Titel:
Fernunterrichtsvertrag, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Schriftsatzfrist, Elektronischer Rechtsverkehr, Streitwert, Termin zur mündlichen Verhandlung, Vorgerichtliche Anwaltskosten, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Vertragsverhältnisse, Qualifizierte elektronische Signatur, Klageabweisung, gerichtlicher Hinweis, Formlose Mitteilung, Literatur und Rechtsprechung, Aufgabe zur Post, Erklärung zu Protokoll, mündlich Verhandlung, Rechtsbehelfsbelehrung
Schlagworte:
Unzulässigkeit der Klage, Fernunterrichtsvertrag, Räumliche Trennung, Digitale Betreuung, Prozesspflichtverletzung, Sofortige Erklärung
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 21602
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 7.616,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Rückzahlung eines Coaching-Honorars.
2
Der Kläger schloss mit der Beklagten am 18.10.2022 einen Vertrag über das Coaching-Programm „Coaching und Consulting Elite Training“ mit einer verlängerten Vertragslaufzeit („Coaching und Consulting Club“).
3
Vertragsinhalt war ein umfangreicher und umfassender Videolernkurs zu allen relevanten Themen der Ausbildung aus mehreren Sitzungen im Rahmen eines Intensivprogramms, welche den Teilnehmern in einem digitalen Mitgliederbereich zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollten mehrmals pro Woche sog. „Live-Webinare“ (= ein online stattfindendes Seminar) stattfinden. Sämtliche Webinare werden aufgezeichnet und den Teilnehmern anschließend im digitalen Mitgliederbereich zur Wiederholung zur Verfügung gestellt. Weiter sollte der Teilnehmer eine individuelle Betreuung (1:1 Support) durch einen eigenen Ansprechpartner erhalten. Die Teilnehmer des Kurses erhielten so die Möglichkeit, ihre individuellen Rückfragen zu den Lerninhalten zur Überprüfung ihres Wissensstandes an die Beklagte zu übersenden und hierauf eine Antwort zu erhalten.
4
Am 19.10.2022 erhielt der Kläger von der Beklagten eine Rechnung über 3.570,- €, die er in der Folge überwies. Anschließend erhielt er beginnend am 21.12.2022. Monatlich Rechnungen über 238 €. Der Kläger beglich diese Rechnungen über 18 Monate hinweg und zahlte so insgesamt ein Betrag von 4.284 € an die Beklagte.
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Der Kläger behauptet, mit dem Kurs nicht zufrieden gewesen zu sein.
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Er ist der Ansicht, dass der streitgegenständliche Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig sei und er deshalb ein Anspruch auf Rückzahlung des Coachinghonorars nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB habe.
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.616,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 13.09.2024 zu zahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 800,39 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 13.09.2024 zu zahlen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Landgericht München 1 schon nicht zuständig sei, da der ausschließliche Gerichtsstand § 26 Abs. 1 FernUSG schon nicht zur Anwendung komme, da der Kläger nicht schlüssig die Voraussetzungen dafür vorgetragen habe, dass das streitgegenständliche Vertragsverhältnis als Fernunterrichts-Vertragsverhältnis eingeordnet werden könne.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist abzuweisen. Sie ist schon unzulässig.
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Die Zuständigkeit des Landgerichts München 1 könnte sich allenfalls aus § 26 Abs. 1 FernUSG ergeben. Dieser setzt allerdings voraus, dass es sich um einen Fernunterrichtsvertrag im Sinne des § 1 FernUSG handelt bzw., dass das Vorliegen eines solchen Vertrages schlüssig dargelegt ist. Schon nach dem Vortrag des Klägers handelt es sich vorliegend allerdings nicht um einen Fernunterrichtsvertrag.
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Die für einen Fernunterrichtsvertrag nach § 1 Abs. 1 FernUSG erforderliche, räumliche Trennung liegt nicht vor. Was unter diesem Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist, wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt, vgl. zuletzt BGH Urteil vom 12.06.2025 – III ZR 109/24.
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Aus Sicht des Gerichts entscheidend ist, ob bei der nunmehr (und zum Zeitpunkt des Erlasses des FernUSG noch nicht) möglichen umfassenden digitalen Betreuung eine Betreuung wie bei Präsenzunterrichtsveranstaltungen sichergestellt ist. Ist dies der Fall, gibt es keinerlei Anlass den Anwendungsbereich des FernUSG auf diese Fälle auszudehnen, da der Fernunterrichtsschüler in diesen Fällen nicht in größerem Umfang schützenswürdig ist als der Nicht-Fernunterrichtsschüler.
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Vorliegend ist schon nach dem klägerischen Vortrag durch die digitale Betreuung der Beklagten eine Betreuung sichergestellt, die einer Betreuung via Präsenzunterricht entspricht.
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Nach klägerischem Vortrag bestand im Rahmen des vorliegenden Coaching-Vertrags neben dem Videolernkurs die Möglichkeit, mehrmals die Woche an begleitenden Live-Videokonferenzen teilzunehmen und insbesondere auch zusätzlich an dem begleitenden VIP-Support (1:1 Support) teilzunehmen. Nach eigenem Vortrag bestand insofern jederzeit die Möglichkeit, wie bei Präsenzveranstaltungen individuelle Rückfragen zu stellen und insofern auch individuelle Antworten zu erhalten. Allein aus dem Umstand, dass der Unterricht im Wesentlichen digital abläuft, ergibt sich nichts anderes. Aus Sicht des Gerichts stellt die konkrete Betreuung daher eine zu einer Präsenzveranstaltung vergleichbare Betreuung sicher, sodass die für das Vorliegen eines Fernunterrichtsvertrags erforderliche räumliche Trennung abzulehnen ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 BGB.
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Eine gesonderte Schriftsatzfrist war dem Kläger nicht einzuräumen. Insofern es sich bei den vom Gericht in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsansichten überhaupt um Hinweise i.S.d. § 139 ZPO handeln sollte (und nicht lediglich um die dokumentierte Erörterung nach § 139 Abs. 1 ZPO), war dem Kläger ein sofortiges Erklären zu dem gerichtlichen Hinweis ohne Weiteres möglich. Ist dem Kläger wie vorliegend eine sofortige Erklärung zum Hinweis möglich und zumutbar, bedarf es einer weiteren Schriftsatzfrist nicht, vgl. § 139 Abs. 5 ZPO.
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Inhaltlich zielte der „Hinweis“ darauf ab, festzustellen, dass die konkrete digitale Betreuung schon nach dem Vortrag der Klageseite einer Präsenzbetreuung vergleichbar ist. Wäre der Kläger (wie angeordnet) erschienen, wäre es ihm jederzeit möglich gewesen, zu erklären, dass die Betreuung entgegen dem eigenen Vortrag einer Präsenzbetreuung nicht vergleichbar war. Dass der Kläger persönlich zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, kann ihn insofern nicht besserstellen. Das persönliche Erscheinen des Klägers zum Termin war angeordnet und auch nicht aufgehoben. Diejenige Partei, die entgegen der Anordnung des Gerichts zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint, so ihre Prozesspflicht verletzt und wegen dieser Prozesspflichtverletzung keine Erklärung zu einem Hinweis in der mündlichen Verhandlung abgeben kann, darf nicht besser stehen als eine Partei, die ihre Prozesspflichten beachtet und zum Termin der mündlichen Verhandlung erscheint. Wäre der Kläger erschienen, wäre es ihm ohne Weiteres möglich gewesen, Ausführungen zur konkreten Vertragsdurchführung zu machen und sich insofern zum konkreten Hinweis „sofort“ zu erklären.