Titel:
Einstweilige Anordnung, Presserechtlicher Auskunftsanspruch, Anspruch eines Redakteurs auf Auskunft über Höhe der Miete von Gebäuden, (Kein) Entgegenstehen von Verschwiegenheitsgründen, Abwägung im Einzelfall, Dringlichkeit, Vorwegnahme der Hauptsache geboten, presserechtlicher Auskunftsanspruch
Normenketten:
VwGO § 123
BayPrG Art. 4
GG Art. 5 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Bei einem presserechtlichen Auskunftsverlangen über die Miethöhe einer Unterkunft für Asylbewerber gegenüber einer Gemeinde, handelt sich im Hinblick auf den gewerblichen Vermieter um einen Eingriff im Bereich der Sozialsphäre, da die Vermieterpartei in ihrer gewerblichen Tätigkeit betroffen ist. Dieser niedrigschwellige Grundrechtseingriff tritt im vorliegenden Fall im Rahmen einer Abwägung hinter die Pressefreiheit zurück. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Presserechtlicher Auskunftsanspruch, Anspruch eines Redakteurs auf Auskunft über Höhe der Miete von Gebäuden, (Kein) Entgegenstehen von Verschwiegenheitsgründen, Abwägung im Einzelfall, Dringlichkeit, Vorwegnahme der Hauptsache geboten, presserechtlicher Auskunftsanspruch
Fundstellen:
LSK 2025, 27555
GRUR-RS 2025, 27555
NVwZ 2025, 1921
Tenor
I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller die folgenden Fragen zu beantworten:
1. Welche monatlichen Mietkosten (Kalt- und Warmmiete) fallen für das künftig als Asylunterkunft genutzte Gebäude am … in … … …
2. Welche monatlichen Mietkosten (Kalt- und Warmmiete) fallen für das weitere, vorerst ungenutzte Gebäude am … in … … an?
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Erteilung einer presserechtlichen Auskunft vom Antragsgegner. Der Antragsteller ist Journalist und als Redakteur für eine lokale Tageszeitung tätig.
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Der Antragsgegner hat in der Straße … … in der Gemeinde … … zwei Gebäude für die Unterbringung von Flüchtlingen angemietet. Eines der Gebäude steht bis auf weiteres leer, im anderen sollen Geflüchtete untergebracht werden.
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Mit E-Mail vom 30. Juni 2025 bat ein bei der Tageszeitung arbeitender Redakteur, mit E-Mail vom 8. Juli 2025 der Antragsteller selbst den Antragsgegner um Auskunft über die Höhe der für die Anmietung der beiden Gebäude entstehenden Mietkosten.
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Der Antragsgegner antwortete zunächst am 30. Juni 2025, dass er bezüglich der Höhe der Mietkosten keine Auskunft geben könne. Ihm fehle das Einverständnis des Vertragspartners. Am 10. Juli 2025 antwortete der Antragsgegner, dass der Freistaat Bayern eine Miete bezahlt, die sich an der ortsüblichen Höhe orientiert. Weitere Angaben zur Miethöhe machte der Antragsgegner nicht.
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Mit E-Mail vom 16. Juli 2025 forderte der Bevollmächtigte des Antragstellers den Antragsgegner erneut zur Auskunft über die Höhe der Mietkosten für die beiden Gebäude am … auf. Die bisherige Antwort, dass sich die Miete an einer ortsüblichen Miete orientiert, sei nicht ausreichend.
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Der Antragsgegner antwortete mit E-Mail vom 18. Juli 2025, dass er nicht beabsichtige die gewünschte Auskunft zu erteilen. Eine Einwilligung des Vermieters liege nicht vor. Aus Gründen des Datenschutzes sei deshalb eine Auskunft nicht möglich. Bei der Abwägung zwischen der Pressefreiheit und Grundrechten Dritter sei auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu berücksichtigen. Bisher seien andere Presseanfragen ebenfalls nicht mit Angabe der konkreten Miethöhe beantwortet worden. Anhand der Fläche der Immobilie, die dem Antragsteller bekannt sei, und dem im Internet veröffentlichten aktuellen Mietspiegel könne der Antragsteller einen Mietpreis selbst errechnen, der einen guten Orientierungswert dafür biete, was der Antragsteller für die Anmietung des Gebäudes monatlich aufwendet. Im Übrigen sei der Auskunftsanspruch bereits erfüllt worden.
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Mit E-Mail vom 22. Juli 2025 forderte der Bevollmächtigte des Antragstellers unter Fristsetzung bis 25. Juli 2025 letztmalig auf, die begehrte Auskunft zu erteilen. Er führt im Wesentliche aus, dass das Fehlen einer Einwilligung des Vertragspartners der Offenlegung von Vertragsinhalten grundsätzlich ebenso wenig entgegenstehe wie datenschutzrechtliche Gründe. Bereits fraglich sei, ob es sich überhaupt um Daten mit Personenbezug handele, da der Vertragspartner des Antragsgegners eine Körperschaft des Privatrechts ist. Jedenfalls sei im Rahmen der Abwägung das schutzwürdige Interesse des Vermieters deutlich geringer als die Pressefreiheit zu bewerten.
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Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2025, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am gleichen Tag eingegangen, beantragt der Bevollmächtigte des Antragstellers,
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den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, mit dem Inhalt, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller folgende Fragen zu beantworten:
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1. Welche monatlichen Mietkosten (Kalt- und Warmmiete) fallen für das künftig als Asylunterkunft genutzte Gebäude am … in … … an?
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2. Welche monatlichen Mietkosten (Kalt- und Warmmiete) fallen für das weitere, vorerst ungenutzte Gebäude am … in … … an?
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Zur Begründung führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, dass ein Anspruch aus Art. 4 Abs. 1 BayPrG bestehe. Der vage Hinweis des Antragsgegners, dass eine ortsübliche Miete bezahlt werde, genüge den Anforderungen an die Erfüllung des Auskunftsanspruchs nicht. Dem Antragsgegner stünde kein Auskunftsverweigerungsrecht zu. Der Anordnungsgrund ergebe sich aus der Aktualität der Thematik. Der Einzug der Geflüchteten in die Unterkunft stünde unmittelbar bevor.
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Der Antragsgegner beantragt zuletzt mit Schriftsatz vom 5. August 2025,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung verweist er mit Schriftsatz vom 31. Juli 2025 zunächst auf die E-Mail vom 18. Juli 2025. Darüber hinaus wird ausgeführt, dass die Sache nicht dringlich sei, da diese bereits mehrfach in der Tageszeitung behandelt worden sei. Dem Antragsteller sei es zumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Mit weiterem Schriftsatz führt der Antragsgegner zur Begründung weiter aus, dass dem Antragsteller weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund zustehe. Der Auskunftsanspruch sei erfüllt worden, bezüglich weiteren Angaben stünde Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG entgegen. Bei der konkreten Miethöhe handele es sich um ein Geschäftsgeheimnis durch dessen Offenlegung der Antragsgegner sich unter Umständen gem. § 203 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB strafbar machen würde. Das Recht des Vermieters aus Art. 12 GG und Art. 14 GG würde den presserechtlichen Auskunftsanspruch des Antragstellers überwiegen. Die Dringlichkeit sei zu verneinen. Die Miete werde bereits seit 1. Oktober 2023 bezahlt. Der Antragsteller habe darüber hinaus seit mindestens 23. Januar 2024 über die Flüchtlingsunterkunft berichtet.
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Mit Schriftsatz vom 18. August 2025 trat der Antragsteller als Antragspartei in das Verfahren ein und ersetzte die bisherige Antragstellerin. Die vormalige Antragstellerin war die lokale Tageszeitung selbst.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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Der mit Schriftsatz vom 18. August 2025 erklärte Parteiwechsel ist eine zulässige Antragsänderung im Sinne des auch im einstweiligen Rechtsschutz anwendbaren § 91 Abs. 1 VwGO. Die Antragsänderung ist sachdienlich, da so der Streitstoff zwischen den Beteiligten endgültig bereinigt werden kann und es zu keiner erheblichen Verzögerung kommt. Durch die Antragsänderung kann insbesondere ein neuer Prozess vermieden werden.
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Über den Antrag konnte gem. § 101 Abs. 3 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO hat Erfolg. Der zulässige Antrag ist begründet.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Dabei hat ein Antragsteller sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Maßgebend hierfür sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
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Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegen vor, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) sowie die Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache vorliegen. Wegen der Vorwegnahme der Hauptsache sind erhöhte Anforderungen an die Darlegung sowohl des geltend gemachten Anordnungsgrunds als auch des Anordnungsanspruchs zu stellen (stRspr., vgl. nur: BayVGH, B.v. 19.8.2020 – 7 CE 20.1822 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 24.1.2017 – 7 CE 16.2056 – juris Rn. 9).
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1. Der Anordnungsanspruch auf presserechtliche Auskunft über die Höhe der Mietkosten der beiden Gebäude ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG.
24
Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG hat die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Sie kann es durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayPrG). Das Recht auf Auskunft kann nur gegenüber dem Behördenleiter und den von ihm Beauftragten geltend gemacht werden (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayPrG). Die Auskunft darf nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG).
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Jedenfalls die E-Mail vom 8. Juli 2025 des Antragstellers entspricht den Anforderungen aus Art. 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayPrG, da der Antragsteller als Redakteur vom Behördenleiter bzw. den von ihm Beauftragten Auskunft hinsichtlich der Miethöhe der beiden Gebäude verlangt hat.
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Bei einer Eilentscheidung über einen presserechtlichen Auskunftsanspruch ist stets die grundrechtliche Dimension der Pressefreiheit zu beachten. Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommenden Funktionen wirksam wahrzunehmen. Der Presse kommt neben einer Informationsinsbesondere eine Kontrollfunktion zu. Beide Funktionen sind berührt, wenn ein Pressevertreter zum Zwecke der Berichterstattung über die Miethöhe von Gebäuden recherchiert, die der Unterkunft von Geflüchteten dienen. Hierbei geht es nicht nur um die bloße Information über die Verwendung staatlicher (Steuer-)Mittel, sondern gerade auch um eine effektive und unabhängige Kontrolle staatlichen Handelns. Dies ist Kernaufgabe der Presse und für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend. Der Schutz der Pressefreiheit reicht hier weiter als in Fällen, in denen die Presse eine Berichterstattung über private Umstände zu Unterhaltungszwecken anstrebt. Grundsätzlich entscheidet die Presse in den Grenzen des Rechts selbst, ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das „Ob“ und „Wie“ der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt.
27
Nach diesen Maßstäben hat der Antragsgegner kein Recht zur Auskunftsverweigerung gem. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG, da möglicherweise bestehende Verschwiegenheitspflichten jedenfalls im Rahmen einer Abwägung hinter die Pressefreiheit zurücktreten.
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Die Auskunft darf nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG nur unter den dort genannten Voraussetzungen verweigert werden. Dem wird auch für das Bayerische Pressegesetz im Kern ein allgemeines Abwägungsprinzip entnommen, bei dem sich Grenzen des presserechtlichen Auskunftsanspruchs ergeben können, wenn die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte Dritter berührt (vgl. VG München, B.v. 21.5.2024 – M 10 E 24.224 – juris Rn. 26; Söder in Gersdorf/Paal, BeckOK, Informations- und Medienrecht, Stand 1.5.2024, Art. 4 BayPrG Rn. 16 ff.). Über die genannten Verschwiegenheitspflichten hinaus ist ein Auskunftsverweigerungsrecht im Bayerischen Pressegesetz nicht vorgesehen. Unter die Regelung fallen sowohl Geheimhaltungsvorschriften als auch Regelungen, die private Geheimnisse schützen. Es gibt keine umfassenden Bereichsausnahmen. Sofern sich bei der im Rahmen des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG vorzunehmende Abwägung Grundrechtspositionen gegenüberstehen, sind sie in einen angemessenen Ausgleich zu bringen und es ist insbesondere abzuwägen, ob dem verfassungsrechtlich durch die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) gewährleisteten Informationsinteresse oder dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse der Vorzug zu geben ist (stRspr, vgl. nur: BayVGH, B.v. 19.8.2020 – 7 CE 20.1822 – juris Rn. 15 f. m.w.N.).
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Geheimhaltungsvorschriften sind vorliegend nicht ersichtlich. Entgegen der Rechtsansicht des Antragsgegners steht § 203 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 StGB dem presserechtlichen Auskunftsanspruch nicht entgegen. § 203 Abs. 2 StGB ist keine Geheimhaltungsvorschrift im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG (vgl. für § 4 Abs. 2 Nr. 2 PresseG NW, der das Ausschlusskriterium „Vorschriften über die Geheimhaltung enthält“ und mithin mit Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG vergleichbar ist: OVG Münster, B.v.19.02.04 – 5 A 640/02 – juris Rn. 3 ff.). Ein presserechtlicher Auskunftsanspruch kann das strafbarkeitsbegründende Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ entfallen lassen (vgl. OVG Münster, B.v.19.02.04 – 5 A 640/02 – juris Rn. 4, VG München, U.v. 13.09.12 – M 22 E 12.4275 – juris Rn. 63).
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Im vorliegenden Einzelfall überwiegt die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die vom Antragsgegner im Schriftsatzverkehr und im Verfahren angeführten Geheimhaltungsinteressen und grundrechtlichen Belange (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG).
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Bereits fraglich erscheint, ob der Antragsgegner bei der Abwägung das in Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung berücksichtigen durfte. Die Vermieterpartei kann sich als juristische Person des Privatrechts allenfalls sehr eingeschränkt auf den Schutz personenbezogener Daten und mithin auf ein Geheimhaltungsinteresse, das sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergibt, berufen. Jedenfalls ist aber bei einem presserechtlichen Auskunftsanspruch – in gleicher Weise wie bei Unterlassungsansprüchen gegen Presseveröffentlichungen – bei der Schutzbedürftigkeit personenbezogener Daten danach zu unterscheiden, ob die Intim-, die Privat- oder die Sozialsphäre betroffen ist (BVerwG, U.v. 27.09.18 – 7 C 5/17 – juris Rn. 33). Eingriffe in die Sozialsphäre sind unter erleichterten Voraussetzungen zulässig, sodass der Persönlichkeitsschutz weniger weit reicht als in den Fällen der Betroffenheit der Intim- und Privatsphäre. Vorliegend handelt es sich bei dem Auskunftsverlangen über die Miethöhe um einen Eingriff im Bereich der Sozialsphäre, da die Vermieterpartei in ihrer gewerblichen Tätigkeit betroffen ist. Dieser niedrigschwellige Grundrechtseingriff tritt im vorliegenden Einzelfall im Rahmen einer Abwägung hinter die Pressefreiheit zurück. Vorliegend ist nichts dafür vom Antragsgegner vorgetragen oder ersichtlich, dass das Geheimhaltungsinteresse ausnahmsweise die Pressefreiheit überwiegen könnte, wie eine Gefährdung der Wettbewerbsposition der Vermieterpartei.
32
Das aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, welches auch den Schutz von Geschäftsgeheimnissen umfasst, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Bekanntgabe der Miethöhe negative Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit des Vermieters haben könnte. Zudem muss einem Vermieter, der sich freiwillig in ein Mietverhältnis mit einem Träger staatlicher Gewalt begibt, bewusst sein, dass dieser Träger Presse und Öffentlichkeit zu Auskünften verpflichtet und deswegen ein transparenter Umgang mit Vertragsinhalten grundrechtlich geboten sein kann. Bei der Abwägung ist zudem zu berücksichtigten, dass eine Behörde nicht durch Vereinbarungen mit Dritten über den Auskunftsanspruch disponieren und sich auf dieser Weise der öffentlichen Kontrolle durch unabhängige Medien entziehen kann (vgl. BVerwG, U.v. 26.04.2021 – 10 C 1.20, Rn. 28 – juris).
33
Unbeachtlich ist schließlich, dass nach dem Vortrag des Antragsgegners anderen Presseorganen ebenfalls keine Auskunft über die konkrete Miethöhe erteilt worden ist. Der Antragsgegner kann den Auskunftsanspruch nicht unter Verweis auf die Gleichbehandlung von Presseorganen nach Art. 3 Abs. 1 GG verwehren, wenn – wie hier – ein bestehender, rechtmäßiger Auskunftsanspruch geltend gemacht wird.
34
Der Anordnungsanspruch wurde entgegen der Rechtsansicht des Antragsgegners vorliegend nicht in ausreichendem Maße erfüllt. Soweit ein Anspruch besteht, muss der Inhalt der Auskunft sachgerecht und vollständig sein (vgl. BayVGH, B.v. 13.08.04 – 7 CE 04.1601 – juris Rn. 20). Der Antragsteller hatte nach der konkreten Miethöhe gefragt, der Antragsgegner lediglich auf eine ortsübliche Miete verwiesen. Dies genügt – selbst wenn man unterstellt, dass der Antragsteller die Miethöhe durch eigene Berechnungen mehr oder weniger genau schätzen könnte – den Anforderungen an eine vollständige Auskunft nicht. Der Verweis des Antragstellers, dass eigene Rückschlüsse und Berechnungen angestellt werden könnten, ist nicht ausreichend. Dem Antragsgegner ist es zumutbar, die konkrete Miethöhe mitzuteilen, da diese ohne größeren Aufwand ermittelt werden kann. Bei der begehrten Auskunft handelt es sich nicht um Verschaffung von Informationen, sondern um den Zugang zu solchen Tatschen über die der Antragsgegner tatsächlich verfügt.
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2. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
36
Ein Anordnungsgrund liegt dann vor, wenn es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
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Im Presserecht ist zu berücksichtigen, dass die Presse grundsätzlich in den Grenzen des Rechts selbst entscheidet ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet (s.o.). Das „Ob“ und „Wie“ der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, welches auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt. Unter das Selbstbestimmungsrecht in zeitlicher Hinsicht fällt auch die Freiheit der Presse zu entscheiden, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll. Allerdings genügt es in diesem Zusammenhang, wenn Eilrechtschutz nur gewährt wird wo ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen (vgl. BVerfG‚ B.v. 8.9.2014 – 1 BvR 23/14 – juris Rn. 29 f.).
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Nach diesen Maßgaben sieht das Gericht ein gesteigertes öffentliches Interesse und einen starken Gegenwartsbezug in dem Maße, dass dem Antragsteller ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann, als gegeben an. So ergibt sich die Aktualität der Thematik daraus, dass nach Angaben des Antragstellers der Einzug der ersten Flüchtlinge unmittelbar bevorstand. Die Gründung einer Bürgerinitiative sowie eines Vereins, die das Ziel verfolgen sich bezüglich der Flüchtlingsunterbringung politisches Gehör zu verschaffen, zeigen das gesteigerte öffentliche Interesse und den Diskurs der in der lokalen Öffentlichkeit geführt wird. Bereits in der Vergangenheit hat die Tageszeitung des Antragstellers mehrfach, z.B. mit Artikeln vom 6. Februar 2025 oder 12. Juli 2025, über das Thema berichtet und damit zum Ausdruck gebracht, dass aus ihrer Perspektive dem Thema größere Bedeutung beigemessen wird. Bei der Auskunft über die Miethöhe handelt es sich darüber hinaus um Zahlungen, die aus einem Dauerschuldverhältnis resultieren. Die Miete wird vom Antragsgegner auch in der Gegenwart und in der Zukunft weiter entrichtet, das Informationsbedürfnis und Auskunftsverlangen der Presse ist damit weiterhin aktuell und von starkem Gegenwartsbezug.
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3. Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung steht im vorliegenden Einzelfall nicht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.
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Das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache steht einer Anordnung nach § 123 VwGO dann nicht entgegen, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist, mithin dem Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9.12 – juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 8.9.2014 – 1 BvR 23/14 – juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 19.8.2020 – 7 CE 20.1822 – juris Rn. 12).
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Hier besteht ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (s.o.). Auch drohen dem Antragsteller schwere und irreparable Nachteile, wenn die Hauptsache nicht vorweggenommen würde. Ohne die Vorwegnahme der Hauptsache wäre die aus Sicht des Antragstellers notwendige aktuelle Berichterstattung über einen auch in der Gegenwart noch fortdauernden Zustand, die Zahlung von Miete in bestimmter Höhe, nicht möglich. Dem Antragsteller muss es ermöglicht werden, möglichst zeitnah über potentielle Missstände zu berichten. Die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Aufgabe der Presse, die Bevölkerung aktuell zu informieren, um eine öffentliche Meinungsbildung zu ermöglichen, wäre anderenfalls irreparabel beeinträchtigt.
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In einer derartigen Situation ist es daher zulässig und mit Blick auf die Gewährleistung effektiven Rechtschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten, die Hauptsache vorwegzunehmen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 2025. Da mit der Entscheidung eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist, wird der Streitwert auf die Höhe des für das Hauptsachverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben.