Titel:
Zeitliche Anwendbarkeit der Datenschutzgrundverordnung bei Scraping-Fällen
Normenketten:
DSGVO Art. 82
ZPO § 138
Leitsatz:
Es besteht eine sekundäre Darlegungslast des Plattformbetreibers als "Herr" der Technik, Vortrag über den konkreten Zeitraum des Datenschutzvorfalls zu halten, von dem die zeitliche Anwendbarkeit der DSGVO abhängt. (Rn. 67 – 69) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Mitverschulden, Berufung, Verletzung, Unterlassungsanspruch, Auskunft, Ermessen, Unterlassung, Verschulden, Ersatzpflicht, Daten, Zahlung, EuGH, personenbezogene Daten, Verarbeitung personenbezogener Daten, Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Vorinstanz:
LG München II, Endurteil vom 08.03.2024 – 11 O 705/23
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 32464
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München II vom 08.03.2024, Az. 11 O 705/23, wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 200,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06.05.2023 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen künftigen Schäden zu ersetzen, die der Klägerseite durch den unbefugten Zugriff Dritter auf das Datenarchiv der Beklagten, der nach Aussage der Beklagten im Jahr 2019 erfolgte, entstanden sind und/oder noch entstehen werden.
3. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft, oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, eine Verarbeitung personenbezogener Daten des Klägers, welche da sind Telefonnummer, Facebook-ID, Familiennamen, Vornamen, Geschlecht, über die Eingabe der Telefonnummer des Klägers in das Kontakt-Import-Tool und die darüber hergestellte Verknüpfung der eingegebenen Telefonnummer mit weiteren öffentlichen personenbezogenen Daten des Nutzerprofils des Klägers zu ermöglichen, ohne dass die Beklagten zum Zeitpunkt der Verwendung des Kontakt-Import-Tools unter Eingabe der Telefonnummer Sicherheitsmaßnahmen in Form einer Implementierung von Sicherheits-CAPTCHAs und der Überprüfung massenhafter IP-Abfragen oder vergleichbaren Sicherheitsmaßnahmen vorgehalten hat, zu unterlassen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 296,07 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06.05.2023 zu zahlen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 79% und die Beklagte 21%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Verfahren erster Instanz und für das Berufungsverfahren auf 8.000,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz, Feststellung, Unterlassung und Versicherung der Auskunft wegen behaupteter Verstöße gegen die Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung; im Folgenden: DS-GVO) geltend.
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1. Die Beklagte, die ihren Sitz in Irland hat, betreibt auf dem Gebiet der Europäischen Union das soziale Netzwerk Facebook.
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Im Zuge des Registrierungsprozesses müssen die Nutzer Informationen angeben, darunter Name und Geschlecht, die neben der Nutzer-ID immer öffentlich einsehbar sind. Daneben können die Nutzer in ihrem Profil weitere Daten zu ihrer Person (Mobilfunknummer, E-MailAdresse, Wohnort, Geburtsdatum, Stadt, Beziehungsstatus) hinterlegen und im von der Beklagten vorgegebenen Rahmen darüber entscheiden, welche anderen Gruppen von Nutzern („Freunde“, [auch] „Freunde von Freunden“, „öffentlich“) auf diese Daten zugreifen können („Zielgruppenauswahl“). Soweit keine individuellen Einstellungen gewählt wurden, war im relevanten Zeitraum die Auswahl auf „Freunde“ voreingestellt.
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Die „Suchbarkeits-Einstellungen“ legen fest, wer das Profil eines Nutzers unter anderem anhand der Telefonnummer finden kann. Standardmäßig war die Suchbarkeit auf „Alle“ eingestellt. Dieser Kreis konnte stattdessen auf „Freunde“, „Freunde von Freunden“ oder ab Mai 2019 zusätzlich auf „Nur ich“ begrenzt werden.
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Die Beklagte ermöglichte es Nutzern, ihre auf dem Mobilgerät gespeicherten Kontakte mit den bei Facebook hinterlegten Telefonnummern abzugleichen, um die dahinterstehenden Personen als Freunde hinzuzufügen (Kontakt-Import-Funktion, auch CIT). Diese Möglichkeit bestand auch, wenn die Zielgruppenauswahl des jeweiligen Nutzers im Hinblick auf die Telefonnummer nicht auf „öffentlich“ gestellt und damit nicht für Dritte einsehbar war.
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Unabhängig davon besteht für die Nutzer die Möglichkeit, ihren Account durch eine sogenannte „Zwei-Faktor-Authentifizierung“ mittels Übermittlung der eigenen Mobilfunknummer an die Beklagte zu sichern.
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Über Funktion und Bedeutung der Privatsphäre-Einstellungen informierte die Beklagte ihre Nutzer unter anderem im Hilfebereich des Nutzerkontos. Daneben stellte sie eine Datenrichtlinie bereit, die sie im April 2018 anpasste.
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Im Zeitraum von Januar 2018 bis September 2019 ordneten unbekannte Dritte durch die automatisierte und massenhafte Eingabe randomisierter Ziffernfolgen über die Kontakt-Import-Funktion des Netzwerks Telefonnummern Nutzerkonten zu und griffen jedenfalls die zu diesen Nutzern vorhandenen – immer öffentlich einsehbaren und/oder aufgrund der individuellen Zielgruppenauswahl öffentlich gestellten – Daten ab (sog. Scraping). Das Scraping verstieß gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook.
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Die auf diese Weise erlangten und nunmehr mit einer Telefonnummer verknüpften Daten von ca. 533 Millionen Nutzern aus 106 Ländern wurden im April 2021 im Internet öffentlich verbreitet. Die Beklagte stellte am 06.04.2021 im Artikel „Die Fakten zu Medienberichten über Facebook-Daten“ klar, dass es sich um öffentlich einsehbare Informationen handelte (Anlage B10). Die Beklagte informierte die zuständige Datenschutzbehörde nicht über den Vorfall. Mittlerweile hat die Beklagte die „Menschen, die du kennen könntest“-Funktion implementiert, die nicht mehr die direkten Kontaktübereinstimmungen anzeigt, sondern neben dem Telefonnummernabgleich weitere Indikatoren für eine soziale Verbindung der Nutzer heranzieht.
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Der Kläger unterhielt ein Nutzerkonto bei Facebook. Er hatte sich mit der E-Mail-Adresse f...@gmail.com angemeldet und die Handynummer ... hinterlegt. Die Suchbarkeitseinstellung hatte der Kläger auf dem Standard „Alle“ belassen, so dass er mithilfe der Kontakt-Import-Funktion von Dritten über seine Telefonnummer gefunden werden konnte. Durch das Scraping wurden jedenfalls die stets einsehbaren Daten wie Nutzer-ID, Geschlecht sowie der Vor- und Nachname des Klägers abgerufen. Der Kläger wurde von der Beklagten von dem Datenvorfall nicht in Kenntnis gesetzt.
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Der Kläger ist noch bei WhatsApp und X (vormals Twitter) sowie bei Amazon.de und GoogleMail unter Hinterlegung seiner Telefonnummer registriert.
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Die Klägervertreter forderten die Beklagte mit Schreiben vom 21.12.2022 unter anderem zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.000,00 €, Unterlassung zukünftiger Zugänglichmachung der Daten des Klägers an unbefugte Dritte und zur Auskunft über die abgegriffenen und veröffentlichten Daten auf.
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Die Beklagte übermittelte dem Kläger mit Schreiben vom 06.02.2023 eine Anleitung zur Einsichtnahme in die bei der Beklagten hinterlegten Informationen und deren Verwendung.
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2. Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zur Zahlung immateriellen Schadensersatzes für das Daten-Scraping in Höhe von mindestens 3.000,00 € nebst Zinsen und zur Zahlung immateriellen Schadensersatzes für die Nichterteilung einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Datenauskunft in Höhe von mindestens 2.000,00 € zu verurteilen sowie die Ersatzpflicht der Beklagten für alle künftigen Schäden, die aus dem unbefugten Zugriff Dritter auf das Datenarchiv der Beklagten im Jahr 2019 entstanden sind und/oder noch entstehen werden, festzustellen. Des Weiteren hat der Kläger beantragt, die Beklagte strafbewehrt zu verurteilen, es zu unterlassen, personenbezogene Daten des Klägers, namentlich Telefonnummer, FacebookID, Familiennamen, Vornamen, Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt und Beziehungsstatus unbefugten Dritten über eine Software zum Importieren von Kontakten zugänglich zu machen, ohne die nach dem Stand der Technik möglichen Sicherheitsmaßnahmen vorzusehen, um die Ausnutzung des Systems für andere Zwecke als der Kontaktaufnahme zu verhindern. Außerdem sollte die Beklagte zur Unterlassung verurteilt werden, die Telefonnummer des Klägers auf Grundlage einer Einwilligung zu verarbeiten, die wegen der unübersichtlichen und unvollständigen Informationen durch die Beklagte erlangt wurde, namentlich ohne eindeutige Informationen darüber, dass die Telefonnummer auch bei Einstellung auf „privat“ noch durch Verwendung des Kontaktimporttools verwendet werden kann, wenn nicht explizit hierfür die Berechtigung verweigert wird. Schließlich begehrte der Kläger Auskunft über die den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten, die die Beklagte verarbeitet, und Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.134,55 € nebst Zinsen.
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Der Kläger hat erstinstanzlich unter anderem vorgetragen, es sei im September 2019 zu einem Datenleck bei der Beklagten gekommen. Der ihn betreffende, vom Scraping betroffene Datensatz, habe gelautet: …, …, …, male, … in Oberbayern (Handynummer, Facebook-ID, Vorname, Nachname, Geschlecht, Wohnort). Wohl seit Mai 2021 erhalte er vermehrt Spam und Phishing-Angriffe per SMS und Telefon. Seine Telefonnummer gebe der Kläger stets bewusst und zielgerichtet weiter und mache diese nicht wahl- und grundlos der Öffentlichkeit zugänglich.
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Die Beklagte hat in erster Instanz unter anderem eingewandt, das Datenscraping habe im Zeitraum von Januar 2018 bis September 2019 stattgefunden. Es sei nur möglich gewesen, Nutzer anhand einer Telefonnummer zu finden, wenn die Suchbarkeitseinstellung auf „Alle“ gestellt gewesen sei. Sei die Telefonnummer nur für die Zwei-Faktor-Authentifizierung hinterlegt gewesen, sei der Nutzer im relevanten Zeitraum über die Kontakt-Import-Funktion nicht zu identifizieren gewesen. Im April 2018 habe die Beklagte die Suche von Nutzern anhand der Telefonnummer in der Facebook-Suchfunktion deaktiviert; die davon zu unterscheidende Kontakt-Import-Funktion habe zunächst noch fortbestanden. Sie habe ihre Systeme im Weiteren an sich entwickelnde Scraping-Taktiken angepasst, um sicherzustellen, dass das Verknüpfen von Telefonnummern mit bestimmten Facebook-Nutzern durch das CIT nicht mehr möglich gewesen sei. Die vom Kläger behaupteten unerwünschten Kontaktaufnahmen Dritter und den Zusammenhang mit dem Scraping hat die Beklagte bestritten.
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3. Das Landgericht München II hat mit Endurteil vom 08.03.2024 die Klage abgewiesen.
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Das Landgericht hat sämtliche Anträge für hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gehalten, sie in der Sache jedoch abgelehnt. Ein Schadensersatz aus Art. 82 DS-GVO und der korrelierende Feststellungsantrag stehe dem Kläger nicht zu, da die behaupteten Verstöße gegen Art. 13, 33, 34, 15 DS-GVO und gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG schon nicht vom Anwendungsbereich des Art. 82 DS-GVO erfasst seien. Die Vorschrift erfasse von vornherein nur Pflichtverstöße im Rahmen einer „Verarbeitung“. Art. 13, 34, 15 DS-GVO begründeten demgegenüber nur Informationspflichten gegenüber betroffenen Personen.
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Überdies habe der darlegungs- und beweisbelastete Kläger einen Verstoß gegen die DSGVO nicht dargelegt und bewiesen. Auch die Transparenzpflichten nach Art. 5 Abs. 1, 13 DS-GVO seien nicht verletzt. Die von der Beklagten verwendete Mehrebenen-Datenschutzerklärung entspreche den Empfehlungen der europäischen Datenschutzbehörden und sei im relevanten Zeitraum durch weitergehende Informationen im Hilfebereich ergänzt worden.
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Informationen zu (hypothetischen) Verarbeitungstätigkeiten Dritter habe die Beklagte nicht erteilen müssen.
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Es liege auch keine Verletzung der Pflicht zur Implementierung angemessener technischer und organisatorischer Maßnahmen nach Art. 32 DS-GVO vor. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, der Erhebung öffentlich zugänglicher Informationen des klägerischen Profils aufgrund seiner selbst gewählten Einstellung durch Schutzmaßnahmen entgegenzuwirken. Die Beklagte habe überzeugend erläutert, immer wieder konkrete Maßnahmen ergriffen zu haben, um Scraping zu verhindern. Danach sei die streitgegenständliche Möglichkeit, über die Suchleistenfunktion mit Telefonnummern zu suchen, bereits 2018 komplett abgeschafft und der Kontaktimport ebenfalls eingeschränkt worden.
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Benachrichtigungs- und Meldepflichten aus Art. 34, 33 DS-GVO seien ebenso nicht verletzt.
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Eine unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Rechtsgrundlage nach Art. 6 DS-GVO sei nicht erfolgt, da die Daten im Einklang mit der Zielgruppenauswahl des Klägers öffentlich zugänglich gewesen seien. Das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei im Rahmen des Art. 82 DS-GVO nicht anwendbar.
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Die Auskunftspflicht gem. Art. 15 DSGVO sei nicht verletzt. Das Auskunftsbegehren des Klägers sei am 06.02.2023 ordnungsgemäß beantwortet worden. Zu detaillierteren Angaben, insbesondere zu Verarbeitungstätigkeiten Dritter, sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen.
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Letztlich liege kein ersatzfähiger immaterieller Schaden vor. Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung habe sich der Kläger lediglich verwundert und genervt gezeigt. Bei verdächtigen Anrufen lege er auf, könne diese aber nicht immer von seriösen Anrufen unterscheiden. Seine Mobilfunknummer, die zugleich seine Geschäftsnummer sei, könne er nicht so leicht ändern. Im Übrigen lasse sich nicht nachweisen, dass die Anrufe und Benachrichtigungen im Kausalzusammenhang mit dem Scraping-Vorfall bei der Beklagten erfolgt seien.
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Der Feststellungsantrag sei unbegründet, da der Kläger nicht dargelegt habe, dass ihm irgendwie geartete materielle künftige Schäden erwachsen könnten.
27
Der Unterlassungsanspruch sei unbegründet, da weder eine Vertragsverletzung seitens der Beklagten noch eine Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht, insbesondere der Verschwiegenheitspflicht, vorliege. Es bestehe ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand für die Bearbeitung der Daten. Da die Privatsphäre-Einstellungen des Klägers zum Zeitpunkt des Scraping-Vorfalls vorsahen, dass die betreffenden Daten öffentlich einsehbar sein sollten, könne insoweit keine Verschwiegenheitspflicht existieren. Zudem sei zweifelhaft, ob die DSGVO einen Unterlassungsanspruch nach §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB analog vorsehe. Jedenfalls fehle es an einem Verstoß gegen die DS-GVO. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht zu befürchten, da das Kontakt-Import-Tool nicht mehr zur Verfügung stehe und es jedem Nutzer obliege, jederzeit seine Suchbarkeitseinstellungen anzupassen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), wegen der Anträge erster Instanz wird auf den dortigen Tatbestand Bezug genommen.
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4. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.
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Der Kläger datiert den Datenvorfall maßgeblich auf September 2019. Von dem Scraping seien die Handynummer, die FacebookID, der Vorname und der Nachname des Klägers betroffen gewesen.
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Der Kläger befinde sich aufgrund der Tatsache, dass die eigenen Daten in einer millionenschweren Leak-Liste gelandet seien, in Sorge darüber, dass kriminelle Akteure mit diesen Daten Schindluder betreiben. Es bestehe die Gefahr, sich über nicht erkannte PhishingSMS einen Trojaner „einzufangen“. Außerdem könnten Accounts kompromittiert werden. Gerade das Zusammenspiel von Handynummer und weiteren personenbezogenen Daten, darunter Vor- und Nachname, lasse den Kontrollverlust der Daten „sensibel“ erscheinen. Der Kläger besorge außerdem, dass unter seinem Namen Spam verschickt werden könnte und dass ein SIM-Swap durchgeführt werden könnte, um an seine Krypto-Coins heranzukommen.
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Der Kläger habe weiter dargetan, dass der Leak-Datensatz eindeutig der Beklagten zuzuordnen sei. Ein darüber hinausgehender (vorgelagerter) Kontrollverlust etwa aufgrund eines anderen Datenlecks sei ihm nicht bekannt und werde mit Nichtwissen bestritten. Er nutze seine Rufnummer „in üblichem Umfang“, gebe sie nicht an unbekannte Dritte heraus und nutze sie, soweit es um Internetdienste gehe, im Rahmen der Zwei-Faktor-Authentifizierung.
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Der Kläger ist der Ansicht, der Anwendungsbereich des Art. 82 DS-GVO sei eröffnet. Die Beklagte habe gegen Art. 5 Abs. 1, 13, 15 DS-GVO verstoßen, da ihre Informationen nicht transparent und leicht verständlich gewesen seien. Insbesondere sei kein Hinweis auf die Verwendung der Mobilfunknummer für das CIT erfolgt. Des Weiteren sei Art. 6 DS-GVO verletzt, da der Kläger in die Nutzung seiner nicht öffentlich geteilten Mobilfunknummer nicht wirksam eingewilligt habe. Die Suchbarkeit des Profils durch Dritte anhand der Mobilfunknummer sei für die Erfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags nicht erforderlich gewesen, ebenso wenig wie für die Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten oder Dritter. Die Beklagte habe außerdem gegen Art. 32 DS-GVO und das Gebot des Datenschutzes durch Technikgestaltung verstoßen; ihre technischen und organisatorischen Maßnahmen seien nicht ausreichend gewesen. Die Beklagte habe das Gegenteil zu beweisen. Ferner liege ein Verstoß gegen die Grundsätze der datenschutzfreundlichen Voreinstellungen „Privacy bei Design“ und „Privacy bei Default“ i. S. d. Art. 25 DS-GVO vor. Dem Nutzer werde im Registrierungsprozess suggeriert, dass er seine Mobilfunknummer zum Zwecke der die Sicherheit erhöhenden „Zwei-Faktor-Authentifizierung“ hinterlege. Es komme nicht darauf an, dass der Kläger die Einstellungen zur Suchbarkeit hätte ändern können. Schließlich habe die Beklagte ihre Meldepflicht gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde nach Art. 33 DS-GVO und ihre Benachrichtigungspflicht gegenüber dem Kläger nach Art. 34 DS-GVO verletzt. Letztlich habe sie keine Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DS-GVO vorgenommen.
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Art. 82 DS-GVO erfasse materielle und immaterielle Schäden. Eine Erheblichkeitsschwelle müsse nicht erreicht werden. Erforderlich sei allein eine rechtswidrige Datenverarbeitung, die ihrerseits zu einem kausalen Kontrollverlust führe, was hier der Fall sei. Allein der Kontrollverlust des Klägers sei bereits ein Schaden. Ängste, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen stellten einen immateriellen Schaden dar und würden durch die Verbreitung der Daten im Darknet vergrößert.Die Sorge des Klägers fuße konkret und kausal auf dem Umstand, dass seine Daten dem eigenen Kontrollverlust unterlagen.
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Für die Höhe des Schadensersatzes müsse die Vielzahl der Verstöße gegen die DS-GVO und der Eingang der personenbezogenen Daten des Klägers in eine Leak-Liste Berücksichtigung finden. Den Kläger treffe kein Mitverschulden wegen fehlender Änderung der Einstellungen. Ein Abgreifen der Daten wäre trotzdem möglich gewesen.
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Aus Art. 82 DS-GVO könne auch der Feststellungsanspruch für zukünftige materielle und immaterielle Schäden abgeleitet werden. Es sei derzeit noch nicht absehbar, welche unbekannten Dritten Zugriff auf die Daten des Klägers erhalten haben und für welche kriminellen Zwecke sie missbraucht werden. Die Möglichkeit eines Schadenseintritts genüge. Einer Verjährung im Jahr 2024 müsse entgegengewirkt werden.
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Der Auskunftsanspruch folge aus der Rechenschaftspflicht des Art. 5 Abs. 2 DS-GVO und aus Art. 15 DS-GVO. Der Beklagten müsse es möglich sein muss, im Wege einer sog. Rückwärtssuche zumindest das Facebook-Profil der kriminellen Akteure zu benennen, mittels dessen die Handynummer des Klägers „gematcht“ wurde. Die Beklagte müsse Negativ-Erklärungen beeiden, weil der Kläger ihr nicht glaube.
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Die fehlende Auskunft vertiefe den Schaden, weshalb ein gesonderter Schadensersatzanspruch in Betracht komme. Ein Betroffener wolle nach einem Datenschutzvorfall so schnell wie möglich alle verfügbaren Informationen über Art, Intensität und Umfang seiner Betroffenheit mitgeteilt haben, um den Grad des eigenen Unwohlseins nach Kenntnis der betroffenen bzw. verlustig gegangenen Daten an eben diesen Daten zu messen und idealerweise - wenn möglich – abzuschmelzen.
39
Der Unterlassungsanspruch sei zulässig, da ausreichend bestimmt. Eine gewisse Verallgemeinerung von Antrag und Titel sei gestattet, solange das Charakteristische der konkreten Verletzungstatbestände zum Ausdruck komme. Mit Blick auf den Effektivitätsgedanken könne der Unterlassungsanspruch zu einer aktiven Beseitigungspflicht führen. Art. 17 DSGVO inkludiere einen Unterlassungsanspruch. Der Verstoß gegen Regularien der DS-GVO stelle gleichsam eine nebenvertragliche Pflichtverletzung nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB analog. Die Beklagte nutze die Telefonnummer des Klägers nach eigenen Angaben „möglicherweise“ noch für andere Zwecke als die Zwei-Faktor-Authentifizierung. Eine Verwendung z. B. für passive Werbezwecke komme in Betracht. Es liege eine Erstbegehungsgefahr vor. Jedenfalls sei die Wiederholungsgefahr durch die Rechtsverletzung indiziert. Die Beklagte habe diese nicht widerlegt. Der Kläger bestreite, dass die Beklagte das CIT geändert habe.
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Der Kläger hat zunächst die erstinstanzlich gestellten Ansprüche geltend gemacht, darunter in Ziffer 4. den Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Erteilung der Auskunft über die den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten, welche die Beklagte verarbeitet, namentlich welche Daten durch welche Empfänger zu welchem Zeitpunkt bei der Beklagten durch Scraping oder durch Anwendung des Kontaktimporttools erlangt werden konnten.
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Der Kläger hat auf Hinweis seine ursprünglich gestellten Unterlassungsanträge umformuliert. In der mündlichen Verhandlung hat er zusätzlich seinen Auskunftsantrag umformuliert und im Übrigen für erledigt erklärt.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite als Ausgleich für Datenschutzverstöße und die Ermöglichung der unbefugten Ermittlung der Handynummer der Klägerseite sowie weiterer personenbezogener Daten der Klägerseite wie Facebook-ID, Vorname, Nachname sowie ggf. weiterer personenbezogener Daten (etwa Geschlecht, Wohnort, Geburtsort, Beziehungsstatus und/oder Berufsstätte) einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von € 3.000,00 aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über den jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite für die Nichterteilung einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden außergerichtlichen Datenauskunft i.S.d. Art. 15 DSGVO einen weiteren immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von € 2.000,00 aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über den jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerseite alle materiellen künftigen Schäden zu ersetzen, die der Klägerseite durch den unbefugten Zugriff Dritter auf das Datenarchiv der Beklagten, der nach Aussage der Beklagten im Jahr 2019 erfolgte, entstanden sind und/oder noch entstehen werden.
4. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall, der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft, oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu unterlassen,
a) eine Verarbeitung personenbezogener Daten der Klägerseite, namentlich (welche da sind) Telefonnummer, Facebook-ID, Familiennamen, Vornamen, Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt und Beziehungsstatus, über die Eingabe der Telefonnummer der Klägerseite in das Kontakt-Import-Tool und die darüber hergestellt Verknüpfung der eigegebenen Telefonnummer mit weiteren öffentlichen personenbezogenen Daten des Nutzerprofils der Klägerseite zu ermöglichen, ohne dass die Beklagten zum Zeitpunkt der Verwendung des KontaktImport-Tools unter Eingabe der Telefonnummer Sicherheitsmaßnahmen in Form einer Implementierung von Sicherheits-CAPTCHAs und der Überprüfung massenhafter IP-Abfragen oder vergleichbaren Sicherheitsmaßnahmen vorgehalten hat;
b) die Telefonnummer der Klägerseite auf Grundlage einer Einwilligung zu verarbeiten, die wegen der unübersichtlichen und unvollständigen Informationen durch die Beklagte erlangt wurde, namentlich ohne eindeutige Informationen darüber, dass die Telefonnummer auch bei Einstellung auf „privat“ noch durch Verwendung des Kontaktimporttools verwendet werden kann, wenn nicht explizit hierfür die Berechtigung verweigert wird.
5. Die Beklagte wird verurteilt, die Richtigkeit und die Vollständigkeit der erteilten Auskünfte über die personenbezogenen Daten, welche die Beklagte verarbeitet, namentlich welche Daten durch welchen Empfänger zu welchem Zeitpunkt bei der Beklagten durch eine „Web-Scraping“-Anwendung“ des Kontaktimporttools erlangt werden konnten an Eides statt zu versichern.
6. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite von den außergerichtlich entstandenen Kosten für die anwaltliche Rechtsverfolgung in Höhe von € 887,03 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über den jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit freizuhalten.
Der Kläger beantragt weiter, dem EuGH näher formulierte Fragen vorzulegen und das Verfahren gemäß § 148 ZPO auszusetzen.
43
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
44
Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Landgerichts. Der Kläger habe schon nicht dargelegt, dass seine Daten im zeitlichen Anwendungsbereich der DS-GVO abgerufen worden seien. Der Scraping-Sachverhalt habe im Zeitraum von Januar 2018 bis September 2019 stattgefunden. Da die Beklagte nicht über die gescrapten Rohdaten verfüge und keine Logdateien vorhalte, könne sie den Zeitpunkt des Scrapings der Daten des Klägers nicht bestimmen.
45
Die (angebliche) Verletzung der Aufklärungspflichten nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a), 13, 14 DS-GVO sei nicht vom Anwendungsbereich des Art. 82 DS-GVO erfasst. Überdies habe die Beklagte dem Kläger alle erforderlichen Informationen mit ausreichender Detailtiefe und Transparenz bereitgestellt, insbesondere zur Verwendung der Mobilfunknummer für die Kontakt-Import-Funktion. Eine Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. a) DS-GVO sei nicht erforderlich. Da sich die Verarbeitung personenbezogener Daten auf die Durchführung des jeweiligen Nutzervertrages stütze, finde Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. b) DS-GVO Anwendung. Einem sozialen Netzwerk sei es immanent, dass Nutzer Freunde und Bekannte finden und sich mit ihnen vernetzen können. Solche Verknüpfungen werden durch die Kontakt-Import-Funktion als wesentliches Tool, das die Telefonnummern der Nutzer erfordere, ermöglicht.
46
Ebenso scheide Art. 24 DS-GVO als Anknüpfungspunkt für einen Schadensersatzanspruch aus, da er keine konkreten Verpflichtungen begründe. Die Beklagte habe ihre Pflichten zur Implementierung angemessener technischer und organisatorischer Maßnahmen gemäß Art. 32, 24, 5 Abs. 1 Buchst. f) DS-GVO im Zusammenhang mit der KontaktImport-Funktion nicht verletzt. Sie habe die Anti-Scraping-Maßnahmen im relevanten Zeitraum regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst. Im Zuge des Scraping-Sachverhalts sei keine unbefugte Offenlegung von Daten erfolgt; diese habe im Einklang mit den Privatsphäre-Einstellungen des Klägers gestanden. Jedenfalls seien die Risiken und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gering gewesen.
47
Aus der (angeblichen) Verletzung von Benachrichtigungs- und Informationspflichten nach Art. 33, 34 DS-GVO könne ebenfalls kein Anspruch nach Art. 82 DS-GVO resultieren. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Scraping-Sachverhalt einer Aufsichtsbehörde zu melden, da keine Verletzung der Sicherheit und des Schutzes personenbezogener Daten vorgelegen habe, zumindest kein Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen bestanden habe. Aus denselben Gründen mussten die Betroffenen nicht informiert werden.
48
Eine Verletzung der Pflicht zum Datenschutz durch Technikgestaltung und zu datenschutzfreundlichen Voreinstellungen nach Art. 25 DS-GVO liege nicht vor. Es handele sich nur um einen bloße Verfahrensvorschrift. Es seien ohnehin nur die Datenpunkte NutzerID, Vor- und Nachname und Geschlecht durch das Scraping abgerufen worden, d. h. die immer öffentlichen Nutzerinformationen. Die Standardeinstellung für die Suchbarkeit der Telefonnummer sei nicht zu beanstanden, da auch die Nutzung der Telefonnummer im Rahmen der Suchfunktion dem Unternehmenszweck der Beklagten, Menschen miteinander zu verbinden, und damit der Durchführung des Nutzungsvertrages diene. Eine Suchbarkeit allein anhand des Namens reiche wegen der enormen Zahl der Facebook-Nutzer von ca. 2,8 Milliarden weltweit zur Identifizierung nicht aus. Der Kläger hätte jederzeit Änderungen seiner Suchbarkeitseinstellungen vornehmen können. Die „Möglichkeit zum Eingreifen“ mit der Erläuterung, wie man dies tun könne, mache die Standardeinstellung mit Art. 25 Abs. 2 DS-GVO vereinbar. Außerdem werde durch die Voreinstellung der Suchbarkeit des Nutzerprofils die Telefonnummer nicht einer unbestimmten Zahl anderer natürlicher Personen „zugänglich“ gemacht, weil eine Benutzung des CIT deren Kenntnis durch die suchende Person gerade voraussetzte.
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Die Beklagte habe den Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO vollständig erfüllt. Sie sei nicht verpflichtet, über etwaige Verarbeitungstätigkeiten von Scrapern als Dritte Auskunft zu erteilen, was auch unmöglich sei.
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Der Anspruch nach Art. 82 DS-GVO könne nicht aus einer Verletzung der DatenschutzFolgenabschätzung nach Art. 35 DS-GVO abgeleitet werden. Ein solcher würde schon nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich der DS-GVO fallen.
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Die Beklagte treffe kein Verschulden i. S. d. Art. 82 Abs. 3 DS-GVO. Sie habe Maßnahmen gegen Scraping implementiert, die im Gleichgewicht zur beabsichtigen Nutzerfunktionalität stünden.
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Der Kläger habe keinen materiellen oder immateriellen Schaden erlitten. Dafür sei eine tatsächliche Beeinträchtigung persönlichkeitsbezogener Belange von einigem Gewicht im Sinne von erheblichen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Nachteilen erforderlich. Ein Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten genüge nicht; er sei für sich genommen nicht einem Schaden gleichzusetzen. Ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als nationale Vorschrift werde von Art. 82 DS-GVO nicht erfasst. Der Kläger habe einen Kontrollverlust auch nicht nachgewiesen und weder konkrete weitere Folgen noch bestimmte negative Auswirkungen bei sich vorgetragen. Er beschränke sich auf formelhafte Behauptungen. Insbesondere werde bestritten, dass der Kläger vor dem Scraping-Sachverhalt eine Kontrolle über die abgerufenen Daten innegehabt habe.
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Die Verbreitung von Spam sei mittlerweile weit verbreitet. Überdies könne eine erneute Veröffentlichung ohnehin öffentlich sichtbarer Nutzerinformationen zu keinem Kontrollverlust führen.
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Es fehle des Weiteren am Kausalzusammenhang zwischen der angeblichen Pflichtverletzung und dem behaupteten Kontrollverlust oder sonstiger angeblicher negativer Folgen. Der Kläger sei seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. In Bezug auf die angeblichen Spam-Nachrichten und -Anrufe habe er weder substantiiert dargelegt noch bewiesen, dass sie auf den Scraping-Sachverhalt zurückgehen. Es handele sich um Alltagserscheinungen, für die eine Vielzahl möglicher Gründe in Betracht komme.
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Die beanspruchte Schadenshöhe sei überzogen. Art. 82 DS-GVO komme ausschließlich eine Ausgleichsfunktion und gerade keine Abschreckungs- oder Straffunktion zu. Der Schadensersatz könne allenfalls im symbolischen Bereich liegen. Die Beklagte habe Maßnahmen zur Eindämmung von Scraping ergriffen, der Scraping-Sachverhalt sei durch Dritte verursacht worden und der Kontrollverlust beziehe sich nur auf öffentlich einsehbare Daten. Den Kläger treffe ein Mitverschulden, weil er es trotz ausreichender Information unterlassen habe, seine Privatsphäre-Einstellungen anzupassen und seine Telefonnummer zu ändern.
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Der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig, da ein künftiger Schadenseintritt nicht hinreichend wahrscheinlich sei. Das Missbrauchspotenzial der streitgegenständlichen Daten sei gering. Der Kläger habe mittlerweile ein besondere Gefahrenbewusstsein, weshalb das Risiko, dass er Opfer eines künftigen Missbrauchs werde, nicht nennenswert sei. Da er seine Telefonnummer nicht ändere, scheiterten künftige Schadensersatzansprüche an einem überwiegenden Mitverschulden des Klägers bzw. der Verletzung von Schadensminderungspflichten.
57
Die Unterlassungsanträge seien unzulässig, da auf aktives Tun gerichtet und nicht hinreichend bestimmt. Es bestehe keine gesetzliche Grundlage. Art. 17 DS-GVO scheide aus. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB seien durch Art. 79 Abs. 1 DS-GVO gesperrt. Jedenfalls fehle es an einer Rechtsverletzung und einer Wiederholungsgefahr. Der Kläger könne die Privatsphäre-Einstellungen jederzeit ändern und seine Telefonnummer aus dem Nutzerkonto löschen. Die Telefonnummer könne zudem ausschließlich zur Zwei-Faktor-Authentifizierung hinterlegt werden. Der Kläger zeige ein widersprüchliches Verhalten, da er die Plattform der Beklagten nutzen wolle. Darüber hinaus habe die Beklagte die Suchbarkeit über die Telefonnummer mittels CIT zwischenzeitlich entfernt.
58
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere die Schriftsätze vom 13.06.2024, 25.09.2024, 02.12.2024, 13.01.2025 und 03.09.2025, auf die gerichtlichen Hinweise sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
59
Das Oberlandesgericht München ist zur Entscheidung berufen und hat dieser die DS-GVO zugrunde zu legen.
60
1. Das Oberlandesgericht München ist international zuständig nach Art. 82 Abs. 6, 79 Abs. 2 S. 2 DS-GVO.
61
Art. 82 Abs. 6 DS-GVO sieht für die Inanspruchnahme des Rechts auf Schadensersatz die Zuständigkeit der Gerichte vor, die nach den in Art. 79 Abs. 2 DS-GVO genannten Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats zuständig sind. Art. 79 Abs. 2 S. 2 DS-GVO wiederum gibt der betroffenen Person das Recht, eine Klage gegen einen nicht hoheitlich tätig gewordenen Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter bei den Gerichten des Mitgliedstaats zu erheben, in dem die betroffene Person ihren Aufenthaltsort hat. Der Kläger als betroffene Person hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.
62
2. Der sachliche, räumliche und zeitliche Anwendungsbereich der DS-GVO ist eröffnet.
63
a) Nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO gilt die Verordnung für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Es ist unstreitig, dass die bei der Beklagten gespeicherten Informationen personenbezogene Daten des Klägers enthalten, die gesammelt und gespeichert werden.
64
b) Art. 3 Abs. 1 DS-GVO erklärt die Verordnung in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten für anwendbar, soweit diese im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung eines Verantwortlichen oder eines Auftragsverarbeiters in der Union erfolgt, unabhängig davon, ob die Verarbeitung in der Union stattfindet. Die Beklagte hat ihren Sitz in Irland.
65
c) Gemäß Art. 99 Abs. 2 DS-GVO gilt die Verordnung ab dem 25.05.2018. Dabei ist hinsichtlich der zeitlichen Anwendbarkeit nicht der Zeitpunkt der Registrierung eines Nutzerkontos im sozialen Netzwerk der Beklagten maßgeblich, sondern der Zeitpunkt des Scraping-Vorfalls (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 19).
66
Der Kläger hat den Datenschutzvorfall maßgeblich auf September 2019 datiert, die Beklagte hat als „relevanten Zeitraum“ Januar 2018 bis September 2019 benannt.
67
Grundsätzlich muss der Anspruchsteller alle Tatsachen behaupten und beweisen, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Damit trifft den Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der zeitliche Anwendungsbereich der DS-GVO eröffnet ist. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet jedoch eine sekundäre Darlegungslast des Gegners, wenn die darlegungs- und beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner angesichts des unterschiedlichen Informationsstands beider Parteien zumutbar nähere Angaben machen kann (BGH, Urteil vom 05.10.2023, III ZR 216/22, NJW 2023, 3794, juris Rdnr. 31). Dabei obliegt es dem Prozessgegner im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen. Genügt der Gegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BGH, Versäumnisurteil vom 04.02.2021, III ZR 7/20, NJW 2021, 1759, juris Rdnr. 19; BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 559/14, NJW 2016, 3244, juris Rdnr. 18).
68
Der Senat geht in Anwendung dieser Grundsätze davon aus, dass das Scraping der den Kläger betreffenden Daten jedenfalls nach dem 25.05.2018 erfolgte, da die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nicht ausreichend vorgetragen hat, dass sich der Vorfall vor dem Inkrafttreten der DS-GVO ereignet hat. Das von der Rechtsprechung beschriebene, das Prinzip der Darlegungs- und Beweislast aufweichende Wissensgefälle besteht hier. Die Beklagte als Betreiberin der Plattform und alleinige „Herrin“ über die Technik stand dem Scraping-Vorfall weitaus näher als der Kläger, der lediglich Nutzer des Angebots war und keinerlei Einblick in die technischen Vorgänge bei der Beklagten hatte. Der Kläger hat mit seiner Bezugnahme auf September 2019 Angaben der Beklagten aus der Vergangenheit aufgegriffen, die um 2019 kreisten, wenngleich die Beklagte ihre Aussagen im Schriftsatz vom 03.09.2025 zu relativieren suchte. So führte die Beklagte in ihrer Pressemitteilung vom 06.04.2021 aus, „böswillige Akteure“ hätten die Daten von Facebook-Nutzern nicht durch das Hacken der Systeme erlangt, sondern indem sie sie vor September 2019 von der Facebook-Plattform gescrapt hätten. Aufgrund der ergriffenen Maßnahmen zeigte sich die Beklagte zuversichtlich, dass das spezifische Problem, das den Betrügern das Scrapen der Daten im Jahr 2019 ermöglicht habe, nicht mehr bestehe. Im Weiteren wies die Beklagte darauf hin, Änderungen am Kontakt-Importer vorgenommen zu haben, als ihr bewusst geworden sei, dass „böswillige Akteure“ diese Funktion im Jahr 2019 genutzt haben (Anlage B10). Noch in der Klageerwiderung hat die Beklagte vorgebracht, im Zeitraum von Januar 2018 bis September 2019, d. h. in dem Zeitraum, in dem das Datenscraping im Rahmen des Scraping-Sachverhalts stattgefunden habe, seien Name und Geschlecht des Klägers auf seinem Facebook-Profil öffentlich einsehbar gewesen.
69
Der Kläger ist damit seiner Darlegungslast nachgekommen. Mehr war von ihm als Außenstehendem nicht zu verlangen. Es war an der Beklagten, die das Kommunikationssystem entwickelt hat und nach eigenen Angaben fortlaufend überwacht, ihre Einwendungen zu spezifizieren. Dies hat sie nicht getan. Welche Erkenntnisse die Beklagte dazu veranlasst haben, im Verfahren den Zeitraum des Scrapings auf Januar 2018 bis September 2019 und damit zum Teil auf die Zeit vor Inkrafttreten der DSGVO auszuweiten, ist nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte in ihrer Auskunft vom 06.02.2023 gegenüber dem Kläger eingehend mit den Vorgaben der DS-GVO befasste, ohne deren Anwendbarkeit in Frage zu stellen (Anlage B16). Mit einem bloßen Hinweis darauf, dass sie die Rohdaten der abgegriffenen Daten und die Logdaten nicht vorhalte, vermag die Beklagte dem Erfordernis der sekundären Darlegungslast nicht zu genügen.
70
Dem Kläger steht ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO in Höhe von 200,00 € zu.
71
Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.
72
1. Ein Schadensersatzanspruch im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO erfordert einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung, das Vorliegen eines materiellen oder immateriellen Schadens sowie einen Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind. Die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzungen trifft die Person, die auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO den Ersatz eines (immateriellen) Schadens verlangt (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 21; EuGH, Urteil vom 04.10.2024, C-507/23, NJW 2025, 141, juris Rdnr. 24; EuGH, Urteil vom 11.04.2024, C-741/21, NJW 2024, 1561, juris Rdnr. 34 f.; EuGH, Urteil vom 25.01.2024, C-687/21, NJW 2024, 2009, juris Rdnr. 58; EuGH, Urteil vom 21.12.2023, C-667/21, K & R 2024, 114, juris Rdnr. 82; EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, NJW 2023, 1930, juris Rdnr. 32; EuGH, Urteil vom 14.12.2023, C-340/21, NJW 2024, 1091, juris Rdnr. 77). Ein Schaden wird daher nicht bereits aufgrund des Verstoßes gegen die DS-GVO vermutet (EuGH, Urteil vom 20.06.2024, NJW 2024, 2599, C-182/22, juris Rdnr. 42).
73
Die DS-GVO verweist für den Sinn und die Tragweite der in ihrem Art. 82 enthaltenen Begriffe, insbesondere in Bezug auf die Begriffe „materieller oder immaterieller Schaden“ und „Schadenersatz“, nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten. Daraus folgt, dass diese Begriffe für die Anwendung der DS-GVO als autonome Begriffe des Unionsrechts anzusehen sind, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen sind (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C300/21, NJW 2023, 1930, juris Rdnr. 30; EuGH, Urteil vom 14.12.2023, C-456/22, K & R 2024, 112, juris Rdnr. 15). Dabei soll nach Erwägungsgrund 146 S. 3 DS-GVO der Begriff des Schadens weit ausgelegt werden, in einer Art und Weise, die den Zielen der DS-GVO in vollem Umfang entspricht, namentlich dem Ziel, innerhalb der Union ein gleichmäßiges und hohes Niveau des Schutzes natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 28.01.2025, VI ZR 183/22, NJW 2025, 1059, juris Rdnr. 9; EuGH, Urteil vom 14.12.2023, C-456/22, K & R 2024, 112, juris Rdnr. 19 f.).
74
2. Die Beklagte ist Verantwortliche i. S. d. Art. 4 Nr. 7 DS-GVO. Sie ist die juristische Person, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.
75
Die Angaben zu den Personalien des Klägers sind als Informationen über bestimmte oder bestimmbare natürliche Personen „personenbezogene Daten“ im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO (EuGH, Urteil vom 04.10.2024, C-200/23, juris Rdnr. 67).
76
Der Verarbeitungsbegriff des Art. 4 Nr. 2 DS-GVO ist umfassend und inkludiert jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung. Diese Aufzählung ist nicht abschließend (EuGH, Urteil vom 24.02.2022, C-175/20, K & R 2022, 260, juris Rdnr. 35).
77
Selbst bei einem engeren Verständnis des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO wäre in Bezug auf den hier inmitten stehenden Scraping-Vorfall ohne Weiteres von einer Datenverarbeitung der Beklagten in Form der Speicherung, des Abfragens, der Offenlegung durch Übermittlung, der Bereitstellung und Verknüpfung auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 23)
78
3. Die Beklagte hat mit der Voreinstellung der Suchbarkeit anhand einer Telefonnummer auf „Alle“ gegen den Grundsatz der Datenminimierung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b) und c), Art. 25 Abs. 2 S. 1, S. 3 DS-GVO verstoßen.
79
a) Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b) Halbs. 1 DS-GVO müssen personenbezogene Daten für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden („Zweckbindung“). Der Grundsatz der Datenminimierung gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) DS-GVO verlangt, dass die Datenverarbeitung dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt ist. Die Ausnahmen und Einschränkungen des Grundsatzes des Schutzes solcher Daten müssen sich auf das absolut Notwendige beschränken (EuGH, Urteil vom 24.02.2022, C-175/20, K & R 2022, 260, juris Rdnr. 72 f.; BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 87).
80
Die Grundsätze des Art. 5 DS-GVO werden durch konkrete Vorgaben zur technischen Ausgestaltung und insbesondere durch Vorgaben in Bezug auf datenschutzfreundliche Voreinstellungen in Art. 25 DS-GVO konkretisiert. Gemäß Art. 25 Abs. 2 S. 1 DSGVO hat der Verantwortliche demnach geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, die sicherstellen, dass durch Voreinstellung grundsätzlich nur personenbezogene Daten, deren Verarbeitung für den jeweiligen bestimmten Verarbeitungszweck erforderlich ist, verarbeitet werden. Diese Verpflichtung gilt für die Menge der erhobenen personenbezogenen Daten, den Umfang ihrer Verarbeitung, ihre Speicherfrist und ihre Zugänglichkeit. Die Maßnahmen müssen insbesondere sicherstellen, dass personenbezogene Daten durch Voreinstellungen nicht ohne Eingreifen der Person einer unbestimmten Zahl von natürlichen Personen zugänglich gemacht werden. Damit beinhaltet Art. 25 Abs. 2 S. 3 DS-GVO die ausdrückliche Verpflichtung zu Voreinstellungen, die verhindern, dass die Daten ohne Weiteres, also ohne bewusste persönliche Änderung der Voreinstellung, der Öffentlichkeit oder sonst einem unbestimmten Adressatenkreis zugänglich gemacht werden (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 88 m. w. N.).
81
Die Vorgabe, die Daten nicht „einer unbestimmten Zahl natürlicher Personen“ zugänglich zu machen, ist nach ihrem Zweck darauf ausgelegt, dass der Personenkreis derjenigen, die Zugriff auf die Daten des Betroffenen haben können, für diesen überschaubar sein soll. Die Regelung des Art. 25 Abs. 2 DS-GVO hat dabei gerade die Voreinstellungen von sozialen Netzwerken im Blick. Dahinter steht die Erkenntnis, dass werkseitig vorgegebene Voreinstellungen durch die Nutzer nur selten verändert werden. Es soll daher verhindert werden, dass Nutzer durch Voreinstellungen, die eine über die erforderliche Verarbeitung hinausgehende extensive Datennutzung vorsehen, dazu verleitet werden, ihre Datenschutzrechte abzuwählen, ohne dies zu realisieren (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 89 m. w. N.).
82
b) Diesen Anforderungen wurde das Vorgehen der Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt des Scraping-Vorfalls nicht gerecht. Im relevanten Zeitraum war die Suchbarkeit anhand einer Telefonnummer für das Nutzerkonto des Klägers standardmäßig unstreitig auf „Alle“ gestellt.
83
Die Einstellung hatte zur Folge, dass alle anderen Facebook-Nutzer eine entsprechende Rufnummernsuche mittels CIT durchführen konnten. Gleichzeitig wurde über die Suchbarkeit der Rufnummer auch der Zugriff auf die weiteren Profilinformationen eröffnet, was sich konkret in der Vorgehensweise der Scraper niederschlug, die den Umstand ausnutzten, über die Verknüpfung der Telefonnummer sodann die öffentlichen personenbezogenen Daten des Nutzerprofils abzugreifen. Eine Einschränkung der Suchbarkeit konnte nur durch aktive Veränderung der Suchbarkeitseinstellungen durch den Nutzer selbst herbeigeführt werden. Datenschutzfreundlichere Einstellungsoptionen – insbesondere die erst 2019 eingeführte Suchbarkeitsoption „Nur ich“ – wurden demgegenüber nur als Optionen angeboten, obwohl die Nutzbarkeit des sozialen Netzwerks als solche hiervon nicht abhing, da eine Suche auch über die Eingabe des Namens möglich gewesen wäre. Die Beklagte ist damit ihrer in Art. 5 Abs. 2 DS-GVO festgeschriebenen Pflicht, die Einhaltung der Grundsätze des Art. 5 Abs. 1 DS-GVO nachzuweisen, nicht nachgekommen.
84
c) Die Voreinstellung war nicht durch Art. 6 Abs. 1 DS-GVO gedeckt.
85
aa) Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. a) DS-GVO sieht vor, dass die Verarbeitung rechtmäßig ist, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben hat.
86
Die Beklagte hat in der Berufungserwiderung gerade klargestellt, dass sich die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Bereitstellung der Facebook-Plattform – und somit auch die damit verbundene Verarbeitung im Zusammenhang mit der Kontakt-Import-Funktion – gerade nicht auf eine Einwilligung des Nutzers stützt, sondern vielmehr auf die Durchführung des Nutzervertrages als solchen.
87
bb) Gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. b) DS-GVO ist eine Verarbeitung rechtmäßig, die für die Erfüllung eines Vertrages, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich ist, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen.
88
Es trifft zwar zu, wie von der Beklagten ausgeführt, dass sich der zwischen den Parteien geschlossene Nutzervertrag auf die Bereitstellung der FacebookPlattform als soziales Netzwerk bezieht und es einem solchen immanent ist, dass die einzelnen Nutzer Freunde und Bekannte finden und sich miteinander vernetzen können. Richtig ist auch, dass solche Verknüpfungen durch die Verwendung von Funktionen wie der Kontakt-Import-Funktion hergestellt werden, die dafür die Telefonnummern von Nutzern erfordern. Allerdings fehlt es insoweit am Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit, das voraussetzt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten für die Vertragserfüllung objektiv unerlässlich ist, um einen Zweck zu verwirklichen, der notwendiger Bestandteil der für die betroffene Person bestimmten Vertragsleistung ist, so dass der Hauptgegenstand des Vertrags ohne die betreffende Verarbeitung nicht erfüllt werden könnte (EuGH, Urteil vom 04.07.2023, NJW 2023, 2997, C-252/21, juris Rdnr. 125; OLG Brandenburg, Urteil vom 24.03.2025, 1 U 18/23, juris Rdnr. 41).
89
Ein solcher Nachweis ist der Beklagten nicht gelungen. Die Nutzbarkeit von Facebook als Social-Media-Plattform hängt nicht allein von einer Suchbarkeit anhand der Telefonnummer ab. Ein Nutzer kann auch durch Eingabe seines Namens gefunden werden, wenngleich sich die Suche wegen der enormen Zahl an Facebook-Nutzern – die Beklagte spricht von ca. 2,8 Milliarden weltweit mühselig gestaltet und gegebenenfalls eine Reihe von Treffern durchforstet werden müssen. Eine Notwendigkeit, wie sie Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. b) DSGVO voraussetzt, bestand für das ehemals implementierte CIT jedenfalls nicht. Es handelte sich um ein reines Komfort-Tool, das den Nutzern ermöglichte, seine auf dem Mobiltelefon gespeicherten Kontakte rasch und ohne großen Aufwand auf Facebook zu spiegeln, sofern seine Kontakte dort Konten unterhielten. Im Übrigen zeigt bereits der Umstand, dass die Beklagte ihren Nutzern die Möglichkeit einräumt, im Rahmen der Suchbarkeitseinstellungen festzulegen, ob und wem die nicht immer öffentlichen Profildaten gezeigt werden und wer danach suchen kann, dass diese Informationen gerade nicht unabdingbar für eine hinreichende Verknüpfung der Nutzer untereinander sind.
90
cc) Weitere Einwilligungsalternativen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 DS-GVO, der eine erschöpfende und abschließende Aufzählung enthält (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, CR 2023, 439, C-60/22, juris Rdnr. 56), kommen nicht in Betracht, auch nicht Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. c) DS-GVO, wonach die Verarbeitung rechtmäßig ist, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt. Nach Art. 6 Abs. 3 DS-GVO wird die Rechtsgrundlage für diese Verarbeitung entweder durch Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedsstaaten festgelegt, dem der Verantwortliche unterliegt. Dabei muss die Rechtsgrundlage ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Ziel stehen und diese Verarbeitung innerhalb der Grenzen des unbedingt Notwendigen erfolgen (EuGH, Urteil vom 04.07.2023, NJW 2023, 2997, C-252/21, juris Rdnr. 138). Hierzu hat die Beklagte nichts vorgebracht.
91
Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. f) DS-GVO wiederum setzt die Erforderlichkeit der Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten voraus, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt. Dies ist nur dann der Fall, wenn der fragliche Betreiber den Nutzern, bei denen die Daten erhoben wurden, ein mit der Datenverarbeitung verfolgtes berechtigtes Interesse mitgeteilt hat, wenn diese Verarbeitung innerhalb der Grenzen dessen erfolgt, was zur Verwirklichung dieses berechtigten Interesses unbedingt notwendig ist und wenn sich aus einer Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen unter Würdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Nutzer gegenüber dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten nicht überwiegen (EuGH, Urteil vom 04.07.2023, NJW 2023, 2997, C-252/21, juris Rdnr. 126). Auch insoweit fehlt es an schlüssigem Vorbringen der Beklagten.
92
Ein Verstoß gegen die DS-GVO liegt somit vor.
93
4. Die Beklagte haftet nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO. Die Verschuldensvermutung des Art. 82 Abs. 3 DS-GVO hat sie nicht widerlegt.
94
a) Art. 5 Abs. 1 Buchst. b) und c), Art. 25 Abs. 2 S. 1, S. 3 DS-GVO sind vom Anwendungsbereich des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO erfasst (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 24).
95
b) Der Verstoß der Beklagten gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. b) und c), Art. 25 Abs. 2 S. 1, S. 3 DS-GVO hatte zur Folge, dass das Benutzerkonto des Klägers mit der Voreinstellung der Suchfunktion auf „Alle“ versehen war. Der Scraping-Vorfall bei der Beklagten als solcher steht ebenso fest wie die anschließende Veröffentlichung abgegriffener Daten des Klägers im Internet.
96
Zumindest die Nutzer-ID, der Name und die Telefonnummer des Klägers wie auch das Geschlecht (vgl. Anlage B15) waren von dem Datenvorfall betroffen. Name, Geschlecht und Nutzer-ID gehören zu den ohnehin immer öffentlich einsehbaren Informationen, die Telefonnummer war gerade der entscheidende Link, um diese Daten zusammenzuführen. Der Kläger hat sich im Hinblick auf seine Betroffenheit auf die „Leak-Liste“ berufen.
97
c) Art. 82 DS-GVO sieht eine Haftung für vermutetes Verschulden vor. Damit hat nicht die betroffene Person im Rahmen eines Schadensersatzanspruches nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO ein Verschulden des Verantwortlichen nachzuweisen, sondern die Exkulpation obliegt nach Art. 82 Abs. 3 DS-GVO dem Verantwortlichen (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 21; EuGH, Urteil vom 11.04.2024, C-741/21, NJW 2024, 1561, juris Rdnr. 46; EuGH, Urteil vom 21.12.2023, C-667/21, K & R 2024, 114, juris Rdnr. 103).
98
Nach Art. 82 Abs. 3 DS-GVO wird der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter von der Haftung gemäß Art. 82 Abs. 2 DS-GVO befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist.
99
Diese Vorschrift ist eng auszulegen. Der Verantwortliche kann sich bei einer Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten durch eine unbefugte Offenlegung bzw. einen unbefugten Zugang eines Dritten i. S. v. Art. 4 Nr. 10 DS-GVO nur dann von seiner Haftung befreien, wenn er nachweist, dass es keinen Kausalzusammenhang zwischen der etwaigen Verletzung der Verpflichtung zum Datenschutz durch ihn und dem der natürlichen Person entstandenen Schaden gibt (EuGH, Urteil vom 14.12.2023, C-340/21, NJW 2024, 1091, juris Rdnr. 70, 72, 74).
100
Der Scraping-Vorfall kann der Beklagten zwar nicht unmittelbar angelastet werden, weil er durch von ihr unabhängige Personen in unredlicher Absicht durchgeführt wurde. Jedoch hat die Beklagte mittels ihrer Voreinstellung zur Suchbarkeit anhand der Telefonnummer auf „Alle“ den automatisierten und massenhaften Einsatz der Kontakt-Import-Funktion und damit das Abgreifen der öffentlich einsehbaren Daten von betroffenen Nutzern ermöglicht. Für die Beklagte als weltweit agierendes Unternehmen mit langjähriger Erfahrung und spezifischer technischer Expertise im Betrieb von sozialen Netzwerken war es ohne weiteres erkennbar, dass die von ihr gewählte Voreinstellung zur Suchbarkeit mit Blick darauf, die viele Nutzer es sehr wahrscheinlich bei dieser Voreinstellung belassen werden, das Netzwerk zu einem attraktiven Ziel für Scraping machen würde. Die Beklagte unterhielt gerade zu diesem Zwecke eine Abteilung, um die Gefahr solcher Datenabgriffe zu minimieren. Den effektivsten Schritt, das Kontakt-Import-Tool zu deaktivieren bzw. es zu modifizieren, unternahm sie (vom Kläger bestritten) jedoch erst nach dem streitgegenständlichen Vorfall.
101
5. Durch den Verstoß der Beklagten gegen die Datenschutzbestimmungen ist dem Kläger ein immaterieller Schaden entstanden, den der Senat mit 200,00 € bemisst.
102
a) Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung reicht nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Der Eintritt eines Schadens im Rahmen einer rechtswidrigen Verarbeitung personenbezogener Daten ist nämlich eine nur potenzielle und keine automatische Folge einer solchen Verarbeitung. Außerdem führt ein Verstoß gegen die DS-GVO nicht zwangsläufig zu einem Schaden. Schließlich muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem fraglichen Verstoß und dem der betroffenen Person entstandenen Schaden bestehen (EuGH, Urteil vom 04.10.2024, C-507/23, NJW 2025, 141, juris Rdnr. 27; EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, NJW 2023, 1930, juris Rdnr. 37).
103
Es ist daher über einen Verstoß gegen die DS-GVO hinaus – im Sinne einer eigenständigen Anspruchsvoraussetzung – der Eintritt eines tatsächlichen Schadens (durch diesen Verstoß) erforderlich, den die betroffene Person nachzuweisen hat. Andererseits darf der Ersatz eines immateriellen Schadens nicht davon abhängig gemacht werden, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Schwere oder Erheblichkeit erreicht hat (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 28 f.; EuGH, Urteil vom 25.01.2024, C-687/21, NJW 2024, 2009, juris Rdnr. 59 f.; EuGH, Urteil vom 11.04.2024, C-741/21, NJW 2024, 1561, juris Rdnr. 36; EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, NJW 2023, 1930, juris Rdnr. 46; EuGH, Urteil vom 20.06.2024, C-590/22, VersR 2024, 1302, juris Rdnr. 28).
104
Dabei kann der – selbst kurzzeitige – bloße Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten einen immateriellen Schaden darstellen, ohne dass dieser Begriff den Nachweis zusätzlicher spürbarer negativer Folgen erfordert, etwa eine missbräuchliche Verwendung der betreffenden Daten zum Nachteil der betroffenen Person. Es bedarf auch keiner sich aus dem Kontrollverlust entwickelnden besonderen Befürchtungen oder Ängste der betroffenen Person. Diese wären lediglich geeignet, den eingetretenen immateriellen Schaden noch zu vertiefen oder zu vergrößern. In diesen Fällen muss der Kontrollverlust aber feststehen, d. h. von der betroffenen Person nachgewiesen worden sein (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 30 f.; EuGH, Urteil vom 11.04.2024, C-741/21, NJW 2024, 1561, juris Rdnr. 42; EuGH, Urteil vom 25.01.2024, C-687/21, NJW 2024, 2009, juris Rdnr. 65 f.; EuGH, Urteil vom 14.12.2023, C-340/21, NJW 2024, 1091, juris Rdnr. 82, 84; EuGH, Urteil vom 14.12.2023, C-456/22, K & R 2024, 112, juris Rdnr. 22; EuGH, Urteil vom 04.10.2024, C-200/23, juris Rdnr. 156).
105
Kann der Betroffene den Kontrollverlust nicht nachweisen, reicht die begründete Befürchtung einer Person, dass ihre personenbezogenen Daten aufgrund eines Verstoßes gegen die DS-GVO von Dritten missbräuchlich verwendet werden, aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Jedoch muss in diesem Fall die Befürchtung samt ihrer negativen Folgen ordnungsgemäß nachgewiesen sein. Die bloße Behauptung reicht ebenso wenig wie ein rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung durch einen unbefugten Dritten aus (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 32; EuGH, Urteil vom 25.01.2024, C-687/21, NJW 2024, 2009, juris Rdnr. 67 f.; EuGH, Urteil vom 20.06.2024, C-590/22, VersR 2024, 1302, juris Rdnr. 36; EuGH, Urteil vom 14.12.2023, C-340/21, NJW 2024, 1091, juris Rdnr. 85).
106
b) Nach diesen Maßstäben ist der Kontrollverlust eingetreten, ein immaterieller Schaden steht damit fest. Es ist unstreitig, dass zumindest der Name des Klägers neben der zugeordneten Mobilfunknummer vom Scraping-Vorfall erfasst wurde. Diese Daten wurden von Dritten im Darknet verfügbar gemacht. Für den Kläger besteht keine realistische Möglichkeit, die Kontrolle über seine Daten zurückzuerlangen. Auf die Frage, ob damit Befürchtungen oder Ängste verbunden sind, kommt es daher allenfalls für die Bemessung der Höhe des notwendigen Ausgleichs an, nicht aber für die Feststellung des Schadens als solchem.
107
Dass der Kläger Daten wie seine Telefonnummer auch bei anderen Social MediaAnbietern (WhatsApp, X) oder Onlinehändlern (Amazon, Google, Online-Banking) hinterlegt hat, schließt den Kontrollverlust nicht aus. Der Kläger hat sich in der Anhörung vom 30.01.2024 als „vorsichtig“ und „zurückhaltend“ im Umgang mit seiner Telefonnummer, die er bereits sein ganzes Leben habe, bezeichnet und dies unter anderem damit begründet, dass er Kryptowährung nutze. Er gebe diese Nummer an Geschäftspartner weiter und nutze sie für Zwei-Faktor-Authentifizierungen. Vermehrte SpamAnrufe hätten ihn auf das Datenleak aufmerksam werden lassen. Bei einem Check im Internet habe er seine Betroffenheit festgestellt. Zum Zeitfenster führte er aus, die Spam-Anrufe (PayPal, DHL) hätten in den letzten zwei Jahren „exzessiv“ stattgefunden, noch stärker in den letzten 15 bis 16 Monaten, was er näher erläuterte. Die Vorfälle können somit, zumal die Verbreitung der Leak-Liste im Internet im April 2021 stattfand, mit dem Datenscraping bei der Beklagten in Zusammenhang gebracht werden.
108
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger unter anderem seine Telefonnummer, kombiniert mit dem Namen, aufgrund eines früheren sorglosen Umgangs verloren hätte, ergeben sich nicht. Die Beklagte hat auch keine anderen Gelegenheiten aufgezeigt, bei denen der Kläger einen Kontrollverlust erlitten haben könnte oder musste oder dass dies zeitlich vor dem Scraping-Vorfall gewesen sei, z. B. über Konten bei anderen Kommunikationsplattformen. Zwar hat der Kläger auch anderen Dritten seine Telefonnummer bekannt gegeben, für deren uneingeschränkte datenschutzkonforme Handhabung er nicht garantieren kann. Das durch die Abschöpfung der Daten aus dem Datenbestand der Beklagten und die anschließende Veröffentlichung im Internet mit Zugriffsmöglichkeit für jede Person eingetretene Risiko unterscheidet sich jedoch wesentlich von einer bewussten und zielgerichteten Weitergabe an bestimmte Empfänger (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 42).
109
c) Den Schadensersatz bemisst der Senat mit 200,00 €.
110
aa) Bei der Bemessung des Betrags des auf die DS-GVO gestützten Schadensersatzanspruchs sind die in Art. 83 DS-GVO vorgesehenen Kriterien für die Festsetzung des Betrags von Geldbußen nicht entsprechend anzuwenden (EuGH, Urteil vom 20.06.2024, C-590/22, VersR 2024, 1302, juris Rdnr. 44).
111
Die DS-GVO enthält keine Bestimmung über die Bemessung des nach Art. 82 DS-GVO geschuldeten Schadenersatzes. Folglich haben die nationalen Gerichte zum Zweck dieser Bemessung nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie die innerstaatlichen Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über den Umfang der finanziellen Entschädigung anzuwenden, sofern die vom EuGH definierten unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden (EuGH, Urteil vom 11.04.2024, C-741/21, NJW 2024, 1561, juris Rdnr. 58; EuGH, Urteil vom 04.10.2024, C-507/23, NJW 2025, 141, juris Rdnr. 32; EuGH, Urteil vom 25.01.2024, C-687/21, NJW 2024, 2009, juris Rdnr. 53; EuGH, Urteil vom 21.12.2023, C-667/21, K & R 2024, 114, juris Rdnr. 83; EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, NJW 2023, 1930, juris Rdnr. 54; EuGH, Urteil vom 20.06.2024, NJW 2024, 2599, C-182/22, juris Rdnr. 27).
112
Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem in Art. 82 Abs. 1 DS-GVO niedergelegten Schadensersatzanspruch ausschließlich eine Ausgleichsfunktion zukommt. Er erfüllt keine Abschreckungs- oder gar Straffunktion, weshalb auch das Vorliegen mehrerer auf denselben Verarbeitungsvorgang bezogener Verstöße nicht zu einer Erhöhung des Schadensersatzes führt (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 18; EuGH, Urteil vom 11.04.2024, C-741/21, NJW 2024, 1561, juris Rdnr. 59 f., 64 f.; EuGH, Urteil vom 25.01.2024, C-687/21, NJW 2024, 2009, juris Rdnr. 47; EuGH, Urteil vom 21.12.2023, C-667/21, K & R 2024, 114, juris Rdnr. 85; BGH, Urteil vom 28.01.2025, VI ZR 183/22, NJW 2025, 1059, juris Rdnr. 10; EuGH, Urteil vom 20.06.2024, NJW 2024, 2599, C-182/22, juris Rdnr. 23).
113
Dies hat unter anderem zur Folge, dass sich die Schwere eines solchen Verstoßes nicht auf die Höhe des gewährten Schadenersatzes auswirken darf und der Schadenersatz nicht in einer Höhe bemessen werden darf, die über den vollständigen Ausgleich des Schadens hinausgeht (EuGH, Urteil vom 04.10.2024, C-507/23, NJW 2025, 141, juris Rdnr. 43; EuGH, Urteil vom 11.04.2024, C-741/21, NJW 2024, 1561, juris Rdnr. 60; EuGH, Urteil vom 25.01.2024, C-687/21, NJW 2024, 2009, juris Rdnr. 48, 52; EuGH, Urteil vom 21.12.2023, C-667/21, K & R 2024, 114, juris Rdnr. 86; EuGH, Urteil vom 20.06.2024, C-590/22, VersR 2024, 1302, juris Rdnr. 41). Darüber hinaus verlangt Art. 82 DS-GVO nicht, dass der Grad des Verschuldens des Verantwortlichen bei der Höhe des Schadenersatzes berücksichtigt wird (EuGH, Urteil vom 21.12.2023, C-667/21, K & R 2024, 114, juris Rdnr. 103; BGH, Urteil vom 28.01.2025, VI ZR 183/22, NJW 2025, 1059, juris Rdnr. 11; EuGH, Urteil vom 20.06.2024, NJW 2024, 2599, C-182/22, juris Rdnr. 28). Nicht relevant ist des Weiteren, dass der Verstoß gegen die DS-GVO zugleich einen Verstoß gegen nationale Vorschriften mit sich bringt, die sich auf den Schutz personenbezogener Daten beziehen, aber nicht bezwecken, die Bestimmungen der DS-GVO zu präzisieren (EuGH, Urteil vom 20.06.2024, C-590/22, VersR 2024, 1302, juris Rdnr. 48). Ebenso wenig finden die Haltung und die Beweggründe des Verantwortlichen Eingang, zumindest dann nicht, wenn dies dazu dienen soll, der betroffenen Personen einen Schadensersatz zu gewähren, der geringer ist als der Schaden, der ihr konkret entstanden ist (EuGH, Urteil vom 04.10.2024, C-507/23, NJW 2025, 141, juris Rdnr. 45).
114
Mithin ist in Anbetracht der Ausgleichsfunktion eine auf Art. 82 DS-GVO gestützte finanzielle Entschädigung als „vollständig und wirksam“ anzusehen, wenn sie es ermöglicht, den aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung konkret erlittenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen, ohne dass ein solcher vollumfänglicher Ausgleich die Verhängung von Strafschadenersatz erfordert (EuGH, Urteil vom 11.04.2024, C-741/21, NJW 2024, 1561, juris Rdnr. 60 f.; EuGH, Urteil vom 04.10.2024, C-507/23, NJW 2025, 141, juris Rdnr. 34, 40; EuGH, Urteil vom 21.12.2023, C-667/21, K & R 2024, 114, juris Rdnr. 84; EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, NJW 2023, 1930, juris Rdnr. 58; BGH, Urteil vom 28.01.2025, VI ZR 183/22, NJW 2025, 1059, juris Rdnr. 11; EuGH, Urteil vom 20.06.2024, C-590/22, VersR 2024, 1302, juris Rdnr. 42).
115
bb) Ein Betrag von 200,00 € gleicht den konkret erlittenen Schaden des Klägers aus. Betroffen war im Wesentlichen die Mobilfunknummer des Klägers, nachrangig die anderen, ohnehin stets öffentlich einsehbaren Daten wie Name, Geschlecht und Facebook-ID, die dennoch in der Zusammenschau mit der Telefonnummer ein durchaus sensibles „Datenpaket“ ergaben.
116
Der Kontrollverlust ist dauerhaft, eine Rückerlangung der Kontrolle über die Daten praktisch ausgeschlossen. Der potentielle Empfängerkreis dieser Daten ist grundsätzlich unbegrenzt. Emotionale Beeinträchtigungen ließen sich den Äußerungen des Klägers hingegen nicht entnehmen, wenngleich er mit seiner Aussage seine Unsicherheit und die Sorge über den erlittenen Datenverlust nachvollziehbar zum Ausdruck gebracht hat. Er verknüpfte dies unter anderem mit dem Gebrauch einer Kryptowährung aber auch mit der Tatsache, dass er freiberuflich tätig ist und an das Telefon gehen muss, auch wenn dort keine Nummer angezeigt wird. Die Angaben des Klägers zeigten aber auch, dass der Vorgang sein Misstrauen geweckt hat und ihn zu mehr Vorsicht im Umgang mit den Daten im Internet anhält.
117
In der Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der Art der betroffenen Daten und der Beeinträchtigung des Klägers ist die Zahlung von 200,00 € geeignet, die erlittene immaterielle Beeinträchtigung vollständig auszugleichen.
118
d) Ob die weiteren, vom Kläger behaupteten Verstöße der Beklagten gegen die DS-GVO vorliegen und ob diese von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO erfasst sind, kann dahingestellt bleiben. Wie oben ausgeführt, ziehen sie ‒ ihr Vorliegen unterstellt ‒ mit Blick auf die Ausgleichsfunktion der genannten Norm keine Erhöhung des Schadensersatzanspruchs nach sich. Eine Erweiterung oder Vertiefung des Schadens ist mit einer Verletzung der Aufklärungspflicht, einer Verletzung der Pflicht zur Implementierung angemessener technischer und organisatorischer Maßnahmen und einer Verletzung von Benachrichtigungs- und Informationspflichten etc. nicht verbunden. Es handelt sich um ein einheitliches Schadensereignis mit einheitlichen Folgen.
119
e) Ein Mitverschulden deswegen, weil er seine Telefonnummer bislang nicht geändert hat, muss sich der Kläger nicht entgegenhalten lassen.
120
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen einer von der Beklagten vorgeblich unzureichend erteilten außergerichtlichen Auskunft nach Art. 15 DS-GVO.
121
Er vermochte nicht darzulegen und nachzuweisen, dass ihm im Zusammenhang mit der außergerichtlichen Auskunft der Beklagten ein (weitergehender) immaterieller Schaden entstanden ist.
122
1. Zwar erstreckt sich das Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DSGVO grundsätzlich auch auf Informationen darüber, ob und wenn ja welchen konkreten Empfängern der Verantwortliche personenbezogene Daten des Betroffenen weitergegeben hat. Es muss der betroffenen Person durch die Ausübung dieses Auskunftsrechts nicht nur ermöglicht werden zu überprüfen, ob sie betreffende Daten richtig sind, sondern auch, ob diese Daten in zulässiger Weise verarbeitet werden, insbesondere ob sie gegenüber Empfängern offengelegt wurden, die zu ihrer Verarbeitung befugt sind. Jedoch ist das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten kein uneingeschränktes Recht. Es muss vielmehr im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen andere Grundrechte abgewogen werden (ErwG 4 DSGVO). Insbesondere ist es unter bestimmten Umständen nicht möglich, Informationen über konkrete Empfänger zu erteilen. Daher kann das Auskunftsrecht beschränkt werden, wenn es nicht möglich ist, die Identität der konkreten Empfänger mitzuteilen. Dies gilt insbesondere, wenn die Empfänger noch nicht bekannt sind (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 75 f.).
123
2. Selbst wenn die Beklagte technisch in der Lage (gewesen) wäre, das Facebook-Profil der Scraper mitzuteilen, wie es der Kläger verlangt, sieht der Senat keinen Ansatzpunkt dafür, weshalb die unterbliebene Nennung der Dritten, die sich die Daten des Klägers beschafft haben, einen selbständigen immateriellen Schadensersatz begründen können sollte. Der Kläger knüpft seine Argumentation wiederholt gerade an den Gesichtspunkt an, dass die Daten in einer Leak-Liste im Internet veröffentlicht und damit einer unübersehbaren Zahl von Personen zugänglich gemacht wurden. Die Nichtkenntnis des unmittelbaren Täters bzw. dessen Accounts sowie des Zeitpunkts des Scrapings ist nicht geeignet, die Sorge des Klägers um den Missbrauch seiner Daten noch zu vergrößern.
124
3. Gleiches gilt für die Frage, ob die Beklagte die Auskunft zeitlich früher hätte erteilen müssen. An der Sachlage der Veröffentlichung des Datensatzes im Internet und den damit einhergehenden Ängsten des Klägers hätte dies nichts geändert.
125
Der Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch den unbefugten Zugriff Dritter auf das Datenarchiv der Beklagten, der nach Aussage der Beklagten im Jahr 2019 erfolgte, entstanden sind und/oder noch entstehen werden, ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
126
1. Die bloße Möglichkeit des künftigen Eintritts der geltend gemachten Schäden reicht für ein Feststellungsinteresse aus, weil es nicht um reine Vermögensschäden geht, sondern um Schäden, die aus der vom Kläger behaupteten Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, mithin seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts als einem sonstigen absolut geschützten Rechtsgut im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, resultieren. Eine darüberhinausgehende hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich. Auch die primär als Anspruchsgrundlage herangezogene Vorschrift des Art. 82 DS-GVO hat jedenfalls dann, wenn mit einem möglichen Verstoß gegen Art. 5 DS-GVO auch eine unrechtmäßige Datenverarbeitung gerügt wird, eine Verletzung des Rechts auf Schutz der personenbezogenen Daten gemäß Art. 8 GRCh zum Inhalt (vgl. Art. 1 Abs. 2 DS-GVO). Dabei kann die Möglichkeit ersatzpflichtiger künftiger Schäden ohne Weiteres zu bejahen sein, wenn ein deliktsrechtlich geschütztes absolutes Rechtsgut verletzt wurde und bereits ein Schaden eingetreten ist (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 48).
127
2. Dies ist hier der Fall. Der bereits eingetretene Kontrollverlust des Klägers in Form der Veröffentlichung seiner Daten (insbesondere seines Namens in Verbindung mit seiner Mobilfunknummer) dauert an. Somit besteht die Gefahr der missbräuchlichen Benutzung der Daten fort und ist auch nicht nur rein theoretischer Natur.
128
Entgegen der Ansicht der Beklagten stützt sich der Bundesgerichtshof mit seiner Rechtsprechung nicht maßgeblich auf das grundgesetzlich geschützte Recht der informationellen Selbstbestimmung, sondern verortet die Wertung im Rahmen des Art. 82 DS-GVO.
129
3. Angesichts der feststehenden Rechtsverletzung der Beklagten und der feststehenden Schadensersatzpflicht nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO ist der Feststellungsantrag auch begründet.
130
Der Antrag, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, personenbezogene Daten des Klägers, namentlich/welche da sind Telefonnummer, Facebook-ID, Familiennamen, Vornamen, Geschlecht, über die Eingabe der Telefonnummer des Klägers in das Kontakt-Import-Tool und die darüber hergestellte Verknüpfung der eingegebenen Telefonnummer mit weiteren öffentlichen personenbezogenen Daten des Nutzerprofils des Klägers zu ermöglichen, ohne dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Verwendung des Kontakt-Import-Tools unter Eingabe der Telefonnummer Sicherheitsmaßnahmen in Form einer Implementierung von Sicherheits-CAPTCHAs und der Überprüfung massenhafter IP-Abfragen oder vergleichbaren Sicherheitsmaßnahmen vorgehalten hat, ist zulässig und begründet. Unbegründet ist der Antrag hingegen in Bezug auf die Angaben zu Land, Bundesland, Stadt und Beziehungsstatus.
131
1. Der Antrag ist in seiner zuletzt formulierte Fassung hinreichend bestimmt.
132
a) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH, Urteil vom 09.03.2021, VI ZR 73/20, NJW 2021, 1756, juris Rdnr. 15; BGH, Urteil vom 15.01.2019, VI ZR 506/17, NJW 2019, 781, juris Rdnr. 12; BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 52).
133
Eine hinreichende Bestimmtheit ist bei einem Unterlassungsantrag für gewöhnlich gegeben, wenn eine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung erfolgt oder die konkret angegriffene Verletzungsform antragsgegenständlich ist und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für den Rechtsverstoß und damit das Unterlassungsgebot liegen soll (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.2021, VI ZR 73/20, NJW 2021, 1756, juris Rdnr. 15; BGH, Urteil vom 15.01.2019, VI ZR 506/17, NJW 2019, 781, juris Rdnr. 12). Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe im Klageantrag ist zulässig, wenn über ihren Sinngehalt zwischen den Parteien kein Streit besteht und objektive Maßstäbe zur Abgrenzung vorliegen, oder wenn der Kläger den auslegungsbedürftigen Begriff hinreichend konkret umschreibt und gegebenenfalls mit Beispielen unterlegt oder sein Begehren an der konkreten Verletzungshandlung ausrichtet (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 53).
134
Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, sind grundsätzlich als unbestimmt anzusehen, wenn nicht entweder bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefasst oder der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist, oder wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert. Die Bejahung der Bestimmtheit setzt in solchen Fällen allerdings grundsätzlich voraus, dass zwischen den Parteien kein Streit darüber besteht, dass das beanstandete Verhalten das fragliche Tatbestandsmerkmal erfüllt. Die Wiedergabe des gesetzlichen Verbotstatbestands in der Antragsformulierung ist auch unschädlich, wenn sich das mit dem selbst nicht hinreichend klaren Antrag Begehrte im Tatsächlichen durch Auslegung unter Heranziehung des Sachvortrags des Klägers eindeutig ergibt und die betreffende tatsächliche Gestaltung zwischen den Parteien nicht infrage gestellt ist, sondern sich ihr Streit ausschließlich auf die rechtliche Qualifizierung der angegriffenen Verhaltensweise beschränkt. Eine auslegungsbedürftige Antragsformulierung kann im Übrigen hinzunehmen sein, wenn dies zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist (BGH, Urteil vom 28.07.2022, I ZR 205/20, NJW-RR 2022, 1417, juris Rdnr. 12; BGH, Urteil vom 22.07.2021, I ZR 194/20, CR 2022, 199, juris Rdnr. 34; BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 54).
135
b) Nach diesen Grundsätzen ist der Unterlassungsantrag des Klägers hinreichend bestimmt. Der Kläger hat in die Formulierung den Scraping-Vorfall aufgenommen. Zwar fehlt im Antragstext eine unmittelbare Bezugnahme auf den konkreten Datenvorfall im Jahre 2019, jedoch ergibt sich eine solche aus dem Gesamtkontext des Klagevorbringens. Daneben hat der Kläger konkrete Sicherheitsmaßnahmen benannt, mit denen ein gleichartiges Geschehen unterbunden werden soll. Auf die Verwendung unbestimmter und auslegungsfähiger Begriffe wie „nach dem Stand der Technik mögliche Sicherheitsmaßnahmen“ und „Ausnutzung des Systems für andere Zwecke als der Kontaktaufnahme“, wie sie im ursprünglichen Berufungsantrag noch enthalten waren, hat er in der Folge verzichtet.
136
2. Der Kläger hat Anspruch auf die Unterlassung gemäß § 280 Abs. 1 BGB auf Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Nutzungsvertrages in Verbindung mit den vertraglichen Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB.
137
a) Aus § 280 Abs. 1 BGB kann sich im Falle der Verletzung vertraglicher (Neben-) Pflichten nicht nur ein Schadensersatzanspruch, sondern grundsätzlich auch ein Anspruch auf Unterlassung ergeben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Verletzungshandlung noch andauert beziehungsweise der daraus resultierende Schaden noch nicht irreparabel ist. Nichts Anderes gilt im Falle der Verletzung von ‒ nicht ausdrücklich vereinbarten und gesetzlich nicht ausdrücklich normierten ‒ Rücksichtnahmepflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB. Jedenfalls bei einer Verletzung von Rücksichtnahmepflichten, durch die die Erreichung des Vertragszwecks bedroht wird, ist die Interessenlage nicht anders zu beurteilen als in der Situation einer (drohenden) Beeinträchtigung deliktsrechtlich geschützter Rechtsgüter, in der ein quasinegatorischer Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog anerkannt ist (BGH, Urteil vom 02.05.2024, I ZR 12/23, NJW 2024, 3375, juris Rdnr. 14 ff.).
138
b) Die Beklagte traf die vertragliche Nebenpflicht zum sorgsamen Umgang mit den personenbezogenen Daten der Nutzer, insbesondere die Pflicht, einen massenhaften unberechtigten Zugriff Dritter auf die Daten in Form des sogenannten Scrapings durch Nutzung des Kontakt-Import-Tools zu verhindern. Eine solche Verpflichtung folgt aus den Datenrichtlinien (Anlage B9) und den Nutzungsbedingungen (Anlage B19) der Beklagten, in dem der Datenzugriff mittels automatisierter Methoden ohne vorherige Genehmigung und Berechtigung ausdrücklich untersagt wird. Diese Verpflichtung der Beklagten beinhaltet dabei nicht nur ein repressives Vorgehen gegen etwaige Täter eines unberechtigten Datenabgriffs, sondern schließt präventive, technisch mögliche und zumutbare Gegenmaßnahmen ein.
139
Darüber hinaus lässt sich eine solche Pflicht an Art. 32 Abs. 1 DS-GVO festmachen. Danach treffen der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Diese Maßnahmen schließen unter anderem ein Verfahren zur regelmäßigen Überprüfung, Bewertung und Evaluierung der Wirksamkeit der technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Verarbeitung ein (Art. 32 Abs. 1 Buchst d) DS-GVO). Nach Art. 32 Abs. 2 DS-GVO sind bei der Beurteilung des angemessenen Schutzniveaus insbesondere die Risiken zu berücksichtigen, die mit der Verarbeitung verbunden sind, insbesondere durch – ob unbeabsichtigt oder unrechtmäßig – Vernichtung, Verlust, Veränderung oder unbefugte Offenlegung von beziehungsweise unbefugten Zugang zu personenbezogenen Daten, die übermittelt, gespeichert oder auf andere Weise verarbeitet wurden.
140
Über die hier geregelte Datensicherheit wird bezweckt, einen unzulässigen Umgang mit personenbezogenen Daten generell zu verhindern (BeckOK IT-Recht/Borges, 19. Edition, Stand 01.04.2025, Art. 32 Rdnr. 2). Die Vertraulichkeit, Integrität sowie Verfügbarkeit der Daten soll mittels technischer und organisatorischer Maßnahmen gewährleistet werden (Paal/Pauly/Martini, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2021, Art. 32 Rdnr. 1b).
141
c) Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt. Der streitgegenständliche Datenvorfall in Form des massenhaften Abgriffs von personenbezogenen Informationen ist dem Grunde nach unstreitig. Zwar ist der Beklagten das vertrags- und gesetzeswidrige Vorgehen anderer Nutzer oder Dritter nicht unmittelbar zuzurechnen; jedoch hat sie die Offenlegung der Informationen durch die Bereitstellung der Kontakt-Import-Funktion zur Verknüpfung der hinterlegten Telefonnummer mit den übrigen öffentlich abrufbaren personenbezogenen Daten der Nutzer technisch erst ermöglicht, ohne dass zum Vorfallzeitpunkt alle notwendigen und zumutbaren technischen Gegenmaßnahmen zur Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung ergriffen worden waren.
142
d) Der Beklagten ist die Führung eines Entlastungsbeweises nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht gelungen. Auch hier kommt der Gedanke des Art. 32 DS-GVO zum Tragen. Der für die Datenverarbeitung Verantwortliche verletzt danach seine Pflichten, wenn er bereits konkrete Kenntnis von einem Datenabgriff durch unbefugte Dritte hat und trotzdem – im Einzelfall – bei ex-ante-Betrachtung naheliegende Maßnahmen zur Verhinderung des weiteren unbefugten Datenabgriffs nicht ergreift (OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023, 7 U 19/23, GRUR 2023, 1791, juris Rdnr. 140).
143
Es ist weder von der Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich, dass trotz ex-anteBetrachtung wie geboten ab Geltung der DSGVO im Mai 2018 ausreichende Sicherheitsvorkehrungen gegen Scraping getroffen wurden. Der Beklagten war nach eigenem Vorbringen bereits im März 2018 eine Vielzahl von Anfragen an die Suchfunktion von einer Reihe von IP-Adressen aus Osteuropa aufgefallen. Nach weiteren Analysen habe sie festgestellt, dass zwar auch legitime Nutzer die Suchfunktion nutzten, diese allerdings dazu neigten, die Kontakt-Import-Funktion einzusetzen und hierüber Freunde anhand der Telefonnummer zu finden suchten. Die Beklagte deaktivierte daher im April 2018 (nur) die Suche von Nutzern anhand der Telefonnummer in der Suchfunktion. Es wäre für sie ohne weiteres möglich und im Hinblick auf die Datensicherheit ihrer Nutzer geboten sowie zumutbar gewesen, zugleich die Kontakt-ImportFunktion unverzüglich zu deaktivieren. Sie nahm nach ihren Angaben jedoch erst später eine Änderung der Funktion vor, ohne dass die Beklagte ihr Zuwarten durchgreifend erläutert hat.
144
3. Die Wiederholungsgefahr liegt vor.
145
a) Ebenso wie ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB setzt ein auf § 280 Abs. 1 BGB gestützter Unterlassungsanspruch eine Erstbegehungsbeziehungsweise Wiederholungsgefahr voraus (BGH, Urteil vom 02.05.2024, I ZR 12/23, NJW 2024, 3375, juris Rdnr. 14). Dabei begründet ein einmal erfolgter Vertragsverstoß die tatsächliche Vermutung für seine Wiederholung, nicht nur für identische Verletzungsformen, sondern auch für andere Vertragspflichtverletzungen, soweit die Verletzungshandlungen im Kern gleichartig sind (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.06.2025, 9 U 88/23, juris Rdnr. 83).
146
b) Für eine Widerlegung dieser Vermutung ausreichende Anhaltspunkte, an die strenge Anforderungen zu stellen sind, hat die Beklagte nichts vorgetragen. Es ist nicht auszuschließen, dass der Kläger weiterhin von Verwendungen beziehungsweise Verarbeitungen seiner Mobilfunknummer durch die Beklagte betroffen ist. Die Beklagte hat, etwa in Anlage B10, auch nur von Änderungen am Kontakt-Import-Tool gesprochen, die ein Scraping in der Art und Weise wie geschehen künftig verhindern sollen. Sie hat hierzu weiter ausgeführt, zunächst eine Schutzmaßnahme für das CIT eingeführt zu haben, die darauf abgezielt habe, einen übereinstimmenden Kontakt nur dann anzuzeigen, wenn die beiden Nutzer einander zu kennen schienen. Schließlich habe sie die Kontakt-Import-Funktion dergestalt überarbeitet, dass sie die Anzeige direkter Kontaktübereinstimmungen durch eine Liste mit Kontaktvorschlägen („Menschen, die du kennen könntest“) ersetzt habe, die aber nach ihrer Beschreibung immer noch zum Teil auf den Ergebnissen des Telefonnummernabgleichs basiere.
147
Dass der Nutzer selbst Maßnahmen ergreifen kann, z. B. die Einstellung der Suchbarkeit auf „Niemand“, die Entfernung der Telefonnummer und anschließende Neuregistrierung ausschließlich für die Zwei-Faktor-Authentifizierung oder die dauerhafte Entfernung der Telefonnummer und Zwei-Faktor-Authentifizierung durch andere Methoden (Sicherheitsschlüssel auf einem kompatiblen Gerät, Drittanbieter-Authentifizierungs-App), wie die Beklagte im Schriftsatz vom 03.09.2025 erläuterte, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Dem Vorbringen der Beklagten entnimmt der Senat, dass die Standardsucheinstellung nach wie vor „Alle“ ist. Auf die Problematik, dass die Voreinstellungen oft nicht geändert werden, wurde bereits hingewiesen. Wenn die Beklagte darüber hinaus die Verwendung der Telefonnummer anbietet und die ‒ wenn auch nur noch teilweise ‒ hierauf gestützte Suche nach Kontakten als komfortable Möglichkeit für seine Nutzer anpreist sich zu vernetzen, muss auch die Beklagte selbst die entsprechenden Schutzmaßnahmen für diese Variante vorhalten.
148
c) Die Wiederholungsgefahr fehlt hingegen für Land, Bundesland, Stadt und Beziehungsstatus, da es sich nicht um stets öffentlich einsehbare Daten handelt und der Kläger deren Offenlegung im Rahmen des Scrapings nicht nachgewiesen hat. Der Grund, warum sich in der Leak-Liste auch … findet, ist zwischen den Parteien umstritten. Einen Nachweis, dass auch der Wohnort tatsächlich abgegriffen wurde, hat der Kläger nicht erbracht. Er hat offen gelassen, welche Daten er über die öffentlich sichtbaren hinaus bei der Beklagten hinterlegt hat und nur allgemein ausgeführt, dass Wohnorte als definierte Platzhalter bei Facebook von Nutzern angegeben werden können. Wenn also zu irgendeiner Zeit einmal ein Nutzer einen Wohnort als auszusuchenden Platzhalter definiert habe, könnten andere Nutzer diesen Platzhalter als Vorschlag zum eigenen Wohnort aussuchen und verwenden. Ob dies beim Kläger der Fall war, kann nicht festgestellt werden.
149
4. Eines Rückgriffs auf die ebenfalls in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen aus der DS-GVO, z. B. über eine analoge Anwendung des Rechts zur Löschung nach Art. 17 DSGVO (vgl. BGH, Vorlagebeschluss vom 26.09.2023, VI ZR 97/22, ZIP 2023, 2472) oder nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2018, VI ZR 225/17, NJW 2018, 3506) bedarf es nicht.
150
Aus diesem Grund besteht auch keine Veranlassung, das vorliegende Verfahren im Hinblick auf die noch zu Art. 82 DS-GVO anhängigen Vorabentscheidungsersuchen zur Frage eines Unterlassungsanspruchs auszusetzen, da die Entscheidung unabhängig davon, ob die DSGVO einen Rückgriff auf den gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach nationalem Recht (in entsprechender Anwendung des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i. V. m. § 823 BGB) erlaubt, ergehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 83).
151
Der Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die Telefonnummer des Klägers auf Grundlage einer Einwilligung zu verarbeiten, die wegen der unübersichtlichen und unvollständigen Informationen durch die Beklagte erlangt wurde, namentlich ohne eindeutige Informationen darüber, dass die Telefonnummer auch bei Einstellung auf „privat“ noch durch Verwendung des Kontakt-ImportTools verwendet werden kann, wenn nicht explizit hierfür die Berechtigung verweigert wird, ist jedenfalls unbegründet.
152
1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt. Er lässt sich unter Heranziehung des Klagevorbringens dahingehend auslegen, dass der Kläger ein Unterlassen jeglicher Verarbeitung seiner Telefonnummer durch die Beklagte, die über die notwendige Verarbeitung für die Zwei-FaktorAuthentifizierung hinausgeht, begehrt. Der Kläger macht deutlich, für welche Zwecke die Beklagte seine Telefonnummer noch verarbeiten darf und für welche Zwecke er die Unterlassung der Datenverarbeitung begehrt (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 62 ff.).
153
2. Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag.
154
a) Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn eine Klage oder ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also der Kläger oder Antragsteller unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein einfacherer oder billigerer Weg zur Erreichung des Rechtsschutzziels besteht oder der Antragsteller kein berechtigtes Interesse an der beantragten Entscheidung hat. Dafür gelten allerdings strenge Maßstäbe. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (oder entfällt) nur dann, wenn das Betreiben des Verfahrens eindeutig zweckwidrig ist und sich als Missbrauch der Rechtspflege darstellt. Auch darf der Kläger nicht auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg verwiesen werden (BGH, Urteil vom 29.09.2022, I ZR 180/21, NJW-RR 2023, 66, juris Rdnr. 10, 16; BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 66 f.).
155
b) Zu einem vergleichbaren, denselben Scraping-Vorgang im Datenarchiv der Beklagten betreffenden Unterlassungsantrag hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfällt, weil der Kläger seine Telefonnummer aus seinem Nutzerkonto selbst löschen könnte. Der Kläger würde sich damit der Möglichkeit der Zwei-Faktor-Authentifizierung für die Anmeldung in seinem Nutzerkonto begeben. Der BGH hat allerdings ausgeführt, dass in der Möglichkeit des Nutzers, seine Privatsphäre-Einstellungen so zu ändern, dass sich seine Einwilligung zur Verarbeitung seiner Telefonnummer auf die Nutzung der Zwei-Faktor-Authentifizierung beschränkt, und die Suchbarkeitseinstellungen bezüglich seiner Telefonnummer seit Mai 2019 auf „Nur ich“ abzuändern, ein im Verhältnis zu einem entsprechenden Unterlassungstitel einfacherer und dementsprechend auch billigerer Weg liege. Der Bundesgerichtshof hat in dem von ihm entschiedenen Rechtsstreit das Rechtsschutzbedürfnis gleichwohl nicht verneinen können, weil das dortige Berufungsgericht keine Feststellungen zu dem Vortrag des Klägers getroffen hatte, dass sich aus einer von der Beklagten erteilten Information mit der Überschrift „Möglicherweise verwenden wir deine Telefonnummer für diese Zwecke“ die Besorgnis von Verarbeitungsvorgängen jenseits der ZweiFaktor-Authentifizierung ergebe (BGH, Urteil vom 18.11.2024, VI ZR 10/24, NJW 2025, 298, juris Rdnr. 68 f.).
156
Gerade auf diese Information stellt der Kläger des hiesigen Verfahrens ebenfalls ab und verweist auf passive Werbezwecke, so dass von einem Rechtsschutzbedürfnis auszugehen ist.
157
3. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
158
Dass die Telefonnummer des Klägers über die Suchfunktion auch dann noch ermittelt werden kann, wenn er diese auf die Zwei-Faktor-Authentifizierung begrenzt und im Übrigen die Suchbarkeitseinstellungen auf „Nur ich“ stellt, hat er nicht schlüssig dargelegt. Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsantrag hat allerdings der Kläger vorzutragen und nachzuweisen.
159
Tatsächlich steht die Anlage B6 in Zusammenhang mit den weiteren Erläuterungen im Hilfebereich zu den Privatsphäre-Einstellungen, die der Nutzer tätigen kann. Die Ausführungen sind nicht so zu verstehen, dass eine Verarbeitung und Nutzung der Telefonnummer unabhängig von den individuellen Einstellungen eines Nutzers gleichwohl für die aufgeführten Zwecke erfolge (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 11.02.2025, 3 U 145/24, juris Rdnr. 57).
160
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft. Die Beklagte hat die Auskunft erfüllt. Zweifel daran hat der Kläger nicht aufgezeigt.
161
Erfüllt im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB ist ein Auskunftsanspruch grundsätzlich dann, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die ‒ gegebenenfalls konkludente ‒ Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (BGH, Urteil vom 15.06.2021, VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726, juris Rdnr. 19; BFH, Urteil vom 14.01.2025, IX R 25/22, NJW 2025, 995, juris Rdnr. 52).
162
Mit dem Schreiben vom 06.02.2023 und dem Verweis auf das Tool „Deine Informationen herunterladen“ hat die Beklagte schlüssig erklärt, ihrer Auskunftspflicht vollumfänglich nachgekommen zu sein. Die Bereitstellung eines angemessenen Fernzugangs über ein Self-Service-Tool wird als ausreichend angesehen, um den Anspruch auf Bereitstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO zu erfüllen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.07.2024, 6 U 41/24, K & R 2025, 63, juris Rdnr. 18, 22).
163
Entsprechend dem Rechtsgedanken der §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB setzt der Anspruch auf eidesstattliche Versicherung voraus, dass Grund zu der Annahme besteht, die in der Auskunft enthaltenen Angaben seien nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt, was unter anderem am Gesamtverhalten des Schuldners zu messen ist (BeckOK BGB/Lorenz, 75. Edition, Stand 01.08.2025, § 259 Rdnr. 24, 26). Wenngleich der Kläger das zögerliche und abwehrende Verhalten der Beklagten ins Feld führt, trägt er keine validen Anknüpfungstatsachen vor, warum der Auskunft der Beklagten nicht zu folgen ist. Letztlich „glaubt“ der Kläger der Beklagten nicht. Objektive Anzeichen, die dieses Gefühl untermauern, sind jedoch nicht ersichtlich.
164
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Da das Datum der Zustellung nicht zu ermitteln ist, weil der Rückschein keinen Datumsstempel trägt, legt der Senat als Zustelldatum den 05.05.2023 zugrunde. Der Präsident des Landgerichts München II ließ die Zustellung am 26.04.2023 nach Prüfung weiterleiten. Die Beklagtenvertreter haben sich am 05.06.2023 bestellt.
165
Hierfür hatten sie einen Monat Zeit.
166
Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO unter dem Gesichtspunkt erforderlicher Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
167
Die Kosten der Rechtsverfolgung und deshalb auch die Kosten eines mit der Sache befassten Rechtsanwalts gehören, soweit sie zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig waren, grundsätzlich zu dem wegen einer unerlaubten Handlung zu ersetzenden Schaden (BGH, Urteil vom 17.11.2015, VI ZR 492/14, NJW 2016, 1245, juris Rdnr. 9). Dabei ist maßgeblich, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt.
168
Ist die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde, so wird es grundsätzlich nicht erforderlich sein, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. In derart einfach gelagerten Fällen kann der Geschädigte grundsätzlich den Schaden selbst geltend machen, so dass sich die sofortige Einschaltung eines Rechtsanwalts nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich erweisen kann, wenn etwa der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie etwa Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (BGH, Urteil vom 08.11.1994, VI ZR 3/94, NJW 1995, 446, juris Rdnr. 9).
169
Der Kläger hatte die Beklagte über seine Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 21.12.2022 unter anderem zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.000,00 €, zur Unterlassung und zur Auskunft auffordern lassen. Aufgrund der ungeklärten und durchaus komplexen Rechtslage durfte sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits vorgerichtlich anwaltlicher Begleitung bedienen.
170
Der Anspruch berechnet sich nach dem Gegenstandswert der berechtigten Inanspruchnahme der Beklagten in Höhe von insgesamt 1.700,00 € (200,00 € für die Zahlung, 500,00 € für den Feststellungsantrag, 1.000,00 € für den ersten Unterlassungsantrag) mit einer 1,3 Gebühr nach 2300 VV RVG, der Pauschale nach 7002 VV RVG und der Umsatzsteuer nach 7008 VV RVG, somit 296,07 €.
171
Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, für die Berufungsinstanz zusätzlich auf § 97 Abs. 1 ZPO.
172
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
173
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung des Gebührenstreitwerts ist nach § 40 GKG der Zeitpunkt der Antragstellung, die den Rechtszug einleitet, in der Berufungsinstanz also die Einreichung der Berufungsanträge. Später eingetretene wertreduzierende Antragsänderungen (z. B. teilweise Berufungsrücknahme, teilweise Klagerücknahme, teilweise Erledigterklärung etc.) bleiben in Bezug auf den Gebührenstreitwert außer Betracht (OLG München, Beschluss vom 13.12.2016, 15 U 2407/16, NJW-RR 2017, 700, juris Rdnr. 16; Toussaint/Elzer, Kostenrecht, 54. Auflage 2024, § 40 GKG Rdnr. 11). Der Senat bemisst die Anträge wie folgt:
174
Der Antrag auf Zahlung der Kosten für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung wirkt nicht streitwerterhöhend (BGH, Beschluss vom 25.09.2007, VI ZB 22/07, NJW-RR 2008, 374, juris Rdnr. 4 ff.).“
175
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 ZPO zugelassen. Der Senat vertritt unter anderem zur Frage der zeitlichen Anwendbarkeit der DS-GVO und der damit einhergehenden Darlegungs- und Beweislast eine von anderen Oberlandesgerichten abweichende Auffassung.