Titel:
Rechtsmißbrauch, Rechtsverfolgung, Franchisenehmer, Unterlassungsanspruch, Wettbewerbsverstoß, Dienstleistungen, Haarentfernung, Sofortige Beschwerde, Einstweiliges Verfügungsverfahren, Verfügungsgrund, Mitbewerbereigenschaft, Verbraucherinteressen, Einstweilige Verfügung, Wettbewerbsverhältnis, Strafbewehrte Unterlassungserklärung, Schluss der mündlichen Verhandlung, Verfügungsantrag, Überwiegende Wahrscheinlichkeit, Unlauterkeit, Nichtabhilfeentscheidung
Normenketten:
ZPO § 917, § 935, § 940
UWG § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 u. 3, § 8c Abs. 1, § 12 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine räumliche Distanz von gut 70 km und der damit verbundene Fahrtaufwand von etwa 1 Stunde stehen der Annahme einer Mitbewerbereigenschaft zwischen Anbietern von Haarentfernungen, von denen einer sich als "Fachzentrum für medizinische Haarentfernung" bezeichnet, nicht entgegen, weil ein Verbraucher, der eine Haarentfernung wünscht und dabei auf einen „medizinischen“ Charakte Wert legt, trotz dieser Distanz nicht davon Abstand nehmen würde, diesen Anbiete aufzusuchen.
2. Die Bezeichnung „Fachzentrum für medizinische Haarentfernung“ ist dann, wenn das eingesetzte Personal nicht über qualifizierte medizinische Kenntnisse oder Fähigkeiten verfügt, irreführend i.S.v. § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 u. 3 UWG.
Schlagworte:
Irreführung, Wettbewerbsverhältnis, Franchisegeber, Verbraucherschutz, Gesundheitswerbung, Unterlassungsanspruch, Fachzentrum
Vorinstanz:
LG Amberg, Beschluss vom 25.03.2025 – 41 HK O 58/25
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 24151
Tenor
I. Auf das Rechtsmittel der Verfügungsklägerin wird der Beschluss des Landgerichts Amberg vom 25. März .2025, Az. 41 HK O 58/25, abgeändert, und die Verfügungsbeklagte,
unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer […] für jeden Fall der Zuwiderhandlung,
im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „Fachzentrum für medizinische Haarentfernung“ zu verwenden.
II. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 20.000,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten darum, ob die Verfügungsbeklagte für ihren Betrieb die Bezeichnung „Fachzentrum für medizinische Haarentfernung“ verwenden darf.
2
Die Verfügungsklägerin betreibt bundesweit im Franchisesystem „H.[…]“ sog. Institute zur dauerhaften Haarentfernung. Die Verfügungsbeklagte betrieb unter ihrer damaligen Firma bis zum 31. Dezember 2024 als Franchisenehmerin der Verfügungsklägerin in Amberg ein entsprechendes Unternehmen. Seit 1. Januar 2025 übt sie, nachdem sie den Franchisevertrag am 17. Dezember 2024 außerordentlich gekündigt hat, diese Tätigkeit als Teil einer anderen, mit der Verfügungsklägerin in Wettbewerb stehenden Kette „s[…]“ aus. Sie verwendete dabei zumindest in der Vergangenheit u.a. an der Eingangstür die Bezeichnung „Fachzentrum für medizinische Haarentfernung“. Die Verfügungsklägerin mahnte die Verfügungsbeklagte deshalb unter dem 16. Januar 2025 ab; die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung gab die Verfügungsbeklagte nicht ab. In der Vergangenheit hatten auch Franchisenehmerinnen der Verfügungsklägerin mit der Bezeichnung „medizinische Haarentfernung“ geworben; inwieweit die Verfügungsklägerin hiervon wusste und hieran mitwirkte, ist zwischen den Parteien im Einzelnen streitig. Die von der Verfügungsbeklagten verwendeten Lasergeräte sind „Medizinprodukte ohne medizinische Zweckbestimmung“ i.S.d. Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Anhang XVI Nr. 5 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte; das eingesetzte Personal besitzt keine medizinische Ausbildung, ist aber für den Einsatz der verwendeten Geräte zertifiziert. Der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten ist auch Geschäftsführer einer Gesellschaft, die in B. in gleicher Weise zunächst als Franchisenehmerin der Verfügungsklägerin und sodann für die „s[…]“ ein entsprechendes Unternehmen betreibt. Die dort angebrachte inhaltsgleiche Bezeichnung ist Gegenstand einer gesonderten Abmahnung und eines Verfügungsverfahrens vor dem LG Bayreuth und dem OLG Bamberg gegenüber jener Gesellschaft.
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Das Landgericht hat im angegriffenen Beschluss vom 25. März 2025 den Verfügungsantrag vom 24. Januar 2025 zurückgewiesen. Das Verhalten der Verfügungsklägerin stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar, weil Institute der Verfügungsklägerin, die für den Durchschnittsverbraucher nicht als selbstständige Rechtspersönlichkeiten erkennbar seien, ebenfalls mit „medizinische Haarentfernung“ geworben hätten. Die Verfügungsklägerin könne das Vorbringen der Verfügungsbeklagten nicht mit Nichtwissen bestreiten und dürfe die Antragsgegnerin auch nicht darauf verweisen, die einzelnen Institute der Verfügungsklägerin abzumahnen.
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Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin vom 27. März 2025. Der Senat hat die ohne Nichtabhilfeentscheidung vorgelegte Beschwerde zunächst an das Landgericht zurückgegeben und dabei rechtliche Hinweise erteilt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 9. Juni 2025 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. An einer Irreführung fehle es, da „medizinisch“ lediglich bedeute, dass angewandte Verfahren wissenschaftlich geprüft, auf ihre Wirksamkeit getestet und Qualität insoweit gesichert seien, dass Nebenwirkungen und Risiken bekannt sind und hinter der Wirksamkeit zurücktreten. Der angesprochene Verkehr erwarte daher lediglich eine dauerhafte Haarentfernung mit nichtmechanischen Mitteln, geringem Risiko und geringerer Schmerzhaftigkeit als bei mechanischen Methoden. Zudem seien die Parteien keine Mitbewerber, da dies voraussetzen würde, dass die Verfügungsklägerin eine Filiale in hinreichender Entfernung von Amberg besitzt, und davon auszugehen sei, dass eine Niederlassung ausschließlich Kunden in ihrem regionalen Einzugsbereich versorgt. Überdies sei Rechtsmissbräuchlichkeit gegeben, da die Verfügungsklägerin jedenfalls an ihrem früheren Standort in Bayreuth zu einer Türbeschriftung mit „medizinischer Haarentfernung“ geraten und geholfen habe. Dem Bestandteil „Fachzentrum“ komme keine entscheidende Bedeutung zu, weil keine Anhaltspunkte für fehlende Kompetenz der Verfügungsbeklagten vorlägen.
5
Die Parteien haben gegenüber dem Senat ihr Vorbringen vertieft und ergänzt. Die Verfügungsbeklagte verweist insbesondere auf das ihr günstige Verfügungsurteil des Landgerichts Bayreuth und einen Hinweisbeschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO des Oberlandesgerichts Bamberg.
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Die Verfügungsklägerin und Berufungsführer beantragt zuletzt,
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer […] für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „Fachzentrum für medizinische Haarentfernung“ zu verwenden.
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Die Verfügungsbeklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen.
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Der Senat hat beschlossen, über das Rechtsmittel aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden, und eine solche durchgeführt. Im Übrigen wird zur Darstellung des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
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Das zulässige Rechtsmittel der Verfügungsklägerin hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Das Rechtsmittel der Verfügungsklägerin wahrt die Voraussetzungen einer sofortigen Beschwerde, wie sie gegen einen Beschluss statthaft ist, in dem ein Verfügungsantrag zurückgewiesen wurde. Infolge der angeordneten mündlichen Verhandlung und des damit verbundenen Übergangs in das Urteilsverfahren entscheidet der Senat darüber durch Berufungsurteil.
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2. Dem Erfolg des Verfügungsantrags steht nicht das Fehlen des notwendigen Verfügungsgrundes (§ 935, § 940 i.V.m. § 917 ZPO) infolge Selbstwiderlegung der Dringlichkeit entgegen.
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a) Der nach § 936 i.V.m. § 917 ZPO erforderliche Verfügungsgrund liegt vor, wenn die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch Veränderung des status quo die Rechtsverwirklichung des Antragstellers mittels eines im Hauptsacheprozess erlangten Urteils einschließlich dessen Vollstreckung vereitelt oder erschwert wird (siehe nur MüKoZPO/ Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 935 Rn. 15). Voraussetzung ist demnach, dass der Antragsteller aufgrund tatsächlicher Umstände auf eine gerichtliche Eilmaßnahme angewiesen ist. Diese Umstände hat er grundsätzlich darzutun und glaubhaft zu machen (§ 936 i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), wovon ihn im Bereich des Wettbewerbsrechts § 12 Abs. 1 UWG hiervon befreit, indem die Dringlichkeit vermutet wird.
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Da diese Vermutung nichts am Erfordernis der Dringlichkeit und damit des Verfügungsgrunds als solchem ändert, fehlt der Verfügungsgrund, wenn sich aus dem vom Gericht zu berücksichtigen Sachverhalt ergibt, dass die Dringlichkeit nicht gegeben ist. Das Fehlen eines Verfügungsgrunds ist dann, d.h. auch im Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 UWG, ggf. auch ohne Rüge des Gegners von Amts wegen zu berücksichtigen (MüKoUWG/ Schlingloff, 3. Aufl. 2022, UWG § 12 Rn. 76).
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Relevant ist hier insbesondere die sog. Selbstwiderlegung durch den Antragsteller, die gegeben ist, wenn er durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass ihm die Sache nicht so eilig ist (MüKoUWG/Schlingloff, 3. Aufl. 2022, UWG § 12 Rn. 76; MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 935 Rn. 18; Musielak/Voit/Huber, 20. Aufl. 2023, ZPO § 940 Rn. 4; G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 935 ZPO Rn. 12). Die Vermutung der Dringlichkeit ist dabei widerlegt, wenn der Antragsteller trotz Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes und der ihm drohenden Nachteile mit der Rechtsverfolgung zu lange wartet, insbesondere den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht stellt, oder das Verfahren nicht zügig, sondern schleppend betreibt (MüKoUWG/Schlingloff, 3. Aufl. 2022, UWG § 12 Rn. 76). Der Senat sieht (ebenso wie zahlreiche andere Oberlandesgerichte, vgl. MüKoUWG/Schlingloff, 3. Aufl. 2022, UWG § 12 Rn. 85; G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 935 ZPO Rn. 12; OLG München, Beschluss vom 13. August 2007 – 29 W 2073/07, NJOZ 2008, 4115 (4116)) die Zeitspanne, die zwischen Kenntniserlangung durch den Antragsteller und dem Verfügungsantrag liegen darf, in Wettbewerbssachen regelmäßig bei der Dauer von mehr als einem Monat als überschritten an. Diese Frist beginnt allerdings nach allgemeiner Auffassung erst zu laufen, wenn der Antragsteller zuverlässige Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß und der Person des Verletzers erlangt hat (MüKoUWG/Schlingloff, 3. Aufl. 2022, UWG § 12 Rn. 77, 78; OLG München, Beschluss vom 13. August 2007 – 29 W 2073/07, NJOZ 2008, 4115 (4116)).
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b) Die sich hieraus ergebenden Voraussetzungen an eine Selbstwiderlegung sind vorliegend nicht anzunehmen:
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aa) Die Verfügungsbeklagte hat zwar durch eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers glaubhaft gemacht, dass die Institute in B. und A. bereits zu der Zeit, zu der sie noch Teil des Franchisesystems der Verfügungsklägerin waren, mit der Bezeichnung „Medizinische Haarentfernung“ beworben wurden. Der Senat kann auch zugunsten der Verfügungsbeklagten unterstellen, dass die Verfügungsklägerin hiervon wusste.
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Die Verfügungsklägerin hat aber bestritten und durch eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers glaubhaft gemacht, keine Kenntnis davon besessen zu haben, ob ihre Franchisenehmerinnen medizinisches Personal beschäftigt haben oder nicht. Dies wäre aber Voraussetzung für eine Irreführung, weil davon abhängt, ob die erweckten Vorstellungen und tatsächliche Lage divergieren. Ungeachtet der (nach § 138 ZPO zu beurteilenden) Frage, ob sich eine Franchisegeberin im gerichtlichen Verfahren zu Behauptungen, die die geschäftlichen Verhältnisse ihrer Franchisenehmerinnen betreffen, mit Nichtwissen erklären darf, kommt eine Zurechnung oder Unterstellung von Wissen im Zusammenhang mit der Rechtzeitigkeit der Rechtsverfolgung und der damit relevanten Kenntnis von einem Wettbewerbsverstoß nicht in Betracht. Demjenigen, der weder Kenntnis von Umständen hat noch Anhaltspunkte für solche (sodass sich auch keine Nachforschungsobliegenheit ergibt), kann nicht vorgehalten werden, er warte mit einer möglichen Rechtsverfolgung zu und zeige daher, dass die Unterbindung des Verstoßes nicht so wichtig und dringlich ist. Die für eine Selbstwiderlegung erforderliche Kenntnis der Verfügungsklägerin vor Mitte Dezember 2024 kann daher nicht angenommen werden.
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bb) Überdies ist der Senat der Auffassung, dass die Monatsfrist erst dann zu laufen beginnen kann, wenn sich die Parteien als echte Mitbewerber gegenüberstehen. Solange der unlauter Handelnde als Franchisenehmer oder aufgrund einer ähnlichen vertraglichen Beziehung zu dem anderen am Markt tätig ist, besteht für jenen zum einen kein Bedürfnis nach einer Rechtsverfolgung und dürfte diese zum anderen aufgrund der vertragsimmanenten Treuepflicht jedenfalls risikobehaftet sein. Dies ändert sich erst, wenn der Verletzer seine Tätigkeit außerhalb des Systems des anderen aufnimmt. Wiederum gilt, dass demjenigen, dem eine Rechtsverfolgung wegen fraglicher Erfolgsaussichten nicht zumutbar ist, nicht vorgehalten werden kann, er warte mit dieser grundlos zu. Dieses einschränkende Verständnis ist aber nicht zuletzt deshalb geboten, weil die Grundsätze zur Selbstwiderlegung eine Einschränkung der gesetzlichen Dringlichkeitsvermutung darstellen.
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3. Die Rechtsverfolgung der Verfügungsklägerin ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich (§ 8c Abs. 1 UWG) zu qualifizieren.
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a) Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 7. April 2025 ausgeführt hat, kann sich die Verfügungsbeklagte vorliegend nicht auf den sog. „unclean hands-Einwand“ berufen und geltend machen, die Verfügungsklägerin verhalte sich in gleicher Weise unlauter.
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aa) Ein Unternehmer, gegen den lauterkeitsrechtliche Ansprüche auf Unterlassung erhoben werden, kann sich nur unter engen Voraussetzungen damit verteidigen, der Anspruchsteller verhalte sich in gleicher oder vergleichbarer Weise wettbewerbswidrig. Der Einwand scheidet generell aus, wenn durch den Verstoß zugleich die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit berührt werden, also insbesondere in Fällen der Irreführung von Verbrauchern gem. § 5 UWG (BGH, Urteil vom 1. Februar 1967 – Ib ZR 3/65, GRUR 1967, 430 (432) – Grabsteinaufträge; BGH, Urteil vom 26. November 1976 – I ZR 86/75, GRUR 1977, 494 (497) – Dermatex; BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – I ZR 101/02, GRUR 2005, 519 (520) – Vitamin-Zell-Komplex; OLG Düsseldorf, Urteil vom 4. Dezember 2014 – I-2 U 30/14, GRUR-RR 2015, 217 Rn. 36; OLG Oldenburg, Urteil vom18. September 2008 – 1 W 66/08, GRUR-RR 2009, 67 (69) – Mehrwochenschein vor Urlaub; vgl. ferner Köhler/Feddersen/Köhler, 43. Aufl. 2025, UWG § 11 Rn. 2.38 f. m.w.N.; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, 5. Aufl. 2021, UWG vor § 8 Rn. 208; MüKoUWG/Fritzsche, 3. Aufl. 2022, UWG § 11 Rn. 279 ff., die jeweils weitergehend für einen völligen Ausschluss plädieren). Dient der verwirklichte Unlauterkeitstatbestand nicht allein dem Schutz des klagenden Mitbewerbers, sondern zugleich dem Schutz von Interessen Dritter oder Belangen der Allgemeinheit, soll dieser nicht deshalb verloren gehen, weil der Klagende seinerseits diesen Interessen und Belangen zuwiderhandelt. Es widerspricht dem Anliegen des Lauterkeitsrechts, ein unlauteres wettbewerbliches Verhalten nur deshalb bestehen zu lassen, weil mehrere Wettbewerber sich dieser Handlungsweise in gleicher Weise bedienen (BGH, Urteil vom 1. Februar 1967 – Ib ZR 3/65, GRUR 1967, 430 (432) – Grabsteinaufträge).
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Hinzu kommt, dass es grundsätzlich zweckwidrig wäre, Verfahren über Ansprüche wegen unlauterer Wettbewerbshandlungen mit der Prüfung zu belasten, ob der Anspruchsteller seinerseits gesetzeswidrig oder wettbewerbswidrig agiert (BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – I ZR 101/02, GRUR 2005, 519 (520) – Vitamin-Zell-Komplex).
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bb) Im vorliegenden Fall steht eine Unlauterkeit in Gestalt einer Irreführung von Verbrauchern über Eigenschaften der zu erbringenden Dienstleistung, insbesondere die Qualität der Behandlung und die Qualifikation des dabei eingesetzten Personals, inmitten. Von entsprechenden Fehlvorstellungen betroffen sind damit Kundinnen und Kunden, also Verbraucher, die vor der Entscheidung stehen, ob und bei welchem Unternehmen sie eine Haarentfernung an ihrem Körper vornehmen lassen. Sie müssen davor geschützt werden, sich infolge einer irrigen Vorstellung zum „medizinischen“ Charakter in einem „Fachzentrum“ für die Wahl der Verfügungsbeklagten zu entscheiden. Betroffen sind damit Verbraucherinteressen, die vorliegend wegen des Gesundheitsbezugs noch zusätzliches Gewicht besitzen.
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cc) Soweit die Verfügungsbeklagte in Anschluss an die erstinstanzlichen Entscheidungen der Landgerichte Amberg und Bayreuth auf die Entscheidung „Bünder Glas“ (BGH, Urteil vom 5. Juni 1956, I ZR 4/55, GRUR 1957, 23) verweist, nach der der Mitbewerber Unterlassung nicht begehren kann, wenn er sich bei wechselseitiger Abhängigkeit der beiderseitigen unlauteren Wettbewerbsmaßnahmen mit seinem eigenen Handeln in Widerspruch setzen würde, ist diese Rechtsprechung insoweit als überholt anzusehen, als für eine Zulassung des uncelan hands-Einwands die genannte weitere Voraussetzung zu verlangen ist (statt vieler Köhler/Feddersen/Köhler, 43. Aufl. 2025, UWG § 11 Rn. 2.39)
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b) Auch, soweit die Verfügungsbeklagte einen rechtsmissbräuchlichen Charakter aus anderen bzw. zusätzlichen Umständen herleiten will, dringt sie damit nicht durch.
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aa) Allein die erkennbar gegebene Motivation der Verfügungsklägerin, die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche als Mitbewerberin deshalb durchzusetzen, weil die Verfügungsbeklagte die Einrichtung in A. (ebenso wie in Bayreuth) nun für ein konkurrierendes System betreibt, macht ihre Rechtsverfolgung nicht unlauter. Vielmehr legt der Gesetzgeber, der in § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG eine entsprechende Klagebefugnis verankert hat, die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen aller Art bewusst in die Hände anderer Wettbewerber und will dabei auch deren natürliches Streben nach eigenen Vorteilen, die sich bei Einhaltung der rechtlichen Vorgaben durch alle Wettbewerber mittelbar ergeben, nutzen.
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Eine weitergehende Belästigungsabsicht der Verfügungsklägerin ist nicht festzustellen. Der Umstand, dass getrennte Verfahren wegen der Standorte in A. und B. geführt werden und gesonderte Abmahnungen erfolgt waren, beruht schlicht darauf, dass jeweils unterschiedliche Kapitalgesellschaften tätig sind. Eine darüber hinausgehende Absicht, den Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten durch entsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahmen unter Druck zu setzen, ist auch nicht durch andere Umstände belegt. Der Senat hat insoweit bereits in seinem Beschluss vom 7. April 2025 darauf hingewiesen, dass nicht substantiiert dargetan ist, dass sowohl die Verfügungsklägerin als auch deren Franchisenehmerinnen eine Vielzahl von Abmahnungen unternommen hätten; weiterer Sachvortrag hierzu ist nicht erfolgt.
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Erst recht ist nicht zu erkennen, dass die Verfügungsklägerin durch ihre Rechtsverfolgung beabsichtige, die Verfügungsbeklagte und die weiteren Unternehmen, die deren Geschäftsführer leitet, klein zu halten. Wie in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt wurde, hat die Verfügungsbeklagte bereits auf die angegriffene Bezeichnung verzichtet und legt keinen entscheidenden Wert auf diese. Dann hängt aber der Erfolg dieser Unternehmen offenbar nicht von der Betitelung ab.
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Ebenso wenig führt der Umstand, dass die Verfügungsklägerin Ende 2024 Mitarbeiter und Dienstleister anwies, sämtliche Begriffe „medizinisch“ vom Internetauftritt zu entfernen, um später diejenigen abmahnen zu können, die ihre Vertragsbeziehung mit ihr kündigen, zu einer Rechtsmissbräuchlichkeit. Es ist tendenziell im Interesse der Lauterkeit und der davon geschützten Verbraucherinteressen, dass Unternehmer, die auf wettbewerbswidrige Zustände in ihrem Bereich aufmerksam werden, diese abstellen, und zwar auch dann, wenn sie sich zugleich vorbehalten, gegen ein entsprechendes Verhalten anderer rechtliche Schritte zu ergreifen. Der Senat kann der eidesstattlichen Versicherung des Herrn M. auch nicht entnehmen, dass die Verfügungsklägerin die Unternehmen, die sich von ihr abwenden wollten, von dieser Maßnahme bewusst ausgenommen habe, um sie gewissermaßen „in die Falle tappen zu lassen“. Vielmehr ist dort davon die Rede, dass im Online-Auftritt der Verfügungsklägerin sowie aller bestehenden Lizenznehmer und Standorte der Begriff entfernt werden sollte. Da die Verfügungsbeklagte ihre Kündigung erst am 17. Dezember 2024 ausgesprochen hat, gehört sie damit zum Kreis der Lizenznehmer, für die die entsprechende Anweisung getroffen wurde.
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4. Die Voraussetzungen eines lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 3, § 5 Abs. 1 UWG liegen mit der im Verfügungsverfahren erforderlichen Gewissheit vor.
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a) Die Parteien sind Mitbewerber i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG. Zwischen ihnen besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, und zwar auch in räumlicher Hinsicht.
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aa) Die Mitbewerbereigenschaft wird nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass die Verfügungsklägerin nicht selbst Betriebe zur Haarentfernung betreibt, sondern nur im Wege eines Franchisesystems Lizenzen an Dritte vergibt. Der Umstand, dass die Personen auf unterschiedlichen Handelsstufen oder in einer anderen Branche i.w.S. tätig sind, schließt einen Substitutionswettbewerb (ebenso wie einen Behinderungswettbewerb) nicht aus. Voraussetzung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses in einem solchen Fall ist im Regelfall nur, dass die Personen versuchen, gleichartige Waren oder Dienstleistungen (letztlich) innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen (siehe nur BGH, Urteil vom 10. April 2014 – I ZR 43/13, GRUR 2914, 1114 Rn. 26 ff. – nickelfrei; BGH, Urteil vom 21. November 2024 – I ZR 107/23, GRUR 2024, 1897 Rn. 26 – DFL-Supercup BGH, Urteil vom 27. März 2025 – I ZR 64/24, GRUR 2025, 589 Rn. 24 – Fluggastrechteportal). Dies ist hier gegeben, da sowohl die Verfügungsklägerin mit ihren Franchisenehmerrinnen als auch die Verfügungsbeklagte Dienstleistungen derselben Art Endverbrauchern anbieten und sich die Entscheidung eines Kunden, die Haarentfernung bei einer Franchisenehmerin der Verfügungsklägerin oder bei der Verfügungsbeklagten durchführen zu lassen, unmittelbar wirtschaftlich nachteilig für die andere auswirkt.
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bb) Der Senat berücksichtigt den von der Verfügungsbeklagten durch Zitat der Entscheidung des Landgerichts Bayreuth in das Verfahren eingeführten Umstand, dass eine Haarentfernungsbehandlung mindestens acht Besuche in längeren Zeitabständen erfordert.
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In tatsächlicher Hinsicht hat der Senat ferner zugrundezulegen, dass die Verfügungsklägerin seit 2. Juli 2025 einen von einer Franchisenehmerin betriebenen Standort in Nürnberg unterhält und die Entfernung zwischen Amberg und Nürnberg 72,2 km beträgt. Darauf, dass zum Zeitpunkt der Abmahnung Filialen im Umkreis von Amberg nicht betrieben wurden und auch der auf Nürnberg bezogene Vertrag erst im Februar 2025 unterschrieben wurde, kommt es dabei im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Maßgeblich für die materiellrechtliche Beurteilung des Unterlassungsanspruchs ist die Sachlage im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, vorliegend also am 5. August 2025. Ob die Mitbewerbereigenschaft bereits im Zeitpunkt der Abmahnung gegeben war, wäre lediglich dafür relevant, ob diese „berechtigt“ war und deshalb Kostenersatz geschuldet ist (vgl. § 13 Abs. 3 UWG); dieser Anspruch ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
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cc) Die Entfernung von gut 70 km und der damit verbundene Fahrtaufwand von etwa 1 Stunde ist nach Einschätzung des Senats nicht so groß, dass derjenige, der eine Haarentfernung wünscht und dabei auf einen „medizinischen“ Charakter Wert legt, davon Abstand nehmen würde, auch wenn eine Haarentfernung ohne diese Eigenschaft in näherem Umkreis möglich wäre. Es ist – wobei der Senat auf seine Erwägungen zur Frage der Irreführung verweist – nach gegenwärtiger Einschätzung zu erwarten, dass entsprechende Personen der besseren Qualität wegen einen Mehraufwand an Zeit und Kosten dieses Umfangs auf sich nehmen, auch wenn dieser mehrfach erforderlich wird.
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Zudem ist in den Blick zu nehmen, dass für Personen, die geographisch zwischen Nürnberg und Amberg wohnen, die denkbare Entfernungsdifferenz geringer ausfällt. Dafür, dass für Personen im nördlichen/östlichen Bereich des Nürnberger Landes oder des südlichen Landkreises Amberg Alternativen zur Verfügung stünden, ist nichts erkennbar, sodass diese ohnehin nur vor der Wahl zwischen beiden stehen. In einem solchen Fall entscheidet sich der Kunde regelmäßig – ein vergleichbares Preisniveau unterstellt – für den Anbieter einer Dienstleistung mit Körperbezug, der die höhere Qualität verspricht.
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Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Sachlage ganz erheblich von der, die Gegenstand der von der Verfügungsbeklagten genannten Entscheidung des OLG Rostock (OLG Rostock, Beschluss vom 12. März 2021 – 2 U 15/20, GRUR-RS 2021, 7122) war. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass die Bereitschaft, längere Wege auf sich zu nehmen, bei reinen Freizeitaktivitäten wie dem Besuch einer Glücksspielhalle wesentlich geringer ist.
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dd) Auf die Frage, ob in Konstellationen der vorliegenden Art – Klage eines Franchisegebers mit bundesweiter Ausrichtung – eine Mitbewerbereigenschaft schon deshalb bundesweit gegeben ist, weil dieser bestrebt ist, flächendeckend Franchisenehmer zu finden, kommt es damit nicht mehr entscheidend an. Der Senat neigt aber dazu, sie zu bejahen, weil es naturgemäß schwerer fällt, Franchisenehmer für einen neuen Standort zu gewinnen, wenn dort bereits andere Personen auf dem Gebiet tätig sind und dazu lauterkeitswidrige Praktiken nutzen.
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b) Der Senat kommt auch bei nochmaliger Würdigung der Argumente der Parteien zum Ergebnis, dass die Bezeichnung „Fachzentrum für medizinische Haarentfernung“ dann, wenn das eingesetzte Personal nicht über qualifizierte medizinische Kenntnisse oder Fähigkeiten verfügt, irreführend i.S.v. § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 u. 3 UWG ist.
40
aa) Die Verfügungsbeklagte wendet sich mit der Bezeichnung an potentielle Kundinnen und Kunden, also Verbraucher. Abzustellen ist damit darauf, wie Verbraucher diesen Begriff verstehen oder verstehen können.
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Der Senat, dessen Mitglieder Verbraucher sind und regelmäßig von Werbung für Waren oder Dienstleistungen aller Art angesprochen werden, erkennt eine Mehrzahl von Möglichkeiten, wie die Bezeichnung „medizinische Haarentfernung“, allein und in Kombination mit dem Begriff „Fachzentrum“, von Verbrauchern verstanden werden kann (vgl. die Überlegungen zum Bestandteil „med“ bei einer Zahnbürste in BGH, Urteil vom 7. März 1969 – I ZR 41/67, GRUR 1969, 546 (547) – „med“).
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(1) Denkbar ist dabei durchaus die von den Landgerichten Amberg und Bayreuth referierte Bedeutung, die zur Haarentfernung angewandten Verfahren seien wissenschaftlich geprüft, auf ihre Wirksamkeit getestet und die Qualität insoweit gesichert, dass nur vertretbare Nebenwirkungen und Risiken bestehen. Bei diesem Verständnis würde es an einer unwahren Angabe i.S.v. § 5 Abs. 1 Var. 1 UWG fehlen, weil die eingesetzten Laser als Medizinprodukte diesen Anforderungen entsprechen. Hierfür spricht nicht zuletzt auch, dass die eingesetzten Geräte auch für dermatologische Behandlungen bei entsprechender medizinischer Indikation geeignet sind.
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(2) Ebenso naheliegend ist aber ein Verständnis, dass die als „Medizinische Haarentfernung“ beworbene Behandlung einen gewissen medizinischen Charakter besitzt, weil das Personal vor Beginn der Behandlung und während dieser medizinische individuelle körperliche Umstände der Kunden/Patienten berücksichtigt. Der Verkehr erwartet danach eine irgendwie geartete Untersuchung und Beratung durch die eingesetzten Mitarbeiter dahingehend, ob unter Berücksichtigung individueller Umstände wie Hauttyp, Allgemeinzustand usw. eine Haarentfernung überhaupt vorgenommen sollte und – wenn ja – mit welchen der in Betracht kommenden Methoden. Weitergehend wird der Eindruck aufkommen, pathologische Zustände, die im Zusammenhang mit der Behaarung stehen, würden erkannt. Eine solche Deutung liegt nicht zuletzt deshalb nahe, weil nicht lediglich von einer „Haarentfernung mit medizinischen Geräten“ die Rede ist. Das Adjektiv „medizinisch“ bezieht sich erkennbar auf „Haarentfernung“ und damit den Vorgang insgesamt, nicht nur einzelne Aspekte wie die eingesetzten Instrumente.
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Verstärkt wird dieser Eindruck – ohne dass es hierauf entscheidend ankäme – durch den Umstand, dass auf dem Türschild unter der Bezeichnung als Fachzentrum für medizinische Haarentfernung angegeben ist „SWT – Laser – Nadelepilation“. Offenbar kommen somit mehrere Verfahrensweisen infrage, sodass der potentielle Kunde eine qualifizierte Auswahl und vorangehende Beratung für erforderlich hält.
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(3) Des Weiteren kommt ein Verständnis in Betracht, dass sich die Behandlung aufgrund der eingesetzten Methoden und/oder Personen von einer solchen unterscheidet, die gewöhnlich bei rein kosmetischer Zielrichtung angewandt würde. Auch dies ist aber nicht der Fall. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass, wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vorgebracht haben, es durchaus medizinische Indikationen für eine Haarentfernung gibt und bei einer solchen die gebotene Behandlung auch von der Verfügungsbeklagten durchgeführt wird. Maßgeblich ist, dass der angesprochene Verbraucher aufgrund der Bezeichnung die Erwartung hegen kann, die Methoden seien andere (und bessere), wie sie von anderen Anbietern von Haarentfernung zu kosmetischen Zwecken angewandt werden.
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(4) Dafür, dass der angesprochene Verbraucher ein solches Verständnis hat, wie es unter (2) und (3) dargestellt wurde, spricht insbesondere auch, dass für den durchaus ähnlichen Bereich der Fußpflege nach § 1 S. 2 PodG eine Erlaubnis, Berechtigung oder staatliche Anerkennung erforderlich ist, wenn die Bezeichnung „Medizinische Fußpflegerin“ bzw. „Medizinischer Fußpfleger“ geführt wird. Diese setzen jeweils eine entsprechende Ausbildung voraus. Diese muss u.a. die Befähigung vermitteln, nicht nur allgemeine, sondern auch „spezielle fußpflegerische Maßnahmen selbständig auszuführen“ und dabei „pathologische Veränderungen oder Symptome von Erkrankungen am Fuß, die eine ärztliche Abklärung erfordern, zu erkennen“. Sowohl Fußpflege als auch Haarentfernung bewegen sich, je nach konkreter Situation, im Grenz-/Überschneidungsbereich zwischen kosmetischen und medizinischen Anwendungen, weswegen die Vorstellung, auch für den Bereich der Haarentfernung gebe es, wenn diese „medizinisch“ ist, eine entsprechende Ausbildung und Prüfung, keineswegs fern liegt. Insoweit es unerheblich, dass dies objektiv nicht der Fall ist.
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(5) Die Deutung, dass „medizinisch“ nicht nur die medizinische Unbedenklichkeit der eingesetzten Geräte ausdrückt, sondern die besondere Art, Qualität und Qualifikation, liegt bei der vorliegend angegriffenen Bezeichnung zudem deshalb nahe, weil das Adjektiv „medizinisch“ in einem Zuge mit dem Begriff „Fachzentrum“ genutzt wird. Wenn es lediglich um die Benutzung medizinischer Geräte geht, bedarf es nicht der Einrichtung eines Fachzentrums.
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Bei Begriffen wie „Zentrum“ oder „Zentrale“ setzt das Publikum regelmäßig eine gewisse Größe und Bedeutung des Anbieters voraus; bei entsprechender Wortverbindung kann der Bestandteil „Zentrum“ auch nur auf eine besondere fachliche Qualifikation des Anbieters hinweisen (vgl. MüKoUWG/Busche, 3. Aufl. 2020, UWG § 5 Rn. 631). Letzteres wird bei „Fachzentrums“ der Fall sein; impliziert wird somit eine besondere Fachkunde dort tätiger Personen, was im Zusammenschau mit „medizinischer Haarentfernung“ nur bedeuten kann, dass die Personen gesteigerte medizinische Fachkenntnisse besitzen, die über die hinausgehen, die bei Personen anzutreffen sind, die gewöhnlich oder ausdrücklich zu kosmetischen Zwecken Haarentfernungen vornehmen.
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(6) Unerheblich ist insoweit, dass es objektiv zur Bedienung der bei der Verfügungsbeklagten eingesetzten Lasergeräte medizinischer Kenntnisse nicht bedarf, sondern lediglich eine Zertifizierung durchlaufen werden muss. Die verwendete Bezeichnung suggeriert, dass eine medizinische Qualifikation möglich, für den Kunden sinnvoll und bei der Verfügungsbeklagten gegeben ist.
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Die Verfügungsbeklagte kann sich nicht darauf zurückziehen, dies sei nicht der Fall, weil sie dann letztlich einräumen würde, unzulässigerweise (vgl. BeckOK UWG/Rehart/Ruhl/ Isele, 28. Ed. 1.4.2025, UWG § 5 Rn. 218) mit einer Selbstverständlichkeit zu werben; wenn nämlich die Zertifizierung der Personen erforderlich ist, aber auch ausreicht, ist diese bei jeder rechtmäßigen Behandlung dieser Art gegeben, sodass auf eine bloß Selbstverständlichkeit in einer Weise hingewiesen wird, die den Anschein erweckt, es liege eine Besonderheit vor.
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(7) Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Verfügungsbeklagte mit dem Begriff „Fachzentrum“ als solchen werben darf. Dies kann vorliegend offen bleiben. Der Senat stellt auf dem Begriff nur insoweit ab, als er das beschriebene Verständnis von „medizinischer Haarentfernung“ verstärkt.
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(8) Auch aus den Überlegungen des LG Essen (Urteil vom 6. Dezember 2019, 45 O 27/19, GRUR-RE 2019, 52562) kann die Verfügungsbeklagte nichts Günstiges für sich herleiten. Gegenstand jener Entscheidung war bereits nicht das Wort „medizinisch“ als solches, sondern die Verwendung von Begriffen, die üblicherweise im medizinischen oder ärztlichen Kontext gebraucht werden. Die Irreführung wurde dort auch deshalb ausgeschlossen, weil klar erkennbar gewesen sei, dass die Anbieterin ein (gewöhnlicher) Friseurbetrieb war. Vorliegend wird aber gerade durch die Bezeichnung suggeriert, dass Unternehmen der Verfügungsbeklagten hebe sich von üblichen Betrieben, die die Haarentfernung zu kosmetischen Zwecken betreiben, ab.
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bb) Die Bezeichnung als „Fachzentrum für medizinische Haarentfernung“ ist damit entweder als „mehrdeutig“ oder als „unklar“ einzuordnen. Beides führt vorliegend zu einer Irreführung:
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(1) Der Senat kann im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren zumindest nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit annehmen, alle oder zumindest ein hinreichend großer Teil der Verbraucher verstünden die Bezeichnung in dem Sinn, wie ihn die Verfügungsbeklagte und das Erstgericht für zutreffend halten und bei dem eine Fehlvorstellung nicht gegeben wäre. Vielmehr hält es der Senat aufgrund der beschriebenen Umstände für überwiegend wahrscheinlich, dass ein so großer Teil der angesprochenen Bevölkerung diese Deutung entweder nicht zugrundelegt oder zumindest nicht zu einer Präferenz zwischen den denkbaren Deutungen kommt, dass die maßgebliche Irreführungsquote überschritten ist.
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(2) Im Falle einer Mehrdeutigkeit muss der Werbende die verschiedenen Bedeutungen gegen sich gelten lassen, unabhängig davon, ob er es auf die Mehrdeutigkeit angelegt hat oder nicht (siehe nur Köhler/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 5 Rn. 1.108 f. m.w.N.; Fezer/Büscher/Obergfell/Peifer/Obergfell, 3. Aufl. 2016, UWG § 5 Rn. 248). An einer Irreführung würde es daher nur dann fehlen, wenn jede der in Betracht kommenden Bedeutungen mit der Wirklichkeit übereinstimmt; dies ist aber, wie gezeigt, nicht der Fall (Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 191). Die für eine Irreführung in einem solchen Fall erforderliche Voraussetzung, dass ein erheblicher Teil des Verkehrs die Angabe in einem Sinn versteht, der nicht den objektiven Gegebenheiten entspricht (Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 191), ist, wie dargestellt, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
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(3) Ordnet man die Bezeichnung als unklar ein, weil der Verkehr mit ihr zwar keine klare Vorstellung verbindet, der beworbenen Dienstleistung aber gerade diejenigen Merkmale fehlen, in denen der Verkehr aufgrund der Werbung den Vorteil des Angebots erblickt, ist ebenfalls Unlauterkeit gegeben. In diesen Fällen verbindet der Verkehr, auch wenn klare Vorstellungen fehlen, immerhin gewisse Erwartungen, die objektiv nicht erfüllt werden (Köhler/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 5 Rn. 1.110; Fezer/Büscher/Obergfell/Peifer/Obergfell, 3. Aufl. 2016, UWG § 5 Rn. 247; BGH, Urteil vom 7. März 1969 – I ZR 41/67, GRUR 1969, 546 (547 f.) – „med“). Auf eine genaue Vorstellung des Verkehrs von solchen Eigenschaften und Merkmalen kommt es mithin nicht an. Erforderlich hierzu ist nur, dass bei den angesprochenen Kunden Erwartungen aufkommen, die über vage, verschobene Vorstellungen oder Gedankenassoziationen hinausgehen (Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 172). Anerkannt ist, dass eine derartige Unklarheit insbesondere im auch hier betroffenen Bereich des Gesundheitswesens aufkommen kann (BGH, Urteil vom 7. März 1969 – I ZR 41/67, GRUR 1969, 546 (548) – „med“; Köhler/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 5 Rn. 1.110).
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Letzteres ist, wie dargestellt, der Fall, weil sich die angesprochenen Verbraucher hinreichend konkrete Vorstellungen bilden, es würden Handlungen und Prüfungen vorgenommen, wie sie auch bei medizinischen Behandlungen durch einen Arzt, Heilpraktiker, Physiotherapeuten o.Ä. unternommen werden, wenn auch spezifiziert für den Bereich der Haut und Behaarung.
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cc) Zu bedenken ist hierbei jeweils, dass Verbraucher bei gesundheitsbezogenen Aussagen besonders schützenswert sind und daher strenge Anforderungen an Richtigkeit und Klarheit zu stellen sind (Köhler/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 5 Rn. 2.215; Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 310). Da Verbraucher naturgemäß auf ihre eigene Gesundheit bedacht sind, sind Aussagen, die eine gesundheitsfördernde Wirkung oder zumindest eine gesundheitliche Unbedenklichkeit suggerieren, von besonderer Bedeutung für ihre geschäftlichen Entscheidungen. Gesundheitsbezogene Werbeaussagen sind dementsprechend der Erfahrung nach besonders wirksam; eine irreführende Werbung kann erhebliche Gefahren für die Gesundheit des einzelnen Kunden, aber auch der Allgemeinheit zur Folge haben (Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 310 m.w.N.; aus der BGH-Rechtsprechung zuletzt BGH, Urteil vom 11. Februar 2021 – I ZR 126/19, GRUR 2021, 746 Rn. 32 – Dr. Z; BGH, Urteil vom 27. Juni 2024 – I ZR 98/23, GRUR 2024, 1122 Rn. 23 – klimaneutral). Im Bereich der Gesundheitswerbung gelten deshalb zu Recht besonders strenge Anforderungen für den Ausschluss einer Irreführungsgefahr (BGH, Urteil vom 11. Februar 2021 – I ZR 126/19, GRUR 2021, 746 Rn. 32 – Dr. Z)
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Dementsprechend müssen Bezeichnungen, die den Eindruck erwecken können, die Wahl eines bestimmten Unternehmers sei in gesundheitlicher Hinsicht vorteilhaft, besonders kritisch daraufhin geprüft werden, welche Missverständnisse und Fehlvorstellungen drohen und ob solche Vorteile tatsächlich gegeben sind. Für den Verbraucher spielt es insoweit nach Einschätzung des Senats eine nicht unerhebliche Rolle, ob lediglich medizinisch geprüfte Geräte von geschulten Personen eingesetzt werden, oder eine medizinische Qualifikation und Kompetenz vorhanden ist, die eine weitergehende Beratung und gesteigerte Qualität mit sich bringt.
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dd) Diese Erwägungen führen dazu, dass im vorliegenden Verfügungsverfahren von einer Irreführung auszugehen ist. Es ist hinreichend wahrscheinlich, dass zumindest ein hinreichend großer Teil der Adressaten mit der Bezeichnung eine Vorstellung verbindet, die objektiv nicht gerechtfertigt ist.
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c) Auch die weiteren Voraussetzungen eines lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs liegen vor.
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Wie mündlich ausgeführt, ist insbesondere unerheblich, ob die Verfügungsbeklagte gegenwärtig noch die angegriffene Bezeichnung benutzt. Die einmal unternommene Verletzung begründet die Vermutung einer Wiederholungsgefahr, die vorliegend weder durch besondere Umstände widerlegt ist noch durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung oder ein anderes taugliches Mittel ausgeräumt wurde. Auf ein Verschulden kommt es bei quasi diktatorischen Ansprüchen wie dem Unterlassungsanspruch nicht an.
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Ein Verfügungsanspruch ist damit ebenfalls gegeben.
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5. Der Senat stellt klar, dass das ausgesprochene Verbot nicht bedeutet, dass die Verfügungsbeklagte die genannte Bezeichnung künftig unter keinen Umständen verwenden dürfte.
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Zwar gilt in Fällen wie dem vorliegenden, in denen nicht auf eine konkrete Verletzungsform Bezug genommen wird, sondern lediglich ein abstraktes Verbot ausgesprochen wird, dass das ausgesprochene Verbot keine Handlungsvarianten erfassen darf, die erlaubt sind (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Dreyer, 5. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1389; Gloy/Loschelder/Danckwerts WettbR-HdB/Spätgens/Danckwerts, 5. Aufl. 2019, § 88 Rn. 44). Für die Art und Weise, wie die Verfügungsbeklagte gegenwärtig ihre Leistungen anbietet, gilt das Verbot aber grundsätzlich uneingeschränkt.
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Der Senat übersieht aber nicht, dass es durchaus denkbar ist, dass die Verfügungsbeklagte z.B. künftig entweder Personal beschäftigt und/oder Leistungen anbietet, die eine Charakterisierung als „medizinisch“ und als „Fachzentrum“ rechtfertigen, und so den zu erwartenden Vorstellungen der Verbraucher entspricht. Ebenso ist möglich, dass sie durch geeignete Zusätze darüber aufklärt, dass sie lediglich Medizinprodukte einsetzt und zertifiziertes, aber nicht medizinisch qualifiziertes Personal mit den Aufgaben betraut. Es ist aber nicht Aufgabe des Gerichts und des Urteilsausspruchs, dem Verletzer einen Weg aufzuzeigen, wie er aus dem Verbotsbereich herausfinden kann (Gloy/Loschelder/Danckwerts WettbR-HdB/Spätgens/Danckwerts, 5. Aufl. 2019, § 88 Rn. 47).
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Zudem gilt auch in Fällen der vorliegenden Art, dass den Gegenstand der Entscheidung die Sachlage bei Schluss der mündlichen Verhandlung bildet, und zu diesem Zeitpunkt war der Geschäftsbetrieb der Verfügungsbeklagten so eingerichtet, dass lediglich Medizinprodukte und zertifiziertes Personal vorhanden ist. Für einen solchen Fall genügt die Möglichkeit einer Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO (Gloy/Loschelder/Danckwerts WettbR-HdB/Spätgens/Danckwerts, 5. Aufl. 2019, § 88 Rn. 44).
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6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, da Verfügungsurteile bereits in der Natur nach vollstreckbar sind.
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Den Streitwert setzt der Senat, wie mit den Parteien besprochen, unter Berücksichtigung des Angriffsfaktors und des in Verfügungsverfahren üblichen Abschlags auf 20.000,00 € fest.