Titel:
Kompensationsmaßnahme, Geschäftliche Handlung, Klimaneutralität, Dienstleistungen, Unterlassungsanspruch, Verbraucherverband, Verbraucheraufklärung, Wiederholungsgefahr, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Ware, Geschäftliche Entscheidung, Streitwert, Elektronischer Rechtsverkehr, Internetseite, Abmahnungskosten, Ordnungshaft, Werbeaussage, Aufklärender Hinweis, Wert des Beschwerdegegenstandes
Schlagworte:
Unterlassungsanspruch, Irreführende Werbung, Klimaneutralität, Verbraucheraufklärung, Wiederholungsgefahr, Wettbewerbsrecht, Abmahnkosten
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 5237
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den jeweils verantwortlichen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, zu unterlassen, mit der Aussage
„Bis zum Jahr 2050 werden wir klimaneutral sein: a. verpflichtet sich zu einer Reihe ehrgeiziger Ziele, die den Weg zu Klimaneutralität entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette 2050 ebnen werden.“,
zu werben, wenn dies wie folgt:
und wie folgt dokumentiert geschieht:
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 280,78 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2024 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 55.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um wettbewerbliche Ansprüche auf Grund einer Äußerung auf einer Internetseite der Beklagten.
2
Der Kläger ist ein Verbraucherband, der in die Liste der klagefähigen Verbraucherverbände gemäß § 4 des UKlaG eingetragen ist und dessen Zweck unter anderem die Förderung der Verbraucheraufklärung ist. Die Beklagte ist ein Sportartikelhersteller.
3
Die Beklagte betrieb einen Onlineshop unter der Internetseite www.a....de. Daneben betrieb die Beklagte die Internetseite www.a...-group.com. Auf dieser Internetseite waren im oberen Bereich insgesamt 6 „Reiter“ vorhanden, durch deren Anklicken weitere Informationen zu den entsprechenden Themen angezeigt wurden. Einer dieser Reiter lautete „Investoren“, unter dem z.B. Informationen zum Finanzkalender, Finanzdaten, Geschäftsberichten verfügbar waren. Hinsichtlich der Gestaltung dieser Internetseite wird auf Anlage B 2 Bezug genommen.
4
Am 23.07.2024 erklärte die Beklagte auf der Internetseite www.a...-group.com unter dem Reiter „Nachhaltigkeit“ unter der Überschrift „Unsere Ziele für 2025 und darüber hinaus“, dass bis zum Jahr 2025 neun von zehn ihrer Artikel nachhaltig sein werden und dass sie bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein wird. Konkret lautet die Aussage hinsichtlich der Ziele für das Jahr 2050 wie folgt (Anlage K 1, dort Bl. 8):
„Bis zum Jahr 2050 werden wir klimaneutral sein: a. verpflichtet sich zu einer Reihe ehrgeiziger Ziele, die den Weg zu Klimaneutralität entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette bis 2050 ebnen werden. Bis 2025 werden wir die Treibhausgasemissionen pro Produkt um 15 % (im Vergleich zu 2017) senken, sowie Klimaneutralität (GHG) an unseren eigenen Standorten erreichen. Wir werden außerdem die absoluten Treibhausgasemissionen entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette bis 2030 um 30 % (im Vergleich zu 2017) reduzieren. Dabei hilft uns das Vorantreiben von Umweltprogrammen entlang unserer Wertschöpfungskette in enger Zusammenarbeit mit unseren Zulieferern, der Einsatz innovativer Materialien und Technologien, die vermehrte Nutzung erneuerbarer Energien sowie die Implementierung von Energieeffizienmaßnahmen.“
5
Im Anschluss an diesen Text waren weitere Informationen über „Ausklappmenüs“ bezüglich der „Nachhaltigkeitsziele für 2025 und darüber hinaus: Umweltauswirkungen“ sowie der „Nachhaltigkeitsziele für 2025: Soziale Auswirkungen“ verfügbar. Darin erläuterte die Beklagte für ihre Nachhaltigkeitsziele für das Jahr 2025 Teilziele für einzelne Bereiche; z.B. legte sie dar, dass die Wasserverbrauchsintensität im Vergleich zum Jahr 2019 um 15 % gesenkt werden solle, dass eine Abfallvermeidungsquote von 95 % beabsichtigt sei und dass bei Zulieferbetrieben zu erneuerbaren Energien übergegangen werden solle. Für die Zeit nach 2025 teilte die Beklagte das Ziel der Reduktion der Treibhausgasemissionen um 30 % bis zum Jahr 2030 (im Vergleich zum Jahr 2017) und bis zum Jahr 2050 das Erreichen von Klimaneutralität (GHG) mit. Die Beklagte machte in diesen Ausklappmenüs keine Angaben dazu, ob die angestrebte Klimaneutralität allein durch eine Reduktion der CO2-Emissionen oder auch über CO2-Kompensationszertifikate erreicht werden solle. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Anlage K1 (dort Bl. 11-15) Bezug genommen.
6
Unter dem Reiter „Nachhaltigkeit“ war ferner ein Link zum „Geschäftsbericht Nachhaltigkeit 2023“ (Anlage B 4) der Beklagten. In diesem Geschäftsbericht waren weitere Darstellungen der Pläne und Maßnahmen der Beklagten in Bezug auf ihre Nachhaltigkeitsziele enthalten, insbesondere dass die Beklagte auch Grünstromzertifikate erwerben werde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Anlage B 4 Bezug genommen.
7
Die Informationen zu den Nachhaltigkeitszielen der Beklagten waren nicht direkt im Online-Shop (www.a....de) der Beklagten enthalten. Allerdings war im Internetshop bei jedem Produkt stets unter der Rubrik „Über uns“ am unteren Ende der Internetseite eine Verlinkung zur Internetseite www.a...-group.com vorgesehen; ein solcher Link bestand zudem im Onlineshop unter der Rubrik „Hilfe“ über den Unterpunkt „Was tut a. für die Nachhaltigkeit“; eine direkte Verlinkung zu den beanstandeten Aussagen unter dem Reiter „Nachhaltigkeit“ bestand jeweils nicht. Tatsächlich wurde die Verlinkung vom Onlineshop zur Internetseite www.a...-group.com im Jahr 2024 maximal von 0,00007 % der Besucher des Onlineshops genutzt.
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Die Geeignetheit der von der Beklagten vorgesehenen Maßnahmen zur Erreichen ihrer Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2025 und 2030 wurde der Beklagten durch die Institution „Science Based Targets Initiative“ bestätigt. Nach deren Kriterien war der Erwerb von Kompensationsmaßnahmen in gewissem Umfang zulässig.
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Der Kläger mahnte die Beklagte wegen der beanstandeten Aussage mit Schreiben vom 12.08.2024 ab (Anlage K 2). Für eine Abmahnung entstanden dem Kläger durchschnittlich anteilige Kosten für Personal- und Sachkosten in Höhe von 280,78 €, Die Beklagte trat dieser Abmahnung mit Schreiben vom 19.08.2024 (Anlage K 3) entgegen.
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Der Kläger behauptet, dass die Informationen auf der Internetseite www.a...-group.com an alle Interessierten – und damit auch an Verbraucher – gerichtet ist.
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Der Kläger meint, dass es sich bei der beanstandeten Aussage um eine geschäftliche Handlung handele. Die Aussage sei wettbewerbsrechtlich unzulässig. Bei der Werbung mit Umweltschutzbegriffen habe das werbende Unternehmen besondere Aufklärungspflichten, wie sie diese Ziele zu erreichen gedenkt. Da die Beklagte dies nicht erläutert habe und insbesondere nicht klargestellt habe, ob sie die Klimaneutralität nur über eigene Emissionseinsparungen oder auch mittels Kompensationsmaßnahmen erreichen möchte, habe sie gegen diese Aufklärungspflichten verstoßen. Die beanstandete Aussage sei daher irreführend i.S.d. § 5 UWG. Zugleich habe die Beklagte gegen die Informationspflichten gemäß § 5 a Abs. 1 bis 3 UWG verstoßen.
- 1.1.1.1.1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den jeweils verantwortlichen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, zu unterlassen, mit der Aussage
„Bis zum Jahr 2050 werden wir klimaneutral sein: a. verpflichtet sich zu einer Reihe ehrgeiziger Ziele, die den Weg zu Klimaneutralität entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette 2050 ebnen werden.“,
zu werben, wenn dies wie folgt:
und in der Anlage K1, Blatt 9 dokumentiert geschieht.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 280,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
13
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
14
Die Beklagte behauptet, dass die Intemetseite www.a...-group.com sich zumindest vorrangig an Investoren richte.
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Die Beklagte meint, dass es sich bei der beanstandeten Aussage um keine geschäftliche Handlung im Sinne des UWG handele, da sich die Internetseite (vorrangig) an Investoren und nicht an Verbraucher richte. Sie meint ferner, dass die beanstandete Aussage nicht irreführend sei und keine wesentlichen Informationen vorenthalten würden. Die Beklagte informiere über Maßnahmen und Pläne bis zum Jahr 2025 und die Wirkungen dieser Maßnahmen würden auch nach dem Jahr 2025 fortwirken. Bei der Frage, ob die Beklagte die Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität im Jahr 2050 hinreichend dargestellt habe, seien auch die Angaben in den verlinkten „Geschäftsbericht Nachhaltigkeit 2023“ zu berücksichtigen. Jedenfalls durch diese Angaben habe sie ausreichende Informationen zur Verfügung gestellt und klargestellt, wie sie die Klimaneutralität im Jahr 2050 erreichen wird.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übergebenen Anlagen verwiesen. Termin zur mündlichen Verhandlung fand statt am 11.03.2025. Eine Beweisaufnahme fand nicht statt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
18
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG zu.
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1. Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG aktivlegitimiert.
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2. Die Beklagte ist gemäß § 8 Abs. 2 UWG passivlegitimiert.
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3. Bei der beanstandeten Aussage auf der Internetseite www.a...-groupcom handelt sich um eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG.
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a) Gemäß der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG ist eine „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt.
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Diese Legaldefinition ist, soweit Handlungen von Unternehmen gegenüber Verbrauchern betroffen sind und der Anwendungsbereich der UGP-RL eröffnet ist, im Lichte der Definition der Geschäftspraktiken in Art. 2 lit. d UGP-RL und der Beispielstatbestände der UGP-RL auszulegen (BGH GRUR 2015, 856 Rn. 22 – Bezugsquellen für Bachblüten; Köhler/Feddersen/Köhler, UWG, 43. Aufl. 2025, § 2 Rn. 2.11)
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Das Merkmal des objektiven Zusammenhangs ist funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern (BGH MMR 2021, 892 Rn. 23 – Influencer III). Dient die Handlung vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern in Bezug auf Produkte und wirkt sie sich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung aus, so stellt sie keine geschäftliche Handlung dar; weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stehen, unterfallen demnach nicht dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (BGH MMR 2021, 892 Rn. 24 – Influencer III). Gleiches gilt in Bezug auf kommerzielle, für Investoren gedachte Mitteilungen, wie Jahresberichte und Unternehmensprospekte (vgl. Erwägungsgrund 7 S. 2 der UGP-RL).
25
Für das Merkmal des unmittelbaren und objektiven Zusammenhangs spielt es keine Rolle, ob der Handelnde unmittelbar oder mittelbar auf die Entscheidung des Verbrauchers einwirkt; ein „unmittelbarer und objektiver“ Zusammenhang der Handlung mit der Absatzförderung kann daher auch bei einer bloßen Aufmerksamkeitswerbung oder Imagewerbung oder bei anderen Maßnahmen, die der Aufrechterhaltung des guten Rufs des Unternehmens oder seiner Produkte dienen, bestehen (Köhler/Feddersen/Köhler, a.a.O., § 2 Rn. 2.50, 2.53; vgl. auch die Gesetzesbegründung in BT-Ds 16/10 145 S. 21).
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Es besteht keine Vermutung, dass die Handlung eines Unternehmers, die in den Bereich seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit fällt, mit der Förderung des Absatzes des eigenen Unternehmens oder gar der Förderung des Absatzes eines fremden Unternehmens objektiv zusammenhängt. Die Frage, ob eine Handlung vorrangig der Förderung des eigenen oder fremden Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder aber anderen Zielen dient, ist vielmehr auf Grund einer Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BGH MMR 2021, 892 Rn. 25 – Influencer III).
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b) Nach diesen Maßstäben stellt die beanstandete Äußerung der Beklagten auf der Internetseite www.a...-group.com hinsichtlich der behaupteten Klimaneutralität der Beklagten im Jahr 2050 eine geschäftliche Handlung dar. Nach der gebotenen objektiven Betrachtung ist vorgenannte Internetseite an die Allgemeinheit gerichtet und die beanstandete Äußerung hat den Zweck, die Beklagte bei der Allgemeinheit einschließlich bei Verbrauchern – als umweltbewusstes Unternehmen darzustellen und hierdurch den Absatz eigener Produkte zu fördern. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Internetseite www.a...-group.com und die beanstandete Äußerung hingegen nicht vorrangig an (potentielle) Investoren gerichtet. Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung folgender wesentlicher Umstände:
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Vorgenannte Internetseite enthält mehrere Reiter, bei deren Anklicken Informationen zu den entsprechenden Themen angezeigt werden. Neben dem Reiter „Nachhaltigkeit“ sind die weiteren Reiter mit „Über uns“, „People & Kultur“, „Medien“, „Investoren“ und „Magazin“ bezeichnet (vgl. Anlage K 1). Bereits aus diesen Reitern ist unzweifelhaft, dass sich die Internetseite nicht nur an Investoren, sondern z.B. auch an Medienvertreter richtet. Klickt man auf den Reiter „Nachhaltigkeit“ ist zudem eine hervorgehobene Aufforderung enthalten, sich bei der Beklagten zu bewerben (vgl. Anlage K 1 S. 17, 18). Offenkundig richtet sich die Internetseite daher auch an potentielle Arbeitnehmer. Die Internetseite ist zudem frei zugänglich und der Name der Top-Level-Domain „a...-group“ indiziert, dass dort allgemeine Informationen über die Beklagte und deren Unternehmung zu finden sind. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung stellt die Internetseite www.a...-group.de daher keine „Investor-Relations-Internetseite“, sondern eine allgemeine Unternehmenshomepage dar, die an jedermann – und damit auch an Verbraucher –, der sich über die Beklagte informieren will, gerichtet ist.
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Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Beklagte neben der vorgenannten Internetseite (zumindest) eine weitere Internetseite, welche als Onlineshop unzweifelhaft an Verbraucher adressiert ist, betreibt. Dies schließt jedoch nicht aus, dass andere Internetseiten der Beklagten ebenfalls (auch) an Verbraucher gerichtet sind. So liegt der Fall hier: Während der unter www.a...de betriebene Onlineshop Verbrauchern als Einkaufsmöglichkeit dient, soll die Internetseite www.a...-group.com eine Informationsmöglichkeit hinsichtlich produktübergreifender Themen eröffnen.
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Schließlich sind Verbraucher nicht aus sonstigen Gründen als Adressaten der konkret angegriffenen Äußerung ausgenommen. Insbesondere richten sich diese Äußerungen nicht nur an einen Teil der Adressaten der Internetseite (wie z.B. Investoren oder Medienvertreter), sondern an alle. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Informationen über die zukünftige Klimaneutralität nicht unter dem Reiter „Investoren“ oder „Medien“ zu finden sind, sondern unter einem eigenen themenbezogenen (und nicht adressatenbezogenen) Reiter.
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4. Die angegriffene Werbeaussage ist gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 UWG unlauter, da der unzutreffende Eindruck erweckt wird, dass die Beklagte im Jahr 2050 allein durch eigene Emissionseinsparungen klimaneutral sein wird.
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a) Nach § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gem. § 5 Abs. 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben (Fall 1) oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über sodann aufgeführte Umstände enthält (Fall 2). Zu diesen Umständen zählen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG solche über wesentliche Merkmale einer Ware wie das Verfahren der Herstellung und die betriebliche Herkunft und die wesentlichen Bestandteile sowie gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG solche über die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers.
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Eine Irreführung liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Dabei kommt ep darauf an, welchen Gesamteindruck die geschäftliche Handlung bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (BGH GRUR 2022, 241 Rn 15 – Kopplungsangebot III; BGH GRUR 2023, 1710 Rn. 22 – Eigenlaborgewinn).
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b) Mit der angegriffenen Äußerung hat die Beklagte eine Angabe über einen Umstand i.S.d. § 5 Abs. 2 UWG getätigt. Dabei kann es dahinstehen, ob die Angabe in dem Sinne zu verstehen ist, dass das Unternehmen der Beklagten insgesamt im Jahr 2050 klimaneutral sein wird oder ob sich die Aussage auf sämtliche der von der Beklagten angebotenen Produkte bezieht. Denn im ersten Fall handelt es sich um einen Umstand i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG und im zweiten Fall um einen Umstand i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Dass es sich um eine zukunftsbezogene Aussage handelt, ändert daran nichts.
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c) Die Angabe, dass die Beklagte (oder deren Produkte) bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein werden, weckt bei den angesprochenen Verkehrskreisen den unrichtigen Eindruck hervor, dass die Beklagte dieses Ziel allein mit Emissionseinsparungen erreichen und keine CO2-Kompensationsmaßnahmen (z.B. den Erwerb von CO2-Zertifikaten) einsetzen wird.
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aa) Bei der Bestimmung des Inhalts einer Werbeaussage ist das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet, maßgeblich (BGH GRUR 2020, 122 Rn. 14 – LTE-Geschwindigkeit). Maßgeblich ist dabei, wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Werbeadressat bei einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit die Werbeaussage versteht (BGH GRUR 2021, 513 Rn. 11 – Sinupret; BGH GRUR 2024, 1122 Rn. 22 – klimaneutral). Dies ist von den jeweiligen Umständen der Wahrnehmung und von der Bedeutung abhängig, die die beworbene Ware oder Dienstleistung für ihn hat. Aus diesen auf die Wahrnehmungssituation und den Gegenstand der Werbung bezogenen Kriterien ergibt sich, welche Anforderungen das Irreführungsverbot an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit einer Werbeaussage stellt (BGH GRUR 2024, 1122 Rn. 22 – klimaneutral).
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Für eine Irreführung im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG genügt es, dass ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrskreises die Werbeaussage in dem unwahren Sinne versteht (BGH GRUR 2012, 1053 Rn. 19 f – Marktführer Sport).
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bb) Nach der Rechtsprechung des BGH gelten für die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage. Insbesondere auf Grund der großen Bedeutung der Umweltfreundlichkeit für die geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers sowie der Unklarheit der verwandten Begriffe besteht bei der Werbung mit Umweltschutzbegriffen eine erhöhte Irreführungsgefahr und ein erhöhtes Aufklärungsbedürfnis des Verbrauchers. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind daher grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produkts und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit“ bestimmen. Fehlen die danach gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden (BGH GRUR 2024, 1122 Rn. 24 ff. – klimaneutral m.w.N.)
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Hinsichtlich des Begriffs „klimaneutral“ ist zu berücksichtigen, dass dieser regelmäßig verschiedene Bedeutung haben kann. Er umfasst (zumindest) sowohl die Vermeidung von CO2-Emissionen als auch die Kompensation von CO2-Emissionen durch andere Maßnahmen (z.B. den Erwerb von Umweltzertifikaten) (vgl. BGH GRUR 2024, 1122 Rn. 28 – klimaneutral). Diese Maßnahmen sind nicht gleichrangig für das Erreichen von Klimaneutralität, sondern die Vermeidung von CO2-Emissionen gebührt im Vergleich zur CO2-Kompensation der Vorrang (BGH GRUR 2024, 1122 Rn. 29, 33 – klimaneutral) und ist insofern nach dem Verständnis der Verbraucher höherwertig.
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cc) Die beanstandete Aussage ist (auch) an Verbraucher gerichtet (s.o.), sodass zur Bestimmung des Inhalts das Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers maßgeblich ist.
41
dd) Nach vorgenannten Kriterien versteht ein erheblicher Teil der Verbraucher die beanstandete Aussage in dem Sinne, dass die Beklagte die Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 allein durch Emissionsreduzierungen ohne Einsatz von CO2-Kompensationsmaßnahmen erreichen wird.
42
(1) Der Begriff „klimaneutral“ ist mehrdeutig und kann in dem Sinne verstanden werden, dass die Klimaneutralität durch Vermeidung eigener Emissionen erreicht wird (s.o.). Auf Grund der Umweltschutzbezogenheit des Begriffs „klimaneutral“ hat der Verbraucher ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis über Bedeutung und Inhalt dieses Begriffs und es sind an die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise strenge Anforderungen zu stellen (s.o.). Die Beklagte hat in der angegriffenen Äußerung nicht unmittelbar klargestellt, dass sie die Klimaneutralität auch mittels CO2-Kompensationsmaßnahmen, d.h. insbesondere dem Erwerb von Grünstromzertifikaten erreichen will. Deswegen hat sie den strengen Anforderungen an die Aufklärungspflicht nicht hinreichend Rechnung getragen und die Werbeaussage ist in dem vorgenannten Sinne zu verstehen.
43
(2) Eine andere Beurteilung ist nicht auf Grund der Informationen in den Ausklappmenüs, die in unmittelbarer räumlichen Nähe zu der beanstandeten Äußerung vorgehalten werden, veranlasst.
44
Die Beklagte hat in diesen Ausklappmenüs keine ausdrücklichen Angaben dazu gemacht ob sie CO2-Kompensationsmaßnahmen einsetzen wird.
45
Im Übrigen lassen die in den Ausklappmenüs vorgehaltenen Informationen auch nicht den Schluss zu, dass die Beklagte zur Erreichen der Klimaneutralität im Jahr 2050 keine Kompensationsmaßnahmen einsetzen wird. Zwar werden in dem Ausklappmenü einzelne Maßnahmen und Teilziele zur Emissionsreduzierung für den Zeitraum bis zum Jahr 2025 und teilweise 2030 genannt. Es ist aber für einen verständigen Verbraucher nicht mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich, dass diese Ziele und Maßnahmen ausreichen würden, um eine Klimaneutralität zu erreichen. Vielmehr erweckt der Umstand, dass die Beklagte das Ziel der Klimaneutralität „erst“ für das Jahr 2050 auslobt, den Eindruck, dass diese Klimaneutralität weder im Jahr 2025 noch im Jahr 2030 erreicht sein wird. Da die Beklagte für den Zeitraum zwischen den Jahren 2030 und 2050 keine weiteren Maßnahmen oder Teilziele benennt, kommt es somit nicht auf den Umstand an, dass die bis zum Jahr 2025 ergriffenen Maßnahmen später fortwirken, sodass diese Auswirkungen dieser Maßnahmen einen positiven – wenn gleich nicht allein ausreichenden – Effekt für das Erreichen von Klimaneutralität haben.
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(3) Ferner ist eine andere Beurteilung nicht durch die im „Geschäftsbericht Nachhaltigkeit 2023“ vorgehaltenen Informationen veranlasst.
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Dabei kann dahinstehen, ob in diesem Geschäftsbericht eine Aufklärung mit hinreichender Deutlichkeit enthalten ist. Die Angaben in diesem Geschäftsbericht sind nämlich nicht zu berücksichtigen. Auf Grund der vorgenannten strengen Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit, ist es regelmäßig zur Vermeidung einer Irreführung erforderlich, dass bereits in der Werbung selbst eindeutig und klar erläutert wird, welche konkrete Bedeutung des mehrdeutigen Begriffs maßgeblich ist; außerhalb der Werbung erfolgende, vom Verbraucher erst durch eigene Tätigkeit zu ermittelnde aufklärende Hinweise, sind hingegen nicht ausreichend. (BGH GRUR 2024, 1122 Rn. 29, 36 – klimaneutral).
48
Dem steht die Regelung des § 5 a Abs. 3 Nr. 1 UWG nicht entgegen. Diese Regelung, nach der bei der Prüfung der Informationspflichtverletzung räumliche Beschränkungen des vom Werbenden gewählten Kommunikationsmittels zu berücksichtigen sind, ist für die Prüfung der Irreführung gem. § 5 Abs. 1 UWG ohne Bedeutung (BGH GRUR 2024, 1122 – 36 – klimaneutral). Überdies ist weder vorgebracht noch ersichtlich, dass es aus räumlichen Gründen nicht möglich war, in der streitgegenständlichen Äußerung klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen, ob die Emissionsreduzierung bis zum Jahr 2050 zu einem gewissen Prozentsatz durch Kompensationsmaßnahmen (und nicht durch Emissionsvermeidung) erreicht wird,
49
(4) Die Bestimmung des Inhalts der Werbeaussage kann das Gericht selbst feststellen, da der zur Entscheidung berufene Vorsitzende zu dem angesprochenen Verkehrskreis gehört.
50
ee) Die beanstandete Äußerung entspricht nicht den Tatsachen, weil die Beklagte zur Erreichung von Klimaneutralität im Jahr 2050 unstreitig zu einem gewissen Grad Kompensationsmaßnahmen (in Form des Erwerbs von Grünstromzertifikaten) einsetzen will und daher selbst nicht ohne CO2-Emissionen auskommen wird.
51
d) Die beanstandete Äußerung ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, und hat daher wettbewerbliche Relevanz. Denn der Klimaschutz ist für Verbraucher ein zunehmend wichtiges, nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag bestimmendes Thema und die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität kann daher erhebliche Bedeutung für die Kaufentscheidung haben (vgl. BGH GRUR 2024, 1122 Rn. 43 – klimaneutral). Dies gilt gleichfalls für die behauptete Klimaneutralität in der Zukunft, da bereits durch eine solche Absichtserklärung oder Zusage das Verantwortungsbewusstsein des Unternehmens für die Umwelt oder das Klima herausgestellt wird.
52
5. Auf Grund der Unlauterkeit der beanstandeten Äußerung unter dem Gesichtspunkt der Irreführung über den Umstand, ob die Beklagte die Klimaneutralität allein durch Reduzierung der CO2-Emissionen erreichen wird, kann dahinstehen, ob die Äußerung auch auf Grund anderer Erwägungen unlauter wäre. Insbesondere kommt es daher nicht darauf an, ob die Beklagte durch die mangelnde Darlegung der beabsichtigten Einzelmaßnahmen zur Vermeidung von CO2-Emissionen i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG irregeführt oder wesentliche Informationen i.S.d. § 5 a Abs. 1-3 UWG vorenthalten hat.
53
6. Die gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr besteht. Die durch die Äußerung begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr wurde nicht widerlegt.
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1. Dem Kläger steht ein Anspruch Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 280,78 € gemäß § 13 Abs. 3 UWG zu. Die auf die Abmahnung entfallenden anteiligen und daher erforderlichen und zu erstattenden Personal- und Sachkosten (vgl. Köhler/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 13 Rn. 132) betrugen unstreitig 280,78 €.
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2. Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
57
2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
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3. Der Streitwert wurde gemäß § 51 Abs. 2 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO festgesetzt.