Titel:
Rechtmäßigkeit automatisierter Bonitätsscoreerstellung
Normenkette:
DSGVO Art. 6 Abs. 1 lit. f, Art. 15 Abs. 1, Abs. 4, Art. 22 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine automatisierte Entscheidung i.S.v. Art. 22 Abs. 1 DSGVO liegt nur vor, wenn die Erstellung eines auf personenbezogenen Daten gestützten Wahrscheinlichkeitswertes durch eine Wirtschaftsauskunftei maßgeblich darüber entscheidet, ob ein Dritter ein Vertragsverhältnis begründet, durchführt oder beendet. Allgemeine Scoringverfahren, die keine Kenntnis über konkrete Vertragspartner oder die individuelle wirtschaftliche Situation der betroffenen Person berücksichtigen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Der Nachweis einer konkreten Einflussnahme auf eine Entscheidung obliegt dem Betroffenen und kann nicht aus einer bloßen Ablehnung ohne belegbaren Scorewert geschlossen werden. (Rn. 20 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Berechnung von Bonitätsscores ist durch Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat in § 31 BDSG durch die explizite Schaffung einer Rechtsgrundlage deutlich gemacht, dass die Bonitätsscoreerstellung zum Schutz des Wirtschaftsverkehrs erforderlich ist. Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 20, 21, 23 GRCh und § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG begründen keine entgegenstehenden Rechte, solange keine sensiblen Merkmale wie Alter oder Geschlecht wertend berücksichtigt werden und keine individuelle Benachteiligung plausibel dargelegt wird. (Rn. 23 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO gilt als erfüllt, wenn die erteilten Angaben den erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Ein Verdacht auf Unvollständigkeit oder inhaltliche Ungenauigkeit begründet keinen Anspruch auf weitergehende Auskünfte. Eine Mitteilung über die Logik oder Tragweite eines Scoring-Algorithmus nach Art. 15 Abs. 1 lit. h DSGVO entfällt, wenn kein Fall einer automatisierten Entscheidung nach Art. 22 DSGVO vorliegt. Zudem kann sich der Verantwortliche hinsichtlich des Algorithmus gem. Art. 15 Abs. 4 DSGVO auf sein Geschäftsgeheimnis berufen. (Rn. 31 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Feststellungsantrag, Schadensersatzanspruch, automatisierte Entscheidung, Score-Wert, Auskunftsanspruch, Unterlassungsanspruch, Wiederholungsgefahr
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 23.10.2025 – 19 U 1468/25 e
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 30205
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger macht Ansprüche aufgrund behaupteter datenschutzrechtlicher Verstöße der Beklagten geltend.
2
Bei der Beklagten handelt es sich um ein privates Unternehmen, welches seine Vertragspartner mit Auskünften bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit potenzieller Kunden unterstützt. Zu diesem Zweck unterhält die Beklagte eine Datenbank mit über 68 Millionen Datensätzen und sammelt darin Daten zur Zahlungsfähigkeit wirtschaftlich aktiver Personen, die ihr von Vertragspartnern wie beispielsweise Banken übermittelt werden. Diese Informationen werden gespeichert und bilden wiederum die Grundlage für die Beantwortung von Auskunftsersuchen. Dabei werden auf Basis der elektronisch gespeicherten Daten und Erfahrungen aus der Vergangenheit Wahrscheinlichkeitswerte zur Zahlungsfähigkeit der Betroffenen berechnet. Die Beklagte berechnet die zu Auskünften an ihre Vertragspartner erteilten sogenannten Scorewerte stets für jede Auskunft neu. Der Beklagten liegen dabei über den Vertragstyp hinaus keine Informationen zu dem konkret beabsichtigten Geschäft wie zum Beispiel Kreditsumme, angebotene Sicherheiten oder ähnliches vor. Auch verfügt die Beklagte grundsätzlich nicht über Informationen über das Einkommen und Vermögen einer Person.
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Die Klagepartei hat von der Beklagten eine Bonitätsauskunft vom 24.08.2023 erhalten (Anklage K 1), mit der die gespeicherten Daten und die in den letzten 12 Monaten übermittelten Scorewerte offengelegt wurden. Die Klägerin hat zwischenzeitlich den Datensatz des Klägers zur Beauskunftung gesperrt.
4
Der Klagepartei behauptet, dass sich die für den Kläger erstellten Bonitätsscorewerte negativ auf das Geschäftsleben des Klägers auswirken. Mit einem negativen Scorewert gehe faktisch zumeist die Ablehnung von in der Folgezeit begehrten Vertragsschlüssen einher. Der negative Scorewert habe die Entscheidung von Vertragspartnern des Klägeris für oder gegen einen Vertragsschluss maßgeblich beeinflusst. Der Kläger sei auch in Zukunft in seiner Lebensführung unangemessen stark beeinflusst. Die Beklagte verwende bei ihrer Scorewertberechnung besonderen Kategorien personenbezogener Daten, Namen bzw. Daten aus sozialen Netzwerken, Informationen über Zahlungseingänge und -ausgänge auf Bankkonten oder Daten Dritter, die nicht im Zusammenhang mit dem Zahlungsverhalten des Klägers stehen. Er habe einen immateriellen Schaden durch Stigmatisierung, Diskriminierung und Rufschädigung sowie in Form von Ängsten erlitten, die aus der Ungewissheit resultierten, ob personenbezogene Daten Unbefugten bekannt geworden seien.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass das von der Beklagten zur Berechnung des Scorewertes durchgeführte Verfahren gegen § 22 Abs. 1 DSGVO verstoße, eine Ausnahme nach § 22 Abs. 2 DSGVO liege nicht vor. Das Scoring stelle einen von der Beklagten initiierten automatisierten Verarbeitungsvorgang i.S.d. § 22 DGSVO dar, da die Score-Werte nach dem bisherigen Kenntnisstand nicht aufgrund einer individuellen Bewertung und Einschätzung eines Menschen erstellt würden. Bereits die Erstellung der Scorewerte stelle eine Entscheidung i.S.d. Vorschrift dar. Außerdem verstoße die Beklagte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 20, 21, 23 GRCh, § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG, indem sie für die Erstellung des Bonitätsscores Merkmale wie das Alter, Geschlecht und die Anschrift berücksichtige (Klageantrag zu 1.). Aufgrund der durch die Beklagte regelmäßig vorgenommenen rechtswidrigen Datenverarbeitung bestehe ein Anspruch, die Beklagte zu verpflichten, die Erstellung des Bonitätsscores nicht ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhend vorzunehmen (Klageantrag zu 2.). Der Leistungsantrag resultiere aus der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Klageantrag zu 3.). Den immateriellen Schadensersatzanspruch stützt die Klagepartei auf Art. 82 DSGVO und § 21 Abs. 2 S. 2 AGG i. V. m. §§ 249 Abs. 2, 253 BGB, §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 S. 1, 253 i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG. Der Kläger habe eine massive Beeinträchtigung seines sozialen Ansehens im Sinne der Einschätzung der Kreditwürdigkeit durch Dritte erlitten. Der immaterielle Schadensersatzanspruch ergebe sich zudem aus Art. 82 DSGVO, da die Beklagte ihrer Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO nicht nachgekommen sei (Klageantrag zu 4.). Im Hinblick auf den Klageantrag VII ist der Kläger der Ansicht, dass sich die Beklagte unzulässigerweise auf ihr Geschäftsgeheimnis berufen habe und ihr Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 h DSGVO noch nicht in ausreichender Form erfüllt sei (Klagantrag zu 5.). Den Unterlassungsantrag (Klageantrag zu 6.) stützt der Kläger auf § 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB und die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
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Der Kläger beantragt zuletzt (Bl. 106/107):
1. Es wird festgestellt, dass die beklagtenseits vorgenommene auf einer automatisierten Verarbeitung beruhende Erstellung des Bonitätsscores der Klagepartei, also der sog. „Basisscorewerte“, der sog. „Branchenscorewerte“ sowie der sog. „Orientierungswerte“, rechtswidrig ist;
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Erstellung des Bonitätsscores der Klagepartei, also der sog. „Basisscorewerte“, der sog. „Branchenscorewerte“ sowie der sog. „Orientierungswerte“, nicht ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhend vorzunehmen;
3. Die Beklagte wird verurteilt, bei jeder Abfrage der SCHUFA-Scorewerte betreffend die Klagepartei, hinsichtlich des Basisscorewerts sämtlicher Branchenscorewerte sowie der Orientierungswerte ausschließlich Werte mitzuteilen, die nicht ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 5.000,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
5. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft darüber zu geben, auf welche konkrete Weise die Bonitätsscorewerte der Klagepartei, d.h. der Basisscorewert, sämtliche Branchenscorewerte und der Orientierungswert errechnet wurden, insbesondere nachvollziehbar und nachprüfbar
a. die dafür verwendete Berechnungsmethode,
b. die hierfür zugrunde gelegten Berechnungsparameter,
c. die für die Berechnung herangezogenen und verwendeten personenbezogenen Merkmale der Klagepartei,
d. die Risikoklassen, in welche die jeweiligen Scorewerte eingestuft werden sowie deren genaue Aufschlüsselung und Ausgestaltung,
e. die Gewichtung von Kategorien von Kriterien und der einzelnen Kriterien zueinander, die den Wahrscheinlichkeitswert am stärksten beeinflussen,
f. die Aussagekraft des konkreten Wahrscheinlichkeitswerts,
g. die erstellten Wahrscheinlichkeitswerte und ihre Empfänger darzulegen;
6. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € oder für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken gegen eines der Mitglieder des Vorstands der Beklagten, es zu unterlassen, bei der Erstellung der SCHUFA-Scorewerte betreffend die Klagepartei, dies umfasst die sog. Basisscorewerte, die sog. Branchenscorewerte sowie die sog. Orientierungswerte, folgende Merkmale in die Erstellung einzubeziehen:
a. besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679,
b. den Namen der Klagepartei oder personenbezogene Daten aus ihrer Nutzung sozialer Netzwerke,
c. Informationen über Zahlungseingänge und -ausgänge auf und von Bankkonten,
g. Daten Dritter, die nicht im Zusammenhang mit dem Zahlungsverhalten der Klagepartei stehen, insbesondere Daten der Nachbarschaft;
7. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.751,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte meint, dass die Klage bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei. Es fehle ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, ein Feststellungsinteresse und ein bestimmter Antrag.
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Ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO bestehe nicht, weil die darlegungs- und beweisbelastete Klagepartei schon nicht hinreichend dargetan habe, dass ein konkreter Vertragspartner der Beklagten bei einer Entscheidung den von der Beklagten berechneten Scorewert maßgeblich zugrunde gelegt und dass der Beklagte hierdurch eine erhebliche Beeinträchtigung erlitten habe. Die pauschal behaupteten Auswirkungen und Einschränkungen aufgrund des Scorings der Beklagten seien nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe auch keinen ersatzfähigen immateriellen Schaden durch die angeblichen Verstöße gegen die DSGVO erlitten. Bereits der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO zeige, dass allein der Verstoß gegen die DSGVO noch keinen Schaden des Betroffenen darstelle. Konkrete negative Auswirkungen seien von der Klagepartei nicht vorgetragen worden.
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Die Beklagte habe dem Kläger bereits mehrfach unabhängig von einer Rechtspflicht Auskunft über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten erteilt. Die erteilte Auskunft erfülle alle Informationspflichten, auch solche i.S.d. Art. 15 Abs. 1 lit. h DSGVO. Das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO umfasse ausschließlich personenbezogene Daten des Betroffenen, sodass kein Anspruch auf Informationen über die für die Scoreberechnung herangezogenen Risikoklassen oder Vergleichsgruppen bestehe. Der zur Scoreberechnung genutzte Algorithmus stelle ein geschütztes Geschäftsgeheimnis dar.
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Ergänzend wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 02.08.2024 Bezug genommen. Der Kläger wurde im Termin vom 02.08.2024 informatorisch angehört.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Bei dem festgesetzten Streitwert ist das Landgericht München II nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BDSG örtlich zuständig, da der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Landgerichtsbezirk hat.
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2. Darüber hinaus ist der Feststellungsantrag im Klageantrag zu 1. nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, da der Kläger vorträgt, dass ihr aus der behaupteten rechtswidrigen Handlung ein weiterer Schaden droht und damit die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Es liegt auch ein Rechtsverhältnis im Sinne der Vorschrift vor. Dieser Begriff ist weit auszulegen und zur Bejahung reicht es aus, dass konkrete rechtliche Streitpunkte mit Rechten zwischen den Parteien bestehen (Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 256 Rn. 4). So liegt es auch hier, da es um Ansprüche zwischen den Parteien im Rahmen von automatisierten Entscheidungen im Sinne der DSGVO geht.
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Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Der Feststellungsantrag ist unbegründet, da das Gericht schon dem Grunde nach keinen Schadensersatzanspruch erkennen kann.
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Weder ein Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 DSGVO noch gegen das Diskriminierungsverbot aus § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG wurde seitens der Klagepartei hinreichend dargelegt.
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a) Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jeder, dem wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.
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aa) Ein Verstoß ergibt sich nicht aus Art. 22 Abs. 1 DSGVO.
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Art. 22 Abs. 1 DSGVO setzt voraus, dass eine Person „ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung […] beruhenden Entscheidung unterworfen wird, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise beeinträchtigt“. Eine automatisierte Entscheidung in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 07.12.2023 – C-634/21, NZA 2024, 45) jedoch nur vor, wenn ein auf personenbezogene Daten zu einer Person gestützter Wahrscheinlichkeitswert in Bezug auf deren Fähigkeit zur Erfüllung künftiger Zahlungsverpflichtungen durch eine Wirtschaftsauskunftei automatisiert erstellt wird, sofern von diesem Wahrscheinlichkeitswert maßgeblich abhängt, ob ein Dritter, dem dieser Wahrscheinlichkeitswert übermittelt wird, ein Vertragsverhältnis mit dieser Person begründet, durchführt oder beendet.
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es kann nicht allgemein davon ausgegangen werden, dass das Scoring der Beklagten in jedem Einzelfall die Entscheidungen potentieller Vertragspartner maßgeblich bestimmt. Dagegen spricht schon, dass die Beklagte beim Erstellen der Score-Werte grundsätzlich nicht über Informationen zu dem konkreten Geschäft oder dem Einkommen und Vermögen einer Person verfügt. Jedenfalls hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klagepartei (EuGH, 25.01.2024 – C – 687/21, NZW 2024, 320) einen entsprechenden Nachweis nicht zur Überzeugung des Gerichts geführt. Der Kläger gab zwar im Rahmen seiner informatorischen Anhörung zunächst an, bei der Anmietung einer Wohnung 2021 oder 2022 und im Rahmen einer Kfz-Finanzierung aufgrund seines negativen Score-Wertes abgelehnt worden zu sein. In Bezug auf die Anmietung der Wohnung gab der Kläger jedoch auf Nachfrage an, sich nicht mehr erinnern zu können, ob er seinen potentiellen Vermietern den Teil der Schufa-Auskunft übermittelt habe, auf welchem der Score abgedruckt gewesen sei. Insoweit erklärte der Beklagtenvertreter im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass die Schufa-Auskunft, welche zur Vorlage an den Vermieter bestimmt ist, keine Score-Werte enthalte. Gemäß den Ausführungen der Datenschutzkonferenz sei eine Nachfrage der Vermieter hinsichtlich des konkreten Score-Werts auch unzulässig. Hinsichtlich der Autofinanzierung hat auch der Kläger nicht behauptet, dass es zu einer Ablehnung des Vertragsschlusses wegen des negativen Score-Wertes gekommen sei. Vielmehr gab er auf Nachfrage an, dass die Finanzierung seitens der Bank lediglich von einer höheren Anzahlung abhängig gemacht worden sei. Grund hierfür sei nicht ein konkreter Score, sondern ein konkreter negativer Schufa-Eintrag gewesen. Im Ergebnis kann das Gericht daher auch unter Berücksichtigung der informatorischen Anhörung des Klägers nicht feststellen, dass die Score-Werte der Beklagten in einem konkreten Einzelfall dafür maßgeblich war, dass ein potentieller Vertragspartner ein Vertragsverhältnis mit ihm (nicht) begründet hat.
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Auch das Vorbringen im innerhalb der Frist nach § 128 Abs. 2 S. 2 (als wahr unterstellt) führt zu keiner anderern Beurteilung. Darin wurde erstmals vorgetragen, der Kläger im Oktober 2023 den Kauf einer VR-Brille beabsichtigt und über die Finanzierung des Kaufpreises bei der beantragt. Dem hierzu vorgelegten Ablehnungsschreiben von ist zu entnehmen, dass die Finanzierung nicht bewilligt wurde. Weiter heißt es in dem Schreiben, dass die Kreditentscheidung „aufgrund einer Entscheidung i.S.d. Art. 22 DSGVO“ ergangen sei. Weder aus dem vorgelegten Schreiben noch dem Vortrag der Klagepartei geht hervor, ob der anlässlich dieser Kreditentscheidung überhaupt einen Scorewert der Beklagten vorlag und inwiefern ein solcher Scorewert die Entscheidung maßgeblich beeinflusst haben soll.
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bb) Das Scoring der Beklagten verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 DSGVO.
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Nach dieser Vorschrift ist eine Verarbeitung gemäß Buchstabe f rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
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Hier hat der Gesetzgeber durch sein Bemühen, dem Handeln der Beklagten in § 31 BDSG eine eigene Rechtsgrundlage zu geben, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Tätigkeit der Beklagten insgesamt für erforderlich ansieht. Hieran hält die Bundesregierung in ihrem Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes vom 31.01.2024 in Form des angedachten § 31 a BDSG fest. Dass diese Interessenbewertung des Gesetzgebers fehlerhaft ist, kann der Kläger nicht darlegen.
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cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 20, 21, 23 GRCh, § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG. Der Kläger hat schon nicht konkret vorgetragen, dass bei der Erstellung seines Bonitätsscores die von ihm angeführten Merkmale des Geschlechts, des Alters oder der Anschrift in einer im Einzelfall maßgeblichen Weise verwendet wurden. Beim Kläger wurde kein Scoreverfahren verwendet, welches konkret das Alter oder das Geschlecht wertend berücksichtigt. Auch Anschriften hat die Beklagte für die Berechnung von Scorewerten des Klägers in den letzten zwölf Monaten vor der ihm erteilten Datenauskunft vom 24. August 2023 nicht gewechselt. Das ergibt sich bereits aus der in der Anlage K 1 enthaltenen Tabelle: „Anschriftendaten: n/v“. „n/v“ (K 1, S. 6) steht hierbei für „nicht verwendet“.
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Der Feststellungsantrag der Klägerin ist damit unbegründet.
28
c) Weitere Anspruchsgrundlagen kommen aufgrund des Anwendungsvorrangs der datenschutzrechtlichen Regelungen nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 27. Juli 2020, Az. VI ZR 405/18, BeckRS 2020, 23312, Rz. 64).
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2. Die Klageanträge zu 2) und zu 3) sind aus den bei 1. aufgeführten Gründen zurückzuweisen. Mangels Verstoßes gegen Art. 22 Abs. 1 DSGVO besteht auch kein Anspruch auf Ermittlung des „Branchenscrorewert“, „Basisscorewerts“ oder „Orientierungswerts“ in nicht ausschließlich automatisierter Verarbeitung.
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3. Ein Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzanspruchs (Klageantrag zu 4.) besteht nach den unter 1. dargelegten Gründen schon mangels entsprechenden Verstoßes gegen die DSGVO dem Grunde nach nicht. Auch ist ein kausaler Schaden nach den Angaben des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Anhörung nicht hinreichend dargelegt worden.
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4. Der Kläger (Klageantrag zu 5.) hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Der grundsätzlich nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO bestehende Auskunftsanspruch wurde durch die seitens der Beklagten erteilte Auskunft vom 24.08.2023 bereits erfüllt.
32
Nach höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 576/19, juris, Rn. 19; OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023 – I-7 U 19/23, juris, Rn. 250; OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.03.2023 – 16 U 154/21, juris, Rn. 29) ist ein Auskunftsanspruch grundsätzlich dann erfüllt, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Auskunft in weitergehendem Umfang nicht begründen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die – gegebenenfalls konkludente – Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist. Die Annahme eines derartigen Erklärungsinhalts setzt demnach voraus, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehrens vollständig abdecken soll.
33
Diesen Vorgaben genügt das Schreiben der Beklagten.
34
Weitergehende Angaben zum Scoring werden nicht geschuldet. Nach Art. 15 Abs. 1 Buchstabe h DSGVO besteht in den Fällen des Art. 22 Abs. 1 DSGVO ein Recht auf Mitteilung des Bestehens einer automatisierten Entscheidungsfindung und auf Überlassung aussagekräftiger Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person. Ein Fall des Art. 22 Abs. 1 DSGVO aus obengenannten Gründen nicht vor.
35
Im Übrigen kann sich die Beklagte hinsichtlich des Algorithmus gemäß Art. 15 Abs. 4 DSGVO auf ihr Geschäftsgeheimnis berufen (vgl. Landgericht Chemnitz, Urteil vom 06.06.2024 – 6 O 29/24, AH-B 60, S. 12; Landgericht Traunstein, Urteil vom 22.05.2024 -6 O 2465/23, AH-B 75, S. 13).
36
5. Auch der geltend gemachte Unterlassungsanspruch greift nicht durch.
37
a) Ein Individualanspruch auf Unterlassung der Übermittlung von Daten an Dritte ist in der DSGVO nicht normiert (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.03.2023 – 16 U 22/22, juris, Rn. 49).
38
aa) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus Art. 17 DSGVO, denn dieser normiert unmittelbar nur ein Löschungsrecht und ist, auch wenn aus ihm in Verbindung mit Art. 79 DSGVO ein Unterlassungsanspruch hergeleitet wird, allein auf die Unterlassung der Speicherung von Daten, nicht aber auf die begehrte Unterlassung der Übermittlung von Daten an Dritte gerichtet (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.03.2023 – 16 U 22/22, juris, Rn. 53).
39
bb) Ein Anspruch auf Unterlassung der Übermittlung von Daten an Dritte kann auch nicht aus Art. 82 DSGVO in Verbindung mit § 249 Abs. 1 BGB hergeleitet werden, denn die Schadensrestitution würde sich nur auf die Beseitigung bereits erfolgter Datenweitergaben, nicht aber auf die Unterlassung künftiger Datenübermittlungen richten (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.03.2023 – 16 U22/22, juris, Rn. 56).
40
b) Der Unterlassungsanspruch kann nicht aus Normen des nationalen Rechts hergeleitet werden, weil die Vorschriften der DSGVO wegen des unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts bereits nicht anwendbar sind (BGH, Urteil vom 27.7.2020 – VI ZR 405/18, ZD 2020, 634, beck-online, Rn. 64 mit weiteren Nachweisen). Im Übrigen hat der Kläger keinen konkreten Fall dargelegt, bei dem die Beklagte diese Datenkategorien zur Berechnung eines Scorewertes sie betreffend wertend verwendet hat. Eine für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist daher schon nicht hinreichend dargetan (BGH, Urteil vom 18.12.2015 – V ZR 160/14, NJW 2016, 863).
41
6. Mangels Hauptanspruches hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
42
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
43
8. Den Streitwert hat das Gericht nach §§ 39, 48 Abs. 1, 2 GKG i.V. m. § 3 ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse der Klagepartei am Rechtsstreit geschätzt. Die Klage macht mit Ausnahme des geltend gemachten Schmerzensgeldbetrages von 5.000 € hierzu keine konkreten Angaben. Das Gericht schätzt dieses Interesse daher insgesamt auf 7.500 € (Schmerzensgeld 5.000 €, i.Ü. jeweils 500 €). Die Nebenforderungen, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten und Zinsen, waren nicht in Ansatz zu bringen, § 43 Abs. 1 GKG.