Inhalt

OLG Bamberg, Urteil v. 28.07.2025 – 4 U 62/25 e
Titel:

Einstweiliger Rechtsschutz bei Sperrung von Social-Media-Kanälen eines Influencers.

Normenketten:
BGB § 249 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 305c
ZPO Art. 54 DSA, § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 935, § 940
EuGVVO Art. 26 Abs. 1
Leitsätze:
1. Sperrt der Betreiber einer Social-Media-Plattform aufgrund von Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen einen Social-Media-Kanal, so stellt die bloße Weiternutzung eines anderen, bereits bestehenden Kanals durch den betroffenen Nutzer keine Umgehung der Maßnahme dar, die eine Sperrung sämtlicher Kanäle dieses Nutzers rechtfertigt.
2. Zu den Voraussetzungen für die Annahme eines Verfügungsgrundes, wenn der Betreiber einer Social-Media-Plattform mehrere Kanäle eines Influencers sperrt.
Schlagworte:
einstweilige Verfügung, Sperrung von Kanälen, Nutzungsvertrag, Community-Richtlinien, Vertragsverletzung, Unterlassungsanspruch, Verfügungsgrund
Vorinstanz:
LG Schweinfurt, Urteil vom 26.03.2025 – 11 O 84/25 eV
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 29983

Tenor

1. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 26.03.2025, Az. 11 O 84/25 eV, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a) Der Verfügungsbeklagten wird auferlegt, den XY-Account des Verfügungsklägers „A.“ mit der verknüpften E-Mail-Adresse B. bis einschließlich 31.01.2027 freizuschalten und nicht erneut aus denjenigen Gründen zu sperren, aus denen die Sperrung dieses Accounts im Januar 2025 erfolgte.
b) Der Verfügungsbeklagten wird auferlegt, den XY-Account des Verfügungsklägers „C.“ mit der verknüpften E-Mail-Adresse D. bzw. E. bis einschließlich 31.01.2027 freizuschalten und nicht erneut aus denjenigen Gründen zu sperren, aus denen die Sperrung dieses Accounts am 29. Januar 2025 erfolgte.
c) Der Verfügungsbeklagten wird auferlegt, den XY-Account des Verfügungsklägers „F.“ mit der verknüpften E-Mail-Adresse B. bis einschließlich 31.01.2027 freizuschalten und nicht erneut aus denjenigen Gründen zu sperren, aus denen die Sperrung dieses Accounts Mitte Januar 2025 erfolgte.
2. Im Übrigen wird die Berufung des Verfügungsklägers zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Verfügungskläger 1/4 und die Verfügungsbeklagte 3/4 zu tragen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Verfügungskläger verlangt von der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung die Aufhebung der Sperrung von drei von ihm betriebenen „XY-Kanälen“.
2
Die Verfügungsbeklagte K. betreibt im Internet die Video-Hosting- und Kommunikationsplattform „XY“. Dort haben Nutzer die Möglichkeit, Videos zum Abruf durch Dritte einzustellen und hierfür eigene Kanäle einzurichten. Der Verfügungskläger betrieb auf „XY“ mehrere Kanäle, in die er regelmäßig Videos einstellte.
3
Am 28.11.2024 wurde der XY-Kanal des Verfügungsklägers „G.“ von der Verfügungsbeklagten dauerhaft gesperrt. Auch die Kanäle „H.“, und „J.“, die mit der E-Mail-Adresse B. verknüpft waren, wurden im November 2024 von der Verfügungsbeklagten gesperrt. Eine Warnung oder Abmahnung durch die Verfügungsbeklagte erhielt der Verfügungskläger vor den Sperrungen nicht.
4
Der Verfügungskläger erhielt nach den Sperrungen per E-Mail jeweils eine Mitteilung, dass die Sperrung erfolgt sei, weil gegen die „Richtlinien zu Spam, irreführende Praktiken und Betrug“ verstoßen worden sei. Ferner wurde dem Verfügungskläger mitgeteilt: „We have permanently removed your channel from XY. Going forward, you won't be able to access, possess, or create any other XY channels.” Der Verfügungskläger erhob gegenüber der Verfügungsbeklagten gegen die Sperrungen erfolglos Einspruch.
5
Im Januar 2025 sperrte die Verfügungsbeklagte den XY-Kanal „A.“; anschließend auch den Kanal „F.“ sowie schließlich am 29.01.2025 den Kanal „C.“. Eine Warnung oder Abmahnung durch die Verfügungsbeklagte war vor diesen Sperrungen jeweils nicht erfolgt. Am 29.01.2025 teilte die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger mit, dass ihr Team die Inhalte des Verfügungsklägers überprüft und schwerwiegende oder wiederholte Verstöße gegen ihre Community-Richtlinien festgestellt habe, weswegen man die Entfernungen vorgenommen habe. Zeitgleich mit der Sperre erhielt der Verfügungskläger die Meldung, dass er dauerhaft von der Plattform gesperrt sei und sich keinen neuen Account zulegen und auch keine weiteren Konten nutzen und auf andere Kanäle zugreifen könne.
6
Der Verfügungskläger forderte die Verfügungsbeklagte mit Anwaltsschreiben vom 29.01.2025 erfolglos auf, die vorgenannten, im Januar 2025 gesperrten Kanäle wieder freizuschalten.
7
Die Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten (Anlage AG1) lauten (auszugsweise) wie folgt:
„Verwarnungen wegen eines Verstoßes gegen die Community-Richtlinien XY wendet ein Verwarnungssystem auf Inhalte an, die gegen die XY-Community-Richtlinien verstoßen. Jede Verwarnung führt zu unterschiedlichen Einschränkungen bis hin zur endgültigen Entfernung Ihres Kanals von XY. Eine Beschreibung der Auswirkungen von Verwarnungen auf Ihren Kanal finden Sie auf der Seite Verwarnungen wegen eines Verstoßes gegen die Community-Richtlinien. Wenn Sie der Meinung sind, dass eine Verwarnung irrtümlicherweise ausgesprochen wurde, können Sie hier Beschwerde einlegen. Wir berücksichtigen dann Ihre Begründung für die Beschwerde und überprüfen unsere Entscheidung noch einmal.
Sollten für Ihren Kanal aufgrund einer Verwarnung Einschränkungen gelten, dürfen Sie keinen anderen Kanal verwenden, um diese Einschränkungen zu umgehen. Ein Verstoß gegen dieses Verbot stellt eine schwerwiegende Verletzung dieser Vereinbarung dar. K. behält sich das Recht vor, in diesem Fall Ihr K.-Konto zu kündigen oder Ihren Zugriff auf den gesamten oder einen Teil des Dienstes zu sperren.
(…)
Kündigung und Sperrung durch XY
XY behält sich das Recht vor, Ihr K.-Konto oder Ihren Zugriff auf den gesamten oder einen Teil des Dienstes zu sperren oder zu kündigen, wenn (a) Sie diese Vereinbarung erheblich oder wiederholt verletzen, (b) wir dies tun müssen, um rechtlichen Anforderungen oder einer gerichtlichen Verfügung nachzukommen, oder (c) es objektive und konkrete Gründe zu der Annahme gibt, dass ein Verhalten vorliegt, das Nutzern, Dritten, XY oder unseren verbundenen Unternehmen schadet oder für diese Haftungsansprüche zur Folge hat.
Benachrichtigung über Kündigung oder Sperrung Wir werden Sie über den Grund der Kündigung oder Sperrung durch XY informieren und soweit ein diese Vereinbarung verletzendes Verhalten Grund der Kündigung oder Sperrung ist, Ihnen Gelegenheit geben, diese Verletzung abzustellen bzw. zu beheben, es sei denn, es gibt objektive und konkrete Gründe zu der Annahme, dass dies (a) gegen Gesetze bzw. Anordnungen einer Strafverfolgungsbehörde verstoßen würde, (b) eine Ermittlung gefährden würde, (c) die Integrität, den Betrieb oder die Sicherheit des Dienstes schwerwiegend beeinträchtigen würde oder (d) anderen Nutzern, Dritten, XY oder unseren verbundenen Unternehmen schwerwiegend schaden würde.
Auswirkungen der Sperrung oder Kündigung eines Kontos Wenn Ihr K.-Konto gekündigt wurde oder Ihr Zugriff auf den Dienst eingeschränkt wird, können Sie bestimmte Funktionen des Dienstes (wie etwa die Videowiedergabe) auch ohne Konto weiterhin nutzen. Diese Vereinbarung hat für eine solche Nutzung weiterhin Gültigkeit. Wenn Sie der Meinung sind, dass es sich bei der angekündigten Kündigung oder Sperrung um einen Fehler handelt, können Sie über dieses Formular Beschwerde einlegen. Wir berücksichtigen dann Ihre Begründung für die Beschwerde und überprüfen unsere Entscheidung noch einmal.“
(…)
8
Berechtigungen und Einschränkungen Unter Einhaltung dieser Vereinbarung und der geltenden Gesetze können Sie auf den Dienst in der Ihnen zur Verfügung gestellten Form zugreifen und ihn verwenden. Sie können Inhalte für Ihren persönlichen, nicht kommerziellen Gebrauch ansehen oder anhören. Außerdem können Sie XY-Videos über den integrierbaren XY-Player zeigen.“
9
Mit Antrag vom 05.02.2025, eingegangen bei dem Landgericht Schweinfurt am selben Tag, hat der Verfügungskläger beantragt, der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, die im Januar gesperrten Kanäle zu sperren.
10
Der Verfügungskläger hat hierzu erstinstanzlich vorgetragen, dass die Sperrungen im Januar 2025 mit der unzutreffenden Begründung erfolgt seien, dass er gegen die Community-Richtlinien der Verfügungsbeklagten verstoßen habe. So habe er zu keinem Zeitpunkt wissentlich oder absichtlich gegen diese Richtlinien verstoßen. Urheberrechtsverletzungen durch den Verfügungskläger habe die Verfügungsbeklagte nicht substantiiert behauptet; jedenfalls sei die sofortige Sperrung ohne vorherige Hinweise oder Warnungen, die auch nach den Richtlinien der Beklagten vorgesehen seien, unverhältnismäßig gewesen. Soweit ihm aufgrund des Weiterbetriebs der im Januar 2025 gesperrten Kanäle eine „Umgehung“ der Sperrungen aus dem November 2024 vorgeworfen werde, liege eine solche schon deswegen nicht vor, weil auf den im Januar gesperrten Kanälen thematisch andere Inhalte veröffentlicht worden seien. Ferner könne eine „Umgehung“ auch deswegen nicht vorliegen, weil der Verfügungskläger über die konkreten Gründe der Sperrungen aus dem November 2024 nicht informiert worden sei und daher entsprechende Vorwürfe auch nicht subjektiv vorwerfbar umgangen werden könnten.
11
Der Verfügungskläger ist der Auffassung, dass sein Begehren eine Unterlassung (der Sperrung) darstelle und keine Verpflichtung der Verfügungsbeklagten zur Leistung. Er sei auf den Zugang der streitgegenständlichen Kanäle, mit denen er monatlich 90.000,- € erziele, dringend angewiesen. Er bestreite mit den Einkünften seinen Lebensunterhalt und bezahle seine Mitarbeiter. Mit jedem Tag der Sperrung gingen „Follower“ verloren und werde die Reichweite der Kanäle beschränkt.
12
Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich beantragt,
1.
Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, den XY-Account des Antragstellers „A.“ mit der verknüpften E-Mail-Adresse: B. zu sperren, wenn dies geschieht, wie durch die am 15.01.2025 erfolgte Sperrung des XY-Accounts des Antragstellers.
2.
Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, den XY-Account des Antragstellers „C.“ mit der verknüpften E-Mail-Adresse D. bzw. E. zu sperren, wenn dies geschieht, wie durch die am 29.01.2025 erfolgte Sperrung des XY-Accounts des Antragstellers.
3.
Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, den XY-Account des Antragstellers „F.“ mit der verknüpften E-Mail-Adresse B. zu sperren, wenn dies geschieht, wie durch Mitte Januar erfolgte Sperrung des XY-Accounts des Antragstellers.
13
Die Verfügungsbeklagte hat erstinstanzlich die Zurückweisung der Berufung beantragt.
14
Sie ist der Auffassung, dass der Antrag des Verfügungsklägers bereits rechtsmissbräuchlich sei, da er in seiner Antragsbegründung die im November 2024 erfolgten Kündigungen seiner Kanäle verschwiegen habe und sich hierdurch die begehrte einstweilige Verfügung habe erschleichen wollen. Die initialen Sperrungen seien aufgrund von umfangreichen Veröffentlichungen urheberrechtlich geschützten Materials auf den Kanälen des Verfügungsklägers erfolgt, wobei dieser zusätzlich versucht habe, diese Verstöße durch die Verwendung sogenannter „Overlays“, d.h. die Überlagerung der Videos mit einem zweiten Film, für die automatisierten Sicherungssysteme der Verfügungsbeklagten unkenntlich zu machen. Dies stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten dar, der auch ohne vorherige Warnung oder Abmahnung eine Sperrung der Kanäle und die Kündigung des Nutzungsvertrags gerechtfertigt habe. Auf die Gründe der im November 2024 erfolgten Sperrungen käme es im Ergebnis jedoch gar nicht an, da der Verfügungskläger trotz der Sperrungen und entgegen der anschließend erfolgten Mitteilung, dass er die Sperrungen nicht durch Nutzung anderer Kanäle umgehen dürfe, die streitgegenständlichen Kanäle weiterbetrieben habe, was wiederum einen erheblichen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen darstelle und seinerseits eine Sperrung auch dieser Kanäle ohne vorherige Anhörung oder Abmahnung rechtfertige. Im Übrigen gehe bereits der Antrag des Verfügungsklägers ins Leere, da zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis mehr bestehe, in dessen Rahmen eine Sperre wieder aufgehoben werden könne. Das Begehren des Verfügungsklägers sei vielmehr auf eine Leistungsverfügung gerichtet, für die es jedoch an den besonderen Voraussetzungen des § 940 ZPO und damit an einem Verfügungsgrund fehle.
15
Das Landgericht hat den Antrag des Verfügungsklägers mit Endurteil vom 26.03.2025 zurückgewiesen; es fehle bereits an der Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen der Argumentation der Verfügungsbeklagten angeschlossen. So könne, da nicht streitgegenständlich, dahinstehen, ob die Sperrungen von Kanälen des Verfügungsklägers im November 2024 berechtigt gewesen seien. Es komme lediglich darauf an, ob für die Sperrungen der streitgegenständlichen Kanäle, die als Kündigung der Accounts sowie der Vertragsbeziehung mit dem Verfügungskläger auszulegen seien, die erforderlichen Voraussetzungen vorgelegen hätten. Dies sei der Fall, da der Verfügungskläger durch den Weiterbetrieb der streitgegenständlichen Kanäle die zuvor erfolgten Sperrungen umgangen habe, was nach den klaren Regelungen der „Community-Richtlinien“ zur Kündigung von Accounts bzw. Entfernung von Kanälen von der Plattform berechtige. Im Hinblick auf den Begriff der „Umgehung“ der Sperrung sei auch nach dem Vortrag des Verfügungsklägers nicht ersichtlich, worin sich die Kanalbeschreibungen der streitgegenständlichen und der zunächst gesperrten Kanäle unterscheiden sollten. Im Hinblick auf den „Ausnahmecharakter“ des Kündigungsgrunds der Umgehung der vorangegangenen Sperrungen sei die Verfügungsbeklagte auch nicht gehalten gewesen, den Verfügungskläger vor der fristlosen Kündigung anzuhören oder abzumahnen.
16
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Verfügungsklägers, mit der er zunächst seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt hat. Der Verfügungskläger rügt, dass das Landgericht die Sperrung der Kanäle im November 2024 zwar zur Grundlage der streitgegenständlichen Sperrungen mache, gleichzeitig und deshalb widersprüchlich aber keine Bewertung dieser Sperrungen vornehme und diese als nicht streitgegenständlich bewerte. Sofern in einem parteigleichen Verhältnis eine vorangegangene Sperrung den Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen solle, werde diese aber ebenfalls streitgegenständlich. Die vorangegangenen Sperrungen seien auch treuwidrig erfolgt, was demzufolge die außerordentliche Kündigung treuwidrig mache. Das Erstgericht habe verkannt, dass zu dem von der Verfügungsbeklagten mitgeteilten Grund für die ersten Sperrungen, „Verstoß gegen Spam, irreführende Werbung und Betrug“, erstinstanzlich kein Vortrag erfolgt sei und die unangekündigte Sperrung auch gegen das eigene Verwarnsystem der Verfügungsbeklagten sowie gegen den Grundsatz des § 314 Abs. 2 BGB verstoßen habe. Der Verfügungskläger habe in seinen Videos fremde Inhalte auch nur in den Grenzen der gesetzlichen Ausnahmen verwendet (“Reaction-Videos“). Die Verfügungsbeklagte habe zudem nicht behauptet, dass überhaupt ein Verstoß durch die jeweiligen Rechtinhaber gerügt worden sei. Ferner habe das Landgericht auch keine Definition des Begriffs der vorgeworfenen „Umgehung“ vorgenommen. Eine solche liege nicht vor, da sich die streitgegenständlichen Kanäle inhaltlich und aufgrund ihrer unterschiedlichen Frequentierung von den zuvor gesperrten Kanälen unterschieden. Ferner setze der Begriff der „Umgehung der Kontosperre“ eine kausale und böswillige Zielabsicht voraus, die hier schon deswegen nicht vorliegen könne, da er die streitgegenständlichen Kanäle mit unverändertem Inhalt nur „weiterbespielt“ habe und auch nicht ordnungsgemäß über den Sperrgrund aufgeklärt worden sei (Art. 17 Digital Services Act / DSA). Ihm sei daher nicht bekannt gewesen, worin eine Umgehung hätte liegen können. Er sei auch nicht darauf hingewiesen worden, dass allein die Nutzung vorhandener anderer Konten als „Umgehung“ gewertet werde und dies die unmittelbare Schließung dieser Kanäle zur Folge haben werde.
17
Nachdem der Senat den Verfügungskläger mit Verfügung vom 02.07.2025 und in der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2025 darauf hingewiesen hat, dass sein Antragsbegehren inhaltlich auf den Erlass einer Leistungsverfügung ziele, hat der Antragsteller im Berufungsverfahren zuletzt beantragt,
I.
18
Der Verfügungsbeklagten wird auferlegt, den XY-Account des Verfügungsklägers „A.“ mit der verknüpften E-Mail-Adresse: B.“ für die Dauer von 2 Jahren freizuschalten und nicht zu sperren wie durch die am 15.01.2025 erfolgte Sperrung des XY-Accounts des Antragstellers.
II.
19
Der Verfügungsbeklagten wird auferlegt, den XY-Account des Verfügungsklägers „C.“ mit der verknüpften E-Mail-Adresse D. bzw. E. für die Dauer von 2 Jahren freizuschalten und nicht zu sperren, wenn dies geschieht, wie durch die am 29.01.2025 erfolgte Sperrung des XY-Accounts des Verfügungsklägers.
III.
20
Der Verfügungsbeklagten wird auferlegt, den XY-Account des Verfügungsklägers „F.“ mit der verknüpften E-Mail-Adresse B. für die Dauer von 2 Jahren freizuschalten und nicht zu sperren, wenn dies geschieht, wie durch Mitte Januar 2025 erfolgte Sperrung des XY-Accounts des Verfügungsklägers.
21
Die Verfügungsbeklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung. Zu Recht habe das Landgericht festgestellt, dass die Weiternutzung der streitgegenständlichen Kanäle eine Umgehung im Sinne der Nutzungsbedingungen dargestellt habe. Mit den Sperrmitteilungen im November 2024 (Anlage AG10) sei dem Antragsteller verdeutlicht worden, dass er keinerlei XY-Kanäle mehr haben, erstellen oder in sonstiger Weise bespielen dürfe. Hieraus folge unmissverständlich, dass die Verfügungsbeklagte kein Vertragsverhältnis mit dem Verfügungskläger mehr haben wolle. Dies habe der Verfügungskläger ignoriert, weswegen die Sperrungen im Januar 2025 erfolgt seien. Ferner folge aus den Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten eindeutig, dass nach einer Sperrung jede Nutzung eines anderen XY-Kanals eine Umgehung im Sinne der Nutzungsbedingungen darstelle, ohne dass es hierbei, entgegen den Ausführungen des Landgerichts, auf eine Vergleichbarkeit der Inhalte ankäme. Zu Recht habe das Landgericht auch eine Abmahnung oder Anhörung für entbehrlich gehalten, da die Weiternutzung der streitgegenständlichen Kanäle eine bewusste Umgehung der vorangegangenen Sperrungen dargestellt habe. Einer Prüfung der Berechtigung der vorangegangenen Sperrungen, gegen die der Verfügungskläger gerichtlich nicht vorgegangen sei und damit die Dringlichkeit selbst widerlegt habe, stehe die Dringlichkeit im vorliegenden Eilverfahren entgegen, die eine nachgelagerte Prüfung ausschließe. Es fehle auch an einem Verfügungsgrund, da das Begehren auf Freischaltung bzw. Wiederaufnahme des Nutzungsvertrags einen Leistungsantrag darstelle, der die Darlegung und Glaubhaftmachung einer existentiellen Zwangslage erfordere. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Dem stehe schon das Verhalten des Verfügungsklägers (kein Ergreifen von Maßnahmen nach den Sperrungen im November) entgegen. Schließlich seien die Anträge, wie bereits erstinstanzlich gerügt, auch unbestimmt und unrichtig, da aus dem Antrag eine zweifelsfreie Zuordnung der Kanäle (auch in einem etwaigen Vollstreckungsverfahren) mangels Mitteilung der konkreten URL nicht möglich sei.
II.
22
Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Endurteil des Landgerichts Schweinfurt vom 26.03.2025 ist zulässig und hat auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
23
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.
24
a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die trotz § 513 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 16. 12. 2003, Az. XI ZR 474/02, NJW 2004, 1456) folgt jedenfalls aus der hier anwendbaren Vorschrift des Art. 26 Abs. 1 EuGVVO, da sich die Verfügungsbeklagte auf das Verfahren eingelassen hat, ohne dass sie eine fehlende (internationale) Zuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt hätte. Die Voraussetzungen für einen ausschließlichen Gerichtsstand gem. Art. 24 EuGVVO liegen nicht vor. Es kann damit dahinstehen, ob sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch aus Art. 17 i.V.m. Art. 18, Art. 25 oder Art. 35 EuGVVO ergibt.
25
b) Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten entsprechen die zuletzt gestellten Anträge auch dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Einer Angabe der URL der Kanäle bedarf es nicht. So war offensichtlich die Verfügungsbeklagte in der Lage, die streitgegenständlichen Kanäle dem Verfügungskläger zuzuordnen. Zudem hat der Verfügungskläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unwidersprochen ausgeführt, dass sämtliche Kanäle einem einzigen für die Monetarisierung erforderlichen und für den Verfügungskläger bei der Verfügungsbeklagten geführten „…-Konto“ zugeordnet waren. Eine ausreichende Bestimmbarkeit der Kanäle durch Angabe des Titels und der verknüpften E-Mail-Adresse liegt damit vor.
26
Es kann auch dahinstehen, ob die Sperrung des Kanals „A.“, wie vom Verfügungskläger behauptet, am 15.01.2025 erfolgt ist, oder, wie von der Verfügungsbeklagten dargelegt, erst Ende Januar 2025. Es ist nicht ersichtlich, wie diese Divergenz einen Einfluss auf die aufgrund des Namens des Kanals, der verknüpften E-Mail-Adresse und des verknüpften „…-Kontos“ ausreichende Individualisierung haben könnte.
27
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet.
a) Verfügungsanspruch
28
Der Verfügungskläger hat gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Freischaltung der streitgegenständlichen Kanäle sowie auf Unterlassung einer erneuten Sperrung, soweit diese auf Gründe gestützt wird, wie sie den Sperrungen im Januar 2025 zugrunde lagen.
29
aa) Auf den Rechtsstreit ist deutsches Recht anwendbar. Unwidersprochen hat der Verfügungskläger vorgetragen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Nutzungsvertrag unter Berücksichtigung der in den Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten enthaltenen Rechtswahlklausel dem deutschen Recht unterliegt (Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 2 Rom I-VO).
30
bb) Der Verfügungskläger hat gegen die Verfügungsbeklagte gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch darauf, die im Januar 2025 gesperrten Kanäle des Verfügungsklägers wieder zur Nutzung durch den Verfügungskläger freizuschalten, wie dies vor den Sperrungen der Fall war.
31
Zwischen den Parteien besteht ein Nutzungsvertrag, in dessen Rahmen die Verfügungsbeklagte gemäß ihrer Nutzungsbedingungen (Anlage AG1, dort unter „Ihre Nutzung des Dienstes“) als Anbieterin des Hosting-Dienstes „XY“ dem Verfügungskläger gestattet hat, bestimmte definierte Inhalte (Video, Audio, Grafiken, etc.) auf der Plattform einzustellen und zugänglich zu machen. Daraus folgt, dass die Verfügungsbeklagte weder Inhalte, die der Verfügungskläger auf der Plattform eingestellt hat, grundlos löschen darf (BGH Urt. v. 29.7.2021, Az. III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 28), noch – als gravierendere Eingriffe in das Vertragsverhältnis – die vom Verfügungskläger betriebenen Kanäle sperren oder ihn vollständig von der Nutzung der Plattform ausschließen darf.
32
Eine ausreichende vertragliche Grundlage, welche die Sperrung der Kanäle des Verfügungsklägers rechtfertigen könnte, ergibt sich aus den Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten auch unter Berücksichtigung der dort in Bezug genommenen „Community-Richtlinien“ entgegen der Auffassung des Landgerichts jedoch nicht.
33
aaa) Die Verfügungsbeklagte hat sich, als (vertragliche) Grundlage für die im Januar 2025 vorgenommenen Sperrungen der streitgegenständlichen Kanäle, zwar auf ihre Nutzungsbedingungen berufen, wonach ein Nutzer, soweit für seinen Kanal aufgrund einer Verwarnung Einschränkungen gelten, keinen anderen Kanal verwenden dürfe, um diese Einschränkungen zu umgehen, und wonach ein Verstoß gegen dieses Verbot eine „schwerwiegende Verletzung dieser Vereinbarung“ darstelle (Anlage AG 1 unter „Verwarnungen wegen eines Verstoßes gegen die Community-Richtlinien“). Soweit die Verfügungsbeklagte aber vorträgt, dass die Nutzung bzw. das „Bespielen“ der streitgegenständlichen Kanäle mit neuen Inhalten nach den im November 2024 vorgenommenen Sperrungen eine „Umgehung“ und damit eine zur sofortigen Sperrung berechtigende schwerwiegende Vertragsverletzung im Sinne der Nutzungsbedingungen darstelle, kann dem nicht gefolgt werden.
34
Der Senat ist mit dem Verfügungskläger der Auffassung, dass der Vorwurf einer „Umgehung“ dahingehend zu verstehen sein kann, dass diese ein voluntatives Element in dem Sinne voraussetzt, dass ein Nutzer die als vertragswidrig beanstandete Nutzung auf anderen Kanälen fortsetzt. Diese Auslegung ist rechtlich vertretbar und aufgrund des Gebots der kundenfreundlichsten Auslegung (§ 305c BGB) der Entscheidung auch zugrunde zu legen. Hierbei gilt, dass die Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten, die allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB darstellen, ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen sind, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragsparteien unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 305c, Rn. 16, m.w.N.). Tatsächlich kann der Begriff der Umgehung von einem durchschnittlichen Nutzer dahingehend verstanden werden, dass damit ausschließlich die Fortsetzung der beanstandeten Nutzung auf einem neuen oder anderen Kanal gemeint ist und nicht das Unterlassen jedweder Verwendung im Sinne einer aktiven Nutzung.
35
Vor diesem Hintergrund ist die bloße Weiternutzung der streitgegenständlichen Kanäle durch den Verfügungskläger nicht als „Umgehung“ im Sinne der Nutzungsbedingungen zu qualifizieren. So hat die Verfügungsbeklagte nicht behauptet, dass die Inhalte der streitgegenständlichen Kanäle gegen ihre „Richtlinien zu Spam, irreführende Praktiken und Betrug“ oder sonstige Verpflichtungen verstoßen hätten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den „Community-Richtlinien“, auf die in den Nutzungsbedingungen Bezug genommen wird und die damit ein zu berücksichtigender Teil des Gesamtklauselwerks darstellen (Grüneberg/Grüneberg, a.a.O.). Auch aus dem unter der Anlage AG3 vorgelegten Ausdruck „Verwarnungen wegen eines Verstoßes gegen die Community-Richtlinien auf XY“ ergibt sich nichts anderes. Hier wird ebenfalls der Begriff der „Umgehung“ als Definition eines Verstoßes gegen die Einschränkung (Einschränkung des Zugangs oder Deaktivierung eines Kanals) verwendet. Jedenfalls ist aber schon nicht ersichtlich, ob dieser „Ausdruck“ einen Teil der Nutzungsbedingungen und damit des vertraglichen Gesamtklauselwerks darstellt oder nicht vielmehr eine bloße Erläuterung. Für letzteres spricht die Bezeichnung als „Artikel“, in dem es um Verwarnungen wegen eines Verstoßes gegen die Community-Richtlinien geht. Entsprechendes gilt für die vorgelegte Anlage AG5 „Schließung des Kontos oder Kanals“.
36
bbb) Auch die Tatsache, dass nach der Sperrung der Kanäle im November 2024 Sperrmitteilungen mit dem Passus „How this affects your channel: We have permanently removed your channel from XY. Going forward, you won't be able to access, possess, or create any other XY channels.” an den Verfügungskläger versandt wurden (Anlage AG 10), rechtfertigt keine andere Entscheidung, da es hierfür an einer vertraglichen Grundlage fehlt. Aus den Nutzungsbedingungen geht (wie dargestellt) nicht hervor, dass die (dauerhafte) Sperrung eines Kanals zwangsläufig die Sperrung sämtlicher Kanäle eines Nutzers zur Folge hat.
37
Die Mitteilungen der Verfügungsbeklagten aus dem November 2024 sind, unabhängig davon, ob hierfür eine Vertragsgrundlage bestand oder nicht, aus der maßgeblichen Sicht des Verfügungsklägers als Erklärungsempfänger (Grüneberg/Ellenberger, a.a.O., § 133, Rn. 9) auch nicht als Kündigung des Nutzungsvertrags auszulegen. So geht aus den Mitteilungen lediglich hervor, dass einzelne Kanäle gesperrt wurden. Der Begriff der „Kündigung“ wurde nicht verwendet. Zudem wurden nicht sämtliche Kanäle des Verfügungsklägers gesperrt, auch nicht die weiteren Kanäle, die ebenfalls mit der E-Mail-Adresse B. verknüpft waren. Damit liegt auch eine konkludente Kündigung durch eine faktische Beendigung des gesamten Vertragsverhältnisses nicht vor.
38
cc) Dem Verfügungskläger steht gegen die Verfügungsbeklagte gem. § 280 Abs. 1 BGB zusätzlich ein Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Löschung des Beitrags bei dessen erneuter Einstellung zu.
39
Wie dargelegt hat die Verfügungsbeklagte durch die Sperrung der Kanäle gegen ihre Vertragspflichten verstoßen. Aufgrund der Tatsache, dass die Verfügungsbeklagte bereits ihre Pflichten aus dem – fortbestehenden – Vertragsverhältnis verletzt hat und die Vertragsverletzung – in Gestalt der Sperrung der Kanäle – noch andauert, ist vom Bestehen eines aus § 280 Abs. 1 BGB folgenden Unterlassungsanspruchs auszugehen. Aufgrund der bereits begangenen Pflichtverletzungen besteht auch eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. Anhaltspunkte für eine Widerlegung der Vermutung sind weder vorgetragen noch ersichtlich (BGH, Urt. v. 29.7.2021, Az. III ZR 179/20, Rn. 100 ff.).
40
Hierbei ist die Verpflichtung zur Unterlassung von erneuten Sperrungen der Kanäle insoweit zu beschränken (und eine entsprechende Einschränkung im Tenor dieses Urteils vorzunehmen), als eine erneute Sperrung eines streitgegenständlichen Kanals dann nicht erfolgen darf, wenn die Sperrung darauf gestützt wird, dass dieser trotz der im November 2024 erfolgten Kanalsperrungen weiterbetrieben wird.
41
dd) Auf die Frage, ob die Mitteilungen der im November 2024 erfolgten Sperrungen an den Verfügungskläger, die lediglich eine pauschale und allenfalls rudimentäre Begründung enthielten, den Voraussetzungen des Art. 17 der hier anwendbaren VO (EU) 2022/2065 (Gesetz über digitale Dienste / DSA) entsprochen haben und sich aus Art. 54 DSA ein Anspruch auf Aufhebung der Sperrung ergeben kann (so Hofmann in Hofmann Raue, Digital Services Act, 1. Aufl., Art. 54, Rn. 52), kommt es damit nicht entscheidend an.
42
Ebensowenig auf die Frage, ob die Sperrungen der weiteren Kanäle im November 2024 berechtigt waren oder nicht.
b) Verfügungsgrund
43
Der Verfügungskläger hat auch den erforderlichen Verfügungsgrund ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht.
44
aa) Das Begehren des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist als Antrag auf Erlass einer Leistungsverfügung auszulegen. So begehrt der Verfügungskläger ungeachtet der (ursprünglich) formulierten Unterlassungsanträge der Sache nach die Wiederherstellung der vollständigen Nutzungsmöglichkeit unter Bereitstellung der streitgegenständlichen Kanäle und damit die Erfüllung des von der Verfügungsbeklagten durch die Sperrung der Kanäle vereitelten Nutzungsvertrags. Das gem. §§ 935, 940 ZPO bei einer Leistungsverfügung erforderliche dringende Bedürfnis auf Erfüllung des Nutzungsvertrags hat die Verfügungsklägerin dargelegt und glaubhaft gemacht.
45
aaa) Hierbei gilt, dass ein Verfügungsgrund nach Maßgabe der §§ 935, 940 ZPO voraussetzt, dass der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen sein muss. Dies ist insbesondere bei einer Not- oder Zwangslage oder einer Existenzgefährdung der Fall, ebenso bei der Lieferung von Gas, Wasser und Strom und im Übrigen in den Fällen, in denen die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist und die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 940 ZPO, Rn. 6, m.w.N.).
46
bbb) Diese Voraussetzungen sind hier im Ergebnis erfüllt. Zwar hat der Verfügungskläger nicht behauptet, dass ohne die Wiederherstellung seiner Kanäle seine persönliche wirtschaftliche Existenz in dem Sinne gefährdet wäre, dass er die für seine persönliche Existenz notwendigen Ausgaben (Kosten für Unterkunft, Nahrung, etc.), nicht mehr tragen könne. Allerdings hat er dargelegt und durch eine entsprechende eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass er seinen Lebensunterhalt mit den durch den Betrieb der Kanäle erzielten Werbeeinnahmen bestreitet und mit den Einnahmen auch Mitarbeiter bezahlen muss. Zu berücksichtigen ist hier der Umstand, dass der Verfügungskläger, wie er unwidersprochen vorgetragen hat, mit zunehmender Dauer der Sperrung der Kanäle „Follower“ und an Reichweite verliert. Zudem sind die während der Sperrung der Kanäle entgangenen Einnahmen, auch wenn der Verfügungskläger im Hauptsacheverfahren obsiegen sollte, unwiederbringlich verloren. Insoweit kommt die Verweisung des Verfügungsklägers auf den ordentlichen Rechtsweg einer Rechtsverweigerung gleich. Demgegenüber hat die Verfügungsbeklagte nicht geltend gemacht, dass sie bei Freischaltung der streitgegenständlichen Kanäle konkrete Nachteile erleiden würde. So hat sie nicht behauptet, dass die Inhalte dieser Kanäle gegen ihre Nutzungsbestimmungen verstoßen würden. Sie hat auch nicht vorgetragen, noch bestehen hierfür Anhaltspunkte, dass sie durch die Freischaltung der Kanäle wirtschaftliche Nachteile erleiden würde.
47
Gegen das Vorliegen eines Verfügungsgrunds kann auch nicht vorgebracht werden, dass es der Verfügungskläger unterlassen habe, gerichtlich gegen die ersten Sperrungen im November 2024 vorzugehen. Aus den vorstehend dargelegten Gründen musste er nicht davon ausgehen, dass die Sperrungen Einfluss auf die streitgegenständlichen Kanäle haben würden, weil deren Weiterbetrieb von der Verfügungsbeklagten als Umgehung der Sperrungen und damit schwerwiegender Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen qualifiziert würde.
48
Der Verfügungskläger hat das Verfahren im Übrigen auch hinreichend zügig betrieben. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände führt die Abwägung der beiderseitigen Interessen dazu, dass dem klägerischen Begehren, eine vorläufige Regelung herbeizuführen, zu entsprechen ist.
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bb) Die Befriedigungsverfügung ist zeitlich bis zum 31.01.2027 zu beschränken. Die Vertragserfüllung kann, da eine Entscheidung im Verfahren über die Hauptsache nicht vorweggenommen werden darf, längstens für die Zeit verlangt werden, die für das Erlangen eines vollstreckbaren Titels voraussichtlich notwendig ist (OLG Rostock, Urt. v. 26.06.1996, Az. 6 U 395/96, MDR 1996, 1183, 1184). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass im Hauptsacheverfahren eine (aufwändige) Beweisaufnahme voraussichtlich nicht erforderlich sein wird, geht der Senat davon aus, dass eine (vorläufig) vollstreckbare Entscheidung innerhalb von 1 1/2 Jahren erlangt werden kann.
III.
50
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Hierbei war zu berücksichtigten, dass der Verfügungsantrag dem Grunde nach begründet ist. Allerdings wurde dieser sowohl in der ersten Instanz, als auch in dem für die Berufungsinstanz für den Streitwert maßgeblichen Zeitpunkt (§ 40 GKG) zeitlich unbeschränkt gestellt. Da die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten jedoch auf einen Zeitraum von 1 1/2 Jahren zu begrenzen war, hatte der Antrag und die Berufung insoweit keinen Erfolg. Insgesamt ist daher eine Kostenverteilung von 1/4 zu 3/4 zum Nachteil der Verfügungsbeklagten angemessen.
51
2. Einer Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da das Urteil gemäß § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht mit der Revision anfechtbar ist und daher mit Verkündung rechtskräftig wird (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 25. Juli 2018, Az. 3 U 51/18, Rn. 26, juris; Zöller/Herget, 35. Aufl., ZPO § 705 Rn. 7).