Titel:
Presserechtliches Informationsschreiben, Außergerichtliche Kosten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Unterlassungsanspruch, Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb, Unternehmerische Entscheidungsfreiheit, Anschlußberufung, Wiederholungsgefahr, Opt-Out, Feststellungen des Berufungsgerichts, Willenserklärungen, Presseunternehmen, Tatrichterliche Würdigung, Kostenentscheidung, Revisionsverfahren, Unmittelbarer Eingriff, Unterwerfungserklärung, Mandantschaft, Bestimmte Mandanten, Abstrakter Rechtssatz
Schlagwort:
Gewerbebetrieb
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 27.07.2022 – 9 O 16309/20
Fundstellen:
K & R 2025, 350
AfP 2025, 128
LSK 2025, 4446
GRUR-RS 2025, 4446
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten zu 3) wird das Urteil des Landgerichts München I vom 27.07.2022, Az. 9 O 16309/20, abgeändert und die Klage auch in Richtung der Beklagten zu 3) abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) unter Einschluss der weiteren Kosten des Revisionsverfahrens. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von je 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin verlangt zuletzt noch von der Beklagten zu 3) die Übermittlung sog. presserechtlicher Informationsschreiben zu unterlassen, wenn es geschieht wie mit Schreiben der Beklagten zu 1) und zu 2) vom 21.10.2020.
2
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstands wird zunächst auf das Endurteil des Senats vom 31.01.2023 Bezug genommen.
3
Der Senat hat in diesem Urteil auf die Berufung der Klägerinnen (die damalige Klägerin zu 2) ist zwischenzeitlich auf die verbliebene Klägerin verschmolzen) das Endurteil des Landgerichts München I vom 27.07.2022, Az. 9 O 16309/20, dahingehend abgeändert, dass über die Beklagte zu 3) hinaus auch die Beklagten zu 1) und zu 2) verurteilt werden, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten zu unterlassen, den Klägerinnen sog. presserechtliche Informationsschreiben zuzusenden, wenn dies geschieht wie mit Schreiben der Beklagten zu 1) und zu 2) vom 21.10.2020. Die Anschlussberufung der Beklagten zu 3) hat der Senat zurückgewiesen.
4
Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25.06.2024 das Urteil des Senats aufgehoben, die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und dieser die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) auferlegt. Im Übrigen (Berufung der Beklagten zu 3)) hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.06.2024 – VI ZR 64/23 – Bezug genommen.
5
Nach Zurückverweisung der Sache an den Senat haben die Parteien schriftsätzlich ergänzende Ausführungen zur Frage gemacht, ob die Klägerin mit dem als Anlage K5 vorgelegten Schreiben vom 27.09.2018 wirksam ein sogenanntes Opt-Out erklärt hat. Auf die Schriftsätze der Klägerin vom 03.09.2024, 10.09.2024 und 03.02.2025 sowie der Beklagten zu 3) vom 09.09.2024, 28.11.2024 und 03.01.2025 wird Bezug genommen.
6
Der Senat hat am 18.02.2025 mündlich verhandelt.
7
Die Beklagte zu 3) beantragt zuletzt (Schriftsatz vom 17.08.2022, Bl. 200 d.A.),
das Urteil des Landgerichts München I vom 27.07.2022 zum Az. 9 O 16309/20 dahingehend abzuändern, dass die Klage auch gegenüber der Beklagten zu 3) abgewiesen wird.
8
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zu 3) zurückzuweisen.
9
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf sämtliche gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
10
Die in eine rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung umzudeutende Anschlussberufung der Beklagten zu 3) ist zulässig und in der Sache begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB auf Unterlassung der Übermittlung von presserechtlichen Informationsschreiben, wie geschehen mit Schreiben vom 21.10.2020, nicht zu. Denn sie hat vor der Übersendung des streitgegenständlichen presserechtlichen Informationsschreibens nicht wirksam gegenüber der Beklagten zu 3) erklärt, Schreiben dieser Art nicht mehr erhalten zu wollen (sog. Opt-Out).
11
1. Zwar hat der Bundesgerichtshof in Übereinstimmung mit dem Senat entschieden, dass das streitgegenständliche Schreiben der Beklagten zu 1) und zu 2) von vorneherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken, weil es keine Informationen enthält, die der Klägerin die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt würden.
12
2. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 25.06.2024 – VI ZR 64/23 – Rn. 20 ff. jedoch darüber hinaus ausgeführt:
13
Die Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens an ein Presseunternehmen stellt grundsätzlich nur dann einen unmittelbaren Eingriff in dessen Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, wenn es zuvor durch ein sogenanntes Opt-Out zu verstehen gegeben hat, dass es die Zusendung solcher Schreiben nicht wünscht.
14
Der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen (vgl. Senat NJW 2020, 1587 Rn. 35; NJW 2020, 770 Rn. 47; NJW 2019, 781 Rn. 16; BGHZ 138, 311 (317 f.) Rn. 17 = NJW 1998, 2141; BGH NJW-RR 2014, 1508 Rn. 12 – Aufruf zur Kontokündigung; BGH NJW 2013, 2760 Rn. 16 – Vorbeugende Unterwerfungserklärung). Bei Presseunternehmen sind dabei durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich gewährte Rechtspositionen zu berücksichtigen (Senat NJW 2019, 781 Rn. 16 mwN).
15
Die Übermittlung sogenannter presserechtlicher Informationsschreiben ist normalerweise betriebsbezogen, weil sie unmittelbar auf eine Beeinflussung der redaktionellen Tätigkeit des Presseunternehmens abzielt. Sie führt in der Regel auch nicht nur zu einer bloßen Belästigung, weil bereits die Sichtung des Schreibens unmittelbar nach dem Eingang und die Weiterleitung innerhalb des Verlags zusätzlichen Arbeitsaufwand verursachen kann und darüber hinaus nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist und daher der Prüfung bedarf, was Inhalt und Gegenstand des Schriftstücks ist (vgl. Senat NJW 2019, 781 Rn. 17). Für die Annahme eines unmittelbaren Eingriffs in den gewerblichen Tätigkeitskreis eines Presseunternehmens reicht dies jedoch nicht aus. Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich zusätzlich, dass das Presseunternehmen zuvor erklärt hat, keine Schreiben dieser Art (mehr) erhalten zu wollen (sog. Opt-Out), so dass die Behinderung auch keine sozial übliche mehr ist.
16
Damit hat der Bundesgerichtshof gegenüber seiner früheren Rechtsprechung (Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17) präzisiert, dass die Übersendung eines presserechtlichen Informationsschreibens als solches selbst dann noch nicht stets allein deshalb einen Unterlassungsanspruch begründet, wenn das Schreiben wie das streitgegenständliche inhaltlich nicht die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 15.01.2019 aufgestellten Anforderungen erfüllt.
17
3. Dies zugrunde gelegt lässt sich ein rechtswidriger Eingriff der Beklagten zu 3) in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht feststellen.
18
Die Klägerin hat mit dem Schreiben des Klägervertreters vom 27.09.2018 nicht wirksam gegenüber der Beklagten zu 3) erklärt, keine dem streitgegenständlichen presserechtlichen Informationsschreiben vergleichbaren Schreiben (mehr) erhalten zu wollen. Der Inhalt des als Anlage K5 vorgelegten Schreibens ist hierfür zu unbestimmt.
19
Eine empfangsbedürftige Willenserklärung – wie hier das sog. Opt-Out – ist gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Der Erklärungsempfänger ist verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat. Entscheidend ist dabei der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. bspw. Urteil vom 10.12.2014 – VIII ZR 25/14 m.w.N.).
20
a) Dies zugrunde gelegt lässt sich dem Schreiben vom 27.09.2018 schon nicht entnehmen, für welchen Erklärenden es Wirksamkeit beansprucht. Damit bleibt auch unklar, ob das Schreiben für die Klägerin gelten soll. Die Klägerin selbst hat das Schreiben nicht gefertigt. Es enthält auch keinen Hinweis darauf, dass es im Namen der Klägerin an die Beklagte zu 1) übermittelt wurde. Legt man den Wortlaut des Schreibens zugrunde, wird untersagt, „namens und im Auftrag unserer Mandantschaft“ sogenannte presserechtliche Informationsschreiben „an unsere Mandantin“ zu versenden. Ein Hinweis darauf, wer die „Mandantschaft“ bzw. die „Mandantin“ ist, findet sich in dem Schreiben an keiner Stelle. Eine Klarstellung ergibt sich vorliegend auch nicht aus den als Anlagen beigefügten presserechtlichen Informationsschreiben zu Joachim Löw vom 01.10.2018, die an die M. GmbH bzw. an die S. Verlags GmbH & Co KG (die ehemalige Klägerin zu 2) adressiert waren. Denn diese Schreiben richteten sich an mindestens zwei Verlagsgesellschaften, die Formulierung „Mandantin“ im Schreiben vom 27.09.2018 deutet dagegen durch die Verwendung des Singulars auf die Vertretung nur einer bestimmten Gesellschaft hin. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann selbst aus der Zusammenschau des Schreibens vom 27.09.2018 und der beigefügten Anlagen nicht geschlossen werden, dass mit „Mandantschaft“ bzw. „Mandantin“ sämtliche Verlagsgesellschaften des Medienhauses X., die von presserechtlichen Informationsschreiben der Beklagtenseite betroffen waren, und damit auch die ehemaligen Klägerinnen zu 1) und 2) gemeint waren. Selbst wenn man unterstellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) Kenntnis davon hatten, dass das Medienhaus X. im Jahr 2018 exklusiv durch die Kanzlei Y. vertreten wurde, war für sie nicht hinreichend bestimmbar, welche der Verlagsgesellschaften von dem Begriff der „Mandantschaft“ bzw. „Mandantin“ erfasst sein sollten. Die Beklagte zu 3) weist in ihrem Schriftsatz vom 03.01.2025 (dort Seite 3) zu Recht darauf hin, dass im vorliegenden Gesamtkontext eine Vielzahl möglicher Deutungen in Betracht kommt, ohne dass einzelne Deutungen von vorneherein als fernliegend ausgeschieden werden könnten.
21
b) Dem Schreiben vom 27.09.2018 lässt sich darüber hinaus nicht mit ausreichender Bestimmtheit entnehmen, dass es in Bezug auf die Beklagte zu 3) Wirkung entfalten sollte. Ausweislich des Adressfeldes ist es an die Beklagte zu 1) zu Händen Herrn RA S2. B. gerichtet, an den sich der Klägervertreter in der Folge mit der Formulierung „untersagen wir Ihnen hiermit“ auch direkt richtet. Auch im abschließenden Absatz richtet sich der Appell „Wir haben Sie also anzuhalten“ unmittelbar an die Beklagte zu 1) bzw. an Rechtsanwalt B.. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund verständlich, dass die Beklagte zu 1) im Vorfeld der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17 unabhängig von einer Vertretung eines bestimmten Mandanten für sich selbst in Anspruch genommen hatte, in der von der Klägerin beanstandeten Weise vorgehen zu dürfen, sie hatte sogar ausdrücklich angeregt, nicht einen konkreten Mandanten, sondern sie selbst zu verklagen (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2019 – VI ZR 506/17 Rn. 25). Von daher war es aus Sicht der Beklagten zu 1) und 2) durchaus nicht fernliegend, das Schreiben nur auf sich selbst zu beziehen, zumal an keiner Stelle die Geltung gegenüber irgendeinem Mandanten der Beklagten zu 1) zum Ausdruck gebracht wird. Dass das Schreiben auch gegenüber der Beklagten zu 3) Wirkung haben soll, lässt sich auch den als Anlagen beigefügten presserechtlichen Informationsschreiben vom 01.10.2018 nicht entnehmen. Denn diese betrafen beide den Fall „Joachim Löw“, so dass beim Empfänger des Schreibens durchaus der Eindruck entstehen konnte, dass das sog. Opt-Out allenfalls zusätzlich gegenüber diesem Mandanten der Beklagten zu 1) erfolgen sollte. Eine allgemeine Geltung dahingehend, dass die Beklagten zu 1) und 2) die ausgesprochene Untersagung allen gegenwärtigen und künftigen Mandanten und damit auch der Beklagten zu 3) zur Kenntnis bringen sollten, kann dem Schreiben vom 27.09.2018 entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zugemessen werden.
22
4. Mangels Erstverstoßes gegen ein absolut geschütztes Recht der Klägerin fehlt es damit auch an der nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB notwendigen Wiederholungsgefahr.
23
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
24
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
25
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht erfüllt sind.
26
Die maßgeblichen Rechtsfragen zum presserechtlichen Informationsschreiben sind mittlerweile höchstrichterlich geklärt; insoweit wird auf die oben zitierten Entscheidungen verwiesen. Es ist Aufgabe der Instanzgerichte, diese Rechtsgrundsätze auf den jeweils vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Ob die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch vorliegen, hängt von den in tatrichterlicher Würdigung des jeweiligen Sachvortrags zu treffenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab und kann nicht Gegenstand einer grundsätzlichen Klärung durch den Bundesgerichtshof sein (vgl. BGH, Beschluss vom 13.10.2021 – VII ZR 179/21, juris Rn. 9). Divergierende Ergebnisse aufgrund der Würdigung des jeweils vorgetragenen Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht begründen überdies keine Divergenz i.S. des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 522 Abs. 2 ZPO. Von einer solchen ist vielmehr nur dann auszugehen, wenn den Entscheidungen sich widersprechende abstrakte Rechtssätze zugrunde liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 09.07.2007 – II ZR 95/06, juris Rn. 2). In diesem Sinne divergierende obergerichtliche oder höchstrichterliche Judikate sind weder dargetan noch ersichtlich.