Titel:
Versäumnisurteil, Basisinformationsblätter, Abmahnungskosten, Risikoklasse, Offener Immobilienfond, Immobilienfonds, Immobilienvermögen, Immobilienmarkt, Immobiliengesellschaft, Immobilienanlage, Immobilien-Sondervermögen, Preisfestsetzung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Vermögensgegenstände, Elektronisches Dokument, Priip, verfassungsmäßig berufener Vertreter, Kosten des Rechtsstreits, Elektronischer Rechtsverkehr, Wiederholungsgefahr
Schlagworte:
Versäumnisurteil, Einspruch, Unterlassungsanspruch, Risikoklasse, PRIIP, Abmahnkosten, Wiederholungsgefahr
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 5923
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.11.2024 wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Kläger vorläufig vollstreckbar; soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt ist, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 27.000,00 €; im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.
Der Streitwert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte bei der Erstellung des gesetzlich vorgeschriebenen Risikoindikators die Risikoklasse für den offenen Immobilienfonds „Unilmmo: Wohnen ZBI“ mit den Klassen „2“ bzw. „3“ richtig angegeben hat.
2
Der Kläger ist ein qualifizierter Verbraucherverband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKIaG eingetragen.
3
Die Beklagte ist eine Kapitalverwaltungsgesellschaft. Sie vertreibt und verwaltet Immobilienfonds für Privatanleger und institutionelle Kunden. Sie verwaltet auch den von ihr aufgelegten und hier gegenständlichen Immobilienfonds „Unilmmo: Wohnen ZBI“ (im Folgenden: UIW), einem Alternativen Investmentfonds (AIF) in Form eines sog. „PRIIP“ (= packaged retail and insurance-based investment product). Die Kerninvestition liegt in Wohnimmobilien. Daneben investiert der Fonds auch in Beteiligungen an Immobiliengesellschaften. Der Fonds richtet sich maßgeblich an Kleinanleger. Er hält Immobilienvermögen im Wert von ca. 1 Mrd. EUR und daneben in Summe ca. 0,3 Mrd. EUR in Forderungen und weiteren Liquiditätsbeständen. Darlehen und sonstige Verbindlichkeiten belaufen sich auf in Summe ca. 0,5 Mrd. EUR.
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Die Immobilien im gegenständlichen Fonds werden bei Erwerb und danach nicht länger als drei Monate mit dem Kaufpreis, anschließend mit dem arithmetischen Mittelwert der von zwei unabhängigen Bewertern ermittelten Verkehrswerte angesetzt. Dieser Wert wird für jede Immobilie alle drei Monate ermittelt (Anlage K 7, S. 92). Die Beklagte lässt für den UIW zu jedem Börsentag einen Rücknahmepreis errechnen. Der Rücknahmepreis ist derjenige Preis, den der Anleger erhält, wenn er seine Fondsanteile an die Beklagte zurückgibt. Der Rücknahmepreis entspricht, ggf. reduziert um einen Rücknahmeabschlag, dem Anteilswert am Fonds. Den Wert jedes Anteils errechnet die Beklagte aus dem Nettoinventarwert des Fonds (Gesamtwert der im Fonds enthaltenen Vermögenswerte abzüglich aller Verbindlichkeiten) geteilt durch die Gesamtmenge der in Verkehr gelangten Anteile.
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Vor dem 11.12.2023 wies die Beklagte für den UIW im Basisinformationsblatt des Fonds einen Gesamtrisikoindikator von „2“ aus, was einer „niedrigen Risikoklasse“ entspricht. Zur Erläuterung hieß es dort ferner: „Das Risiko potenzieller Verluste aus der künftigen Wertentwicklung wird als niedrig eingestuft.“
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Ende Juni 2024 wertete die Beklagte den Rücknahmepreis von 50,74 € auf 42,26 € pro Anteil ab, was einem Preisrückgang von ca. 16,71 % entspricht. Seit dem 17.07.2024 verwendet die Beklagte auf ihrem Basisinformationsblatt einen Gesamtrisikoindikator von „3“ („mittelniedrig“).
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Die BaFin hat die Risikoeinordnung durch die Beklagte bislang nicht beanstandet.
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Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 18.09.2024 ab (Anlage K 4). Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gab die Beklagte nicht ab.
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Der Kläger meint, dass die Beklagte mit ihrer Geschäftspraxis §§ 3, 5 II Nr. 1, 5 a, 5 b IV UWG i.V.m. Art. 3 Nr. 1 i.V.m. Anh. II, Teil 1 Nr. 3, Nr. 8 der Delegierten Verordnung zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 (PRIIP-VO) (= VO (EU) 2017/653; im Folgenden: DelVO) verletze. Der UIW sei weder mit einem Risikoindikator von „2“ noch von „3“ auszuweisen, sondern der Stufe „6“ zuzuordnen. Denn nach Anh. II, Teil 1 Nr. 4 lit. c) der DelVO falle ein PRIIP in die Kategorie 1, wenn er seine Preise nicht mindestens monatlich festsetze. Hierfür sei es die entscheidende Frage, ob eine tägliche Bewertung des Rücknahme- und Ausgabepreises mit einer täglichen Bewertung des Nettoinventarwerts gleichzusetzen sei. Das sei zu verneinen. Vielmehr müsse die Beklagte die im Fonds gehaltenen Immobilien mindestens monatlich bewerten lassen, um den Vorgaben nach Anh. II, Teil 1 Nr. 4 lit. c) der DelVO zu genügen. Denn nur der Nettoinventarwert sei für die Preisfestsetzung in diesem Sinne maßgeblich. Dass die Beklagte täglich Rücknahmepreise errechne, bedeute nicht gleichsam eine tägliche Neubestimmung des Nettoinventarwerts. Der „Nettoinventarwert“ sei das Fondsvermögen, und dieses setze sich beim UIW maßgeblich aus dem Verkehrswert der Immobilienanlagen zusammen. Auch § 251 KAGB spreche nicht gegen dieses Ergebnis, weil es der Beklagten freistehe, auch öfter als im dort vorgegebenen Intervall ihren Nettoinventarwert zu berechnen. Wäre die Preisberechnung i.S.d. DelVO mit der Berechnung täglicher Ausgabe- und Rücknahmepreise identisch, bestehe erhebliches Missbrauchspotenzial. Unabhängig vom intrinsischen Risiko der gehaltenen Vermögensgegenstände sei die Einstufung in Risikoklasse 2 im Grundsatz möglich, solange nur börsentäglich Aus- und Rückgabepreise errechnet würden. Dass der streitgegenständliche Fonds neben Immobilien auch andere Vermögenswerte halte, sei unerheblich, da jedenfalls das Immobilienvermögen des UIW nicht monatlich bewertet werde. Der Kläger meint, dass die Beklagte den Verbraucher durch die falsche Risikobewertung täusche. Denn dieser würde seine Entscheidung überdenken, wenn ihm das höhere Risiko als das, wie es im Basisinformationsblatt angegeben ist, kennen würde.
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Das Gericht erließ am 21.11.2024 antragsgemäß das nachfolgende Versäumnisurteil:
- 1.1.1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, zu
unterlassen,
gegenüber Verbrauchern für einen von der Beklagten aufgelegten Immobilienfonds in Form eines sog. PRIIP (Packaged Retail and Insurance-Based Investment Products/Verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte) ein Basisinformationsblatt zu verwenden, in dem die Beklagte zum Risikoindikator das Risiko in Bezug auf das PRIIP „Unilmmo: Wohnen ZBI#
- 2.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 243,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.11.2024 zu zahlen.
- 3.
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Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- 4.
-
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
11
Das Versäumnisurteil wurde der Beklagten am 23.11.2024 zugestellt. Am 03.12.2024 hat die Beklagte hiergegen Einspruch eingelegt.
12
Die Klägerin beantragt zuletzt,
das Versäumnisurteil vom 21. November 2024 aufrechtzuerhalten.
13
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 21. November 2024 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
14
Die Beklagte meint, ihre Preisfestsetzung erfolge nicht nur monatlich, sondern bereits börsentäglich. Denn der UIW errechne börsentäglich einen Rücknahmepreis. Auf dessen Grundlage könne jeder Anleger des Fonds die gewünschte Auszahlung erhalten.
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Zwar komme es nach den Q&A des Joint Committee der ESAs (im Folgenden: Q&A) für die mindestens monatliche Preisfestsetzung auf die Berechnung des „net asset value“ (= Nettoinventarwert) an, der in § 168 KAGB geregelt sei. In der Errechnung börsentäglicher Rücknahmepreise liege aber zugleich eine börsentägliche Neubestimmung des Nettoinventarwerts. Auf die Häufigkeit der Bewertung der Vermögensgegenstände des UIW komme es dagegen nicht an, wie sich ebenfalls den Q&A entnehmen lasse. Dort werde maßgeblich auf die Bewertung der PRIIP selbst, nicht ihrer Vermögensgegenstände abgestellt. Außerdem dürften die Verkehrswertgutachten über die gehaltenen Immobilien nach §§ 251, 217 KAGB, § 30 I KARBV bis zu drei Monate alt sein.
16
Der Nettoinventarwert sei auch nicht mit dem Wert der vom UIW gehaltenen Immobilien gleichzusetzen. Vielmehr sei beides strikt zu trennen. Denn der Nettoinventarwert setze sich aus allen im Fonds gehaltenen Vermögensgegenständen zusammen, zu denen auch Beteiligungen an Immobilien-Gesellschaften, Wertpapiere, Bankguthaben, Zinserträge, Fest- und Termingelder und laufende Mieterträge aus den Immobilien rechne. Die Rechtsaufassung des Klägers habe entgegen den Vorgaben des KAGB zur Folge, dass die Beklagte nur dann börsentäglich Ausgabe- und Rücknahmepreise berechnen könne, wenn sie auch ihre Immobilien börsentäglich bewerten lasse. Schließlich beruft sich die Beklagte auf vergleichbare Fonds, die sich ebenfalls in die Risikoklasse 2 einstuften, vereinzelt sogar in Risikoklasse 1. Der UIW erfülle daher die Voraussetzungen von PRIIP der Kategorie 2 bzw. 3 nach Anh. II, Teil 1 Ziff. 5 der DelVO.
17
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
18
Hinsichtlich des weiteren tatsächlichen Vorbringens beider Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Verhandlung vom 24.01.2025 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Auf den zulässigen Einspruch der Beklagten wird das Versäumnisurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.11.2024 aufrechterhalten, weil der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Bewertung des UIW mit „2“ (niedrige Risikoklasse) bzw. mit „3“ (mittelniedrige Risikoklasse) gem. § 8 I, III Nr. 3 UWG hat. Die Beklagte hat durch die vorstehende Risikobewertung gegen §§ 3, 3 a, 5 II Nr. 1 UWG i.V.m. Art. 3 Nr. 1, Nr. 2 lit. a) i.V.m. Anh. II, Teil 1 Nr. 4 lit. c), Nr. 8 DelVO verstoßen.
Zulässigkeit des Einspruchs
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Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 21.11.2024, der Beklagten zugestellt am 23.11.2024, ist zulässig. Insbesondere ist er statthaft gemäß § 338 ZPO und er erfolgte durch den Schriftsatz vom 03.12.2024 auch form- und fristgerecht, §§ 339, 340 ZPO. Der zulässige Einspruch versetzt den Prozess in die Lage vor Eintritt der Säumnis zurück, § 342 ZPO.
21
Die Klage ist zulässig.
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1. Insbesondere ist das Landgericht Nürnberg-Fürth sachlich und örtlich zuständig, § 14 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 UWG, §§ 12, 17 ZPO. Es wird ein Anspruch aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb geltend gemacht und die Beklagte hat ihren Sitz in Erlangen.
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Die Kammer für Handelssachen ist funktionell zuständig gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 5, 96 Abs. 1 GVG.
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2. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung klagebefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKIaG eingetragen.
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Die Klage ist begründet.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Bewertung des Immobilienfonds „Unilmmo: Wohnen ZBI“ mit „2“ (niedrige Risikoklasse) bzw. mit „3“ (mittelniedrige Risikoklasse) gem. §§ 8 Abs. 1, 3, 3 a, 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG i.V.m. Art. 3 Nr. 1, Nr. 2 lit. a) i.V.m. Anhang II, Teil 1 Nr. 4 lit. c), Nr. 8 DelVO. Der Kläger hat auch gem. § 13 III UWG gegen die Beklagte Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten, weil die Abmahnung berechtigt war.
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Der Kläger ist als qualifizierter Verbraucherverband eingetragen in die Liste nach § 4 UKIaG und nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG aktivlegitmiert.
2. Geschäftliche Handlung, § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG
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Eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG liegt vor. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG stellt jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt, eine geschäftliche Handlung dar.
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Dies ist hier unzweifelhaft der Fall. Die Bewertung eines Fonds im Gesamtrisikoindikator hängt unmittelbar und objektiv mit dem Abschluss von Verträgen über den Erwerb von Fondsanteilen zusammen. Es handelt sich hierbei um eine Handlung der Beklagten zugunsten des eigenen Unternehmens.
3. Verstoß gegen §§ 3, 3 a, 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG i.V.m. Art. 3 Nr. 1, Nr. 2 lit. a) i.V.m. Anhang II, Teil 1 Nr. 4 lit. c), Nr. 8 DelVO
30
Die Beklagte verstößt gegen §§ 3, 3 a, 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG i.V.m. Art. 3 Nr. 1, Nr. 2 lit. a) i.V.m. Anhang II, Teil 1 Nr. 4 lit. c), Nr. 8 DelVO, indem sie für den hier gegenständlichen Immobilienfonds auf dem Basisinformationsblatt die Risikoklasse „2“ bzw. inzwischen die Risikoklasse „3“ bewirbt (Anlagen K 1 und K 6). Diese Risikobewertung durch die Beklagte entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben.
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a) Bei dem Immobilienfonds UIW der Beklagten handelt es sich unstreitig um ein sog. PRIIP. PRIIP ist das Kürzel für die englische Bezeichnung „Packaged Retail and Insurance-based Investment Products“, d.h. um verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte.
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b) Durch die PRIIP-VO (= Verordnung (EU) Nr. 1286/2014) wurde ein standardisiertes Basisinformationsblatt eingeführt, um die Verständlichkeit von verpackten Anlageprodukten für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukten für Kleinanleger sowie die Vergleichbarkeit solcher Produkte zu verbessern. Damit die Basisinformationen für Kleinanleger leicht verständlich, gut lesbar und einfach vergleichbar dargestellt werden, sollte mit der Ergänzung durch die Delegierten Verordnung (EU) 2017/653 (= DelVO) eine einheitliche Vorlage für das Basisinformationsblatt bereitgestellt werden.
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Gemäß Art. 3 Nr. 1 DelVO haben die PRIIP-Hersteller auf dem Basisinformationsblatt für den Abschnitt „Welche Risiken bestehen und was könnte ich im Gegenzug dafür bekommen?“ die Methodik für die Darstellung von Risiken gemäß Anhang II der DelVO anzuwenden. Nach Art. 3 Nr. 2 i.V.m. Anhang II Teil 3 DelVO haben sie folgende Angaben zu tätigen: Höhe des mit dem PRIIP verbundenen Risikos in Form einer Risikoklasse unter Anwendung eines Gesamtrisikoindikators mit einer numerischen Skala von „1“ bis „7“. Der Gesamtrisikoindikator soll den Verbrauchern eingängig und transparent vermitteln, welches Risiko mit einer konkreten Anlage verbunden ist. Der Gesamtrisikoindikator umfasst die Stufen „1“ bis „7“, wobei „7“ das höchste, „1“ das niedrigste Risiko symbolisiert.
34
Der Gesamtrisikoindikator setzt sich aus einer Aggregation von Marktrisiko-Wert (MRM) und Kreditrisiko-Wert (CRM) zusammen. Beträgt die MRM-Klasse 6, beläuft sich auch der Gesamtrisikoindikator auf 6 – unabhängig von der CRM-Klasse, vgl. Anhang II Teil 3 Ziff. 52 DelVO.
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Nach Anhang II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO sind PRIIP in der „Kategorie 1“ (nicht: Risikoklasse, dazu sogleich) einzustufen, wenn ihre „Preise“ nicht mindestens monatlich festgesetzt werden oder sie keine geeignete Benchmark oder keinen geeigneten Stellvertreter haben oder deren geeignete Benchmark oder geeigneter Stellvertreter nicht mindestens monatlich preislich festgesetzt wird. PRIIPS der Kategorie 1 unterfallen ausschließlich der MRM-Klasse 6, Anhang II Teil 1 Nr. 8 DelVO. Sie wären daher gegenüber Verbrauchern auch immer mit einem Gesamtrisikoindikator von 6 auszuweisen.
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c) Vorliegend haben die „Preise“ unstreitig keine geeignete Benchmark und keinen geeigneten Stellvertreter und deren geeignete Benchmark oder geeigneter Stellvertreter wird nicht mindestens monatlich preislich festgesetzt.
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Die Beklagte bewertet ihre „Preise“ im Sinne der DelVO auch nicht mindestens monatlich. Das Errechnen börsentäglicher Rückgabepreise durch die Beklagte genügt hierfür nicht.
38
aa) Sinn und Zweck von Anhang II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO stehen einer Preisfestsetzung mittels börsentäglich errechneten Rücknahmepreise entgegen. Ausweislich Anhang II Teil 1 Nr. 3 Del-VO erfolgt die Kategorisierung von PRIIP „zur Ermittlung des Marktrisikos“. Das Marktrisiko wird nach Anhang II Teil 1 Nr. 1 DelVO anhand der annualisierten Volatilität entsprechend dem „Value-at-Risk“ gemessen, sprich anhand der jährlichen Wertschwankung eines Investments und dem potenziellen Verlust im angegebenen Zeitraum. Diese – für Anleger eher unübersichtliche – Bewertungsmethode soll über einen Gesamtrisikoindikator vereinfacht und veranschaulicht werden, damit sie auf einfachem Wege eine informierte Anlageentscheidung treffen können. Am zugrundeliegenden Gedanken ändert das nichts. Die Risikoklasse soll ausdrücken, mit welcher Wahrscheinlichkeit und in welchem Umfang Anleger eingelegte Gelder potenziell verlieren können.
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Vor diesem Hintergrund ist auch Anhang II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO zu verstehen. Wenn eine Preisfestsetzung nicht mindestens monatlich erfolgt, erscheint dem Verordnungsgeber das Risiko einer Anlage schon abstrakt – sprich unabhängig von der konkreten Gewinn- und Verlusthistorie – höher. Der Verordnungsgeber muss also bei der Preisfestsetzung in diesem Sinne eine Bewertungsmethode vor Augen gehabt haben, deren Applikation Verbraucher besser über das Risiko der betroffenen Anlage informiert, und die deshalb eine geringere Risikoklasse rechtfertigt.
40
Dieser Anforderung wird die börsentägliche Berechnung eines Rücknahmepreises nicht gerecht.
41
Zwar unterliegt der Kläger einem Missverständnis, wenn er börsentäglich berechnete Rücknahme preise und Börsenpreise gleichsetzt. Der Börsenpreis ist der Preis, zu dem ein Anteil des Immobilienfonds am Markt gehandelt wird. Ein börsentäglich berechneter Rücknahmepreis basiert hingegen maßgeblich auf dem Nettoinventarwert (siehe unter III. 3. c. bb) des Fonds, kann aber auch – mittels Schätzungen – Marktveränderungen berücksichtigen. „Börsentäglich“ bezieht sich nur auf ein Berechnungsintervall für Rücknahmepreise (nämlich an jedem Börsentag), nicht jedoch auf eine Berechnung mittels Börsenkursen.
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Gleichwohl ermöglicht die börsentägliche Berechnung von Rücknahmepreisen keine bessere Risikoabbildung. Denn das Berechnungsintervall von Rücknahmepreisen sagt nichts über das Verlustrisiko des zugrundeliegenden Investments aus, weil den Rücknahmepreisen keine tagesaktuellen, unabhängigen Bewertungen der gehaltenen Immobilien zugrunde liegen. Vielmehr basieren Rücknahmepreise stets auf der zuletzt vergangenen Quartalsbewertung, ohne diese mittels marktgeeigneter Verfahren börsentäglich neu vorzunehmen. Es handelt sich folglich um börsentägliche Neuschätzungen (siehe unter III. 3. c. bb). Diese ermöglichen keine Aussage über das Risikopotenzial einer Anlage.
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bb. Für die mindestens monatliche Preisfestsetzung i.S.v. Anhang II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO ist die Bestimmung des Nettoinventarwerts maßgeblich. Indem die Beklagte börsentäglich Rücknahmepreise errechnet, bestimmt sie nicht gleichsam auch börsentäglich ihren Nettoinventarwert.
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aaa. Das Joint Committee der europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) hat eine konsolidierte Sammlung von Fragen und Antworten (Q&A) in Bezug auf das Basisinformationsblatt von PRIIPs herausgegeben.
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Die Q&A der ESAs stehen zwar in der Normhierarchie unter der Verordnung selbst. Sie dienen aber anerkanntermaßen als Auslegungshilfe (MüKoVVG/Gruber, 3. Aufl. 2024, PRIIP-VO Art. 1 Rn. 22).
46
In den Q&A finden sich folgende Frage und Antwort:
Frage:
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Are the redemption prices of open-ended real estate AlFs „prices“ within the meaning of point 5 of Annex II of the Delegated Regulation? The question arises because the redemption price is determined on the basis of the net asset value (NAV) of the respective fund. For the NAV, the market prices of the AIF properties are determined only once a year. In contrast to UCITS, no market prices of the underlying assets are available on a daily basis.
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Antwort:
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In accordance with point 4(c) of Annex II, Part 1 of the Delegated Regulation, unless there is an appropriate benchmark or proxy which is priced on at least a monthly basis, where the net asset value is calculated on a less regular basis than monthly (e.g. only yearly), the PRIIP would be Category 1.
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Hintergrund der Frage ist ein Fonds, der seinen Nettoinventarwert (net asset value, kurz: NAV) nur jährlich bewerten lässt, aber öfter als monatlich Rücknahmepreise (redemption prices) bestimmt. Nur so ergibt die Frage Sinn, ob auch Rücknahmepreise „Preise“ i.S.v. Anhang II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO seien. Denn wäre dem so, könnte der vom Fragesteller gemeinte Fonds die Anforderungen der genannten Vorschrift erfüllen.
48
Die Antwort der ESAs stellt indes nicht auf den Rücknahmepreis, sondern auf den Nettoinventarwert ab. Maßgeblich für die Preisfestsetzung i.S.d. DelVO ist folglich die Bestimmung des Nettoinventarwerts. Ausweislich der Antwort wäre ein PRIIP, dessen Nettoinventarwert nicht mindestens monatlich berechnet wird, der Kategorie 1 zuzuordnen.
49
Auf den Nettoinventarwert stellen zwar auch beide Parteien ab. Nur meint die Beklagte, der Nettoinventarwert werde durch den Rücknahmepreis sogar börsentäglich, nicht nur monatlich festgesetzt. Das ist unrichtig.
50
Die Beklagte selbst verweist auf § 168 KAGB. Sie will den Begriff des Nettoinventarwerts entsprechend dem dortigen Begriffsverständnis interpretieren. Nach § 168 I 1 KAGB errechnet sich der Nettoinventarwert je Anteil mittels Division des Werts des Publikumsinvestmentvermögens durch die Zahl der in Verkehr gelangten Anteile.
51
Für das Bewertungsverfahren enthält § 168 KAGB weitere Vorschriften. Weil für Immobilien kein handelbarer Kurs verfügbar ist, greift § 168 III KAGB: Für den Wert der Vermögensgegenstände ist der Verkehrswert zugrunde zu legen, „der bei sorgfältiger Einschätzung nach geeigneten Bewertungsmodellen unter Berücksichtigung der aktuellen Marktgegebenheiten angemessen ist“. Der Nettoinventarwert entspricht dem in § 168 I KAGB genannten Publikumsinvestmentvermögen und ist folglich mittels marktgeeigneten Bewertungsmodellen zu bestimmen.
52
Diese Regel wird insbesondere nicht von § 248 I KAGB verdrängt, der nur neben § 168 KAGB zu beachtende, eigenständige Regeln für Immobilien-Sondervermögen aufstellt (vgl. Assmann/Wallach/Zetsche/Kloyer/Kobabe, 2. Aufl. 2022, § 248 KAGB Rn. 2 mit Fn. 2: § 248 II-IV KAGB verändern keine der Bestimmungen des § 168 KAGB). Für Immobilien-Sondervermögen enthält § 30 I, II Nrn. 1-3 KARBV weitere Sondervorschriften. § 30 I KARBV sieht für die Ermittlung von Immobilienwerten ein Ertragswertverfahren vor, das am jeweiligen Immobilienmarkt anerkannt ist.
53
Daraus folgt: Die Beklagte kann, weil sie vornehmlich Immobilien hält, ihren Nettoinventarwert vollständig nur durch die Bewertung der gehaltenen Immobilien bestimmen lassen, was indes nur quartalsweise geschieht. Die börsentäglich errechneten Rücknahmepreise sind daher nicht mit einer Berechnung des Nettoinventarwerts gleichzusetzen. Es handelt sich vielmehr um nur extrapolierte Bestimmungen des Nettoinventarwerts je Anteil. Denn genau kann ihn die Beklagte nicht bestimmen, weil sie das Publikumsinvestmentvermögen des UIW nur quartalsweise sachkundig und unabhängig bewerten lässt.
54
Indem die Beklagte die börsentägliche Berechnung von Rücknahmepreisen mit der Berechnung des Nettoinventarwerts gleichsetzt, verkehrt sie das Verhältnis von Rücknahmepreis und Nettoinventarvermögen. Zwar ist richtig, dass die Beklagte börsentäglich das Ergebnis der Formel aus § 168 I 1 KAGB (sprich: den Rücknahmepreis) neu bestimmt. Wie sich aus den Q&A ergibt, ist aber nicht der Rücknahmepreis für die in der DelVO genannten „Preise“ maßgeblich, sondern der Nettoinventarwert (sprich: der Wert des Publikumsinvestmentvermögens). Diesen bewertet der UIW nicht monatlich. Für den Zeitraum zwischen den quartalsweisen Bewertungen ist der Nettoinventarwert pro Aktie folglich ein hypothetischer Wert. Er nimmt keinen tatsächlichen Nettoinventarwert zur Grundlage, sondern einen prognostizierten. Tatsächlich liegt also gar keine börsentägliche Neubewertung vor, wie es die Beklagte meint. Es handelt sich vielmehr nur um eine börsentägliche Neujustierung der letzten Quartalsbewertung. Mit anderen Worten: Die Beklagte schätzt von Börsentag zu Börsentag ihren Nettoinventarwert neu, setzt ihn aber nur quartalsweise tatsächlich fest. Das erfüllt die Anforderungen von Anhang II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO nicht.
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Auch dringt die Beklagte mit ihrer Rechtsansicht nicht durch, wonach der Nettoinventarwert „strikt“ vom Wert des Publikumsinvestmentvermögens zu trennen sei, wie die Gegenüberstellung von § 168 I 1 und 2 KAGB zeige. Denn der Nettoinventarwert ist nichts anderes als das um Verbindlichkeiten bereinigte Publikumsinvestmentvermögen. Dass § 168 I 1 KAGB vom „Nettoinventarwert“ und § 168 I 2 KAGB vom „Verkehrswerte der zu ihm gehörenden Vermögensgegenstände abzüglich der aufgenommenen Kredite und sonstigen Verbindlichkeiten“ spricht, hat rein sprachliche Bedeutung; bei „Netto-“ handelt es sich um eine schlichte Umschreibung der vorzunehmenden Saldierung von Aktiv- und Passivvermögen. Dieses Begriffsverständnis teilt wie selbstverständlich auch der Gesetzgeber, konkret zum Investmentsteuergesetz (vgl. BT-Drs. 19/5595, 81 unten; ferner BeckOK/Kuhn, 1.10.2024, § 23 InvStG Rn. 19.1: „Gemeint ist der saldierte Wert aller das Investmentvermögen bildenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten.“). Auch die Kommentarliteratur zu § 168 I KAGB setzt den Begriff des Nettoinventarwerts bedenkenlos mit dem um Verbindlichkeiten bereinigten Investmentvermögen gleich (Baur/Tappen/Mehrkhah/Behme/Schultheiß, 4. Aufl. 2020, § 168 KAGB Rn. 31: „Der Nettoinventarwertwert je Anteil oder Aktie wird ermittelt, indem der Nettoinventarwert des offenen Publikumsinvestmentvermögens durch die Zahl der in den Verkehr gelangten Anteile oder Aktien dividiert wird (§ 168 Abs. 1 Satz 1)“; der Autor verwendet hier gerade „Nettoinventarwert“, um den in § 168 I 1 KAGB genannten Wert des Publikumsinvestmentvermögens zu beschreiben).
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Im Übrigen argumentiert die Beklagte zirkulär. Sie meint zunächst, für die Festsetzung der „Preise“ i.S.d. DelVO seien nicht die Rücknahmepreise, sondern der Nettoinventarwert maßgeblich (S. 15 f. der Einspruchsbegründung). Ihre Argumentation stützt sie aber gerade auf die börsentägliche Festsetzung der Rücknahmepreise, deren Bestimmung gleichzeitig eine Festsetzung des Nettoinventarwerts sein soll.
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bbb. Richtig ist zwar, dass der UIW auch weitere Vermögenswerte hält, die zum Publikumsinvestmentvermögen nach § 168 I KAGB – und damit zum Nettoinventarwert – rechnen. Hierbei handelt es sich um liquide Anlagen, deren Wert die Beklagte tatsächlich börsentäglich bestimmt. Aber auch das führt nicht dazu, dass die Beklagte ihre „Preise“ börsentäglich festsetzte. Denn die tägliche Neubewertung liquider Anlagen bezieht sich gerade nur auf einen Teil des Publikumsinvestmentvermögens. Dementsprechend bewertet die Beklagte ihren Nettoinventarwert auch nur teilweise börsentäglich. Das genügt wiederum nicht den Vorgaben der DelVO, die mit „monatlicher Preisfestsetzung“ die monatliche Bewertung des gesamten Nettoinventarwerts meint. Es macht deshalb auch keinen Unterschied, zu welchen Anteilen das Fondsvermögen liquide ist oder ob der Anteil an liquiden Vermögenswerten gar überwiegt, solange ein Teil des Publikumsinvestmentvermögens nicht mindestens monatlich bewertet wird. Selbst wenn es auf das Verhältnis von liquiden Vermögenswerten und Immobilien ankäme, führte das für den UIW nicht zu einem anderen Ergebnis. Sein Aktivvermögen besteht zum weit überwiegenden Teil (nämlich zu ca. 76,92 %) aus Immobilien.
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ccc. Das Vorstehende führt auch nicht dazu, dass die börsentägliche Rückgabemöglichkeit der Anleger über § 168 KAGB unterlaufen würde. Denn nichts hindert die Beklagte, weiterhin die börsentägliche Ausgabe und Rücknahme zu ermöglichen und hierfür Ausgabe- und Rücknahmepreise zu errechnen. Nur kann sie hierüber nicht die Vorgabe monatlicher Preisfestsetzung gem. Anh. II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO erfüllen.
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ddd. Zu Unrecht erkennt die Beklagte in den Vorgaben der DelVO und denen des KAGB einen Widerspruch. Denn beide betreffen unterschiedliche Regelungsbereiche: §§ 231 ff. KAGB enthalten Vorgaben, die von Immobilien-Sondervermögen zwingend einzuhalten sind und bei Verstößen ggf. aufsichtsrechtliche Maßnahmen der BaFin auslösen (vgl. § 5 KAGB). Demgegenüber zwingt Anh. II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO Immobilienfonds nicht zur monatlichen Preisfestsetzung; nur werden sie, sollten sie dieser Vorgabe nicht entsprechen, einer höheren MRM-Klasse zugeordnet. Insoweit haben Fonds also die Wahl, ob sie es bei den Vorgaben des KAGB belassen oder ob sie sich – zugunsten einer niedrigeren MRM-Klasse – in kürzeren Abständen bewerten lassen.
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Anders läge es nur, wenn § 251 I 1 KAGB zwingend ein Bewertungsintervall von drei Monaten vorgäbe und kürzere Intervalle untersagte. Dem ist nicht so. § 251 I KAGB verweist auf und modifiziert § 217 I KAGB, der für offene inländische Publikums-AlF als Mindest intervall eine jährliche Bewertung vorsieht. Aus der Verweisperspektive des § 251 I 1 KAGB gilt also: Offene Immobilienfonds müssen ihre Vermögensgegenstände gem. § 251 I 1 KAGB mindestens quartalsweise bewerten lassen, dürfen die Bewertung aber auch monatlich vornehmen, um Anh. II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO zu entsprechen. Ein Widerspruch zwischen KAGB und DelVO besteht demnach nicht.
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eee. Träfe die Rechtsauffassung der Beklagten zu, könnte sie eine niedrige MRM-Klasse selbst dann für sich beanspruchen, wenn sie ihre Immobilien weitaus seltener als in § 251 I KAGB vorgegeben bewerten ließe. So handhabt es die Beklagte zwar nicht, sondern entspricht der Mindestvorgabe aus § 251 I 1 KAGB. Ihre Argumentation ließe es aber zu, dass ein Fonds, der gehaltene Immobilien nur etwa im ein- oder zweijährigen Turnus bewerten ließe, den Vorgaben aus Anh. II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO entspräche und sich so in alle MRM-Klassen unter 6 einordnen könnte. Dass derartige Szenarien in Deutschland durch § 251 I 1 KAGB praktisch ausgeschlossen sind, kann für die unionsrechtlich autonom auszulegende DelVO nichts heißen. Vielmehr gebietet es der Zweck von Anh. II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO, nicht risikoadäquate Einstufungen zu unterbinden. Gerade hierzu führte aber die Rechtsauffassung der Beklagten.
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Dabei verkennt das Gericht nicht, dass eine monatliche Preisfestsetzung nicht automatisch zur Folge hat, dass ein Fonds der niedrigen MRM-Klasse 2 zuzuordnen ist. Die tatsächliche Zuordnung in die Klassen 1 bis 5 bestimmt sich vielmehr gem. Anh. II Teil 1 Nr. 1 DelVO anhand der annualisierten Volatilität entsprechend dem „Value-at-Risk“. Das ändert aber nichts daran, dass nach der Rechtsansicht der Beklagten einem Fonds niedrigere MRM-Klassen als 6 grundsätzlich zur Verfügung stünden, obwohl dies nach dem Sinn und Zweck von Anh. II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO ausgeschlossen sein müsste.
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fff. Schließlich lässt sich dem Vorstehenden nicht entgegenhalten, eine mindestens monatliche Neubewertung der Immobilien könne Kursstürze nicht verhindern und daher das Risiko der Anlage nicht senken. Denn die Darstellung des Gesamtrisikoindikators nach Anh. III DelVO soll gar nicht risikosenkend wirken. Sie richtet sich nicht an Bestandsanleger, soll diese also auch nicht vor Kursschwankungen schützen. Adressaten sind vielmehr Neuanleger bzw. Anlageinteressenten. Je kürzer das Bewertungsintervall ist, desto schneller können eventuelle Abwertungen der gehaltenen Immobilien aufgedeckt und über einen höheren Gesamtrisikoindikator dem Verbraucher effektiv mitgeteilt werden. Ein mindestens monatliches Bewertungsintervall ermöglicht also genau dasjenige, was Anh. II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO bezweckt: Verbraucher werden vor der Anlageentscheidung besser informiert, weil die Einstufung auf aktuelleren Bewertungen fußt.
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cc) Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf eine weitere Stelle in den Q&A. Diese lautet:
Frage:
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What is the meaning of the term „underlying investments“ in Annex II, Part 1, Points 4-6 for a PRIIP that is an Undertaking for Collective Investment (UCI)? In particular, do we need to look at the portfolio of the UCI itself to determine which Category we should consider the PRIIP?
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Antwort:
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The determination of the PRIIPs’ Category addresses the PRIIP itself, and depends on the pay-off structure and the availability of data. [xxx]If the pay-off of the UCI is linear, it would be classified as Category 2 provided there is enough data available for the calculation. If there is no data, it would be Category 1. If the pay-off is not linear (for example a structured UCITS), it would be a Category 3 product, provided the data history requirements are met.
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Sowohl Antwort und Frage beziehen sich auf sog. UCITS: undertakings for collective investment in transferable securities (zu Deutsch: Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren – OGAW). UCITS werden geregelt durch die Richtlinie 2009/65/EG. Nach Art. 1 II dieser Richtlinie sind UCITS „Organismen, deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren und/oder anderen in Artikel 50 Absatz 1 genannten liquiden Finanzanlagen zu investieren […]“. Daraus folgt: UCITS investieren von vornherein nur in nach §§ 193 ff. KAG abschließend bestimmte Vermögensgegenstände, können folglich nicht unmittelbar Immobilienvermögen halten. Das Anlagespektrum von UCITS ist auf liquide Vermögensgegenstände begrenzt (Assmann/Schütze/Buck-Heeb/Eckhold, 6. Aufl. 2024, § 20 Rn. 52), die insbesondere bestimmte Wertpapiere erfassen (§ 193 KAGB). Für UCITS ist die Antwort in den Q&A daher verständlich. Weil Vermögensgegenstände, die UCITS halten dürfen, liquide sind, bilden tagesaktuelle Marktpreise gleichsam ihren Nettoinventarwert ab. Genau das trifft auf den hier streitgegenständlichen Fonds nicht zu. Der UIW ist nicht als UCIT, sondern als Publikums-AlF gem. § 1 III KAGB strukturiert, für den die §§ 230 ff. KAG gelten. Er investiert nicht in handelbare Vermögensgegenstände, sondern in Immobilien. Der UIW kann seinen Nettoinventarwert daher nicht über Börsenpreise berechnen, sondern muss seine Immobilien mittels anerkannter Verfahren bewerten lassen (s.o.). Anders als die Beklagte meint, handelt es sich beim Begriff „OGAW“ nicht um einen allgemeinen „terminus technicus für Fonds“. OGAW sind vielmehr eine definierte Kategorie von Sondervermögen (§ 1 II KAGB), die das Gesetz in § 1 III KAGB ausdrücklich von AIF unterscheidet („Alternative Investmentfonds (AIF) sind alle Investmentvermögen, die keine OGAW sind.“). Die vorgenannte Stelle in den Q&A ist daher für den streitgegenständlichen Fonds nicht verwertbar.
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dd. Der von der Beklagten unternommene Marktvergleich, wonach sich mehrere offene Immobilienfonds trotz nur quartalsweiser Bewertung im Gesamtrisikoindikator auf Stufe 2 bzw. sogar 1 zugeordnet haben, ist irrelevant. Denn einerseits wird aus den aufgeführten Daten nicht deutlich, ob die genannten Fonds womöglich eine geeignete Benchmark oder einen geeigneten Stellvertreter (Proxy) haben, wie es Anhang II Teil 1 Nr. 4 lit. c) DelVO weiter genügen lässt. Andererseits ändert eine allgemeine, aber gleichsam falsche Praxis nichts an ihrer Unrichtigkeit.
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ee. Ob der UIW die Voraussetzungen der Kategorie 2 gemäß Anhang II, Teil 1 Ziff. 5 der DelVO erfüllt, konnte daher offenbleiben.
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d) Nach § 3 a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
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Die hier verletzten Vorschriften sind unzweifelhaft dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Der Verbraucher, bei dem es sich nach dem Wesen des PRIIP und nach den eigenen Angaben der Beklagten in den Basisinformationsblättern typischerweise um einen „Kleinanleger“ handelt, wird sich in erster Linie an der Risikoeinstufung im Informationsblatt orientieren, um das Risiko einzuschätzen. Die Einstufung nach der Risikoklasse ist für den Verbraucher das entscheidende Kriterium, um auf den ersten Blick das Risiko verlässlich einschätzen zu können. Gibt die Beklagte die Risikoklasse zu niedrig ein, täuscht sie damit den Verbraucher hinsichtlich des Risikos und damit auch über wesentliche Merkmale des Anlageprodukts gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG.
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Die Beklagte ist passivlegitimiert. Nach § 31 BGB analog haftet die Beklagte als juristische Person für ihre Organe sowie für den verfassungsmäßig berufenen Vertreter. Nach § 8 Abs. 2 UWG ist die Beklagte auch dann passivlegitimiert, wenn die Zuwiderhandlungen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen werden.
5. Wiederholungsgefahr, § 8 Abs. 1 S. 1 UWG
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Die durch den Wettbewerbsverstoß begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr ist nicht entfallen, § 8 Abs. 1 S. 1 UWG.
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Der Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten folgt aus § 13 Abs. 3 UWG. Die Abmahnung vom 18.09.2024 ist begründet. Die Abmahnkosten entsprechen nach dem Vortrag des Klägers dem durchschnittlichen Personalkostenaufwand, der dem Kläger bei eigens verfassten Abmahnungen in der Höhe entstehen würde. Gegen die geltend gemachten Kosten in Höhe von 243,51 € brutto wurden keine Einwände erhoben. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Analog § 97 ZPO trägt die Beklagte auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Vorläufige Vollstreckbarkeit
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Der Vollstreckbarkeitstenor basiert auf § 709 S. 1 ZPO hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs, auf § 709 S. 2 ZPO hinsichtlich des Zahlungsanspruchs und im Übrigen auf § 709 S. 3 ZPO.