteil des Landgerichts nicht zustehen und die – was die in der Berufung noch streitigen Fragen betrifft – jedenfalls deutlich zu weit gehen und ebenfalls nicht erkennen lassen, welches konkrete (und zugleich gegen die DS-GVO verstoßende) Verhalten der Kläger beanstandet.
51
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Das Urteil war ohne Abwendungsbefugnis für den Kläger für vorläufig vollstreckbar zu erklären, § 713, § 544 Abs. 2 Nummer 1 ZPO.
52
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 auf Satz 2 Satz 1 Nummer 1 ZPO) hat und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nummer 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.