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OLG München, Beschluss v. 26.08.2025 – 18 W 677/25 Pre e
Titel:

Auskunftspflicht über, Telekommunikationsdienste, Internationale Zuständigkeit, Plattformbetreiber, Digitale Dienste, Rechtsverfolgung, Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, Auskunftserteilung, Beteiligte, Kommunikationsdienst, Sachlicher Anwendungsbereich, Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Kostenentscheidung, Gestattungsverfahren, Informationsverfahren, Schutzlücken, Juristische Person, Anerkennung und Vollstreckung, Elektronisch erbrachte Dienstleistung

Leitsatz:
Ein E-Mail-Hosting-Dienst fällt als Betreiber eines interpersonellen Informationsdienstes in den Regelungsbereich für elektronische Kommunikationsdienste und ist damit nicht Anbieter eines digitalen Dienstes im Sinn des § 21 TDDDG, auf die allein sich die Auskunftspflicht nach Abs. 2 bis 4 dieser Vorschrift bezieht.
Schlagworte:
Auskunftsanspruch, Kettenauskunft, Bestandsdaten, E-Mail-Hosting-Dienst, Rechtsverletzung, Plattformbetreiber, Schutzlücke
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 19.02.2025 – 25 O 9210/24
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 22097

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 19.02.2025, Az. 25 O 9210/24, aufgehoben und der Antrag zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die gerichtliche Anordnung über die Zulässigkeit und die Verpflichtung zur Auskunftserteilung über die Bestandsdaten zweier Nutzer der Beteiligten nach § 21 Abs. 2 TDDDG.
2
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen aus der Automobilbranche. Im Juni/Juli 2022 wurden auf der Online-Plattform „…“ mehrere negative Bewertungen über die Antragstellerin abgegeben, darunter die beiden verfahrensgegenständlichen Bewertungen. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 12.06.2024 hat das Landgericht im Verfahren 25 O 9201/22e die Plattformbetreiberin zur Erteilung von Auskünften über die Bestandsdaten der Verfasser der Bewertungen verpflichtet. Aufgrund des Beschlusses vom 12.06.2024 erteilte die Plattformbetreiberin der Antragstellerin dahingehend Auskunft, dass bei ihr hinsichtlich der Verfasser der Bewertungen jeweils nur eine E-Mail-Adresse gespeichert sei.
3
Die Antragstellerin wandte sich daraufhin an die Beteiligte, die als E-Mail-Hosting-Dienst die beiden E-Mail-Adressen, die bei der Plattformbetreiberin hinterlegt waren, zur Verfügung stellt, und begehrt nunmehr von dieser Auskunft über die zu den E-Mail-Adressen gespeicherten Bestandsdaten.
4
Die Antragstellerin hält beide Bewertungen für rechtswidrige Inhalte im Sinne des § 21 Abs. 2 TDDDG. Diese seien nicht von ehemaligen Angestellten abgegeben worden und enthielten auch darüber hinaus unwahre Tatsachenbehauptungen, so dass die Straftatbestände der §§ 186, 187 StGB erfüllt seien. Sie könne daher nicht nur von der Plattformbetreiberin, sondern auch von der Beteiligten als E-Mail-Hosting-Dienst gemäß § 21 Abs. 2 TDDDG Auskunft über die zu den Verfassern der Bewertungen gespeicherten Bestandsdaten verlangen.
5
Die Antragstellerin beantragt,
I.
6
Der Beteiligten wird gestattet, der Antragstellerin durch die Angabe der jeweils bei der Beteiligten gespeicherten nachfolgend genannten Daten Auskunft zu erteilen:
- Name des Nutzers
- Anschrift des Nutzers
- Geburtsdatum des Nutzers
1. in Bezug auf den Nutzer … und/oder
2. in Bezug auf den Nutzer …
II.
7
Die Beteiligte wird verpflichtet, der Antragstellerin durch die Angabe der jeweils bei der Beteiligten gespeicherten nachfolgend genannten Daten Auskunft zu erteilen:
- Name des Nutzers
- Anschrift des Nutzers
- Geburtsdatum des Nutzers
1. in Bezug auf den Nutzer … und/oder
2. in Bezug auf den Nutzer …
8
Die Beteiligte beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
9
Sie bestreitet, dass die Verfasser der Bewertungen mit den Nutzern, die die E-Mail-Adressen … und … angelegt haben, personenidentisch seien. Die Beteiligte ist der Ansicht, § 21 TDDDG finde auf sie als Betreiberin eines interpersonellen Telekommunikationsdienstes im Sinne von § 3 Ziff. 61 lit. b TKG i.V.m. § 3 Ziff. 24 TKG keine Anwendung. Demnach sei sie allenfalls nach § 174 TKG zur Auskunft verpflichtet, wobei sich Privatpersonen oder juristische Personen wie die Antragstellerin nicht auf diese Norm berufen könnten. Die von der Antragstellerin begehrte Kettenauskunft sei von § 21 TDDDG nicht erfasst. Die streitgegenständlichen Bewertungen seien nicht über den von der Beteiligten bereitgestellten Dienst verbreitet worden. Dies sei aber nach Telos und Historie des § 21 TDDDG für eine Auskunftspflicht zwingend erforderlich. Das Vorliegen unwahrer Äußerungen werde durch die Antragstellerin lediglich behauptet. Es genüge aber nicht, dass ein Straftatbestand potentiell erfüllt sei, insbesondere dürfe dies nicht aufgrund der fehlenden Rückmeldung der Nutzer auf Aufforderung zur Stellungnahme durch die Plattformbetreiberin vermutet werden. Die Beauskunftung eines Geburtsdatums werde von § 21 TDDDG nicht umfasst, da es zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Verfasser der Bewertungen nicht erforderlich sei.
10
Mit Beschluss vom 19.02.2025 (Bl. 80/95 LG-Akte), auf den Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Beteiligten gestattet sowie diese verpflichtet, der Antragstellerin durch die Angabe der jeweils bei der Beteiligten gespeicherten Daten Auskunft über Namen und Anschrift in Bezug auf die zwei Nutzer der Beteiligten zu erteilen. Den Antrag bezüglich der Auskunft über das Geburtsdatum der Nutzer hat das Landgericht zurückgewiesen. Der Beschluss wurde der Beteiligten am 19.02.2025 zugestellt.
11
Mit Schriftsatz vom 19.03.2025 (Bl. 102/103 LG-Akte), beim Landgericht eingegangen am selben Tag, hat die Beteiligte Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 23.04.2025 (Bl. 107/141 LG-Akte) begründet. Die Beteiligte beantragt,
unter Abänderung des am 19.02.2025 verkündeten Beschlusses den Antrag gemäß § 21 Abs. 2, 3 TDDDG zurückzuweisen.
12
Zur Begründung führt die Beteiligte aus, dass der Anwendungsbereich des § 21 TDDDG nicht eröffnet sei, da sie einen interpersonellen Kommunikationsdienst anbiete. Wortlaut und Systematik des TDDDG würden eine Anwendung des § 21 TDDDG auf Telekommunikationsdienste verbieten. Auch die Historie des TDDDG und der Telos der Gesetzesänderung würden die Anwendbarkeit des § 21 TDDDG auf E-Mail-Dienste verbieten. Hilfsweise macht die Beteiligte geltend, dass die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 TDDDG nicht erfüllt seien. Insbesondere sei eine „Kettenauskunft“ nicht von § 21 TDDDG gedeckt, da die vermeintliche Rechtsverletzung nicht über einen Dienst der Beteiligten erfolgt sei. Die Straftatbestände der §§ 185, 186 StGB seien durch die streitgegenständlichen Bewertungen nicht erfüllt.
13
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20.05.2025 (Bl. 142/143 LG-Akte), auf den Bezug genommen wird, der Beschwerde der Beteiligten nicht abgeholfen und die Akte dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
14
Mit Schriftsätzen vom 04.06.2025 (Bl. 5/6 OLG-Akte) und 02.07.2025 (Bl. 7/8 OLG-Akte) hat die Beteiligte ergänzend Stellung genommen.
15
Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren nicht Stellung genommen und keine Anträge gestellt.
II.
16
Die Beschwerde der Beteiligten ist zulässig und begründet.
17
1. Das Landgericht hat die – auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426, juris Rn. 9) – internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zutreffend bejaht.
18
Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach der VO (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (auch Brüssel Ia-VO, ABl. 2012 L 351 v. 20.12.2012, 1; EuGVVO). Der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung ist eröffnet. Bei dem nunmehr in § 21 TDDDG geregelten Gestattungsverfahren handelt es sich um eine Zivilsache gem. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO. Das Gestattungsverfahren ist eine echte Parteistreitigkeit der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei der sich der Antragsteller und der nach § 21 Abs. 4 TDDDG, § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG zwingend am Verfahren zu beteiligende Anbieter von digitalen Diensten gegenüberstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.09.2019 – VI ZB 39/18, NJW 2020, 536; BT-Drs. 18/13013, 24, jew. zu § 14 TMG; BGH, Beschluss vom 28.09.2023 – III ZB 25/21, NJW 2024, 514, zu § 21 TTDSG).
19
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich vorliegend aus Art. 26 Abs. 1 EuGVVO. Die Beteiligte hat sich ausdrücklich mit Schriftsatz vom 28.01.2025 (Bl. 66 LG-Akte) zum Zwecke der Klärung der diesem Verfahren zugrundeliegenden Rechtsfragen rügelos auf dieses eingelassen.
20
2. Die Beschwerde ist gemäß § 21 Abs. 3 Satz 8 TDDDG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist das Rechtsmittel fristgerecht gemäß § 21 Abs. 3 Satz 6 TDDDG i.V.m. 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden.
21
3. Auch in der Sache hat die Beschwerde Erfolg. Die Antragstellerin hat gegen die Beteiligte keinen Anspruch auf Auskunft durch die Angabe der bei der Beteiligten gespeicherten Daten (Name und Anschrift) ihrer Nutzer nach § 21 Abs. 2 TDDDG.
22
Nach § 21 Abs. 2 TDDDG ist der Anbieter von digitalen Diensten gegenüber dem Verletzten zur Auskunft verpflichtet und darf im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger audiovisueller Inhalte oder aufgrund von Inhalten, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129- 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 -187, 189, 201a, 241 oder 269 StGB erfüllen und nicht gerechtfertigt sind, erforderlich ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
23
a) Die Beteiligte ist schon nicht als Anbieter von digitalen Diensten im Sinne des § 21 TDDDG einzuordnen.
24
Nach § 2 Abs. 1 TDDDG gelten die Begriffsbestimmungen des TKG, des DDG und der DSGVO auch für das TDDDG, soweit in § 2 Abs. 2 TDDDG keine abweichende Begriffsbestimmung getroffen wird.
25
In § 2 Abs. 2 Ziff. 1 TDDDG werden „Anbieter von digitalen Diensten“ als jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde digitale Dienste erbringt, an der Erbringung mitwirkt oder den Zugang zur Nutzung von eigenen oder fremden digitalen Diensten vermittelt, beschrieben.
26
Der Begirff „digitaler Dienst“ ist nicht im TDDDG, jedoch in § 1 Abs. 4 Nr. 1 DDG legaldefiniert als ein Dienst im Sinne des Art. 1 Abs. 1 b) der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1). Die dortige Definition der „elektronisch erbrachten Dienstleistung“ ist so weit, dass sie auch den von der Beteiligten bereit gestellten E-Mail-Hosting-Dienst umfassen würde. Allerdings ergibt sich aus Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie, dass diese nicht für Vorschriften über Angelegenheiten gilt, die einer Regelung der Union im Bereich der Telekommunikationsdienste nach RL 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates unterliegen. Art. 2 c) der RL 2002/21/EG trifft eine klare Abgrenzung zwischen elektronischen Kommunikationsdiensten einerseits, die gemäß Art. 1 Abs. 1 in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen, und Diensten der Informationsgesellschaft andererseits, für die das nicht der Fall ist. Diese Ausnahme gilt über die Verweisung auch für die Definition des digitalen Dienstes nach dem DDG, die Telekommunikationsdienste demnach nicht umfasst.
27
Zwar wurde nach Art. 125 Satz 3 der Richtlinie (EU) 2018/1972 (EECC-Richtlinie) die RL 2002/21/EG im Jahr 2020 aufgehoben. Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie gelten aber nach Art. 125 Satz 3 der EECC-Richtlinie als Bezugnahmen auf die EECC-Richtlinie weiter und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in deren Anhang XIII zu lesen. Danach entspricht der bisherigen Regelung in Art. 2 c) der RL 2002/21/EG nun Art. 2 Nr. 4 der EECC-Richtlinie. Art. 2 Ziff. 4 b) der EECC-Richtlinie sieht vor, dass auch interpersonelle Kommunikationsdienste elektronische Kommunikationsdienste im Sinne der Richtlinie sind. Diese werden in Art. 2 Ziff. 5 legaldefiniert als „gewöhnlich gegen Entgelt erbrachter Dienst, der einen direkten interpersonellen und interaktiven Informationsaustausch über elektronische Kommunikationsnetze zwischen einer endlichen Zahl von Personen ermöglicht, wobei die Empfänger von den Personen bestimmt werden, die die Kommunikation veranlassen oder daran beteiligt sind“. Die Beteiligte bietet als Betreiberin ihres E-Mail-Programms einen solchen auf direkten interpersonellen und interaktiven Informationsaustausch ausgerichteten Dienst im Sinne des Art. 2 Ziff. 5 an, fällt somit in den Regelungsbereich für elektronische Kommunikationsdienste und ist damit nicht als Anbieter eines digitalen Dienstes im Sinne des § 21 TDDDG einzuordnen.
28
b) Die fehlende Anwendbarkeit der Regelungen, die das TDDDG für Anbieter digitaler Dienste vorsieht, auf die Beteiligte als Betreiberin eines interpersonellen Telekommunikationsdienstes, ergibt sich auch aus der Systematik des TDDDG.
29
Das TDDDG trifft unterschiedliche Regelungen für den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und für den Datenschutz bei digitalen Diensten. Schon der Vorschrift des § 1 Abs. 2 Ziffer 2 TDDDG zum Anwendungsbereich des Gesetzes lässt sich entnehmen, dass das Gesetz besondere Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bei der Nutzung von Telekommunikationsdiensten einerseits und digitalen Diensten andererseits enthält. § 1 Abs. 1 Ziffer 6 TDDDG, der die Anforderungen an die Erteilung von Auskünften über Bestands- und Nutzerdaten durch Anbieter von digitalen Diensten als Teil des Anwendungsbereichs des Gesetzes ausweist, bezieht sich ausschließlich auf digitale Dienste und nicht auf Telekommunikationsdienste. Auch die Struktur des Gesetzes im Ganzen bildet diese Unterscheidung ab: Der Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation wird in Teil 2 des Gesetzes geregelt, der Datenschutz bei digitalen Diensten dagegen in Teil 3. Unter Teil 3 fällt auch die im hiesigen Verfahren einschlägige Vorschrift des § 21 TDDDG, die nach der Systematik des TDDDG damit auf die Beteiligte als Betreiberin eines interpersonellen Kommunikationsdienstes nicht anwendbar ist (so auch LG Köln, Beschluss vom 12.06.2025 – 28 O 29/25, Anlage Bet.11; ebenso jeweils zu § 21 Abs. 2 TTDSG OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.06.2023 – 13 W 13/23; OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 27.10.2023 – 14 U 56/23, Anlagenkonvolut Bet. 2):
30
c) Die fehlende Anwendbarkeit des § 21 TDDDG auf die Beteiligte lässt sich auch auf einen sachlichen Grund stützen. Denn ihre Dienste wurden anders als die Dienste der Plattformbetreiberin vorliegend nicht zur Begehung der behaupteten Rechtsverletzung genutzt. Dies stellt aber einen entscheidenden Unterschied dar, da nur über dieses Kriterium die potenziell auskunftspflichtigen Diensteanbieter klar abgrenzbar bleiben. Die von der Antragstellerin begehrte „Kettenauskunft“ bis zum letzten Anbieter in der Kette, bei dem in den Bestandsdaten Name und Adresse der Person gespeichert sind, die wegen der Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden soll, würde den Kreis der auskunftspflichtigen Diensteanbieter erheblich erweitern.
31
Von einem derart weiten Kreis der Auskunftsverpflichteten geht auch der Gesetzgeber nicht aus, wie sich § 2 Abs. 1 des Diskussionsentwurfs des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Stärkung der privaten Rechtsverfolgung im Internet entnehmen lässt. In dieser Vorschrift ist nunmehr ausdrücklich geregelt, dass sich die Regelungen zur Auskunft über Daten nur auf Diensteanbieter beziehen, deren Dienste zur Begehung einer Rechtsverletzung genutzt wurden. Der Begründung des Entwurfs zu § 2 lässt sich nicht entnehmen, dass hiermit eine Einengung des Kreises der Auskunftsverpflichteten gegenüber den Regelungen des TDDDG vorgenommen werden soll (vgl. die Entwurfsbegründung zu § 2, Seite 27, abrufbar auf der Homepage des BMJV unter https://www.bmjv.de/...).
32
d) Zutreffend verweist das Landgericht allerdings auf die durch dieses Gesetzesverständnis entstehenden Schutzlücken, weil der Anspruch des Verletzten gegen den Plattformbetreiber – wie im vorliegenden Fall – immer dann im Ergebnis wertlos ist, wenn dort in Bezug auf den Plattformnutzer nur eine E-Mail-Adresse gespeichert ist, deren Bekanntgabe den Verletzten nicht in die Lage versetzt, seine Rechte gegen den Nutzer der Plattform geltend zu machen. Diese Schutzlücke kann aber nicht dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligte als Anbieterin eines interpersonellen Kommunikationsdienstes zusätzlich zu den Vorschriften über den Datenschutz in der Telekommunikation auch noch dem Regelungsregime der Anbieter digitaler Dienste unterworfen wird, obwohl nach der Systematik des TDDDG klar erkennbar ist, dass der Bereich der Telekommunikation und der Bereich der digitalen Dienste unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen unterliegen soll.
33
Dies gilt umso mehr, als nach den Plänen des Gesetzgebers Anbieter von E-Mail-Hosting-Diensten wie die Beteiligte auch künftig nicht nach § 21 TDDDG Auskunft über die bei ihr gespeicherten Bestandsdaten ihrer Nutzer schulden sollen, obwohl der Gesetzgeber erkannt hat, dass die Herausgabe der Bestandsdaten seitens der Hosting-Dienste häufig wertlos und Nutzungsdaten des Verletzers allenfalls aufwändig und kompliziert über den Weg einer Strafanzeige und nachfolgender Akteneinsicht erlangt werden können (vgl. Entwurfsbegründung zu § 2 Abs. 1, Seite 27). Der Gesetzgeber beabsichtigt dennoch nicht, E-Mail-Hosting Dienste der Auskunftspflicht nach § 21 Abs. 2 bis 4 TDDDG zu unterwerfen, da diese keine Diensteanbieter im Sinne von § 1 Abs. 2 des Gesetzesentwurfs darstellen (vgl. die Entwurfsbegründung zu § 1 Abs. 2, Seite 25). Vielmehr strebt der Gesetzgeber ein Schließen der Schutzlücken dadurch an, dass die Auskunftspflicht in § 2 Abs. 1 des Gesetzesentwurfs auf IP-Adressen erweitert wird. Daran wird deutlich, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Schwierigkeiten der privaten Rechtsverfolgung davon ausgeht, dass E-Mail-Hosting-Dienste wie die Beteiligte derzeit keine Auskunft nach § 21 TDDDG schulden und auch in Zukunft nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der privaten Rechtsverfolgung im Internet nicht schulden sollen. Vielmehr sollen die bestehenden Schutzlücken dadurch geschlossen werden, dass die Plattformbetreiber die verwendeten IP-Adressen beauskunften müssen, was dem in seinen Rechten Betroffenen helfen soll, den Nutzer der Plattform zu identifizieren.
34
e) Nach alledem ist § 21 Abs. 2 TDDDG auf die Beteiligte nicht anwendbar. Als Anbieter eines interpersonellen Kommunikationsdiensts unterliegt sie aktuell nur der Auskunftspflicht nach § 174 TKG, die allerdings nicht gegenüber der in ihren Rechten verletzten natürlichen oder juristischen Person besteht und damit vom Antragsteller nicht geltend gemacht werden kann.
35
Vor diesem Hintergrund muss nicht mehr entschieden werden, ob es vorliegend auch an rechtswidrigen Inhalten im Sinne des § 21 Abs. 2 TDDDG fehlt.
III.
36
Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 3 Satz 6 TDDDG i.V.m. § 84 FamFG.
IV.
37
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 21 Abs. 3 Satz 6 TDDDG i.V.m. § 70 Abs. 2 FamFG zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Es ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt, ob § 21 TDDDG auf Anbieter eines interpersonellen Telekommunikationsdienstes anwendbar ist und damit auch eine sog. Kettenauskunft erfasst, nämlich eine Auskunft über die Bestandsdaten des Nutzers eines Dienstanbieters, dessen Dienst nicht zur Verletzung absolut geschützter Rechte des Antragstellers verwendet wurde.