Titel:
Überprüfung der FRAND-Konditionen bei der Verletzung eines SEP
Normenketten:
AEUV Art. 102
BGB § 242, § 362
EPÜ Art. 64 Abs. 3
PatG § 139 Abs. 1 S. 3
Leitsätze:
1. Da die kartellrechtliche Überprüfung eines dem beklagten Patentverletzers vom klagenden SEP-Inhaber unterbreiteten Lizenzangebots zumeist sehr zeitaufwendig ist und unter Umständen im Rahmen eines Rechtsstreits auch der Hinzuziehung sachverständiger Hilfe bedarf, der Kläger sich aber andererseits gegen eine unberechtigte Nutzung seines Patents effektiv und schnell wehren können muss, ist sicherzustellen, dass die Erhebung des FRAND-Einwands nicht zu einer faktischen Verkürzung der Rechtsposition des Patentinhabers führt, sondern lediglich ein Korrektiv gegen ein (kartellrechtlich) missbräuchliches Verhalten des Unterlassungsklägers darstellt. In diesem Licht sind die vom EuGH in der Entscheidung „Huawei“ (GRUR 2015, 764) genannten Verhandlungsschritte zu sehen.
2. Die – nur auf Einrede des Beklagten zu prüfende – Frage des Missbrauchs der Marktmacht durch den Kläger stellt sich grundsätzlich im Rahmen der Begründetheit, da der FRAND-Einwand letztlich die Einrede des Beklagten beinhaltet, einen Anspruch gegen den Kläger auf Erteilung einer Lizenz (die als FRAND anzusehen ist) zu haben (vgl. BGH GRUR 2021, 585 Rn. 83 – FRAND-Einwand II), so dass es sich in der Sache um einen dolo-agit-Einwand (§ 242 BGB) handelt.
3. Die vom EuGH in der Entscheidung „Huawei“ (GRUR 2015, 764) genannten Verhandlungsschritte sind von den Parteien zwar grundsätzlich einzuhalten. Die strikte Einhaltung dieser Schritte soll aber keinem reinen Selbstzweck dienen. Deshalb ist im Unterlassungsklageverfahren, bei dem es „nur“ darum geht, ob dem in seinen Rechten verletzten Patentinhaber auch die prozessuale Möglichkeit zusteht, seinen Patentanspruch gegen den in Anspruch genommenen Verletzer durchzusetzen, in Bezug auf jeden der vom EuGH aufgeführten Schritte auch nach deren Sinn und Zweck zu fragen und danach, ob sich eine Partei zu einem späteren Zeitpunkt im gerichtlichen Verfahren nach Treu und Glauben auf rein formale „Fehler“ bei einem Schritt in einem früheren Verhandlungsstadium (noch) berufen kann, insbesondere beispielsweise, wenn sie sich in der Folge trotz des „fehlerhaften Schritts“ der Gegenseite gleichwohl auf Lizenzverhandlungen eingelassen hat.
4. Liegen die Voraussetzungen für die Pflicht zur Leistung einer Sicherheit durch den den FRAND-Einwand erhebenden Beklagten vor, muss sich diese der Höhe nach grundsätzlich nach dem (letzten) Angebot des Unterlassungsklägers richten (denn allein auf dieses kommt es für den Erfolg des FRAND-Einwands als dolo-agit-Einwand an). Beinhaltet dieses letzte Angebot eine (weltweite) Portfoliolizenz, muss die Sicherheit die dafür anfallende Lizenzgebühr abdecken und darf nicht auf das Klagepatent isoliert und das Gebiet der Bundesrepublik „heruntergerechnet“ werden. Zudem bedarf es einer qualifizierten Sicherheitsleistung dergestalt, dass durch eine verbindliche Erklärung des Beklagten sichergestellt werden muss, dass der Kläger die Sicherheit erhält, wenn sich sein Angebot am Ende als FRANDgemäß erweist und auch die geltend gemachte Patentverletzung rechtskräftig bejaht wird.
5. Leistet der Patentverletzer keine Sicherheit im vorgenannten Sinne, ist der FRAND-Einwand nicht erfolgreich, ohne dass das klägerische Angebot auf seine FRAND-Gemäßheit hin zu überprüfen ist.
Schlagwort:
Kartellverstoß
Vorinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 30.10.2024 – 6 U 3824/22 Kart
LG München I vom -- – 7 O 14091/1
LG München I, Endurteil vom 25.05.2022 – 7 O 14091/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe vom -- – KZR 10/25
Fundstellen:
WuW 2025, 291
LSK 2025, 5771
GRUR-RS 2025, 5771
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 25.05.2022, Az.: 7 O 14091/19, berichtigt mit Beschluss des Landgerichts vom 15.07.2022, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das landgerichtliche Urteil und das vorliegende Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung von Ziff. I.1., I.4. und I.5. des Urteils des Landgerichts durch (einheitliche) Sicherheitsleistung in Höhe von ... Euro und die Vollstreckung von Ziff. I.2. und I.3. des Urteils des Landgerichts durch (einheitliche) Sicherheitsleistung in Höhe von ... Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird in Bezug auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand (FRAND-Einwand) zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter unmittelbarer und mittelbarer Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
2
Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patents 2 102 619 B1 (Klagepatent).
3
Die V. Corporation hat das Klagepatent gegenüber der standardsetzenden Organisation ETSI als standardessenziell für den EVS-Standard (TS 26.455) deklariert und eine entsprechende FRAND-Erklärung abgegeben.
4
Das Klagepatent wurde am 24.10.2007 angemeldet und nimmt die Priorität der US-Anmeldung US 853749P vom 24.10.2006 in Anspruch. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 22.03.2017 bekanntgemacht.
5
Im parallel von der Beklagten anhängig gemachten Nichtigkeitsverfahren hat das Bundespatentgericht mit Urteil vom 16.09.2022, Az. 4 Ni 12/21 (EP) (Anlage WKS 12) das Klagepatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass (u.a.) die Patentansprüche 10 und 29 des Klagepatents folgende Fassung erhalten:
10. An encoder device for generating a transition mode excitation replacing an adaptive codebook excitation in at least one frame followinq a transition frame in a sound signal, comprising:
a generator of a codebook search target signal;
a transition mode codebook for generating a set of codevectors independent from past excitation, wherein the codevectors of said set each corresponds to a respective transition mode excitation and wherein the transition mode codebook comprises a codebook of glottal impulse shapes;
a searcher of the transition mode codebook for finding the codevector of said set corresponding to a transition mode excitation optimally corresponding to the codebook search target signal.
29. An encoding method for generating a transition mode excitation replacing an adaptive codebook excitation in at least one frame followinq a transition frame in a sound signal, comprising:
generating a codebook search target signal;
providing a transition mode codebook for generating a set of codevectors independent from past excitation, the codevectors of said set each corresponding to a respective transition mode excitation, wherein the transition mode codebook comprises a codebook of glottal impulse shapes;
searching the transition mode codebook for finding the codevector of said set corresponding to a transition mode excitation optimally corresponding to the codebook search target signal.
6
Das Urteil des Bundespatentgerichts ist zwischenzeitlich rechtskräftig geworden, nachdem die Parteien beiderseitig ihre Berufungen in dem beim Bundesgerichtshof unter Az. X ZR 136/22 anhängigen Berufungsverfahren im Termin vom 25.02.2025 zurückgenommen haben (vgl. Anlage ... 17).
7
Die Beklagte hat jedenfalls in der Vergangenheit in Deutschland UMTS (3G)- und LTE (4G)fähige mobile Endgeräte angeboten und vertrieben, die einen Codierer für den „Codes for Enhanced Voice Services (EVS)“ (im Folgenden: EVS-Coder) implementiert hatten. Die Beklagte trägt vor, sie habe zwischenzeitlich (seit Anfang Februar 2022) in Abstimmung mit ihren Herstellern eine Umgehungslösung in die Tat umgesetzt, aufgrund welcher alle in Deutschland angebotenen und vertriebenen Geräte kein EVS mehr unterstützen.
8
Die Klägerin ist der Ansicht, der EVS-Standard verwirkliche die Lehre des Klagepatents.
9
Mit beim Landgericht am 11.10.2019 eingegangener Klage vom 10.10.2019 hat die Klägerin zunächst (gestützt auf die Patentansprüche 10 und 29 in der erteilten Fassung) beantragt, die Beklagte zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung zu verurteilen sowie die Schadensersatzpflicht festzustellen. Später hat sie die Klage auf Unterlassung sowie Vernichtung und Rückruf erweitert. Zuletzt hat die Klägerin ihre Unterlassungsanträge in erster Instanz wie in dem nachfolgend wiedergegebenen Tenor Ziff. I.1 des Ersturteils formuliert. Hierbei hat sie die im Nichtigkeitsverfahren eingeschränkten bzw. geänderten Anspruchsfassungen wiedergegeben und die Anträge zugleich um den unten unter B.I. wiedergegebenen Zusatz ergänzt.
10
Die Beklagte hat in erster Instanz insbesondere die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten, eine Patentverletzung in Abrede gestellt und geltend gemacht, der Unterlassungsanspruch sei unverhältnismäßig. Zudem hat sie den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand (FRAND-Einwand) erhoben.
11
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 25.05.2022, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, im Wesentlichen klageantragsgemäß erkannt wie folgt:
„I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen Geschäftsführer der jeweiligen Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
a) EVSfähige Mobiltelefone
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen,
wobei die Mobiltelefone eine Codiereinrichtung zum Erzeugen einer Übergangsmodus-Anregung, die eine adaptive Codebuch-Anregung in mindestens einem Rahmen ersetzt, der auf einen Übergangsrahmen in einem Schallsignal folgt, wobei das Ersetzen dadurch erfolgt, dass statt des adaptiven Codebuchs ein Übergangsmodus-Codebuch verwendet wird, und das Ersetzen auch nur in einem der Unterrahmen des jeweiligen Rahmens erfolgen kann, mit: einem Erzeuger eines Codebuch-Suchzielsignals, einem Übergangsmodus-Codebuch zum Erzeugen eines Satzes von Codevektoren unabhängig von einer früheren Anregung, wobei die Codevektoren des Satzes jeweils zu einer entsprechenden Übergangsmodus-Anregung gehören und wobei das Übergangsmodus-Codebuch ein Codebuch von glottalen Impulsformen aufweist, einer Sucheinrichtung des Übergangsmodus-Codebuchs zum Auffinden des Codevektors des Satzes, der zu einer Übergangsmodus-Anregung gehört, die dem Codebuch-Suchzielsignal optimal entspricht, aufweisen;
(unmittelbare Verletzung Anspruch 10)
b) EVSfähige Mobiltelefone
in der Bundesrepublik Deutschland Dritten, die zur Nutzung der Lehre des Klagepatents in der Bundesrepublik Deutschland nicht berechtigt sind, zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,
die dazu eingerichtet sind, ein Codierungsverfahren zum Erzeugen einer ÜbergangsmodusAnregung, die eine adaptive Codebuch-Anregung in mindestens einem Rahmen ersetzt, der auf einen Übergangsrahmen in einem Schallsignal folgt, wobei das Ersetzen dadurch erfolgt, dass statt des adaptiven Codebuchs ein Übergangsmodus-Codebuch verwendet wird, und das Ersetzen auch nur in einem der Unterrahmen des jeweiligen Rahmens erfolgen kann, umfassend: Erzeugen eines Codebuch-Suchzielsignals, Bereitstellen eines Übergangsmodus-Codebuchs zum Erzeugen eines Satzes von Codevektoren unabhängig von einer früheren Anregung, wobei die Codevektoren des Satzes jeweils zu einer entsprechenden ÜbergangsmodusAnregung gehören, wobei das Übergangsmodus-Codebuch ein Codebuch von glottalen Impulsformen aufweist, Durchsuchen des Übergangsmodus-Codebuchs zum Auffinden des Codevektors des Satzes, der zu einer Übergangsmodus-Anregung gehört, die dem CodebuchSuchzielsignal optimal entspricht, auszuführen;
(mittelbare Verletzung Anspruch 29)
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 27. September 2019 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin in einem chronologisch geordneten Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 27. September 2019 begangen hat, und zwar unter Angabe:
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie bei Internetwerbung der Internetadressen, der Schaltungszeiträume und der Zugriffszahlen,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob eine bestimmte Lieferung oder ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4. die vorstehend zu Ziffer I.1 a) bezeichneten, seit dem 27. September 2019 im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen;
5. die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz bzw. Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I. 1 a) zu vernichten, oder an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
II.Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziff. I.1. bezeichneten, seit dem 27. September 2019 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.“
12
Das Landgericht hat die Klage lediglich in den Anträgen I.4. und I.5., soweit diese auf den Antrag I.1.b) zurückbezogen waren, abgewiesen, da ein Anspruch auf Vernichtung und Rückruf nicht bestehe, soweit die Beklagte Anspruch 29 des Klagepatents nur mittelbar verletzt habe.
13
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr erstinstanzliches Ziel einer vollumfänglichen Klageabweisung weiterverfolgt.
14
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 25. Mai 2022 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az.: 7 O 14091/19, die Klage abzuweisen.
15
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
16
Im Hinblick auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand hat im vorliegenden Verfahren die Europäische Kommission als amicus curiae sowohl schriftlich als auch im Termin vom 31.10.2024 mündlich Stellung genommen. Der Senat hat den Parteien sowie der Kommission in einem Hinweisbeschluss vom 30.10.2024 seine vorläufige Auffassung bezüglich des FRANDEinwands mitgeteilt und den Parteien im Termin dazu eine Schriftsatzfrist eingeräumt. Die Parteien haben im Nachgang schriftliche Stellungnahmen eingereicht.
17
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2024 Bezug genommen.
18
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die landgerichtliche Verurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren in allen Punkten – jedenfalls im Ergebnis – stand.
19
I. Soweit die Berufung Einwände gegen die Antragsfassung erhebt, greifen diese nicht durch.
20
Die Klägerin hat in ihren in erster Instanz zuletzt gestellten und in der Berufung (in Form des landgerichtlichen Tenors) verteidigten Klageanträgen I.1.a) und b) neben der Wiedergabe des Patentanspruchs in der Fassung des zwischenzeitlich rechtskräftig gewordenen Urteils des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren jeweils folgenden Zusatz mit aufgenommen:
„[…] wobei das Ersetzen dadurch erfolgt, dass statt des adaptiven Codebuchs ein Übergangsmodus-Codebuch verwendet wird, und das Ersetzen auch nur in einem der Unterrahmen des jeweiligen Rahmens erfolgen kann […]“.
21
Dies begegnet entgegen der Auffassung der Berufung keinen rechtlichen Bedenken.
22
Soweit die Beklagte sich darauf beruft, durch die genannten Zusätze in den Anträgen mache die Klägerin eine Anspruchsfassung geltend, die so weder erteilt noch im Nichtigkeitsverfahren verteidigt worden sei, trifft dies nicht zu. Die Klägerin hat vielmehr ausdrücklich klargestellt, dass sie die betreffenden Klageanträge allein auf die eingeschränkte Anspruchsfassung gemäß dem Urteil im Nichtigkeitsverfahren stützt. Die Anträge sind mithin dahingehend zu verstehen, dass unter das begehrte Verbot gerade solche Ausführungsformen fallen sollen, bei welchen statt des adaptiven Codebuchs ein Übergangsmodus-Codebuch verwendet wird und bei welchen das Ersetzen ggf. nur in einem der Unterrahmen des jeweiligen (Folge-)Rahmens erfolgt. Bei den Zusätzen handelt es sich deshalb lediglich um Klarstellungen bzw. Konkretisierungen im Hinblick auf die konkreten angegriffenen Ausführungsformen, wobei die Klägerin dadurch die Reichweite ihres Verbotsantrags zugleich auf derartige Ausführungsformen beschränkt hat. Es kann hierbei dahinstehen, ob eine solche Beschränkung nach der Entscheidung „Blasfolienherstellung“ des BGH (GRUR 2005, 569) vorliegend zwingend geboten gewesen ist; jedenfalls ist eine solche Beschränkung ohne Weiteres zulässig und sogar sinnvoll, um den Streitgegenstand wie auch den Umfang des (begehrten) Unterlassungstitels klar abzugrenzen.
23
Deshalb handelt es sich bei der Antragsfassung auch nicht um eine unzulässige vorweggenommene Auslegung, wie die Beklagte meint. Vielmehr ist im Rahmen der Begründetheit zu prüfen, ob eine derartige Auslegung vom Wortsinn der (als solche durch die Anträge unveränderten) Patentansprüche gedeckt ist, bzw. ob entsprechende Ausführungsformen wie im Antrag umschrieben von deren Schutzbereich erfasst sind.
24
II. Das Landgericht hat zu Recht die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht.
25
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt der Eintragung im Patentregister für die Beurteilung der Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Patents ist, im Rechtsstreit eine erhebliche Indizwirkung zu (BGH, GRUR 2013, 713 Rn. 58 – Fräsverfahren). Die Literatur spricht insoweit gar von einem „hervorragenden“, wenn auch widerlegbaren Beweismittel (Grabinski/Zülch/Tochtermann, in: Benkard, PatG, 12. Aufl., § 139 Rn. 16, unter Verweis auf Rogge, GRUR 1985, 734 [735]).
26
Daher bedarf es in einem Verletzungsrechtsstreit regelmäßig keines weiteren Vortrags oder Beweisantritts, wenn sich eine Partei auf den aus dem Patentregister ersichtlichen Rechtsstand beruft. Eine Partei, die geltend macht, die materielle Rechtslage weiche vom Registerstand ab, muss vielmehr konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt. Welche Anforderungen hierbei zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH, GRUR 2013, 713 Rn. 60 – Fräsverfahren).
27
Der BGH hat hierbei offengelassen, ob die Indizwirkung des Patentregisters im Einzelfall sogar zu einer Umkehr der Beweislast zu Gunsten dessen führen kann, der sich auf den aus dem Patentregister ersichtlichen Rechtsstand beruft (GRUR 2013, 713 Rn. 61 – Fräsverfahren). Jedenfalls aber reicht etwa hinsichtlich eines Übertragungsvorgangs ein einfaches Bestreiten oder ein Bestreiten mit Nichtwissen des Beklagten nicht aus, sondern der Beklagte muss substanziiert Gründe dafür aufzeigen, dass der vorgebliche Patentübergang nicht zutrifft. Soweit sich die Beklagte zum Beleg ihrer gegenteiligen Auffassung in der Berufungsreplik (Technik) vom 15.12.2023 (dort. Rz. 5 a.E.) auf Kühnen, HdP, 15. Aufl., Kap D Rn. 281 beruft, stützt diese Fundstelle ihre Ansicht nicht. Vielmehr ergibt sich daraus gerade das Gegenteil, nämlich (nahezu wörtlich) das Vorgesagte.
28
2. Gemessen an diesen Maßstäben hat die Beklagte die Indizwirkung des Registers vorliegend nicht widerlegt.
29
Aus dem als Anlage ... vorgelegten Registerauszug geht jeweils eine Übertragung des Klagepatents von der V. Corp., Montreal auf die V. EVS LLC, New York (veröffentlicht am 04.04.2019), von dieser auf die V. EVS LLC, Newport Beach (veröffentlicht am 11.07.2019) und schließlich von dieser auf die Klägerin (Verfahrensstandtag: 27.09.2019) hervor.
30
Die Indizwirkung des Registers dafür, dass diese Übertragungsvorgänge der tatsächlichen materiellen Rechtslage entsprechen, hat die Beklagte nicht durch substanziierten Vortrag widerlegt.
31
Sie hat lediglich vorgetragen, die sich aus dem Register ergebende Übertragungskette stehe im Widerspruch zu dem als Anlage ... vorgelegten „Patent Assignment Cover Sheet“, in dem auf S. 1 die V. EVS LLC, Newport Beach als Zessionarin eingetragen sei, wohingegen auf S. 3 der Anlage ... wiederum die V. EVS LLC, New York, als Zessionarin genannt worden sei. Dies hat die Klägerin plausibel damit erklärt, dass es sich bei der V. EVS LLC, Newport Beach und der V. EVS LLC, New York jeweils um ein und dieselbe Gesellschaft handele, und lediglich zeitlich zwischen dem Patenterwerb von der V. Corp. und dem Registerumschreibungsantrag ein Sitzwechsel der V. EVS LLC stattgefunden habe.
32
Es kann dahinstehen, ob die Beklagte diesem Vortrag in der Folge in erster Instanz nicht mehr entgegengetreten ist, wie es das Landgericht angenommen hat. Denn ein einfaches Bestreiten oder Bestreiten mit Nichtwissen des erfolgten Sitzwechsels ist insoweit nicht ausreichend. Vielmehr hätte die Beklagte (weitere) konkrete Anhaltspunkte dafür vortragen müssen, die gegen die Richtigkeit der klägerischen Ausführungen und der Registerlage sprechen. Da dies nicht erfolgt ist, verbleibt es hinsichtlich der materiellen Anspruchsberechtigung der Klägerin bei der Indizwirkung des Patentregisters.
33
Es kommt mithin auch nicht (mehr) darauf an, dass sich aus den von der Klägerin vorgelegten Anlagen ... nicht ergebe, dass es sich bei der V. EVS LLC New York und der V. EVS LLC Newport um ein und dasselbe Unternehmen handele, wie die Beklagte meint. Denn eine entsprechende Beweislast traf die Klägerin jedenfalls unter den gegebenen Umständen nicht.
34
III. Das Landgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machen.
35
1. Das Klagepatent betrifft eine Technik zur digitalen Codierung eines Schallsignals, z. B. eines Sprach- oder Audiosignals, im Hinblick auf dessen Übertragung und Synthese (Abs. [0001]).
36
Insbesondere bezieht sich die Erfindung auf ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Codierung sog. Übergangsrahmen („transition frames“) und Rahmen, die auf den Übergang in einem Schallsignal folgen, um die Fehlerfortpflanzung am Decodierer im Falle einer Rahmenlöschung zu reduzieren und/oder die Codiereffizienz vor allem am Anfang von stimmhaften Segmenten (sog. „Onset“-Frames) zu erhöhen (Abs. [0002]).
37
a) Zum Stand der Technik führt das Klagepatent aus, dass ein Sprachcodec aus zwei grundlegenden Teilen besteht, nämlich einem Codierer und einem Decodierer (Abs. [0029]). In Abs. [0003] wird ausgeführt, dass ein Sprachcodierer ein Sprachsignal in einen digitalen Bitstrom umwandelt, der über einen Kommunikationskanal übertragen oder in einem Speichermedium gespeichert wird. Das Sprachsignal wird digitalisiert, d.h. abgetastet und mit normalerweise 16 Bits pro Abtastung quantisiert. Der Sprachcodierer hat die Aufgabe, diese digitalen Abtastwerte mit einer geringeren Anzahl von Bits darzustellen und dabei zugleich eine gute subjektive Sprachqualität zu gewährleisten. Der Sprachdecodierer bearbeitet den übertragenen oder gespeicherten Bitstrom und wandelt ihn wieder in ein Sprachsignal um.
38
Gemäß Abs. [0004] war eine der zum Prioritätszeitpunkt besten im Stand der Technik verfügbaren Techniken zur Erzielung eines Kompromisses zwischen guter Qualität des Tonsignals und geringer Bitrate die sogenannte CELP-Technik (Code Excited Linear Prediction). Bei dieser Technik wird das abgetastete Sprachsignal in aufeinanderfolgenden Blöcken von M Abtastwerten verarbeitet, die üblicherweise als Rahmen (Frames) bezeichnet werden, wobei M eine vorbestimmte Anzahl ist (entsprechend 10 bis 30 ms Sprache). Der Rahmen mit M Abtastwerten ist weiter in kleinere Blöcke, die Unterrahmen (Subframes), unterteilt. Für jeden Unterrahmen wird ein Anregungssignal („excitation signal“) aus zwei Komponenten erzeugt, dem stimmhaften Anregungssignal, das aus dem adaptiven Codebuch gewonnen wird und grundsätzlich periodischer Natur ist, und dem innovativen Anregungssignal, das aus dem innovativen bzw. festen Codebuch gewonnen wird und nicht periodisch ist (vgl. Abs. [0004] und [0029]).
39
Nach Abs. [0005] verlassen sich Sprachcodecs vom Typ CELP stark auf Vorhersage, um ihre hohe Leistung zu erzielen. Die verwendete Vorhersage kann von unterschiedlicher Art sein, umfasst jedoch üblicherweise die Verwendung eines adaptiven Codebuchs, das ein in früheren Rahmen ausgewähltes (stimmhaftes) Anregungssignal enthält. Ein CELP-Codierer nutzt daher die Quasi-Periodizität des gesprochenen Sprachsignals aus, indem er in der vergangenen Anregung das Segment sucht, das dem momentan codierten Segment am ähnlichsten ist, um den gegenwärtigen Rahmen bestmöglich zu konstruieren. Da dieses vorhergehende Segment auch im Decodierer vorhanden ist, muss an diesen zur Bestimmung des stimmhaften Anregungssignals neben einem Verstärkungsfaktor („gain“) nur noch mitgeteilt werden, welches der vorhergehenden Segmente aus dem adaptiven Codebuch im Rahmen des Decodierungsvorgangs verwendet werden soll, was zu einer Einsparung der zu übertragenden Bits führt (vgl. Abs. [0005] und [0029]). Bei stimmhaften Segmenten eines Sprachsignals, wenn dieses quasi-periodisch ist, ist dieses Vorgehen sehr effizient, sofern keine Rahmen bei der Übertragung verlorengehen (vgl. Abs. [0038]).
40
Besonders problematisch ist der Verlust von Rahmen bei Übergängen von einem stimmlosen („unvoiced“) Sprachsegment zu einem stimmhaften („voiced“) Sprachsegment oder bei Übergängen zwischen zwei unterschiedlichen stimmhaften Segmenten (z.B. Übergänge zwischen zwei Vokalen). Wenn beispielsweise ein Übergang von einem stimmlosen Sprachsegment zu einem stimmhaften Sprachsegment (stimmhafter Beginn/Ansatz) verloren geht, ist der Rahmen unmittelbar vor dem stimmhaften AnsatzRahmen stimmlos oder inaktiv, und daher wird im Puffer der vergangenen Anregung (adaptives Codebuch) keine sinnvolle periodische Anregung gefunden. Die meisten Techniken zum Verbergen von Rahmenfehlern verwenden daher in einem solchen Fall die Informationen des letzten korrekt empfangenen Rahmens. Wenn der Ansatzrahmen verloren geht, wird somit der Puffer des Decodierers für die vergangene Anregung unter Verwendung der rauschartigen Anregung des vorherigen Rahmens (stimmloser oder inaktiver Rahmen) aktualisiert. Der periodische Teil der Anregung fehlt somit im adaptiven Codebuch des Decodierers nach einem verlorenen stimmhaften Ansatz vollständig und es kann bis zu mehreren Rahmen dauern, bis der Decodierer sich von diesem Verlust erholt hat (vgl. Abs. [0007]).
41
Eine ähnliche Situation tritt bei einem Verlust eines Übergangs von stimmhaft zu stimmhaft auf. In diesem Fall weist die Anregung, die in dem adaptiven Codebuch vor dem Übergangsrahmen gespeichert ist, typischerweise deutlich andere Eigenschaften gegenüber der Anregung auf, die in dem adaptiven Codebuch nach dem Übergang gespeichert ist. Da der Decodierer normalerweise den verlorenen Rahmen unter Verwendung der vorherigen Rahmeninformationen verbirgt, ist der Zustand des Codierers und der des Decodierers wiederum sehr unterschiedlich, und das synthetisierte Signal kann unter einer beträchtlichen Verzerrung leiden (vgl. Abs. [0008]).
42
b) Das Klagepatent kritisiert an diesem Stand der Technik, dass insoweit zwar Techniken be-kannt gewesen seien, um negative Auswirkungen von Rahmenverlusten auf die Qualität der vom Decodierer zu rekonstruierenden Sprache zu vermeiden. Jedoch seien diese Techniken nicht sehr effizient, denn die Qualität der synthetisierten Sprache verringere sich signifikant (vgl. Abs. [0038]). Doch auch unabhängig vom Verlust von Rahmen sei das adaptive Codebuch für die Codierung von Übergangsrahmen nicht besonders effizient, da CELP mittels des adaptiven Codebuchs bei der Codierung die Periodizität von Sprache ausnutze. Bei Übergängen im Schallsignal liege jedoch entweder keine oder nur eine geringe Periodizität vor, so dass die Effizienz der Codierung abnehme (vgl. Abs. [0039]).
43
c) Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Codieren von Übergangsrahmen und Rahmen, die auf einen Übergang folgen, in einem prädiktiven Sprach- und/oder Audiocodierer bereitzustellen, um die Robustheit des Codierers gegenüber verlorenen Rahmen und/oder die Codiereffizienz zu verbessern, sowie die Fehlerfortpflanzung zu eliminieren (vgl. Abs. [0010] und [0011]).
44
d) Zur Lösung schlägt das Klagepatent in seinen Ansprüchen 10 und 29 (in der eingeschränkten Fassung gemäß dem rechtskräftigen Urteil des Bundespatentgerichts) eine Codiervorrichtung und ein Codierungsverfahren vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
1. Codiereinrichtung zum Erzeugen einer Übergangsmodus-Anregung, die eine adaptive Codebuch-Anregung ersetzt
1.1 in mindestens einem Rahmen, der auf einen Übergangsrahmen in einem Schallsignal folgt, mit:
2. einem Erzeuger eines Codebuch-Suchzielsignals,
3. einem Übergangsmodus-Codebuch zum Erzeugen eines Satzes von Codevektoren unabhängig von einer früheren Anregung,
3.1 wobei die Codevektoren des Satzes jeweils zu einer entsprechenden Übergangsmodus-Anregung gehören und
3.2 wobei das Übergangsmodus-Codebuch ein Codebuch von glottalen Impulsformen aufweist,
4. einer Sucheinrichtung des Übergangsmodus-Codebuchs zum Auffinden des Codevektors des Satzes, der zu einer Übergangsmodus-Anregung gehört, die dem CodebuchSuchzielsignal optimal entspricht.
1. Codierungsverfahren zum Erzeugen einer Übergangsmodus-Anregung, die eine adaptive Codebuch-Anregung ersetzt
1.1 in mindestens einem Rahmen, der auf einen Übergangsrahmen in einem Schallsignal folgt, umfassend.
2. Erzeugen eines Codebuch-Suchzielsignals;
3. Bereitstellen eines Übergangsmodus-Codebuchs zum Erzeugen eines Satzes von Codevektoren unabhängig von einer früheren Anregung,
3.1 wobei die Codevektoren des Satzes jeweils zu einer entsprechenden Übergangsmodus-Anregung gehören,
3.2 wobei das Übergangsmodus-Codebuch ein Codebuch von glottalen Impulsformen aufweist;
4. Durchsuchen des Übergangsmodus-Codebuchs zum Auffinden des Codevektors des Satzes, der zu einer Übergangsmodus-Anregung gehört, die dem Codebuch-Suchzielsignal optimal entspricht.
45
2. Die Parteien streiten über die Auslegung der Merkmale 1 und 1.1.
46
a) Maßgeblicher Fachmann, dessen Fachwissen bei der Auslegung der Patentansprüche zu berücksichtigen ist, ist vorliegend ein Ingenieur der Elektro-, Informations- oder Nachrichtentechnik mit Universitätsabschluss (Diplom oder Master) und mehrjähriger Berufserfahrung sowie einschlägigen Kenntnissen auf dem Gebiet der digitalen Signalverarbeitung, insbesondere der Codierung von Audiodaten, dem zum Prioritätszeitpunkt die einschlägigen Verfahren zur Audiodatencodierung, wie insbesondere CELP, sowie deren jeweilige Besonderheiten, Vorteile und Grenzen, geläufig waren. Dieser Fachmann ist auch mit den entsprechenden Standards und den im Rahmen der Standardisierungsprozesse diskutierten Beiträgen zur Weiterentwicklung bestehender Standards vertraut.
47
b) Merkmal 1 sieht vor, dass eine zu erzeugende Übergangsmodus-Anregung eine adaptive Codebuch-Anregung ersetzt.
48
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Ersetzen einer adaptiven Codebuch-Anregung durch eine Übergangsmodus-Anregung nicht (zwingend) voraussetzt, dass eine konkrete, zunächst erzeugte Codebuch-Anregung ersetzt wird, sondern dass ein Ersetzen im genannten Sinne – jedenfalls auch – vorliegt, wenn die adaptive Codebuch-Anregung generell bzw. von vornherein durch eine Übergangsmodus-Anregung ersetzt wird, indem das adaptive Codebuch durch ein Übergangscodebuch (glottales Codebuch) ersetzt wird.
49
Der Anspruchswortlaut lässt entgegen der Auffassung der Beklagten beide Auslegungsvarianten gleichermaßen (alternativ oder kumulativ) zu. Denn auch im letztgenannten Fall wird nicht nur – entgegen dem Wortlaut, wie die Beklagte meint – das adaptive Codebuch durch ein Übergangscodebuch ersetzt. Vielmehr wird auch in diesem Fall ebenfalls die adaptive CodebuchAnregung, die sich nach dem Stand der Technik „normalerweise“ an dieser Stelle befindet, durch eine Übergangsmodus-Anregung ausgetauscht und damit „ersetzt“.
50
Auch beziehen sich die Wörter „zum Erzeugen“ („for generating“) lediglich auf die Übergangsmodus-Anregung („transition mode excitation“). Nur eine solche muss nach dem Anspruchswortlaut mithin zwingend „erzeugt“ werden, nicht aber eine adaptive Codebuch-Anregung („adaptive codebook excitation“). Diese muss gemäß dem Wortlaut von Merkmal 1 lediglich „ersetzt“ („replacing“) werden.
51
Durch die Beschreibung wird sodann bestätigt, dass das Klagepatent ein Ersetzen der adaptiven Codebuch-Anregung – zumindest auch – im Sinne eines generellen Ersetzens der adaptiven Codebuch-Anregung (und nicht nur konkreten Ersetzens einer erzeugten adaptiven CodebuchAnregung) versteht. So spricht das Klagepatent insbesondere in den Abs. [0002], [0022] und [0064] ausdrücklich davon, dass die Erfindung beinhaltet, das adaptive Codebuch durch ein glottales Codebuch zu ersetzen.
52
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich insoweit auch nicht nur um nicht anspruchsgemäße Ausführungsbeispiele, auf deren Schutz der Anmelder durch die gewählte Anspruchsfassung verzichtet habe. Zum einen beschreibt insbesondere Abs. [0002] nicht nur ein Ausführungsbeispiel, sondern – sozusagen vor die Klammer gezogen – die Erfindung allgemein („the present invention“). In Abs. [0002] wird hierbei ausschließlich ein Ersetzen des adaptiven Codebuchs durch ein glottales Codebuch genannt, nicht aber ein Ersetzen einer zunächst erzeugten konkreten Codebuch-Anregung durch eine Übergangsmodus-Anregung. Zum anderen könnte von einer Auswahlentscheidung nur ausgegangen werden, wenn der Anspruchswortlaut und die Beschreibung in einem Widerspruch zueinander stünden, der sich auch durch eine Auslegung anhand der Beschreibung nicht auflösen lässt (vgl. BGH, GRUR 2011, 701 Ls. 1 u. Rn. 23 f. – Okklusionsvorrichtung). Vorliegend lässt der Anspruchswortlaut – wie oben dargelegt – aber zwanglos beide Auslegungsvarianten gleichermaßen zu und lassen sich die Abs. [0002], [0022] und [0064] der Beschreibung daher ohne Weiteres als Erläuterung der Ansprüche dahingehend lesen, dass Merkmal 1 (jedenfalls auch) ein (generelles) Ersetzen der adaptiven Codebuch-Anregung durch ein Ersetzen des adaptiven Codebuchs durch ein glottales Codebuch (mit) umfasst. Ein unauflösbarer Widerspruch zwischen den Ansprüchen und der Beschreibung liegt daher nicht vor. Eine Auswahlentscheidung scheidet somit aus.
53
Gegen eine Auswahlentscheidung spricht ferner, dass in den Abs. [0013] bis [0018] eine abweichende Ausführungsform, bei welcher ein konkretes Ersetzen einer zunächst erzeugten adaptiven Codebuch-Anregung stattfindet, entgegen der Auffassung der Beklagten nicht ausdrücklich beschreiben wird. Vielmehr heißt es dort jeweils: „for producing [generating] a transition mode excitation replacing an adaptive codebook excitation“. Dies entspricht (weitgehend) dem Wortlaut der Ansprüche 10 und 19, der indes – wie oben ausgeführt – nicht zwingend ein Erzeugen einer adaptiven Codebuch-Anregung, die (erst) sodann ersetzt wird, voraussetzt, sondern auch ein Ersetzen des adaptiven Codebuchs durch ein Übergangsmodus-Codebuch umfasst. Ebenso, wie die Ansprüche und Abs. [0002], [0022] und [0064] nicht in einem Widerspruch zueinander stehen und sich nicht gegenseitig ausschließen, trifft dies daher auch auf das Verhältnis zwischen Abs. [0002], [0022] und [0064] und Abs. [0013] bis [0018] der Beschreibung zu.
54
c) Nach Merkmal 1/1.1 findet die Ersetzung der adaptiven Codebuch-Anregung in mindestens einem Rahmen, der auf einen Übergangsrahmen in einem Schallsignal folgt (im Folgenden: Folgerahmen), statt.
55
Das Landgericht ist hierbei zutreffend davon ausgegangen, dass insoweit eine Ersetzung der adaptiven Codebuch-Anregung nicht in dem kompletten Folgerahmen stattfinden muss, sondern es genügt, wenn nur eine (einzige) Codebuch-Anregung in nur einem Unterrahmen (Subframe) ersetzt wird.
56
So spricht bereits der Anspruchswortlaut nur von einer adaptiven Codebuch-Anregung, die zu ersetzen ist, und nicht von sämtlichen adaptiven Codebuch-Anregungen in einem Rahmen.
57
Ferner überzeugt auch das Argument der Berufung, in Merkmal 1.1 sei von „Rahmen“ und nicht von „Unterrahmen“ die Rede, nicht. Denn das Merkmal gibt vor, dass die Ersetzung „in […] einem Rahmen“ erfolgt. Auch wenn die Ersetzung nur einer (von mehreren) adaptiven Codebuch-Anregungen in einem (von mehreren) Unterrahmen erfolgt, geschieht dies innerhalb des (Haupt-)Rahmens, in dem sich der jeweilige Unterrahmen befindet, und damit „in einem Rahmen“ gemäß dem Anspruchswortlaut.
58
Es ist zudem nicht ersichtlich, dass und weshalb die Formulierung „in […] einem Rahmen“ zwingend als „in dem gesamten Rahmen“ verstanden werden muss, wie die Beklagte meint.
59
Auch im Übrigen bestätigt das Klagepatent diese Auslegung. So sieht das Klagepatent nicht nur in Abs. [0072] ff. der Beschreibung ein Ersetzen der adaptiven Codebuch-Anregung lediglich in einzelnen Unterrahmen als vorzugswürdig an. Vielmehr sehen vor allem auch die auf die Ansprüche 10 bzw. 29 rückbezogenen Unteransprüche 15 und 33 ein Verwenden des Übergangsmodus-Codebuchs (und damit ein Ersetzen der adaptiven Codebuch-Anregung) in nur einem bestimmten Unterrahmen ausdrücklich vor.
60
Nach alledem genügt für die Verwirklichung des Merkmals 1/1.1 deshalb ein Ersetzen einer (einzigen) adaptiven Codebuch-Anregung in nur einem Unterrahmen eines Folgerahmens. Dieses Ergebnis steht entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht im Widerspruch zur obigen Auslegung, wonach auch das (komplette) adaptive Codebuch anstatt einer konkreten, bereits erzeugten Codebuch-Anregung ersetzt werden darf. Denn es wird in diesem Fall schlicht nur in Bezug auf eine adaptive Codebuch-Anregung in einem Unterrahmen das adaptive Codebuch durch das glottale Übergangscodebuch ersetzt (und damit diese einzelne Codebuch-Anregung durch eine Übergangsmodus-Anregung).
61
d) Der Berufung kann ferner nicht darin gefolgt werden, dass Merkmal 1/1.1 voraussetzt, dass ein Ersetzen der adaptiven Codebuch-Anregung ausnahmslos in jedem Folgerahmen stattzufinden habe.
62
Die Beklagte stützt diesen – erstmals in der Berufungsinstanz vorgebrachten – Auslegungsgesichtspunkt maßgeblich auf die Ausführungen des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren in dem qualifizierten Hinweis vom 20.07.2022 (Anlage ...) sowie zuletzt im (rechtskräftig gewordenen) Urteil vom 16.09.2022 (Anlage WKS 12). So heißt es u.a. in Letzterem auf S. 45:
63
Auch wenn der vorgenannte letzte Satz (vgl. zudem BPatGU, S. 52, letzter Abs. zur Druckschrift „Paksoy“) die Auffassung der Beklagten zu stützen scheint, können die entsprechenden Ausführungen des Bundespatentgerichts aus Sicht des Senats nicht verallgemeinernd in diesem Sinne verstanden werden. Diese sind vielmehr im konkreten Zusammenhang zu sehen, in dem sie im Nichtigkeitsverfahren erfolgt sind. Mit den vorstehend zitierten Ausführungen ist das Patentgericht dem Vorbringen der hiesigen Beklagten im Nichtigkeitsverfahren entgegengetreten, wonach ein Ersetzen einer adaptiven Codebuch-Anregung in einem Folgerahmen im Sinne des Klagepatents auch dann vorliege, wenn eine entsprechende Ersetzung an sich (nur) in Übergangsrahmen vorgesehen ist, aber tatsächlich zwei oder mehrere Übergangsrahmen aufeinanderfolgen. Das Bundespatentgericht wollte daher in erster Linie zum Ausdruck bringen, dass die Qualifikation als Folgerahmen allein davon abhängt, ob es sich bei dem vorangegangenen Rahmen um einen Übergangsrahmen gehandelt hat, und es insofern nicht ausreicht, dass es sich bei dem nachfolgenden Rahmen zufällig ebenfalls um einen Übergangsrahmen handelt. Das Ersetzen der adaptiven Codebuch-Anregung in dem betreffenden Rahmen muss also gerade deswegen stattfinden, weil der Rahmen auf einen Übergangsrahmen folgt, also ein Folgerahmen ist. Dass die Auslegung des Bundespatentgerichts vor allem in diesem Sinne zu verstehen ist, legen aus Sicht des Senats auch die Ausführungen auf S. 59/60 BPatGU zur Druckschrift „Da Silva“ nahe, insbesondere, soweit es dort heißt:
64
Ungeachtet dessen kann der Auslegung der Beklagten, wonach ein Ersetzen im Sinne von Merkmal 1/1.1 in jedem Folgerahmen stattfinden muss, jedenfalls nicht gefolgt werden. Denn für eine derartige Einschränkung finden sich weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung des Klagepatents irgendwelche Anhaltspunkte. Dies zeigt sich auch daran, dass die Beklagte selbst diesen Aspekt erstmals im Laufe des Berufungsverfahrens (nach Kenntniserlangung von dem dritten Hinweis des Bundespatentgerichts) vorgebracht hat.
65
Richtigerweise ist das Merkmal mithin dahingehend auszulegen, dass ein (potenzielles) Ersetzen einer Codebuch-Anregung in einem Rahmen zwar (in einem ersten Schritt) daran anknüpfen muss, dass es sich bei dem Rahmen um einen Folgerahmen handelt (also einen solchen, der auf einen Übergangsrahmen folgt). Dies schließt es allerdings nicht aus, dass eine Ersetzung nur in bestimmten Folgerahmen stattfindet, dass also (in einem zweiten Schritt) einzelne Folgerahmen aufgrund bestimmter weiterer Eigenschaften von der Ersetzung ausgenommen werden.
66
Der Senat tritt hierbei der Ansicht der Klägerin bei, wonach dieses Verständnis insbesondere auch durch Abs. [0065] und [0069] der Beschreibung gestützt wird. Dies kann indes letztlich dahinstehen, da sich – wie dargelegt – für die Auslegung der Beklagten, wonach eine Ersetzung in jedem Folgerahmen erfolgen muss, bereits keinerlei Anhaltspunkte in der Patentschrift finden. Es bedarf daher auch keiner expliziter umgekehrter Anhaltspunkte, um dieses „haltlose“ Verständnis des Merkmals 1/1.1 zu entkräften.
67
3. Bei Zugrundelegung dieser zutreffenden Auslegung machen die angegriffenen Ausführungsformen vom Gegenstand der Ansprüche 10 und 29 in der geltend gemachten Fassung Gebrauch.
68
Jedenfalls in den von der Beklagten in der Vergangenheit in Deutschland angebotenen und vertriebenen UMTS (3G)- und LTE (4G)-fähigen mobilen Endgeräte war unstreitig der EVS-Standard implementiert.
69
Dass durch den EVS-Standard die Merkmale 2 bis 4 verwirklicht werden, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
70
Darüber hinaus ergibt sich aus der Dokumentation des Standards und dem unstreitigen Parteivortrag, dass im EVS-Standard im dort als „TC mode“ bezeichneten Übergangsmodus statt des üblichen adaptiven Codebuchs ein spezielles Codebuch von glottalen Impulsformen zum Einsatz kommt, letzteres also das adaptive Codebuch und damit eine adaptive Codebuch-Anregung durch eine erzeugte Übergangsmodus-Anregung im Sinne von Merkmal 1 ersetzt. Dies geschieht überdies in (wenigstens) einem Rahmen, der auf einen Übergangsrahmen folgt, mithin in einem Folgerahmen nach Merkmal 1.1, wobei es für die Merkmalsverwirklichung unschädlich ist, dass die Ersetzung ggf. nur in einem (von mehreren) Unterrahmen des Folgerahmens erfolgt.
71
Schließlich knüpft im EVS-Standard die Ersetzung der adaptiven Codebuch-Anregung und Verwendung der Übergangsmodus-Anregung in dem betreffenden Rahmen daran an, dass es sich bei dem Rahmen um einen Folgerahmen handelt. Dem Vortrag der Klägerin, wonach (in einem ersten Schritt) bei Auftreten eines Übergangsrahmens („onset/transition“) ein Zähler auf „1“ gesetzt und beim folgenden aktiven Rahmen auf „2“ erhöht wird, und bei Erreichen des Wertes „2“ die Übergangscodierung verwendet wird, ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
72
Demgegenüber ist es für die Anspruchsverwirklichung unschädlich, dass (in einem zweiten Schritt) nach dem ebenfalls unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten im EVS-Standard eine Ersetzung in dem Rahmen, der auf einen Übergang folgt, konkret nur dann erfolgt, wenn es sich bei dem Folgerahmen um einen Rahmen der Art „stimmhaft“ (“VOICED“), „Einsatz“ („ONSET“) oder „stimmhafter Übergang“ („VOICED TRANSITION“) handelt, und in allen anderen Fällen keine Ersetzung stattfindet. Denn Merkmal 1/1.1 erfordert – wie im Rahmen der Auslegung dargelegt – nicht, dass eine Ersetzung ausnahmslos in jedem Folgerahmen erfolgen muss.
73
IV. Auf der Grundlage, dass der in den angegriffenen Ausführungsformen implementierte EVSStandard somit wortsinngemäß von der Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, ist das Landgericht ferner zutreffend von einer unmittelbaren Patentverletzung hinsichtlich Anspruch 10 und einer mittelbaren Patentverletzung hinsichtlich Anspruch 29 ausgegangen. Auf die von der Berufung nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts auf S. 29/30 des Ersturteils wird insoweit Bezug genommen.
74
V. Der Klägerin stehen daher die vom Landgericht zugesprochenen Unterlassungs- und Folgeansprüche zu. Auf die zutreffenden Ausführungen auf S. 31/34 LGU wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich ergänzend dazu auszuführen, dass das Landgericht zu Recht einen Ausschluss des Unterlassungsanspruchs wegen Unverhältnismäßigkeit nach § 139 Abs. 1 Satz 3 PatG verneint hat (dazu 1.). Zudem sind die Folgeansprüche nicht wegen Erfüllung erloschen (dazu 2.).
75
1. Die Ansprüche auf Unterlassung sind nicht wegen Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen.
76
Gemäß (Art. 64 Abs. 3 EPÜ i.V.m.) § 139 Abs. 1 Satz 3 PatG ist der Unterlassungsanspruch wegen Patentverletzung ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. Dies ist hier aus zwei Gründen nicht der Fall:
77
Zum einen trägt die Beklagte selbst vor, sie habe zwischenzeitlich eine individuelle Umgehungslösung umsetzen können, mit welcher sie auch ohne EVS-Funktionalität weiter Geräte vertreiben könne. Unter diesen Umständen kämen eine Unverhältnismäßigkeit und ungerechtfertigte Härte von vornherein allenfalls dann in Betracht, wenn die Beklagte dadurch nachhaltig schwerwiegende Nachteile, etwa in Form von fortdauernden erheblichen Umsatzeinbußen durch die „abgespeckte“ Version der Geräte erleiden würde. Hierzu fehlt indes ein substanziierter Vortrag.
78
Demgegenüber kann sich die Beklagte – ungeachtet dessen, dass auch dieser Vortrag wenig konkret ist – nicht darauf berufen, die Umgehungslösung an „alten“ Geräten sei aufwendig gewesen und habe insgesamt viele Monate Zeit in Anspruch genommen. Denn dieser Aufwand ist der Beklagten bereits entstanden und kann nicht mehr durch den Ausschluss des (in die Zukunft gerichteten) Unterlassungsanspruchs abgewendet werden.
79
Zum anderen kann sich die Beklagte vorliegend deswegen nicht mit Erfolg auf § 139 Abs. 1 Satz 3 PatG berufen, weil es sich bei dem Klagepatent um ein standardessentielles Patent handelt. Bei einem solchen kommt eine Anwendung von § 139 Abs. 1 Satz 3 PatG regelmäßig nicht in Betracht, da dem Verletzer grundsätzlich die Möglichkeit einer Lizenznahme zu FRAND-Bedingung offensteht. Kommt der Patentinhaber seinen kartellrechtlichen Verpflichtungen nach und unterbreitet er insbesondere dem Verletzer ein Angebot zu FRAND-Bedingungen, so eröffnet § 139 Abs. 1 Satz 3 PatG dem Verletzer nur ausnahmsweise bei Vorliegen weiterer, die Unverhältnismäßigkeit begründender Umstände eine zusätzliche Verteidigungsmöglichkeit (vgl. Ohly, GRUR 2021, 1229 [1236]). Dies gilt in gleicher Weise, wenn der Beklagte – wie hier – seinen FRAND-Obliegenheiten nicht hinreichend nachkommt und sich deswegen nicht auf den FRAND-Einwand berufen kann bzw. die FRAND-Gemäßheit des klägerischen Angebots vom Gericht nicht zu prüfen ist (vgl. dazu unten VI.). Denn die Erfüllung dieser Obliegenheiten kann der Beklagte nicht dadurch umgehen, dass er sich statt (oder neben) dem FRAND-Einwand auf § 139 Abs. 1 Satz 3 PatG beruft. Hierbei kann offenbleiben, ob sich dieses Ergebnis dogmatisch aus einer Spezialität der kartellrechtlichen Grundsätze ergibt, oder daraus, dass über das auch im Rahmen des § 139 Abs. 1 Satz 3 PatG ausdrücklich zu berücksichtigende Gebot von Treu und Glauben das „FRAND-Programm“ ebenfalls Eingang in diese Vorschrift findet (in letzterem Sinne Ohly, a.a.O.).
80
2. Die Folgeansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf sowie Vernichtung sind nicht durch Erfüllung erloschen.
81
Zwar hat die Beklagte im Schriftsatz vom 26.03.2024 unbestritten vorgetragen, sie habe zwischenzeitlich vollumfänglich Auskunft erteilt und Rechnung gelegt (vgl. auch Anlage ...), die Beklagte habe zudem an ihre Abnehmer Rückrufschreiben versandt (vgl. Anlagenkonvolut ...), und schließlich habe die Beklagte aufgrund einer Vereinbarung mit der Klägerin anstelle der Vernichtung eine Spende des noch in Deutschland verbliebenen Restpostens von Geräten an Organisationen der Flüchtlingshilfe getätigt (vgl. Anlagenkonvolut ...). Diese Handlungen führten rechtlich jedoch nicht zur Erfüllung der streitgegenständlichen Folgeansprüche gemäß § 362 BGB, weil es sich jeweils um eine Leistung unter einem erfüllungshindernden Vorbehalt handelte. Auch ohne ausdrückliche Erklärung eines Vorbehalts ist ein solcher anzunehmen, wenn der Schuldner während eines Rechtsstreits – etwa zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel – leistet und den Rechtsstreit gleichwohl fortsetzt (vgl. BGH, NJW 2007, 1269 Rn. 19, m.w.N.). So verhält es sich hier.
82
Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 15.07.2024, die vorgenannten Handlungen der Beklagten seien ausschließlich zur Abwendung bzw. im Rahmen der Zwangsvollstreckung eines Urteils des Landgerichts Mannheim in einem der Parallelverfahren erfolgt, nicht bestritten. Vielmehr hat die Beklagte im Schriftsatz vom 09.10.2024 (dort S. 33, Rn. 68) letztlich eingeräumt, dass „die Erfüllung (auch) zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgte“. Zudem hat die Beklagte den vorliegenden Rechtsstreit trotz der vorgetragenen „Erfüllungshandlungen“ unverändert fortgesetzt und sie verfolgt mit ihrer Berufung weiterhin das Ziel einer Abweisung der Klage hinsichtlich der Folgeansprüche wegen einer angeblich fehlerhaften Antragsfassung, behaupteter mangelnder Aktivlegitimation und einer nach ihrer Ansicht nicht vorliegenden Patentverletzung.
83
Der somit fehlenden Erfüllungswirkung der genannten Handlungen steht auch nicht entgegen, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erbrachten Leistungen ggf. nicht mehr rückabgewickelt werden können (vgl. Ulrici, in: BeckOK ZPO, Stand 01.12.2024, § 708 Rn. 8.2, m.w.N.).
84
VI. Das Landgericht hat ferner (im Ergebnis) zu Recht angenommen, dass der von der Beklagten erhobene kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand nicht durchgreift.
85
1. Es kann offenbleiben, ob der Klägerin vorliegend im Verhältnis zur Beklagten eine marktbeherrschende Stellung i.S.v. Art. 102 AEUV auf einem vorgelagerten eigenständigen Lizenzmarkt zukommt (vgl. hierzu BGH, GRUR 2020, 961 Rn. 53 ff. – FRAND-Einwand). Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass hieran im Hinblick darauf, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag in Abstimmung mit ihren Herstellern eine Umgehungslösung gefunden habe und spätestens seit Februar 2022 die von ihr in Deutschland vertriebenen Geräte nicht mehr vom EVSStandard Gebrauch machten, zumindest Zweifel bestehen. Diese bedürfen im Streitfall aber keiner abschließenden rechtlichen Klärung, da mangels einer hinreichenden Sicherheitsleistung durch die Beklagte der FRAND-Einwand nicht durchgreift bzw. eine FRAND-Prüfung (im engeren Sinne) nicht vorzunehmen ist.
86
2. Der Senat hat den Parteien zum FRAND-Einwand mit Beschluss vom 30.10.2024 (veröffentlicht in GRUR 2025, 246; NZKart 2024, 710; WuW 2025, 51; GRUR-RS 2024, 30064) einen umfassenden Hinweis zu seiner Rechtsauffassung erteilt. An seiner dortigen Auffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2024 (auch mit der Europäischen Kommission als amicus curiae) und der weiteren schriftsätzlichen Ausführungen der Parteien im Nachgang zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich – und jedenfalls soweit für den Streitfall relevant – weiterhin fest.
87
3. Danach gilt allgemein zunächst Folgendes:
88
a) Bei der Frage, ob und inwieweit dem FRAND-Einwand des Beklagten im Rahmen eines patentrechtlichen Unterlassungsklageverfahrens zu folgen ist, ist zu berücksichtigen, dass dieser regelmäßig als Verteidigungsmittel desjenigen dient, der – ohne dazu berechtigt zu sein – die patentgeschützte Lehre eines Patentinhabers nutzt. Der Nutzer begeht daher eine Patentverletzung, so dass dem Patentinhaber ein entsprechender Unterlassungsanspruch zusteht. Einen solchen Unterlassungsanspruch muss der Patentinhaber nach geltendem Recht grundsätzlich auch prozessual durchsetzen können und sich nicht darauf verweisen lassen, dass er für bereits vergangene Rechtsverletzungen Ausgleichsansprüche gegen den Verletzer geltend machen kann. Wenn der Inhaber eines standardessenziellen Patents jedoch aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung kartellrechtlich verpflichtet ist, lizenzwilligen Nutzern die Nutzung der patentgeschützten Lehre zu gestatten, kann er an sich ihm zustehende Verbietungsrechte nur dann prozessual erfolgreich durchsetzen, wenn er seinerseits bereit ist, dem Nutzer einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen anzubieten.
89
Ob diese Bereitschaft im Einzelfall besteht, lässt sich in der Regel nur aufgrund einer umfassenden kartellrechtlichen Überprüfung eines konkreten klägerischen Angebots beurteilen. Da diese Prüfung indes zumeist sehr zeitaufwendig ist und unter Umständen im Rahmen eines Rechtsstreits auch die Hinzuziehung sachverständiger Hilfe bedarf, der Kläger sich aber andererseits gegen eine unberechtigte Nutzung seines Patents effektiv und schnell wehren können muss, ist sicherzustellen, dass die Erhebung des FRAND-Einwands nicht zu einer faktischen Verkürzung der Rechtsposition des Patentinhabers führt, sondern lediglich ein Korrektiv gegen ein (kartellrechtlich) missbräuchliches Verhalten des Unterlassungsklägers darstellt. In diesem Licht sind die vom EuGH in der Entscheidung „Huawei“ (GRUR 2015, 764) genannten Verhandlungsschritte zu sehen.
90
b) Vor diesem Hintergrund hält der Senat an seiner Auffassung fest, wonach der Umstand, dass der BGH den FRAND-Einwand des Beklagten als Anker ansieht, um dem klagenden Patentinhaber eines standardessenziellen Patents einen mit der klageweisen Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs einhergehenden Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung entgegenzuhalten (vgl. BGH GRUR 2021, 585 Rn. 53 ff. – FRAND-Einwand II), nicht dazu führt, dass eine (unterstellt) missbräuchliche Klage wegen Rechtsmissbrauchs und damit als unzulässig abzuweisen wäre. Vielmehr stellt sich die – nur auf Einrede des Beklagten zu prüfende – Frage des Missbrauchs der Marktmacht durch den Kläger grundsätzlich im Rahmen der Begründetheit, da der FRAND-Einwand letztlich die Einrede des Beklagten beinhaltet, einen Anspruch gegen den Kläger auf Erteilung einer Lizenz (die als FRAND anzusehen ist) zu haben (vgl. BGH GRUR 2021, 585 Rn. 83 – FRAND-Einwand II), so dass es sich in der Sache um einen doloagit-Einwand (§ 242 BGB) handelt (vgl. Kühnen Patentverletzung-HdB, 16. Aufl., Kap. E Rn. 265). Greift dieser materiell-rechtliche Einwand durch, ist die Klage deshalb grundsätzlich als derzeit unbegründet abzuweisen, sofern die übrigen Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs, insbesondere eine Patentverletzung, zu bejahen sind.
91
Ob möglicherweise abweichend von diesem Grundsatz etwas anderes gilt und die Unterlassungsklage als unzulässig wegen allgemeinen Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB anzusehen ist, wenn der Patentinhaber eine Unterlassungsklage erhebt, ohne den Benutzer vorher auf die (behauptete) Patentverletzung hingewiesen (Schritt 1) oder ihm nach Bekundung eines Lizenzwillens ein Lizenzierungsangebot unterbreitet zu haben (Schritt 3), oder etwa auch, wenn der Patentinhaber vor Klageeinreichung auf eine erfolgte Verletzungsanzeige oder auf ein unterbreitetes Angebot keine angemessene Reaktionszeit abgewartet hat, kann im Streitfall dahinstehen (vgl. dazu bereits Hinweis des Senats, GRUR 2025, 246 Rn. 7). Denn eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.
92
c) Ergänzend zum Hinweis des Senats vom 30.10.2024 ist ferner vorab auszuführen, dass nach dem Verständnis des Senats die vom EuGH in der Entscheidung „Huawei“ (GRUR 2015, 764) genannten Schritte von den Parteien zwar grundsätzlich einzuhalten sind. Die strikte Einhaltung dieser Schritte soll aber keinem reinen Selbstzweck dienen und darf den Parteien kein Zwangskorsett für Verhandlungen auferlegen und im Ergebnis zum „Gesslerhut“ für sie werden, dem die Parteien wechselseitig Referenz zu erweisen haben, sondern es handelt sich hierbei um ein dynamisches Verhandlungskonzept (vgl. Meier-Beck, GRUR Patent 2024, 411 Rn. 27).
93
Im Unterlassungsklageverfahren, bei dem es – wie eingangs dargestellt – „nur“ darum geht, ob dem in seinen Rechten verletzten Patentinhaber auch die prozessuale Möglichkeit zusteht, seinen Patentanspruch gegen den in Anspruch genommenen Verletzer durchzusetzen, ist deshalb in Bezug auf jeden der vom EuGH aufgeführten Schritte auch nach deren Sinn und Zweck zu fragen und danach, ob sich eine Partei zu einem späteren Zeitpunkt im gerichtlichen Verfahren nach Treu und Glauben auf rein formale „Fehler“ bei einem Schritt in einem früheren Verhandlungsstadium (noch) berufen kann, insbesondere beispielsweise, wenn sie sich in der Folge trotz des „fehlerhaften Schritts“ der Gegenseite gleichwohl auf Lizenzverhandlungen eingelassen hat.
94
Die EuGH-Rechtsprechung legt daher nach zutreffendem Verständnis den Parteien keine Abfolge von Verfahrensschritten auf, die diese unter allen Umständen strikt einhalten müssen, um sich nicht etwaiger Ansprüche bzw. prozessualer Einreden zu begeben, und auch bei der durch das Gericht vorzunehmenden Prüfung (bei der es sich naturgemäß um eine ex post-Betrachtung handelt) gilt keine strenge Prüfungsreihenfolge dergestalt, dass jeder Schritt nur streng nacheinander geprüft werden muss und darf (also aus einer ex ante-Perspektive zum Zeitpunkt der Vornahme des jeweiligen Schritts unter Ausblendung all dessen, was danach tatsächlich noch geschehen ist). Damit geht einher, dass – entgegen der Auffassung der Kommission und insbesondere der von ihr vorgelegten Grafik (veröffentlicht in GRUR 2024, 1404 [1405]) – nicht jede Nichteinhaltung oder fehlerhafte Einhaltung eines Schrittes automatisch zu den dort skizzierten Weichenstellungen zu Lasten der jeweiligen Partei, die den Schritt nicht eingehalten hat, und damit zum Erfolg oder Nichterfolg des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands („Antitrust defence“/“No antitrust defence“) führt, denn dies würde die grundsätzliche Einordung des FRAND-Einwands als dolo-agit-Einrede negieren.
95
Ein hiervon abweichendes Verständnis lässt sich der Entscheidung „Huawei“ des EuGH an keiner Stelle entnehmen. Vielmehr verweist das Urteil unter Rn. 65 darauf, dass es dem angeblichen Verletzer obliegt, auf das Angebot des Patentinhabers mit Sorgfalt, gemäß den in dem Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben, zu reagieren, was unter anderem impliziert, dass keine Verzögerungstaktik verfolgt wird. Daraus ergibt sich, dass das „Huawei“-Rahmenwerk sich nicht in der bloßen Abarbeitung von „Schritten“ und Formelerklärungen im Rahmen der gerichtlichen Prüfung eines (durchsetzbaren) Unterlassungsanspruchs erschöpfen kann, die vor der Einleitung eines Patentverletzungsprozesses erfolgen muss, mit denen aber ansonsten nichts und insbesondere kein Verhandlungsergebnis erreicht werden kann, sondern dass spätestens bei Schritt 4 in eine Bewertung eingetreten wird, inwieweit die Parteien mit ihren Schritten auf ein faires Verhandlungsergebnis hingearbeitet haben, so dass konsequenterweise aber auch die Schritte davor nicht an nur Formalien und strikter Reihenfolge hängen können (vgl. Meier-Beck, GRUR Patent 2024, 411 Rn. 28).
96
Dies steht im Einklang damit, dass auch der dolo-agit-Einwand im deutschen Recht, der wie oben dargelegt das dogmatische Einfallstor für den FRAND-Einwand als Verteidigungsmittel gegen die Unterlassungsklage ist, auf dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB fußt.
97
Dass ein strenges Verhandlungs- und gerichtliches Prüfungsschema, wie es die Kommission und mit ihr die Beklagte der EuGH-Rechtsprechung entnehmen wollen, weder praktikabel noch interessengerecht ist, zeigt sich überdies daran, dass die Kommission dieses Konzept selbst nicht konsequent durchzuhalten vermag. So führt die Kommission unter Rn. 86 a.E. ihrer schriftlichen amicus curiae-Stellungnahme vom 15.04.2024 aus, dass der Patentnutzer auch dann ordnungsgemäß auf das Angebot des SEP-Inhabers reagieren müsse (Schritt 4), wenn das Angebot des SEP-Inhabers (Schritt 3) nicht FRAND-Bedingungen entsprechen sollte. Nach der eigenen Auffassung der Kommission und der oben erwähnten Grafik müsste das Gericht aber zwingend zunächst im Rahmen von Schritt 3 die FRAND-Gemäßheit des (ersten) klägerischen Angebots prüfen und bei negativem Ergebnis die Prüfung an dieser Stelle abbrechen, eine „Antitrust Defence“ verneinen und die Unterlassungsklage ohne Weiteres abweisen. Inwiefern es daher bei einem FRANDwidrigen (ersten) Angebot des Patentinhabers nach der grundsätzlichen Ansicht der Kommission noch auf ein Gegenangebot des Benutzers ankommen kann, erschließt sich nicht. Vielmehr ist die Stellungnahme der Kommission insoweit in sich widersprüchlich, was zeigt, dass ein striktes Verhandlungs- und Prüfungsprogramm nicht richtig sein kann. Dies gilt entsprechend, soweit die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Senats erklärt hat, bei mehreren Angeboten des Patentinhabers sei (nur) das letzte Angebot auf seine FRAND-Gemäßheit hin zu überprüfen. Auch dies lässt sich mit der von der Kommission im Übrigen vertretenen strengen Verfahrens- und Prüfungsabfolge nicht in Einklang bringen.
98
4. Dies vorweggenommen ist zu den einzelnen Schritten des Huawei-Programms allgemein und insbesondere bezogen auf den Streitfall Folgendes auszuführen:
99
a) Sowohl nach EuGH (GRUR 2015, 746, Rn. 61, 62 – Huawei Technologies/ZTE) als auch BGH (GRUR 2021, 585, Rn. 55 – FRAND-Einwand II) ist als erster Schritt eine Verletzungsanzeige erforderlich.
100
aa) Vorliegend kann dahinstehen, ob eine derartige Verletzungsanzeige in den Schreiben der Klägerin vom 21.08.2019 bzw. 16.09.2019, mit welchen die Klägerin die Beklagte (bzw. deren Muttergesellschaft) „eingeladen“ hat, mehr über die Lizenzierungsmöglichkeiten bezüglich ihres für den EVS-Standard essenziellen Patentportfolios zu erfahren, gesehen werden kann, wie es das Landgericht angenommen hat (a.A. insoweit LG Mannheim; ebenfalls offengelassen von OLG Karlsruhe). Denn der Senat hält auch nach nochmaliger Prüfung an seiner Auffassung fest, dass eine hinreichende Verletzungsanzeige jedenfalls in der Einreichung der Klage auf Schadensersatz und Auskunft/Rechnungslegung im vorliegenden Verfahren zu sehen ist (Eingang: 11.10.2019; Zustellung: 27.11.2019).
101
Soweit die Beklagte meint, eine Auskunftsklage sei unter FRAND-Gesichtspunkten einer Unterlassungsklage gleichzustellen und könne deshalb nicht als Verletzungsanzeige im Sinne von Schritt 1 des „Huawei“-Programms dienen, vermag sich der Senat dem auch nach nochmaliger Prüfung nicht anzuschließen. Der EuGH hat in Rn. 74-76 ausdrücklich ausgeführt, dass und weshalb Klagen auf Rechnungslegung oder Schadensersatz gerade keine Klagen sind, die im Sinne von Rn. 73 der Entscheidung „geeignet sind, zu verhindern, dass von Wettbewerbern hergestellte Produkte, die dem betreffenden Standard entsprechen, auf den Markt gelangen oder auf dem Markt bleiben“. Für den Senat besteht kein Anlass, hiervon abzuweichen, zumal er die diesbezüglichen Ausführungen des EuGH für überzeugend hält, wohingegen er die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 15.07.2024 (Rz. 20 ff., insbes. Rz. 24), dass und weshalb auch Auskunftsklagen zu einer tatsächlichen Behinderung des Marktzutritts führten, nicht teilen kann.
102
Aus Sicht des Senats bestehen daher keine Bedenken, dass auch eine Auskunfts- und/oder Schadensersatzklage einen Verletzungshinweis gemäß Schritt 1 darstellen kann. Zu dieser Ansicht neigt im Übrigen offenbar auch die Europäische Kommission (vgl. Rn. 67 der amicus curiae-Stellungnahme vom 15.04.2024).
103
bb) Ungeachtet dessen könnte eine etwaige fehlende oder mangelhafte Verletzungsanzeige zu Beginn der Verhandlungen der Klägerin im jetzigen Stadium von der Beklagten ohnehin nicht (mehr) mit Erfolg entgegengehalten werden.
104
Denn Sinn und Zweck dieses Verfahrensschritts ist es, dem Patentnutzer Klarheit darüber zu verschaffen, welches konkrete Patent der Patentinhaber (u.a.) als verletzt ansieht, um dem Nutzer die Möglichkeit zu eröffnen, dies näher zu prüfen und eine ausreichend informierte Entscheidung darüber treffen zu können, ob er den Patentinhaber um eine Lizenzerteilung bittet (Schritt 2).
105
Danach ist der Zweck der Verletzungsanzeige aber auch dann erfüllt, wenn der Nutzer entweder trotz einer inhaltlich unzureichenden Verletzungsanzeige weiß, um welches Patent bzw. welche Patente es geht, oder er davon jedenfalls im weiteren Verlauf Kenntnis hat, etwa wenn er in konkrete Lizenzverhandlungen mit dem Patentinhaber eintritt bzw. sich auf solche einlässt. In diesem Fall wäre es auch als treuwidrig anzusehen, wenn sich der Patentnutzer in einem späteren gerichtlichen Verfahren auf rein formale Fehler bei der Verletzungsanzeige ganz am Anfang des Verhandlungsprozesses berufen würde und könnte.
106
Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Patentinhaber eine Unterlassungsklage einreicht und eine vorherige Verletzungsanzeige (a) entweder ganz fehlt, (b) eine solche zwar erfolgt ist, der Nutzer daraus aber nicht ersehen konnte (und auch nicht wusste), welches Patent konkret verletzt sein soll, oder (c) die Verletzungsanzeige zwar inhaltlich in Ordnung war, der Patentinhaber dem Nutzer aber keine angemessene und ausreichende Reaktionszeit eingeräumt hat (sondern z.B. bereits einen Tag später Klage eingereicht hat).
107
Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, so dass insbesondere auch dahinstehen kann, wann der Patentnutzer einen derartigen „Formfehler“ im gerichtlichen Verletzungsverfahren geltend machen muss und ob ein solcher Fehler bereits zur Unzulässigkeit der gleichwohl erhobenen Unterlassungsklage führen könnte (vgl. bereits oben VI.3.b)). Vielmehr waren die Parteien im Streitfall nach den Schreiben der Klägerin vom 21.08.2019 bzw. 16.09.2019 und vor Erweiterung der Klage auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf am 19.02.2021 in gegenseitige Verhandlungen eingetreten und haben bereits Geheimhaltungsvereinbarungen abgeschlossen und Angebote ausgetauscht. Dass der Beklagten dabei nicht bewusst gewesen wäre, dass aus Sicht der Klägerin (u.a.) das Klagepatent durch den EVS-Standard verletzt sein soll und daher (auch) dieses Gegenstand der Verhandlungen ist, hat sie zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht und hierfür sind auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.
108
Unter diesen Umständen kann der FRAND-Einwand jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr aufgrund einer (vermeintlich) fehlenden Verletzungsanzeige zu Beginn der Verhandlungen der Parteien durchgreifen.
109
b) Als zweiten Schritt sieht das „Huawei“-Rahmenwerk des EuGH die Bekundung einer Lizenzwilligkeit durch den Benutzer vor.
110
aa) Die Parteien streiten darüber, ob in der Antwort der Beklagten vom 26.11.2019 (auf das von der Klägerin bereits am 25.10.2019 unaufgefordert übersandte Lizenzangebot) eine hinreichende Bekundung der Lizenzwilligkeit durch die Beklagte gesehen werden kann. Das Landgericht hat dies inhaltlich verneint, da es sich um eine unzureichende bedingte Lizenzbereitschaftserklärung im Sinne der BGH-Entscheidung „FRAND-Einwand II“ (dort Rn. 94, 95) gehandelt habe, weil die Beklagte ihre Lizenzbereitschaft auf Patente beschränkt habe, die „valid, actually essential and enforceable“ seien (a.A. insoweit LG Mannheim).
111
bb) Der Senat hält an seiner Auffassung im Hinweis vom 30.10.2024 fest, dass diese Frage im Streitfall offenbleiben kann, weil sich die Klägerin jedenfalls im jetzigen Verhandlungsstadium nach Treu und Glauben nicht mehr (isoliert) auf eine fehlende Lizenzbereitschaftserklärung gemäß Schritt 2 berufen kann.
112
Insoweit gilt das zuvor zu Schritt 1 Ausgeführte in entsprechender Weise umgekehrt zu Gunsten des Benutzers. Zwar dürfte eine Obliegenheit des Patentinhabers zur Unterbreitung eines Angebots vor Klageerhebung (zunächst) entfallen, wenn der Benutzer auf eine Verletzungsanzeige des Patentinhabers binnen einer angemessenen Frist nicht oder in unzureichender Weise reagiert. Macht der Patentinhaber dem Benutzer jedoch trotz fehlender oder unzureichender Lizenzbereitschaftserklärung gleichwohl ein Angebot und treten die Parteien daraufhin in Verhandlungen ein – wie hier der Fall –, kann sich der Patentinhaber später nach Treu und Glauben nicht (mehr) darauf berufen, der FRAND-Einwand greife bereits deshalb nicht durch, weil der Benutzer vor einem solchen Angebot seine Lizenzbereitschaft nicht bekundet habe (a.A. Kühnen, HdP, 16. Aufl., Kap E Rn. 476).
113
c) Als Schritt 3 sieht die „Huawei“-Entscheidung des EuGH (Rn. 63) vor, dass es dem Patentinhaber obliegt, dem Benutzer, nachdem dieser seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, gemäß seiner gegenüber der Standardisierungsorganisation übernommenen Verpflichtung ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten und insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung anzugeben.
114
aa) Für den Erfolg der vom Gericht zu prüfenden Unterlassungsklage ist die FRAND-Gemäßheit dieses ersten Angebots indes nur dann ausschlaggebend, wenn der Beklagte seinerseits die ihm obliegenden Reaktionshandlungen erfüllt hat (vgl. näher dazu unten d) und e)) und die Klägerin ihr erstes Angebot im Laufe der Verhandlungen nicht nachgebessert hat. Dies ergibt sich aus den prozessualen Folgen, die einerseits aus einem ersten FRANDgemäßen Angebots des Klägers resultieren und andererseits aus einem ersten Angebot des Klägers, welches nicht als FRAND anzusehen ist.
115
(1) Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass der FRAND-Einwand keinen Erfolg haben kann, wenn bereits das erste Angebot des Patentinhabers (ggf. auch unter Berücksichtigung etwaiger vom Benutzer geäußerter Bedenken, weshalb das Angebot nicht FRAND sei, vgl. BGH, GRUR 2021, 585 Rn. 74 – FRAND-Einwand II) FRANDgemäß war. Denn dann wäre die einzige „zulässige“ Reaktion des Benutzers (der an einer Lizenzierung ein Interesse hat) hierauf gewesen, dass er das Angebot angenommen hätte. Zwar ist es selbstverständlich aufgrund der beiden Seiten zustehenden Verhandlungs- und Vertragsfreiheit ohne Weiteres möglich, dass auch über ein an sich kartellrechtlich nicht zu beanstandendes Angebot nachverhandelt wird; jedoch ist der Lizenzgeber rechtlich nicht verpflichtet, von einem solchen Angebot abzurücken. Auch wenn es eine Bandbreite an FRANDgemäßen Lösungen gibt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 70), muss der lizenzwillige Benutzer ein Angebot des Patentinhabers, das sich innerhalb dieser Bandbreite bewegt, annehmen, weil der Patentinhaber in diesem Fall (auch wenn das Angebot nur „gerade noch FRAND“ gewesen sein sollte) seine marktbeherrschende Stellung mit seiner Unterlassungsklage nicht missbraucht und der Beklagte keinen Anspruch auf Konditionen am für ihn günstigeren Ende der Bandbreite hat. Es muss angesichts dessen im Verletzungsprozess bei der Prüfung, ob sich der Unterlassungskläger kartellrechtlich rechtsmissbräuchlich verhält und deswegen die dolo-agit-Einrede des Beklagten greifen kann, unerheblich sein, wie der Beklagte (wenn der das Angebot nicht angenommen hat) auf dieses reagiert hat, sprich, ob er z.B. gar nicht reagiert, sich offen lizenzunwillig gezeigt hat, das Angebot mit einem begründeten Gegenangebot abgelehnt hat und/oder Sicherheit geleistet hat oder nicht etc. Denn der FRAND-Einwand kann in diesem Fall nicht durchgreifen.
116
Der Senat hat bislang von keinem Vertreter der Gegenansicht, wonach es auch (oder gar ausschließlich) in diesem Fall auf ein Gegenangebot des Beklagten ankommen soll, ein überzeugendes Argument vernommen, weshalb und in welcher Weise sich ein Patentinhaber, der dem Benutzer bereits ein (erstes) Lizenzangebot zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen unterbreitet hat, kartellrechtswidrig verhalten sollte, und aus welchem Grund der Patentinhaber unter diesen Umständen gleichwohl gezwungen sein sollte, ein für ihn ungünstigeres Gegenangebot des Benutzers anzunehmen, mag dieses auch ebenfalls FRANDBedingungen entsprechen.
117
(2) Eine FRAND-Prüfung des (ersten) klägerischen Angebots durch das Gericht wäre im Rahmen von Schritt 3 daher nur veranlasst, wenn in dem Fall, dass dieses Angebot des Patentinhabers nicht FRANDgemäß war, die Rechtsfolge wäre, dass der FRAND-Einwand unabhängig vom weiteren Verhalten des Benutzers Erfolg hat.
118
Wie der Senat bereits in seinem Hinweis ausgeführt hat (vgl. GRUR 2025, 246 Rn. 23 ff.), kann dieser Ansicht jedoch nicht gefolgt werden. Die vom EuGH unter Rn. 65, 66 geforderte Gegenreaktion des Benutzers, nämlich dass er mit Sorgfalt gemäß den in dem Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben reagiert und dem Patentinhaber ein konkretes Gegenangebot unterbreitet, erlangt nach den vorstehenden Ausführungen unter (1) gerade (und letztlich nur) für den Fall Relevanz, dass das (erste) klägerische Angebot nicht FRAND war.
119
Daher fordert insbesondere auch der BGH zu Recht auch bei einem nicht FRAND-Bedingungen entsprechenden Angebot des Patentinhabers ein Gegenangebot des Nutzers (BGH, GRUR 2021, 585 Rn. 72-74). Diese Auffassung vertreten im Übrigen auch die Kommission und die Beklagte (wenngleich dies – wie oben aufgezeigt – im Widerspruch zu ihren übrigen Ausführungen und insbesondere der von der Kommission vorgelegten Grafik steht).
120
An diesem Befund ändert auch nichts, dass es unter Rn. 63 der „Huawei“-Entscheidung heißt, der Patentinhaber müsse dem Benutzer ein Lizenzangebot „zu FRAND-Bedingungen“ unterbreiten. Es handelt sich letztlich um eine Selbstverständlichkeit, dass sich der Patentinhaber nach Kräften und seinem Kenntnisstand in diesem Verfahrensstadium bemühen muss, dem Benutzer bereits in einem ersten Aufschlag ein Angebot zu unterbreiten, das möglichst und zumindest aus seiner (subjektiven) Sicht FRAND-Bedingungen entspricht, und der Patentinhaber nicht berechtigt ist, aus rein verhandlungstaktischen Gründen bewusst ein unangemessenes (insbesondere preislich überhöhtes) erstes Angebot abzugeben. Damit ist aber noch keinerlei Aussage darüber verbunden, welche Rechtsfolge sich daran anknüpft, wenn der Patentinhaber gegen diese Verpflichtung verstößt und sich sein Angebot objektiv nicht als FRAND darstellt. Insbesondere folgt daraus nicht, dass ein nicht FRANDgemäßes (erstes) Angebot des Patentinhabers ohne Weiteres dazu führt, dass der FRAND-Einwand durchgreift. Denn wäre dies der Fall, bedürfte es keiner Verhandlungen und auch keines Gegenangebots (wie vom EuGH gefordert) mehr (vgl. bereits Hinweis des Senats, GRUR 2025, 246 Rn. 30, unter Verweis auf BGH, GRUR 2021, 585 Rn. 73 – FRAND-Einwand II).
121
(3) Nachdem somit auch im Fall eines nicht FRAND-Bedingungen entsprechenden (ersten) Angebots des Klägers dem Beklagten verschiedene Gegenreaktionen obliegen (vgl. unten Schritt 4 und 5), sind zunächst diese in den Blick zu nehmen, bevor in die FRAND-Prüfung im engeren Sinne – nämlich die Prüfung des (letzten) klägerischen Angebots auf seine FRAND-Gemäßheit - eingestiegen werden kann und muss. Denn hat der Benutzer seine ihm obliegenden Reaktionspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt, scheidet er auch im Fall eines FRANDwidrigen Klägerangebots mit seinem FRAND-Einwand aus.
122
bb) Im Ergebnis ist an dieser Stelle (Schritt 3) damit lediglich festzuhalten, dass die Klägerin im Streitfall der Beklagten unter dem 25.10.2019 ein (erstes) Lizenzangebot unterbreitet hat.
123
d) Wie bereits dargelegt, verlangt der EuGH als Schritt 4, dass der Patentnutzer auf das Angebot des Patentinhabers mit einem Gegenangebot (das FRAND-Bedingungen entspricht) reagiert. Auch der BGH geht hiervon grundsätzlich aus (wobei es bei einem offensichtlich FRANDwidrigen Angebot unter Umständen sogar genügen soll, dass der Benutzer kein eigenes Gegenangebot unterbreitet, sondern lediglich darlegt, weshalb das Angebot des Patentinhabers offensichtlich nicht FRAND sei, vgl. BGH, GRUR 2021, 585 Rn. 71 – FRAND-Einwand II).
124
aa) Auch im Rahmen von Schritt 4 ist (wie bei Schritt 3) lediglich zu prüfen, ob der Beklagte dem Kläger ein Gegenangebot unterbreitet hat, und nicht, ob das Gegenangebot FRAND-Bedingungen entsprach.
125
Zwar verlangt der EuGH (Rn. 66) auch insoweit, dass das Gegenangebot „den FRAND-Bedingungen entspricht“. Hierbei handelt es sich aber ebenfalls nur um eine Klarstellung, dass der Benutzer nach Treu und Glauben verpflichtet ist, konstruktiv an den Verhandlungen mitzuwirken und daher selbstverständlich gehalten ist, ein aus seiner (subjektiven) Sicht FRANDgemäßes Gegenangebot abzugeben und er den Schritt des Gegenangebots nicht zum bloßen Taktieren oder Verzögern missbrauchen darf (vgl. die obigen Ausführungen zum Angebot des Patentinhabers). Auch insoweit lässt sich der EuGH-Entscheidung hingegen nicht entnehmen, dass an einen Verstoß hiergegen unmittelbar Rechtsfolgen dergestalt anzuknüpfen wären, dass der Benutzer durch ein nicht FRAND-Bedingungen entsprechendes Gegenangebot automatisch des FRAND-Einwands verlustig ist, wie dies das Schaubild der Kommission nahelegt.
126
Vielmehr kommt es auf die FRAND-Gemäßheit des Gegenangebots des Benutzers im Verletzungsprozess letztlich in keiner Konstellation an. Falls der Patentinhaber bereits ein FRANDAngebot unterbreitet hat, verbleibt dem Benutzer ohnehin nur die Möglichkeit, dieses anzunehmen, und er kann sich dagegen nicht mit einem eigenen (wenngleich ebenfalls FRANDgemäßen) Gegenangebot erfolgreich „wehren“. Denn wie bereits oben ausgeführt, hat der Benutzer keinen Anspruch auf für ihn günstigere FRAND-Bedingungen im unteren Bereich der Bandbreite. Auch für den Fall, dass das Angebot des Patentinhabers nicht FRANDgemäß war, kommt es nicht darauf an, ob das Gegenangebot des Nutzers FRANDgemäß war, sondern entscheidend ist dann allein, ob der Patentinhaber dem Benutzer (zumindest) ein nachgebessertes Angebot unterbreitet hat, das nunmehr FRAND-Bedingungen entspricht, wobei letzteres allerdings nur zu prüfen ist, wenn der Beklagte seiner weiteren Obliegenheit zur Leistung einer hinreichenden Sicherheit nachkommt (vgl. dazu unten e)).
127
Das Gegenangebot des Benutzers (Schritt 3) hat aber dennoch einen für die Verhandlungen der Parteien bedeutenden Sinn und Zweck: Auf der einen Seite erhält dadurch der Benutzer die Möglichkeit, substanziierte Bedenken gegen das Angebot des Patentinhabers vorzubringen, was insbesondere in dem Fall Bedeutung erlangt, dass sich das Angebot bei „abstrakter Betrachtung“ nicht notwendigerweise als nicht-FRAND darstellt, unter Berücksichtigung des Gegenangebots bzw. der vorgebrachten Bedenken indes schon (vgl. BGH, GRUR 2021, 585 Rn. 74 – FRAND-Einwand II). Auf der anderen Seite erhält dadurch der Patentinhaber die Möglichkeit, sein Angebot nachzubessern und unter Berücksichtigung des Gegenangebots bzw. der vorgebrachten Einwände an Bedingungen, die im konkreten Fall FRAND sind, anzupassen. Ungeachtet dessen liegt es in der Natur eines Verhandlungsprozesses, sich durch den Austausch von Angeboten und Gegenangeboten gegenseitig anzunähern, um am Ende eine Einigung zu erzielen, was auch in FRAND-Fällen stets das oberste Ziel der Parteien sein muss.
128
bb) Es bleibt an dieser Stelle daher lediglich festzuhalten, dass die Beklagte der Klägerin am 17.03.2020 ein Gegenangebot (und in der Folge noch weitere) unterbreitet hat.
129
e) Als Schritt 5 hat darüber hinaus der Benutzer, wenn er das SEP benutzt, bevor ein Lizenzvertrag geschlossen wurde, ab dem Zeitpunkt, zu dem sein Gegenangebot abgelehnt wurde, eine angemessene Sicherheit gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten zu leisten (EuGH, GRUR 2015, 764 Rn. 67 – Huawei).
130
aa) Diese Voraussetzungen für die Pflicht zur Leistung einer Sicherheit sind hier erfüllt.
131
Die Klägerin hat das Gegenangebot der Beklagten vom 17.3.2020 (und auch die weiteren Gegenangebote) nicht angenommen.
132
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte insoweit überdies darauf, dass sie das Klagepatent aufgrund der umgesetzten Umgehungslösung derzeit nicht mehr benutze. Denn entscheidend kann insoweit allein sein, dass die Beklagte den EVS-Standard (jedenfalls) in der Vergangenheit genutzt hat (was unstreitig der Fall gewesen ist) und sie die daraus resultierende Wiederholungsgefahr für künftige Nutzungen nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt hat. Die Beklagte verhält sich widersprüchlich, wenn sie sich einerseits gegen den Unterlassungsanspruch mit dem FRAND-Einwand verteidigt, sie aber andererseits meint, für die Gebühren einer FRAND-Lizenz, die die weiterhin drohenden Nutzungen des Klagepatents legalisieren soll, keine Sicherheit leisten zu müssen.
133
bb) Hinsichtlich der Art und Höhe der zu leistenden Sicherheit hält der Senat ebenfalls an seiner Auffassung im Hinweis vom 30.10.2024 fest.
134
(1) Wie oben dargelegt, ist nach der Rechtsprechung des EuGH vom Benutzer eine „angemessene Sicherheit gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten“ zu leisten.
135
Das Abstellen auf die „anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten“ bedarf indes einer näheren Konkretisierung. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung des EuGH gab es derartige Gepflogenheiten im Rahmen von FRAND-Verhandlungen nach dem Konzept des EuGH im geschäftlichen Verkehr noch nicht, da der EuGH dieses Konzept mit der „Huawei“-Entscheidung erstmals etabliert hat. Auch in der Folgezeit haben sich – soweit für den Senat ersichtlich – keine derartigen anerkannten Gepflogenheiten entwickelt. Vielmehr ist es entweder im Rahmen der Lizenzverhandlungen gar nicht zu einer Sicherheitsleistung gekommen, weil sich die Parteien auf einen Lizenzvertrag geeinigt haben. Oder es wurden in Fällen, in denen keine Einigung erzielt wurde und die in gerichtlichen Verletzungsverfahren mündeten, von den jeweiligen Beklagten Sicherheiten geleistet, welche von den Klägern nach den Erfahrungen des Senats regelmäßig als zu niedrig moniert wurden. Jedenfalls „anerkannte“ Gepflogenheiten sind daher nicht ersichtlich.
136
Es muss deshalb – und dies erscheint auch sachgerecht – (allein) darauf abgestellt werden, welche Sicherheit „angemessen“ ist.
137
(2) Der Senat ist weiterhin der Auffassung, dass eine angemessene Sicherheit sich der Höhe nach grundsätzlich nach dem Angebot des Patentinhabers bzw. Unterlassungsklägers (und nicht nach einem etwaigen Gegenangebot des Beklagten) zu richten hat.
138
Dies folgt daraus, dass sich der Beklagte darauf beruft, dass das Angebot des Klägers nicht FRAND-Bedingungen entspricht (und allein auf dieses Angebot kann es für den Missbrauch eines Unterlassungsklägers auch ankommen, vgl. oben), und damit nur eine gerichtliche Überprüfung eben dieses Angebots zum Erfolg der dolo-agit-Einrede führen kann. Ergibt diese Prüfung, dass das klägerische Lizenzangebot fair, angemessen und nicht-diskriminierend war, greift der FRAND-Einwand nicht durch und ist der Beklagte (wenn er weiterhin von der patentierten Lehre Gebrauch machen möchte) gehalten, dieses Angebot anzunehmen. Mithin muss der Beklagte eben auch dieses Angebot absichern, um sicherzustellen, dass ein kartellrechtliche Vorschriften beachtender Unterlassungskläger nicht durch die eingangs umschriebene zeitaufwendige Prüfung des FRAND-Einwands unangemessen benachteiligt wird. Das eigene Gegenangebot kommt hingegen, wie oben aufgezeigt, in keiner Konstellation zum Tragen, so dass sich dem Senat nicht erschließt, unter welchem Gesichtspunkt eine Absicherung des Gegenangebots des Beklagten Sinn ergeben und ausreichend sein sollte.
139
Dass sich die Sicherheitsleistung ihrer Höhe nach an dem klägerischen Angebot zu orientieren hat, ergibt sich schließlich auch daraus, dass es sich bei der Sicherheitsleistung um eine Konkretisierung der Lizenzwilligkeit des Patentbenutzers handelt (vgl. dazu näher sogleich unter cc)). Der Beklagte, der sich darauf beruft, zu einem Vertragsabschluss zu FRAND-Bedingungen („whatever terms are in fact FRAND“) bereit zu sein, muss konsequenterweise bereit sein, das zur Überprüfung stehende Angebot des Klägers am Ende zu akzeptieren und anzunehmen, wenn sich dieses im weiteren Verlauf (insbesondere nach gerichtlicher, gegebenenfalls sachverständiger Prüfung) als FRANDgemäß herausstellen sollte. Einen entsprechenden Lizenzwillen kann er deshalb grundsätzlich (nur) dadurch belegen, dass er eben in dieser Höhe Sicherheit leistet.
140
Das klägerische Angebot, das Gegenstand der FRAND-Prüfung sein soll und an dem sich die Sicherheitsleistung zu orientieren hat, ist dabei nicht zwingend das erste, sondern grundsätzlich das seitens des Klägers erbrachte letzte Angebot. Denn der Missbrauch der Marktmacht eines Patentinhabers ergibt sich grundsätzlich noch nicht aus von diesem vor oder zu Beginn von Verhandlungen angebotenen FRANDwidrigen Vertragsbedingungen, sondern erst aus unangemessenen Bedingungen für einen nachgefragten Zugang, von denen der Patentinhaber auch am Ende von Verhandlungen nicht abzurücken bereit ist (vgl. BGH, GRUR 2021, 585 Rn. 54 – FRAND-Einwand II). Dass es insoweit auf das letzte Angebot des Klägers ankommt, hat im Übrigen auch die Kommission in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertreten.
141
Beinhaltet dieses letzte Angebot des Patentinhabers eine (weltweite) Portfoliolizenz, muss die Sicherheit die dafür anfallende Lizenzgebühr abdecken und darf nicht auf das Klagepatent isoliert und das Gebiet der Bundesrepublik „heruntergerechnet“ werden. Denn die Sicherheit dient nicht der Absicherung des Schadensersatzanspruchs (der sich nur auf das Klagepatent und das Gebiet der Bundesrepublik erstrecken mag), sondern, wie sich bereits aus den obigen Ausführungen ergibt, der Absicherung der Lizenzgebühr, die der Kläger im Fall des (vom Beklagten verlangten und vom Kläger geschuldeten) Abschlusses eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen verlangen kann. Grundsätzlich kann aber das Anbieten (allein) einer weltweiten Portfoliolizenz FRAND sein (vgl. BGH GRUR 2020, 961 Rn. 77 f. – FRAND-Einwand I). Steht aufgrund des klägerischen Angebots eine solche weltweite Portfoliolizenz im Raum, muss sich folglich auch die Sicherheit hierauf beziehen.
142
Soweit gegen die Auffassung des Senats eingewendet wird, das Anknüpfen der Höhe der Sicherheit an das klägerische Angebot schüre die Gefahr, dass die Patentinhaber den Benutzern weit überhöhte Angebote machten, um die Leistung einer Sicherheit zu verhindern und diesen den FRAND-Einwand faktisch abzuschneiden, vermag der Senat diese Bedenken nicht zu teilen. Denn in aller Regel hat der SEP-Inhaber gerade ein Interesse daran, dass es zu einem Lizenzvertragsabschluss kommt, und kein Interesse, dauerhaft einen Unterlassungsanspruch gegen den Benutzer durchzusetzen. Er wird daher bereits aus diesem Grund dem Benutzer in der Regel kein Angebot unterbreiten, bei welchem er davon ausgeht, dass der Benutzer für dieses weder Sicherheit leisten noch das Angebot (unbedingt) annehmen wird. Überdies geht der Patentinhaber mit einem bewusst überhöhten Angebot das erhebliche Risiko ein, dass der Benutzer für dieses gleichwohl Sicherheit leistet und sich das Angebot sodann im gerichtlichen Verfahren als nicht FRAND erweist und die Unterlassungsklage – trotz festgestellter Patentverletzung – abzuweisen ist.
143
Ob und inwieweit die Orientierung der Sicherheitsleistung am klägerischen Angebot in besonders gelagerten Einzelfällen gleichwohl einer Korrektur-(Möglichkeit) bedarf, kann dahinstehen, da ein Sachverhalt, der Anlass hierfür geben könnte, vorliegend nicht ersichtlich ist.
144
(3) Der Senat hält zudem weiterhin daran fest, dass es einer qualifizierten Sicherheitsleistung dergestalt bedarf, dass ferner durch eine verbindliche Erklärung des Benutzers/Beklagten sichergestellt werden muss, dass der Patentinhaber/Kläger die Sicherheit erhält, wenn sich sein Angebot am Ende als FRANDgemäß erweist und auch die mit der Unterlassungsklage geltend gemachte Patentverletzung rechtskräftig bejaht wird. Zwar lässt sich dieses Erfordernis dem EuGH-Urteil nicht unmittelbar entnehmen, es folgt jedoch aus dem Erfordernis einer „angemessenen Sicherheit“. Diese muss daher geeignet sein, gerade den Anspruch auf eine FRANDLizenzgebühr abzusichern. Dieser Zweck wäre aber verfehlt bzw. der Kläger insoweit gerade nicht „gesichert“, wenn der Beklagte, der – im Gegensatz zum Kläger – zum Abschluss eines Lizenzvertrags grundsätzlich nicht verpflichtet ist, es sich nach der FRAND-Prüfung durch das Gericht (gegebenenfalls unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen) doch „anders überlegen“ könnte (etwa, wenn sich abzeichnet, dass das klägerische Angebot tatsächlich FRAND war) und er das Angebot ablehnen, auf den FRAND-Einwand verzichten und sich stattdessen zur Unterlassung verurteilen lassen könnte – und die Sicherheit zurückerhalten würde (jedenfalls, soweit diese den – unter Umständen deutlich niedrigeren – Schadensersatzanspruch übersteigt). Denn damit hätte der Beklagte gegebenenfalls genau das erreicht, was durch die Sicherheit verhindert werden soll, nämlich dass der Beklagte eine reine Verzögerungstaktik fährt, er das Patent weiterhin ohne Lizenz genutzt hat und der Patentinhaber am Ende nur auf den (schwachen) Schadensersatzanspruch verwiesen wird.
145
Dieser Ansicht hat sich im Übrigen zwischenzeitlich auch die Lokalkammer München des Einheitlichen Patentgerichts angeschlossen (EPG – LK München, Urt. v. 18.12.2024 – UPC CFI 9/2023, GRUR-RS 2024, 35919 Rn. 319).
146
cc) Hinsichtlich der Rechtsfolgen hält der Senat ebenfalls an seiner Auffassung im Hinweis vom 30.10.2024 fest.
147
(1) Leistet der Patentverletzer keine Sicherheit im vorgenannten Sinne, fehlt es (jedenfalls) an einer Voraussetzung gemäß EuGH „Huawei“. Der FRAND-Einwand ist dann nicht erfolgreich, ohne dass das klägerische Angebot auf seine FRAND-Gemäßheit hin zu überprüfen ist (grds. ebenso, lediglich offenlassend bzgl. der Höhe der Sicherheit: EPG – LK München, Urt. v. 18.12.2024 – UPC CFI 9/2023, GRUR-RS 2024, 35919 Rn. 321, 318).
148
Der Senat hält zudem an seiner Auffassung fest, dass es sich bei dem Erfordernis eines Gegenangebots (Schritt 4) und der (qualifizierten) Sicherheitsleistung (Schritt 5) zugleich um vom EuGH vorgegebene Konkretisierungen der vom BGH geforderten „fortdauernden Lizenzbereitschaft“ (= Lizenzwilligkeit) des Patentnutzers handelt. Jedenfalls in der Regel bedeutet dies, dass der Benutzer seine Lizenzwilligkeit in dieser Phase der Verhandlungen grundsätzlich nur noch durch diese konkreten Handlungen, insbesondere eine qualifizierte Sicherheitsleistung objektiv manifestieren und belegen kann – und muss, weil er ansonsten im Regelfall als lizenzunwillig anzusehen ist.
149
(2) Leistet der Benutzer hingegen eine qualifizierte Sicherheit im oben genannten Sinne (z.B. durch Hinterlegung/Bankbürgschaft in Höhe des klägerischen Angebots und eine Verpflichtungserklärung oder durch den Abschluss eines aufschiebend bedingten Lizenzvertrags), ist der Weg für die eigentliche FRAND-Prüfung des klägerischen Angebots (FRAND-Prüfung im engeren Sinne) eröffnet.
150
Ob ein Benutzer, der eine qualifizierte Sicherheit leistet, in aller Regel unabhängig von seinem vorangegangen Verhalten als lizenzwillig zu gelten hat, wie der Senat in seinem Hinweis angedeutet hat (GRUR 2025, 246 Rn. 37 f.), oder ob der Berücksichtigung einer Sicherheitsleistung „in letzter Minute“ im gerichtlichen Verfahren etwa auch prozessuale Gründe entgegenstehen könnten, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
151
dd) Vorliegend hat die Beklagte keine Sicherheit geleistet, die den unter bb) dargelegten Anforderungen entspricht.
152
Die ursprüngliche Sicherheitsleistung in Höhe von ... Euro erfüllt die genannten Anforderungen offenkundig nicht.
153
Aber auch soweit die Beklagte im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, sie habe mit Bankbürgschaft vom 11.12.2024, den Klägervertretern zugestellt am 23.12.2024, ihre bereits durch Hinterlegung geleistete Sicherheit für vergangene nationale Benutzungshandlungen um eine weitere Sicherheitsleistung in Höhe ihres letzten, alternativen Gegenangebots auf Einmalzahlung in Höhe von ... USD ergänzt (vgl. Bürgschaft Anlage ...) und der Sicherungsfall trete ein, wenn eine rechtskräftige Drittbestimmung getroffen werde oder die Parteien einen entsprechenden Lizenzvertrag abschlössen, ist diese Sicherheit nicht angemessen und damit unzureichend. Zum einen orientiert sich die Sicherheit allein am Gegenangebot der Beklagten und nicht – wie erforderlich – am letzten Angebot der Klägerin. Dies ist vorliegend umso mehr nicht ausreichend, als das letzte klägerische Angebot das Gegenangebot und die geleistete Sicherheit um ein Vielfaches übersteigt. Zum anderen hat die Beklagte keine qualifizierte Sicherheit in dem Sinne geleistet, dass sie sich auf geeignete Weise verbindlich zur Annahme des letzten Angebots der Klägerin verpflichtet hat, für den Fall, dass sich dieses bei der gerichtlichen Prüfung als FRAND erweisen sollte. Somit ist nicht gesichert, dass die Beklagte das klägerische Angebot auch tatsächlich annehmen würde, wie sich auch an ihrer eigenen Anmerkung, wonach es „die Klägerin […] daher in der Hand hat, den Sicherungsfall durch Annahme des Gegenangebots herbeizuführen“ (Hervorhebung durch Senat), zeigt.
154
Die Beklagte hat damit Schritt 5 der „Huawei“-Vorgaben nicht erfüllt und damit zugleich ihren Willen, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen, welche Bedingungen auch immer dies sein mögen (nämlich ggf. insbesondere auch die von der Klägerin zuletzt angebotenen Bedingungen), nicht hinreichend manifestiert. Ein Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung besteht daher nicht, da auch unter Zugrundelegung des Vortrags der Beklagten im Schriftsatz vom 31.12.2024 der FRAND-Einwand nicht durchgreift.
155
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
156
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
157
Die Revision war zuzulassen in Bezug und beschränkt auf den FRAND-Einwand, bei dem es sich um ein tatsächlich und rechtlich selbständig beurteilbares Verteidigungsmittel handelt (vgl. Feskorn, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 543 Rn. 25, 32). Insoweit hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, da bislang höchstrichterlich nicht entschieden ist, ob die nähere FRAND-Prüfung von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen ist, bzw. ob der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand bei unzureichender Sicherheitsleistung nicht durchgreift, ohne dass die Lizenzwilligkeit im Übrigen zu prüfen ist. Ebenso ist bislang nicht geklärt, welche Anforderungen an eine „angemessene Sicherheit“ zu stellen sind. Die vorgenannten Fragen können sich zudem in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen, wie die Anhängigkeit mehrerer ähnlich gelagerter Verfahren allein beim Senat belegt. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 ZPO hingegen nicht vor, sondern die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B.I.-V. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.