Inhalt

LG Traunstein, Endurteil v. 08.08.2025 – 5 O 1095/24
Titel:

Keine Nachteile durch Positivdatenübermittlung

Normenketten:
DSGVO Art. 82 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Leitsätze:
Ein Unterlassungsantrag ist unzulässig, wenn er nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt und unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, deren Auslegung dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe. (Rn. 12)
1. Ein Unterlassungs- oder Feststellungsantrag ist unzulässig, wenn er nicht hinreichend bestimmt beschreibt, welche Handlungen oder Unterlassungen verlangt werden. Ein Unterlassungsbegehren, das Positivdaten, deren Übermittlung zu unterlassen sei, als „personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags“ definiert, enthält weiterhin unbestimmte Rechtsbegriffe bzw. auslegungsbedürftige Formulierungen, deren Auslegung dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe, wodurch ein entsprechender Antrag nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt.  (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Übermittlung von Positivdaten an Wirtschaftsauskunfteien durch Telekommunikationsunternehmen ist zur Wahrung berechtigter Interessen i.S.d. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO, namentlich der Betrugsprävention, erforderlich. Zudem überwiegt das berechtigte Interesse der Verantwortlichen gegenüber den Interessen des Betroffenen. Denn bei der Übermittlung von Positivdaten werden keine sensiblen Daten übertragen, sondern lediglich der Abschluss von Verträgen. Diese Daten können weder die Kreditwürdigkeit des Betroffenen negativ beeinflussen noch einen sonstigen Nachteil für diesen herbeiführen. Vielmehr kann das Vorhandensein von Positivdaten einen positiven Einfluss auf den die Kreditwürdigkeit darstellenden Score haben.  (Rn. 15 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klageabweisung, Unzulässigkeit, Bestimmtheitsgebot, Datenübermittlung, Betrugsprävention, Positivdaten, Interessenabwägung
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 22728

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden
Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 7.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Schadensersatz und Unterlassung aufgrund der DS-GVO. Die Beklagte erbringt Telekommunikationsdienstleistungen.
2
Die Parteien verbindet ein Vertrag über Telekommunikationsdienstleistungen (Mobilfunkvertrag). Bei Vertragsabschluss erklärte sich die Beklagtenpartei schriftlich auf dem Kaufvertrag (Anlage B1) mit den Bestimmungen der Beklagten auf dem Merkblatt zum Datenschutz (Anlage B2) einverstanden. Dieses Merkblatt enthielt einen Hinweis darauf, dass Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags (sog. Positivdaten), an die ... Holding AG übermittelt werden. Am 04.09.2023 erhielt der Kläger Auskunft der bei der ... Holding AG gespeicherten Daten (Anlage K2).
3
Der Kläger behauptet, nach der erhaltenen Auskunft habe sich bei ihm, als Folge der Datenübermittlung durch die Beklagte, unmittelbar ein Gefühl des Kontrollverlustes und der großen Sorge, insbesondere auch wegen der eigenen Bonität, eingestellt. Seitdem lebe der Kläger mit der ständigen Angst vor – mindestens – unangenehmen Rückfragen in Bezug auf die eigene Bonität, das allgemeine Verhalten im Wirtschaftsverkehr oder einer Verfälschung des SCHUFA-Scores. Es blieben Stress, Unruhe und ein allgemeines Unwohlsein tagtäglich zurück. Das allgemeine Unwohlsein des Klägers steigere sich bis zu einer schieren Existenzsorge. Der Kläger ist der Ansicht, die Datenübermittlung an die SCHUFA sei rechtswidrig erfolgt. Ihm stehe deshalb gegen die Beklagte sowohl ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie ein Unterlassungsanspruch, keine Positivdaten an die SCHUFA zu melden, zu.
4
Die Klagepartei beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz für einen immateriellen Schaden in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch EUR 5.000,00 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten des Klägers, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien, namentlich S. Holding AG, K.weg 5, 6... W., zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen materiellen Schäden und künftigen derzeit noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch die unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten entstehen.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 Euro zu zahlen.
5
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
6
Die Beklagte behauptet, dass die an die S. Holding AG übermittelten Daten der Klagepartei gelöscht seien.
7
Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei in Bezug auf den Unterlassungs- und den Feststellungsantrag bereits unzulässig, da diese zu unbestimmt seien. Sie meint des Weiteren, dass ein Schmerzensgeldanspruch nicht bestehe, weil der Kläger keine konkreten und individuellen Indizien für einen Einfluss der Einmeldung der Positivdaten auf seine Lebensführung, die kausal auf der Datenübermittlung beruhen, dargelegt habe. Der Vortrag zu angeblichen Beeinträchtigungen sei nicht ausreichend, weil dieser von den Bevollmächtigten des Klägers wortgleich in zahlreichen weiteren Verfahren verwendet worden sei. Außerdem sei die Übermittlung der Vertragsdaten rechtmäßig erfolgt, weil diese von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. F) DSGVO zur Betrugsprävention als berechtigtem Interesse gedeckt sei.
8
Die Klage wurde der Beklagten am 29.05.2024 zugestellt.
9
Es wurde Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen C. T. und G. B. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der öffentlichen Sitzung vom 25.06.2025 Bezug genommen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die teilweise zulässige Klage ist unbegründet.
11
Die Klage ist hinsichtlich des Unterlassungsantrages in Ziffer 2 und des Feststellungsantrages in Ziffer 3 unzulässig.
12
1. Der Unterlassungsantrag in Ziffer 2 der Klage ist unzulässig, weil er nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt. In dem Antrag wird nicht ausreichend konkret beschrieben, welche Daten des Klägers die Beklagte unterlassen soll zu übermitteln. Denn die vermeintlich eindeutige Definition der „Positivdaten des Klägers“ als „personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags“ enthält weiterhin unbestimmte Rechtsbegriffe bzw. auslegungsbedürftige Formulierungen (Zahlungserfahrungen; nicht vertragsgemäßes Verhalten; Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags), deren Auslegung dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe, was nicht zulässig ist. Bereits aus diesem Grund fehlt es an der notwendigen Bestimmtheit des Unterlassungsantrags, so dass dieser unzulässig ist (OLG München, Beschluss vom 18.07.2025 – 20 U 200/25).
13
2. Der Feststellungsantrag in Ziffer 3 der Klage ist ebenfalls unzulässig, da er nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt. In dem Antrag wird nicht ausreichend konkret beschrieben, welche Daten des Klägers die Beklagte unterlassen soll zu übermitteln. Denn die vermeintlich eindeutige Definition der „Positivdaten des Klägers“ als „personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags“ enthält weiterhin unbestimmte Rechtsbegriffe bzw. auslegungsbedürftige Formulierungen (Zahlungserfahrungen; nicht vertragsgemäßes Verhalten; Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags), deren Auslegung dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe, was nicht zulässig ist. Bereits aus diesem Grund fehlt es an der notwendigen Bestimmtheit des Unterlassungsantrags, so dass dieser unzulässig ist (OLG München, Beschluss vom 18.07.2025 – 20 U 200/25).
14
Die Klage ist im übrigen unbegründet.
15
Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO, da die von der Beklagten vorgenommenen Übermittlung von sogenannten Positivdaten aus dem Mobilfunkvertrag an die SCHUFA keinen Verstoß gegen Regelungen der DSGVO darstellt und kein ersatzfähiger Schaden des Klägers vorliegt.
16
1. Die Datenverarbeitung durch die Beklagte war gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f. DS-GVO gerechtfertigt.
17
Nach der Rechtsprechung des EUGH (Urteil vom 04.07.2023, Az. C-252/21, NJW2023, 2997, Rn. 105 ff.) sind Verarbeitungen personenbezogener Daten nach Art. 6 Abs. 1 lit. f. DSGVO unter drei kumulativen Voraussetzungen rechtmäßig: Erstens muss von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von einem Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden, zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, gegenüber dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten nicht überwiegen.
18
Diese Voraussetzungen für eine rechtmäßige Datenübermittlung liegen hier vor.
19
1.1 Ein berücksichtigungsfähiges Interesse im Sinne Art. 6 Abs. 1 lit f. DSGVO liegt mit dem Ziel der Betrugsprävention vor.
20
Nach Erwägungsgrund 47 zur DSGVO ist der Begriff des berechtigten Interesses tendenziell weit zu verstehen. Die Betrugsprävention wird zudem ausdrücklich genannt und ist als berechtigtes Interesse anzuerkennen.
21
Zur Überzeugung des Gerichts hat die Beklagte auch nachgewiesen, dass die Datenübermittlung zur Betrugsprävention erfolgte.
22
Sowohl Zeuge C. als auch der Zeuge G. gaben, sichtlich um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht, an, dass mit der Datenübermittlung an die Schufa sowohl das Risiko der Beklagten als auch das Risiko des Kunden minimiert werde. Durch die Meldung werde ersichtlich, ob in betrügerischer Weise mehrere Mobilfunkverträge auf denselben Kunden innerhalb kurzer Zeit abgeschlossen werden und insoweit die Daten des Kunden mißbraucht werden oder der Kunde selbst Verträge abschließt, die seine Leistungsfähigkeit übersteigen.
23
1.2 Das Mittel ist auch geeignet. Wenn potentielle Kunden in kurzer Zeit zahlreiche Mobilfunkverträge abschließen, kann dies auf die Absicht des Kunden hindeuten, an die teure Hardware zu gelangen.
24
1.3 Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. So ist die Übermittlung von sog. Positivdaten über den Abschluss von Verträgen im Vergleich zu stigmatisierenden Negativdaten regelmäßig als deutlich geringfügiger einzustufen. Dies gilt auch deshalb, weil das Fehlen von Positivdaten als den Score-Wert begünstigende Faktoren zu einem „negative bias“ führen kann (OLG München, Beschluss vom 18.07.2025 – 20 U 200/25).
25
Die Einholung einer Einwilligung in die nachträgliche Übermittlung der Vertragsdaten scheidet als gleich geeignetes Mittel zur Betrugsprävention aus, da sie mit Blick auf § 7 Abs. 4 DSGVO nicht freiwillig und daher ohnehin unwirksam gewesen wäre, wenn die Telekommunikationsanbieter und so auch die Beklagte den Vertragsschluss von der Erteilung der Einwilligung abhängig gemacht hätten, da die Datenverarbeitung für die Erfüllung des konkreten Vertrags nicht erforderlich ist. Soweit die Abhängigkeit des Vertragsschlusses von der Einwilligung nicht gegeben wäre, hätte aber jeder Kunde mit Betrugsabsicht die Einwilligung nicht erteilt.
26
1.4 Die Interessen oder Grundfreiheiten und Grundrechte des Klägers überwiegen nicht gegenüber dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten.
27
Insoweit war zu berücksichtigten, dass die übermittelten Positivdaten keine sensiblen Daten darstellen, sondern solche, die auf einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung zutreffen und die im Ergebnis lediglich die Information vermitteln, dass die Person XY einen Telekommunikationsvertrag abgeschlossen hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die übermittelten Daten in irgendeiner Form eine negative Auswirkung auf den Kläger haben können; insbesondere ist kein negativer Einfluss auf dessen Kreditwürdigkeit zu befürchten. Vielmehr kann das Vorhandensein von Positivdaten einen positiven Einfluss auf den die Kreditwürdigkeit darstellenden Score haben. Die Beklagte sieht sich angesichts des Massengeschäfts mit Handyverträgen zudem in der Summe einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt. Demgegenüber erscheint die Übermittlung der Vertragsdaten des Klägers zur Profilbildung hinnehmbar.
28
2. Schließlich hat der Kläger mangels Anspruchs in der Hauptsache auch keinen Anspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf Ersatz der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung.
29
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.