Inhalt

OLG Nürnberg, Endurteil v. 05.08.2025 – 3 U 2376/24 UWG
Titel:

Erstbegehungsgefahr, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kostenentscheidung, Erstattungsfähigkeit, Einheitliche Preisauszeichnung, Preisherabsetzung, Transparenzgebot, Abmahnungskosten, Hohes Verbraucherschutzniveau, Abmahnungspauschale, Grundpreisangabe, Streitgegenstand, Preisreduzierung, Geschäftliche Handlung, Unterlassungsantrag, Preisermäßigung, Klageantrag, Berufungsanträge, Preisklarheit, Gesamtwürdigung

Normenketten:
UWG § 3a, § 5 Abs. 2 Nr. 2, § 5a Abs. 1, Abs. 3, § 5b Abs. 4, § 8 Abs. 3 Nr. 3
PAngV § 1 Abs. 3 S. 2, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 11 Abs. 4 Nr. 2,
UKlaG § 4
Leitsätze:
1. Die Ausnahmeregelungen in § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 11 Abs. 4 Nr. 2 PAngV setzen voraus, dass der Verbraucher in geeigneter Weise über die drohende Gefahr des Verderbs oder den drohenden Ablauf der Haltbarkeit als Grund für die Preisreduzierung informiert wird. Diesen Anforderungen genügt nicht, die reduzierte Ware lediglich mit einem roten Aufkleber zu versehen, auf dem die Preisreduzierung im Umfang der prozentualen Ermäßigung angegeben ist.
2. Die blickfangmäßige Angabe eines Preises für 100 g auf einem Regalpreisschild für abgepackte Lebensmittel (hier: Käse) mit unterschiedlichen Gewichtseinheiten verstößt nicht gegen die preisangabenrechtlichen Transparenzgebote, wenn – insbesondere durch einen ausdrücklichen Verweis auf die zutreffenden und vollständigen Preisangaben auf der Produktverpackung – für den Verbraucher weder eine Preisunklarheit noch eine Gefahr der Irreführung besteht.
Schlagworte:
Preiskennzeichnung, Verbraucherschutz, Irreführung, Preisklarheit, Wettbewerbsrecht, Abmahnkosten, Unterlassungsanspruch
Vorinstanz:
LG Amberg, Urteil vom 25.11.2024 – 41 HK O 451/24
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 19334

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 25.11.2024, Az. 41 HK O 451/24, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern mit einer Preisherabsetzung für verderbliche Lebensmittel zu werben und dabei für das im Preis herabgesetzte Lebensmittel weder den reduzierten Gesamtpreis noch den neuen Grundpreis zu nennen, soweit die Beklagte nicht als Grund für die Preisherabsetzung die drohende Verderblichkeit angibt,
wie geschehen in Bezug auf folgende Preisherabsetzung (roter Aufkleber: „-30%“):
1.2. Der Beklagten wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1.1 genannte Unterlassungspflicht ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken am Vorstand […], angedroht.
1.3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 243,51 € zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit 19.04.2024 zu bezahlen.
1.4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 53% und die Beklagte 47%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung wegen der Unterlassungsverpflichtung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 25.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen können beide Parteien die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei Sicherheit i.H.v. 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 47.000,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

A.
I.
1
Die Klägerin ist ein qualifizierter Verbraucherverband i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Die Beklagte gehört zu den bundesweit größten Discountbetreibern im Lebensmittelbereich.
2
Streitgegenständlich sind zum einen Preiskennzeichnungen der Beklagten innerhalb eines Warenregals für Packungen mit vorgeschnittenem Käse.
3
Bei Käse mit einheitlichen Gewichtseinheiten zeigt das Regalpreisschild neben dem Grundpreis pro Kilogramm den Gesamtpreis als blickfangmäßig hervorgehobenen Preis wie folgt an:
4
Bei Käse, der in unterschiedlichen Gewichtseinheiten angeboten wird, zeigt das Regalpreisschild neben dem Grundpreis pro Kilogramm den Preis für 100 Gramm als blickfangmäßig hervorgehobenen Preis wie folgt an:
5
Für Käse der Marke „Saint Albray“ zeigt das Regalpreisschild neben drei Grundpreisen pro Kilogramm einen blickfangmäßig hervorgehobenen Preis wie folgt an:
6
Die im Regal enthaltenen Packungen mit vorgeschnittenem Käse enthalten Etikette, die über sämtliche preisangabenrechtlichen Pflichtangaben verfügen.
7
Zum anderen ist die Preisauszeichnung der Beklagten für reduzierte Käseprodukte vor dem Hintergrund eines drohenden Ablaufs der Haltbarkeit streitgegenständlich. Die Beklagte versieht diese Käse mit einem roten Aufkleber, der die Preisreduzierung in Prozent – wie „- 30%“ – ohne weitere Informationen anzeigt:
8
Mit Anwaltsschreiben vom 20.12.2023 ließ die Klägerin die Beklagte abmahnen.
II.
9
Das Landgericht Amberg erhob Beweis durch uneidliche Einvernahme des Zeugen B. Mit Endurteil vom 15.11.2024 wies es die Klage ab.
10
Die fehlende Einheitlichkeit der Regalpreisangaben sei gerechtfertigt und nicht verwirrend. Aufgrund der Einvernahme des Zeugen B. stünde fest, dass in Bezug auf die unterschiedlichen Ausstattungen zum Käse der Marke „Saint Albray“ insgesamt drei unterschiedliche Sorten mit je unterschiedlichem Gewicht der Packung geliefert würden, weshalb auf dem Schild am Regalpreis trotz des einheitlich angegebenen Verkaufspreises von 3,39 € nachvollziehbar die drei unterschiedlichen Grundpreise angegeben würden. Der Kunde, der drei unterschiedliche Produkte in dem Verkaufskarton im Regal sieht, erkenne, dass sich die drei Grundpreise auf die eben drei unterschiedlichen Produkte beziehen. Da im Übrigen der Verkauf von „Pre-Pack-Käse“ im kleinen Gewichtsbereich von 80 – 150 Gramm stattfinde (und nicht größer), habe sich die Beklagte nachvollziehbar dazu entschieden, 100 Gramm als Grammatur zu wählen.
11
Der von der Beklagten verwendete rote „-30%“-Aufkleber“ auf der Verpackung von Käseprodukten, die kurz vor dem Ablauf ihres Mindesthaltbarkeitsdatums stehen, unterfalle der Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 PAngV. Der Verbraucher werde durch den roten Aufkleber in geeigneter Weise auf die Preisermäßigung wegen eines drohenden Ablaufs der Haltbarkeit hingewiesen. In einem Produktregal würden nur diejenigen Käseprodukte mit einem solchen roten Aufkleber versehen, deren Verderb drohen würde, so dass dann beide Produkte zeitgleich im Regal seien, nämlich einmal mit einem roten Aufkleber und einmal ohne einen roten Aufkleber.
III.
12
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin in ihrer Berufung. Sie beantragte zunächst, unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, in ihren Filialen Verbrauchern den Kauf abgepackter Lebensmittel (Käse) anzubieten und auf den Preisschildern im Verkaufsregal jeweils hervorgehoben für die gleiche Art von Lebensmitteln (Käse) gleichzeitig entweder
- einen Gesamtpreis oder
- einen Grundpreis pro 100-Gramm als Beispielspreis oder
- einen Beispielspreis für eine von mehreren Gewichtseinheiten des Lebensmittels anzugeben, wie aus Anlage K 13 ersichtlich (rote Umrahmungen zur Verdeutlichung durch die Klägerin).
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern mit einer Preisherabsetzung für verderbliche Lebensmittel zu werben und dabei für das im Preis herabgesetzte Lebensmittel weder den reduzierten Gesamtpreis noch den neuen Grundpreis zu nennen, soweit die Beklagte nicht als Grund für die Preisherabsetzung die drohende Verderblichkeit angibt, wie geschehen in Bezug auf die Preisherabsetzung nach Anlage K 13 (roter Aufkleber: „-30%“).
3. Der Beklagten wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die in Ziffern 1. und 2. genannten Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken am Vorstand […], angedroht.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 243,51 € zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
13
In der mündlichen Verhandlung stellte sie ihren Klageantrag dahingehend um, dass in Ziffer 1. „Anlage K 13“ ersetzt wird durch „Anlage K 9“ und der dritte Spiegelstrich dahingehend umformuliert wird, dass dieser nunmehr heißt:
- einen einzelnen Preis für mehrere Gewichtseinheiten des Lebensmittels.
14
Zur Begründung ihres Berufungsantrags 1. trägt die Klägerin vor, dass sich das Landgericht mit dem Streitgegenstand nur unzureichend beschäftigt und entscheidungserhebliche Feststellungen nicht getroffen habe. Dass die Beklagte den Gesamtwie auch Grundpreis auf dem jeweiligen Käse in Gestalt von Etiketten korrekt angibt, habe die Klägerin nie in Abrede gestellt. In Bezug auf die „Saint Albray“-Käsevarianten habe sich das Landgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt, warum die Beklagte bei der Angabe von drei Grundpreisen nicht neben dem jeweiligen Grundpreis den korrespondierenden Gesamtpreis angeben müsse, sondern sich auf die Angabe eines (willkürlichen) Gesamtpreises beschränken dürfe. Es erschwere einen Preisvergleich, dass die Beklagte in einem Warenregal in Bezug auf die gleiche Art von Lebensmitteln (Käse) jeweils hervorgehobene Preisangaben vorsehe, die einen unterschiedlichen Informationswert haben, zumal die Beklagte nicht verpflichtet sei, Regalpreisangaben zu machen. Der Verbraucher orientiere sich zunächst an dem blickfangmäßig hervorgehobenen Preis auf dem Regalpreisschild. Dieser müsse allerdings, wenn er sich mit den unterschiedlichen Regalpreisschildern konfrontiert sieht, zunächst einmal durch analytische Prüfung ermitteln, welchen Aussagewert der ihm angezeigte hervorgehobene Preis überhaupt hat. Dies verstoße gegen die Preisklarheit.
15
Zur Begründung ihres Berufungsantrags Ziffer 2. trägt die Klägerin vor, dass sich in Anlage K 13 zu den jeweiligen Käseprodukten im Produktregal keine Artikel mit und ohne den betreffenden roten Aufkleber, sondern allein Produkte mit den roten Aufklebern finden würden. Den Grund der Preisreduzierung gebe die Beklagte entgegen den Vorgaben des § 11 Abs. 4 Nr. 2 PAngV – anders als ihre Mitbewerber (vgl. Bl. 20 ff. d. BA.) – nicht an.
IV.
16
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
17
Das Landgericht habe hinsichtlich Berufungsantrag 1. zulässigerweise seine Prüfung nicht auf die Angaben beschränkt, die auf den Regalschildern der Beklagten angebracht sind, sondern die gesamte Preiskommunikation am Regal einschließlich der Angaben auf den Käsepackungen selbst berücksichtigt. Auf dem Regalpreis finde sich ein ausdrücklicher Verweis auf die Produktverpackung („Preis s. Pckg.“). Am Regal der Beklagten seien allein zwei Formen der Preiskennzeichnung zu finden, die klar und unmissverständlich gekennzeichnet seien, denn für jedes im Regal vorzufindende „Saint Albray“-Produkt sei der Gesamtpreis mit „3.39“ korrekt und im Einklang mit § 3 PAngV angegeben. Diese zwei Formen der Preiskennzeichnung könne der Kunde aufgrund klar und einfach formulierter Bezeichnungen ohne weiteres auseinanderhalten. Die Bewerbung am Regal mit einem hervorgehobenen 100-Gramm-Preis für Käsesorten, die mit variierendem Nettogewicht für die einzelnen Käsestücke angeboten werden, sei nicht unlauter. Dabei handele es sich um Produkte mit einem Gewichtsbereich zwischen 80 und 150 Gramm, weshalb diese Preisangabe, die sich in etwa im Mittel der Gesamtpreise der Einzelpackungen bewege, einen Preisvergleich erleichtern würde.
18
Außerdem sei die Klage aufgrund unzureichender Bestimmtheit der Klageanträge unzulässig. In Anlage K 13 seien weder die in Bezug genommenen Preisangaben abgebildet, noch fänden sich dort rote Umrahmungen. In Anlage K 9 werde eine Vielzahl von Preisschildern abgebildet, dies größtenteils aus großer Entfernung und in schlechter Auflösung, sodass eine Entzifferung der Preisschilder zum Großteil nicht möglich sei. Zudem bleibe die Zuordnung der einzelnen Produkte und Preisschilder zu den vermeintlich rechtsverletzenden Handlungen unklar.
19
Hinsichtlich des zweiten Berufungsantrags trägt die Beklagte vor, dass die Anbringung eines farblich hervorgehobenen Aufklebers mit Prozentabzug eine geeignete Form des Grundes für den verbilligten Abverkauf darstelle. Der Verkehr kenne die Verwendung farblicher Aufkleber mit Prozentabzügen aus jahrelanger Kennzeichnungspraxis des Lebensmitteleinzelhandels und verstehe sie als Hinweis auf ein nahendes Haltbarkeitsende.
V.
20
In der Terminsverfügung vom 30.04.2025 erteilte der Senat mehrere Hinweise, auch zum Verständnis des Sachverhalts. Zu diesen Hinweisen nahm die Beklagte schriftsätzlich umfangreich Stellung. Die Klagepartei wandte sich gegen die in den Hinweisen geäußerte vorläufige Rechtsauffassung des Senats nicht.
B.
21
Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
22
Ohne Erfolg bleibt die Berufung, soweit das Landgericht die Klage in Bezug auf das Unterlassen der angegriffenen Regalpreiswerbung (Klageantrag Ziffer 1.) als unbegründet abgewiesen hat (nachfolgend unter Ziffer IV.). Denn eine Irreführung der Verbraucher nach § 1 Abs. 3 S. 2, § 3, § 4 PAngV i.V.m. § 5 a Abs. 1 und § 5b Abs. 4 UWG kann nicht festgestellt werden.
23
Im Übrigen ist die Berufung in der Sache erfolgreich, da die Klage insgesamt zulässig (nachfolgend unter Ziffer I.) und hinsichtlich der Klageanträge Ziffer 2. bis 4. auch begründet ist. Denn die Klägerin ist klagebefugt und aktivlegitimiert (nachfolgend unter Ziffer II.), und die streitgegenständliche Preisherabsetzung für verderbliche Lebensmittel stellt einen wettbewerblich relevanten Verstoß gegen die Marktverhaltensvorschriften der § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 11 Abs. 4 Nr. 2, § 1 Abs. 3 S. 2 PAngV dar (nachfolgend unter Ziffer III.), weshalb insoweit der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG und insgesamt der Anspruch auf Zahlung der Abmahnpauschale gemäß § 13 Abs. 3 UWG (nachfolgend unter Ziffer V.) gegeben sind.
I.
24
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist auch Klageantrag Ziffer 1. hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
25
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (BGH GRUR 2024, 1897 Rn. 17 – DFL-Supercup).
26
Dass in der im Klageantrag Ziffer 1. als konkrete Verletzungsform in Bezug genommenen Anlage K 9 eine Vielzahl von Fotografien mit Preisschildern abgebildet sind, führt nicht zur Unbestimmtheit des Klageantrags, weil die Klägerin sowohl im Klageantrag als auch in der Klagebegründung deutlich gemacht hat, dass es ihr auf die abfotografierten Preisschilder mit den roten Umrandungen ankommt. In der Zusammenschau der Antragsformulierung und der Anlage K 9 bleibt vor diesem Hintergrund die Zuordnung der einzelnen Produkte und Preisschilder zu den von der Klägerin beanstandeten Preisgestaltungen der Beklagten nicht unklar.
27
Dass der Unterlassungsantrag Ziffer 1. zu weit gefasst ist, weil er auch Handlungen einbezieht, die nicht wettbewerbswidrig sind (vgl. dazu nachfolgend unter Ziffer IV.1.), ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage.
II.
28
Die Befugnis der Klägerin zur klageweisen Geltendmachung des Unterlassungsantrags ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, § 4 UKlaG.
III.
29
Die mit Klageantrag Ziffer 2. angegriffene Werbung der Beklagten mit einer Preisherabsetzung für verderbliche Lebensmittel ist unlauter, da sie bei Anwendung des maßgeblichen Rechtsrahmens (nachfolgend unter Ziffer 1.) als Zuwiderhandlung gemäß § 3a UWG gegen die Marktverhaltensvorschriften der § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 11 Abs. 4 Nr. 2, § 1 Abs. 3 S. 2 PAngV anzusehen ist (nachfolgend unter Ziffer 2).
30
1. In rechtlicher Hinsicht geht der Senat von folgenden Grundsätzen aus:
31
a) Im Streitfall richtet sich die Unlauterkeit nach § 3a UWG und nicht nach § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG. Zwar sind sowohl die Pflichten zur Angabe des Gesamt- und des Grundpreises in §§ 3, 4 PAngV als auch die Pflichten des § 11 PangV wesentliche Informationen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation auf unionsrechtlicher Grundlage i.S.v. § 5b Abs. 4 UWG. Das streitgegenständliche Unterlassungsbegehren bezieht sich jedoch nicht auf diese Vorgaben, sondern darauf, dass die Beklagte den Anforderungen der § 9 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 11 Abs. 4 Nr. 2 PAngV – welche die Vornahme der an sich gebotenen Angabepflichten bei einem drohenden Ablauf der Haltbarkeit ausnahmsweise einschränken – genügt. Diese Ausnahmevorschriften dienen nicht der Umsetzung europarechtlicher Informationspflichten.
32
Dies gilt auch für § 11 Abs. 4 Nr. 2 PAngV. Zwar dient § 11 PAngV der Umsetzung von Art. 6a der RL 98/6/EG (Preisangaben-RL), der seinerseits durch Art. 2 der Richtlinie (EU) 2019/2161 (Omnibus-RL) in die Preisangaben-RL eingefügt wurde. Mit § 11 Abs. 4 Nr. 2 PAngV hat der Verordnungsgeber jedoch lediglich von der nicht weiter bestimmten Öffnungsklausel des Art. 6a Abs. 3 Preisangaben-RL Gebrauch gemacht. Damit handelt es sich dabei nicht um eine spezielle auf Unionsrecht gegründete Informationspflicht i.S.v. § 5b Abs. 4 UWG.
33
b) § 9 PAngV enthält zunächst mittelbar die Klarstellung, dass bei Preisermäßigungen grundsätzlich ein neuer Gesamtpreis nach § 2 Nr. 3, § 3 Abs. 1 PAngV sowie ein neuer Grundpreis nach § 2 Nr. 4, § 4 Abs. 1 und 2 PAngV anzugeben ist. Dies ist eine logische Folge der Gesetzesanwendung, wenn Preise sich ändern (BeckOK UWG/Barth, 28. Ed. 01.04.2025, PAngV § 9 Rn. 3). Diese Pflicht zur Angabe eines neuen Gesamtpreises oder Grundpreises gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 PAngV nicht bei schnell verderblichen Waren bzw. Waren mit kurzer Haltbarkeit, die wegen der Gefahr des kurz bevorstehenden Verderbs bzw. des drohenden Ablaufs der Haltbarkeit reduziert werden, wenn dies für Verbraucher in geeigneter Weise kenntlich gemacht wird.
34
aa) Nach der – soweit ersichtlich einhelligen – Meinung in der Literatur meint „dies“ i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 3 PAngV den Grund für die Preisermäßigung, also gerade der kurz bevorstehende Verderb bzw. Ablauf der Haltbarkeit (BeckOK UWG/Barth, a.a.O. § 9 Rn. 11). Die Preisermäßigung muss daher auf den Grund für die Reduzierung hinweisen, etwa „wegen baldigen Ablaufs der Mindesthaltbarkeit“ oder „wegen bevorstehenden Verderbs“ (BeckOK UWG/Barth, a.a.O. § 9 Rn. 12a), wobei sonstige Methoden der geeigneten Kenntlichmachung denkbar und vom offenen Wortlaut potentiell gedeckt sind (BeckOK UWG/Barth, a.a.O. § 9 Rn. 13). Damit sind die üblichen farbigen Aufkleber („20%“), die beispielsweise in Supermärkten auf ablaufende Lebensmittel geklebt werden, so nicht mehr zulässig; erforderlich dürfte vielmehr sein, dass auf dem jeweiligen Aufkleber zusätzlich auf das baldige Ende der Haltbarkeit bzw. den drohenden Verderb hingewiesen wird (Buchmann/Sauer WRP 2022, 538 Rn. 46), wenn sich dies nicht aus anderweitigen Hinweisen diesen Inhalts z.B. am Warenkorb oder Regal ergibt. Nur wenn der Händler den Verbraucher hinreichend klar auch auf die Gründe der Preisreduktion (beispielsweise durch die Angabe „Reduziert wegen kurzer Haltbarkeit“) hinweist, ist er von der Verpflichtung der Angabe eines neuen Gesamt- und Grundpreises befreit (Stange/Ballke LMuR 2022, 181 (184)).
35
bb) Der Senat schließt sich dieser Meinung an, wonach das Privileg des Unternehmers, nicht den reduzierten Gesamtpreis berechnen und angeben zu müssen, nur dann besteht, wenn der Verbraucher, wie aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 PAngV unmissverständlich hervorgeht, zugleich auf den drohenden Ablauf der Haltbarkeit als Grund für die Preisreduzierung aufmerksam gemacht wird.
36
(1) Dabei berücksichtigt er zum einen den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift: Das Demonstrativpronomen „dies“ bezieht sich erkennbar darauf, dass nicht nur eine Preisreduzierung kenntlich gemacht werden muss, sondern dass der Grund der Preisreduzierung anzugeben ist.
37
(2) Zum anderen bezieht er in die Würdigung ein, dass nach der Verordnungsbegründung der Zweck des § 9 Abs. 1 Nr. 3 PAngV gerade darin besteht, den Verbrauchern die informierte Wahl zwischen Waren mit langer und kurzer Haltbarkeit zu ermöglichen (BR-Drucks. 669/21, S. 37). Dass in der beispielhaften Aufzählung in der Verordnungsbegründung – wonach die geeignete Kenntlichmachung durch einen generellen Hinweis für ein gesamtes Sortiment von Waren, durch Anbringen von markanten Aufklebern auf der Verpackung oder durch Verbringen an eine besondere Stelle im Verkaufsraum mit einem Hinweis auf die Preisermäßigung erfolgen kann (vgl. BR-Drs. 669/21, S. 37) – der Grund für die Preisermäßigung nicht erwähnt wird, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn die Verordnungsbegründung führt an anderer Stelle (BR-Drs. 669/21, S. 36) ausdrücklich aus:
38
Die Nutzung der Öffnungsklausel liegt auch im Interesse der Verbraucher. Diese werden durch eine geeignete Kenntlichmachung auf den Grund für den verbilligten Abverkauf aufmerksam gemacht. Durch diese Kennzeichnung des verbilligten Verkaufs werden die Verbraucher hinreichend darüber informiert, dass die Ware für den zeitnahen Konsum oder Gebrauch bestimmt sein sollte und nicht für eine Bevorratung geeignet ist.
39
Der Verordnungsgeber hat durch die beispielhafte Aufzählung somit lediglich klargestellt, dass der Händler die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten hat, um in den Genuss der Ausnahmevorschrift zu gelangen. Daraus folgt jedoch nicht, dass dafür ein Produktaufkleber mit einer bloßen Preisermäßigung genügen würde. Denn ob ein Preis wegen eines drohenden Verderbs reduziert wird oder aus anderen Gründen, kann der Verbraucher bei einer reinen Preisreduzierung für sich genommen nicht erkennen.
40
(3) Schließlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass bei einer anderen Auslegung – bei welcher sich die Wörter „und dies für die Verbraucher in geeigneter Weise kenntlich gemacht wird“ nicht auf den Grund der Herabsetzung, sondern auf die Herabsetzung selbst beziehen – diese Tatbestandsvoraussetzung in der Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 3 PAngV überflüssig wäre. Denn für die bloße Erkennbarkeit der Preisreduzierung wird der Unternehmer schon aus eigenem Interesse – etwa um die damit Werbewirkung zu erzielen – sorgen. Die für den Verbraucher wichtige Information ist hingegen nicht nur die Preisreduzierung per se, sondern im Sinne einer Warnung auch die Information dazu, dass das reduzierte Produkt rasch konsumiert werden muss, weil es dem Verderb ausgesetzt ist.
41
cc) Mit dieser Pflicht zur Angabe des Grundes für die Preisermäßigung werden für den Händler keine unzumutbaren Anforderungen aufgestellt. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass auf dem – auf der Verpackung des Produkts aufgebrachten – Aufkleber selbst auf den Grund für die Reduzierung hingewiesen wird. Vielmehr kann eine geeignete Kenntlichmachung auch auf sonstige Weise – wie beispielsweise die Kennzeichnung des Warenkorbs, in welchem die reduzierten Produkte angeboten werden – erfolgen.
42
c) Nach § 11 Abs. 1 PAngV hat ein Unternehmer, der zur Angabe des Gesamtpreises verpflichtet ist, gegenüber Verbrauchern bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung für eine Ware den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben, den er innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung gegenüber Verbrauchern angewendet hat. Adressat der Verpflichtung aus § 11 PAngV ist jeder, der zur Angabe eines Gesamtpreises verpflichtet ist, also jeder aus § 3 Abs. 1 PAngV Verpflichtete. Ob die Unternehmer im Einzelfall nach § 9 PAngV gegebenenfalls von der Pflicht zur Neuangabe des Gesamtpreises befreit sind, ist unerheblich (Köhler/Feddersen/Köhler, 43. Aufl. 2025, PAngV § 11 Rn. 6).
43
§ 11 Abs. 4 PAngV sieht zwei Ausnahmen zu den Regelungen in § 11 Abs. 1- 3 PAngV vor, wobei die Ausnahmevorschriften denen aus § 9 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 PAngV entsprechen. Nach § 11 Abs. 4 Nr. 2 PAngV gelten die Abs. 1 -3 nicht bei der Bekanntgabe von Preisermäßigungen für schnell verderbliche Waren oder Waren mit kurzer Haltbarkeit, wenn der geforderte Preis wegen einer drohenden Gefahr des Verderbs oder eines drohenden Ablaufs der Haltbarkeit herabgesetzt wird und dies für die Verbraucher in geeigneter Weise kenntlich gemacht wird. Ziel dieser Ausnahme ist es, einen schnellen und unkomplizierten Verkauf leicht verderblicher Waren zu ermöglichen. Wäre der Unternehmer auch bei diesen Produkten dazu verpflichtet, auf den zuvor ausgelobten Preis hinzuweisen, dürfte dies in der Regel zu höheren Kosten führen als die Vernichtung. Allerdings muss der Verbraucher in geeigneter Weise darüber informiert werden, dass die Preisermäßigung aufgrund einer drohenden Gefahr des Verderbs oder eines drohenden Ablaufs der Haltbarkeit erfolgt ist (BeckOK UWG/Laoutoumai, 27. Ed. 1.1.2025, PAngV § 11 Rn. 35). Auf die hier ebenfalls anwendbaren Ausführungen zur Auslegung der gleichlautenden Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 3 PAngV wird Bezug genommen.
44
d) Darüber hinaus ist bei der Ausgestaltung der Preisermäßigung für schnell verderbliche Waren bzw. Waren mit kurzer Haltbarkeit die Vorschrift des § 1 Abs. 3 S. 2 PAngV zu berücksichtigen. Die darin enthaltenen Regelungen dienen als „Allgemeiner Teil“ der Preisangabenverordnung, weil sie für alle Angabenpflichten der PAngV gelten, soweit keine spezielleren Anordnungen getroffen werden (OLG Nürnberg GRUR-RR 2025, 36 Rn. 38 – Preisnachlass -36%). Der in § 1 Abs. 3 S. 2 PAngV geregelte Grundsatz der Preisklarheit betrifft die Art und Weise der Preisangaben und bedeutet, dass der Adressat ihn ohne Weiteres erkennen und verstehen kann. Auch alle weiteren (Spezial-)Normen der Preisangabenverordnung, die die Art und Weise der Preisangabe betreffen, sind im Lichte des Grundsatzes der Preisklarheit auszulegen. Bei Regelungslücken oder Auslegungsschwierigkeit ist dann im Zweifel die Art der Auszeichnung zu wählen, die für den durchschnittlichen Verbraucher klar und eindeutig ist (OLG Nürnberg a.a.O. Rn. 38 – Preisnachlass -36%).
45
2. In Anwendung dieses rechtlichen Maßstabs wird im Streitfall der Verbraucher durch den von der Beklagten verwendeten roten Aufkleber bei der erforderlichen Gesamtwürdigung nicht in geeigneter Weise darüber informiert, dass die Preisermäßigung aufgrund einer drohenden Gefahr des Verderbs oder eines drohenden Ablaufs der Haltbarkeit erfolgt.
46
a) Bei der Prüfung, wie eine Werbeangabe zu verstehen ist, kommt es nicht auf den objektiven Wortsinn an. Entscheidend ist die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet (OLG Nürnberg GRUR 2022, 1612 Rn. 23 – Mineralwasserkisten). Die streitgegenständliche Werbung richtet sich an den Durchschnittsverbraucher. Dessen Auffassung, wie die Preiswerbung für reduzierte Käseprodukte zu verstehen ist, kann der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen. Seine Mitglieder gehören selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen, da sie selbst gelegentlich in Lebensmitteldiscountern Käse einkaufen und entsprechende Werbeaufkleber wahrnehmen. Sie werden daher durch die fragliche Werbung unmittelbar angesprochen.
47
b) Es ist unstreitig, dass die Beklagte sich darauf beschränkt, bei der Preisreduzierung lediglich die reduzierte Ware mit einem roten Aufkleber zu versehen, auf dem die Preisreduzierung im Umfang der prozentualen Ermäßigung angegeben ist (wie beispielsweise „-30%“). Dies genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. Zwar unterfällt die streitgegenständliche Preis- und Produktkennzeichnung der Ausnahmeregelung in § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 11 Abs. 4 Nr. 2 PAngV, da die Beklagte den ursprünglich geforderten Gesamtpreis um 30 Prozent deshalb herabsetzte, weil diese Produkte nur noch eine kurze Mindesthaltbarkeit aufwiesen. Die Beklagte hat jedoch nicht hinreichend darauf hingewiesen, dass die Preisreduzierung auf dem in Kürze ablaufenden Mindesthaltbarkeitsdatum beruhe.
48
aa) Der Senat kann sich der Behauptung der Beklagten nicht anschließen, dass der angesprochene Verkehr den roten Aufkleber mit „-30%“ bereits deshalb als Hinweis auf eine Preisreduzierung wegen eines nahenden Ablaufs des Mindesthaltbarkeitsdatums erkenne, weil in dieser Form der Lebensmitteinzelhandel seit Jahren mit Preisreduzierungen für bald ablaufende Lebensmittel werbe. Vielmehr gibt es – wie der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen kann – neben der haltbarkeitsbedingten Preisreduzierung eine Vielzahl von weiteren Gründen, warum Lebensmittelprodukte zu einem geminderten Preis angeboten werden. Dazu gehören beispielsweise der Sortimentswechsel oder das Saisonende bei saisonalen Produkten, zu hohe Vorratshaltung, Marketingaktionen und Sonderangebote oder die Einführung neuer Produktlinien.
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Eine andere Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund des Schlussberichts zur GfK-Studie „Systematische Erfassung von Lebensmittelabfällen der privaten Haushalte in Deutschland“ (Anlage B 14) veranlasst. Dieser lässt sich nur allgemein entnehmen, dass die Kampagne „Zu gut für die Tonne“ einen positiven Einfluss auf die Einstellung der Bevölkerung gehabt hat und in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen ist.
50
bb) Eine hinreichende Kenntlichmachung erfolgt nicht dadurch, dass auf derselben Schauseite des Produkts, auf dem die Preisreduktion kenntlich gemacht wird, auch das Mindesthaltbarkeitsdatum genannt wird. Denn damit wird für den durchschnittlichen Verbraucher nicht ausreichend klar und eindeutig der Grund für die mit dem Aufkleber beworbene Preisreduzierung angegeben. Das Mindesthaltbarkeitsdatum fällt schon aufgrund seiner Größe regelmäßig nicht sofort in den Blick, sondern wird nur wahrgenommen, wenn man es gezielt liest. Der Zusammenhang zwischen der Reduzierung und dem bevorstehenden Ablauf erschließt sich daher nur, wenn der Kunde bereits eine entsprechende Vermutung angestellt und daher das Mindesthaltbarkeitsdatum geprüft hat. Dies trägt aber dem beschriebenen Normzweck nicht ausreichend Rechnung, weil danach der Kunde auf den Grund der Preisreduzierung aufmerksam gemacht werden soll.
51
cc) Der Senat kann offenlassen, ob eine andere Beurteilung dann veranlasst ist, wenn sich in ein und demselben Regal zeitgleich gleichartige Käseprodukte mit einem entsprechenden roten Aufkleber und ohne einen solchen finden. In einer solchen Situation mag der bevorstehende Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums als Grund, dass gerade die gekennzeichneten Stücke abverkauft werden sollen, nahe liegen; andere Ursachen für die Reduzierung mögen dagegen eher unwahrscheinlich sein. Von einem solchen Sachverhalt kann der Senat aber nicht ausgehen. Vielmehr muss er vor dem Hintergrund der vorgelegten Anlage K 13 seiner Entscheidung zugrunde legen, dass es nicht immer ein Nebeneinander des jeweils gleichen Käseprodukts im Regal mit rotem Aufkleber (= reduzierter Preis) und ohne rotem Aufkleber (= regulärer Preis) gibt. Dies ergibt sich aus der vorgelegten Anlage K 13. In dieser finden sich zu dem konkret reduzierten Käseprodukt im Produktregal keine Artikel mit und ohne den betreffenden roten Aufkleber, sondern allein Produkte mit den roten Aufklebern „-30%“. Dass ein dauerhaftes Nebeneinander zumindest dahingehend festzustellen ist, dass neben der reduzierten und mit roten Aufklebern versehenen Ware stets auch andere Käsesorten ohne solche Aufkleber im Regal liegen, führt nicht dazu, dass den Anforderungen aus § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 11 Abs. 4 Nr. 2 PAngV Genüge getan ist, weil die gewünschte Warnung des Verbrauchers auf diesem Weg nicht erfolgt.
IV.
52
Die Klage ist in Bezug auf das Unterlassen der angegriffenen Regalpreiswerbung (Klageantrag Ziffer 1.) unbegründet. Der Unterlassungsantrag ist bereits zu weit gefasst (nachfolgend unter Ziffer 1.). Darauf kommt es jedoch nicht streitentscheidend an, da die angegriffene Regalpreiswerbung für Käse insgesamt lauterkeitsrechtlich nicht zu beanstanden ist (nachfolgend unter Ziffer 2.).
53
1. Der Unterlassungsantrag Ziffer 1. ist zu weit gefasst, weil er auch Handlungen einbezieht, für die auch bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Klägerin eine Wettbewerbswidrigkeit weder dargetan noch ersichtlich ist.
54
a) Die Klägerin führt zur Begründung von Unterlassungsantrag Ziffer 1. aus, dass es ihr darum gehe, den aus ihrer Sicht bestehenden (unzulässigen) Dreiklang der Regal-Preisauszeichnung in seinem Zusammenspiel untersagen zu lassen. Der Beklagten soll die Bewerbung von abgepacktem Käse über Preisschilder am Verkaufsregal verboten werden, wenn jeweils hervorgehoben für die gleiche Art von Lebensmitteln (Käse) gleichzeitig
- entweder der Gesamtpreis
- oder der Grundpreis pro 100 g als Beispielspreis
- oder ein einzelner Preis für mehrere Gewichtseinheiten des Lebensmittels angegeben wird.
55
b) Zum einen fehlt es in Bezug auf den dritten Spiegelstrich – nachdem für das Verbot in der ursprünglichen Fassung keine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr bestand – nach der Klageänderung in der Berufungsverhandlung an der Darlegung der Wettbewerbswidrigkeit.
56
aa) Die Klägerin rügt ohne Erfolg die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts hinsichtlich der dem dritten Spiegelstrich zugrundeliegenden „Saint Albray“-Käsevarianten.
57
Das Landgericht kam nach der Einvernahme eines Zeugen zu der Überzeugung, dass auf dem Regalpreisschild zwar drei unterschiedliche Grundpreise, aber der für alle Produkte einheitlich geltende (wegen unterschiedlicher Grammaturen) Verkaufspreis von 3,39 € angegeben sind. Diese Tatsachenfeststellungen können im Berufungsverfahren nicht mit Erfolg angegriffen werden, da die Klägerin keine konkreten Anhaltspunkte vorbrachte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
58
Die klägerische Rüge, dass sich das Landgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, warum die Beklagte bei der Angabe von drei Grundpreisen nicht neben dem jeweiligen Grundpreis den korrespondierenden Gesamtpreis angeben müsse, sondern sich auf die Angabe eines (willkürlichen) Gesamtpreises beschränken dürfe, greift vor diesem Hintergrund nicht. Der am Regal genannte Gesamtpreis ist für sämtliche dort befindlichen Sorten (und den entsprechenden Gewichtseinheiten) dieses Käses zutreffend. In der Terminsverfügung wies der Senat auf diese rechtliche Einschätzung hin, ohne dass die Klägerin Einwände dagegen vorbrachte.
59
bb) Am Warenregal der Beklagten sind damit lediglich zwei Formen der Preiskennzeichnung für vorgeschnittenen Käse zu finden:
60
Zum einen gibt es Regalpreisschilder, auf denen ein 100-Gramm-Preis als Beispielspreis in hervorgehobener Weise angegeben wird. Die Beklagte verwendet derartige Schilder für solche Käsesorten, die mit variierendem Nettogewicht angeboten werden und für die daher kein einheitlicher Gesamtpreis existiert.
61
Zum anderen gibt es Regalpreisschilder, auf denen der zu zahlende Gesamtpreis in hervorgehobener Weise angeben wird. Derartige Schilder verwendet die Beklagte insbesondere bei solchen Käsesorten, bei denen die einzelnen Produkte dasselbe Nettogewicht aufweisen und bei denen daher ein einheitlicher tatsächlich erhobener Preis existiert. Darüber hinaus verwendet die Beklagte solche Schilder mit hervorgehobener Gesamtpreisangabe für Produkte der Marke „Saint Albray“; auch bei diesen Regalpreisschildern handelt es sich bei dem hervorgehobenen Preis (trotz unterschiedlicher Grundpreise) um den zu zahlenden Endpreis.
62
cc) Vor diesem Hintergrund bestand für den ursprünglichen Unterlassungsantrag in Bezug auf Spiegelstrich Ziffer 3. – Verwendung eines Beispielspreises für eine von mehreren Gewichtseinheiten des Lebensmittels – keine Wiederholungsgefahr. Denn die davon umfassten Verhaltensweisen wichen von der im Streitfall in Rede stehenden konkreten Verletzungshandlung in erheblicher Weise ab und gingen über das Charakteristische der konkreten Verletzungsform hinaus. Auch greifbare Anhaltspunkte für eine Erstbegehungsgefahr lagen nicht vor.
63
dd) In der mündlichen Verhandlung stellte die Klägerin den Klageantrag Ziffer 1. dahingehend um, dass es im dritten Spiegelstrich nunmehr heißt: „einen einzelnen Preis für mehrere Gewichtseinheiten des Lebensmittels“. Klagevortrag dazu, inwiefern die Angabe eines Preises in herausgestellter Form auf einem Regalpreisschild unlauter sein soll, wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – bei dem hervorgehobenen „einzelnen Preis“ um den zu zahlenden (einheitlichen) Gesamtpreis für alle Sorten der Marke „Saint Albray“ handelt, existiert nicht. Ein Verstoß gegen die Vorgaben der Preisangabenverordnung nach § 1 Abs. 3, § 3 PAngV ist auch nicht ersichtlich.
64
c) Die Antragsfassung ist – worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hinwies – zum anderen deshalb problematisch, weil der Klageantrag die einzelnen Preisdarstellungen mit einem „entweder“ – „oder“ voneinander trennt. Durch diese Formulierung kommt der klägerische „Vorwurf“ der intransparenten, weil parallelen, Verwendung der drei unterschiedlichen Preisdarstellungen auf Regalpreisschildern innerhalb eines Verkaufsregals nicht hinreichend zum Ausdruck. Vielmehr ist der Einwand der Beklagten nicht von der Hand zu weisen, dass ihr durch ein Urteil mit diesem Tenor auch das (nicht nur erlaubte, sondern nach § 3 PAngV sogar ausdrücklich vorgegebene) Verhalten verboten werden würde, Käse unter Hervorhebung des Gesamtpreises auf dem Preisschild im Verkaufsregel zu bewerben (1. Spiegelstrich). Selbst wenn man dies anders sehen und den klägerischen Antrag aufgrund der Verwendung des Wortes „gleichzeitig“ dahingehend auslegt, dass der begehrte Verbotstenor voraussetzt, dass die Beklagte mindestens zwei von den in den drei Spiegelstrichen geschilderten Preisgestaltungen an ein und demselben Verkaufsregal anwendet, wäre der Unterlassungsantrag Ziffer 1. zu weit gefasst, weil es – selbst unter Zugrundelegung des klägerischen Rechtsverständnisses – der Beklagten nicht untersagt werden kann, Regalpreisschilder zu verwenden, bei denen der Gesamtpreis (1. Spiegelstrich) oder ein einzelner Preis für mehrere Gewichtseinheiten, wenn es sich bei dem einzelnen Preis um den zu zahlenden Gesamtpreis handelt, (3. Spiegelstrich) hervorgehoben wird. Denn bei der Angabe des Gesamtpreises (1. Spiegelstrich) handelt es sich um die gesetzlich vorgegebene Preisangabe, und die Klägerin legte nicht dar, inwieweit im Streitfall die Angabe eines einzelnen Preises für mehrere Gewichtseinheiten des Lebensmittels (3. Spiegelstrich) unlauter ist (siehe dazu oben unter Ziffer B.IV.1.b)).
65
2. Diese Erwägungen sind jedoch nicht entscheidungserheblich, da die angegriffene Regalpreiswerbung für Käse insgesamt lauterkeitsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
66
a) Folgender Rechtsrahmen ist für den Senat streitentscheidend:
67
aa) Sowohl die Pflichten zur Angabe des Gesamtpreises nach § 3 PAngV und zur Angabe des Grundpreises nach § 4 PAngV als auch die in § 1 Abs. 3 S. 2 PAngV geregelten Grundsätze der Preiswahrheit und Preisklarheit betreffen – zumindest in Bezug auf Waren – jeweils wesentliche und auf der Preisangaben-RL beruhende Informationen für kommerzielle Kommunikation i.S.v. § 5b Abs. 4 UWG. Die Unlauterkeit ist daher im Streitfall allein nach § 5 a Abs. 1 und § 5b Abs. 4 UWG zu beurteilen (vgl. BGH GRUR 2023, 585 Rn. 52 – Mitgliederstruktur).
68
bb) Nach § 3 Abs. 1 PAngV hat der Unternehmer, wenn er gegenüber Verbrauchern Waren anbietet oder unter Angabe von Preisen bewirbt, den Gesamtpreis anzugeben, also den Preis, der einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile für eine Ware oder eine Leistung zu zahlen ist (§ 2 Nr. 3 PAngV). Der Verbraucher soll wissen, mit welcher tatsächlichen wirtschaftlichen Belastung er rechnen muss, wenn er sich für ein Angebot entscheidet (vgl. BGH GRUR 2009, 73 Rn. 21 – Telefonieren für 0 Cent!).
69
Aus § 4 Abs. 1 S. 1 PAngV ergibt sich bei nicht loser Ware die zusätzliche Pflicht, dass neben dem Gesamtpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar der Grundpreis anzugeben ist. Diese Vorgabe ist dahin zu verstehen, dass Gesamtpreis und Grundpreis auch weiterhin auf einen Blick wahrnehmbar sein müssen (BGH GRUR 2022, 1163 Rn. 48 – Grundpreisangabe im Internet). Nach § 5 Abs. 1 PAngV ist die Mengeneinheit des Grundpreises bei Gewicht 1 kg.
70
Sowohl § 3 Abs. 1 PAngV als auch § 4 Abs. 1 PAngV beruhen – soweit Waren betroffen sind – auf den Vorgaben der RL 98/6/EG (Preisangaben-RL) vom 16.02.1998. Sinn und Zweck der Preisangaben-RL ist nach den Erwägungsgründen 1, 2, 6 und 12, einen „transparenten Markt“ zur Gewährleistung eines „hohen Verbraucherschutzniveaus“ durch „transparente und unmissverständliche Informationen der Verbraucher“ zu schaffen, und zwar „anhand einfacher Vergleiche“, womit ein „Preisvergleich erleichtert werden“ soll (vgl. auch EuGH GRUR 2024, 1652 Rn. 22 – Aldi Süd).
71
cc) Zu der Frage, wie und wo die verpflichtende Gesamtpreisangabe i.S.v. § 3 Abs. 1 PAngV zu erfolgen hat, macht § 3 PAngV keine Vorgaben. Die Art und Weise der Preiskennzeichnung unterliegt den Vorgaben in § 1 Abs. 3 PAngV (Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, PAngV § 3 Rn. 28). Die in § 1 Abs. 3 PAngV enthaltenen Regelungen dienen – wie bereits unter Ziffer B.III.1.d) ausgeführt – als „Allgemeiner Teil“ der Preisangabenverordnung.
72
Nach § 1 Abs. 3 S. 1 PAngV hat derjenige, der zu Angaben nach dieser Verordnung verpflichtet ist, diese dem Angebot oder der Werbung eindeutig zuzuordnen sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar zu machen. Dem Erfordernis eindeutiger Zuordnung ist bei Warenangeboten in Geschäften in jedem Fall genügt, wenn sich der Preis entweder auf oder an der Ware befindet (Preisetikett, -anhänger); es genügt aber auch die Beschriftung des Warenregals an der jeweiligen Stelle (MüKoUWG/Ernst, 3. Aufl. 2022, PAngV § 1 Rn. 53; Fezer/Büscher/Obergfell/Wenglorz, 3. Aufl. 2016, Rn. 152). Dabei kann die Zuordnung durch einen klaren und unmissverständlichen Sternchenhinweis geschehen, wenn dadurch die Zuordnung der Angaben in der Werbung gewahrt bleibt und die Angaben gut lesbar und vollständig sind (BGH GRUR 2010, 744 Rn. 35 – Sondernewsletter).
73
Der in § 1 Abs. 3 S. 2 PAngV geregelte Grundsatz der Preisklarheit betrifft die Art und Weise der Preisangaben und bedeutet, dass der Adressat ihn ohne Weiteres erkennen und verstehen kann. Bei Regelungslücken oder Auslegungsschwierigkeit ist – wie bereits ausführt – dann im Zweifel die Art der Auszeichnung zu wählen, die für den durchschnittlichen Verbraucher klar und eindeutig ist. Die Preisklarheit ist in der Regel zu verneinen, wenn der Verbraucher selbst zu Rechenaufgaben gezwungen wird, um den Gesamtpreis zu berechnen (BeckOK UWG/Barth, 28. Ed. 01.04.2025, PAngV § 1 Rn. 24).
74
dd) Nach dem im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung ebenfalls zu beachtenden § 5a Abs. 3 UWG sind bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, zu berücksichtigen.
75
Kommunikationsmittel sind dann räumlich oder zeitlich beschränkt, wenn sie ihrer Art nach oder im konkreten Fall nicht geeignet sind, alle für eine geschäftliche Handlung vorgeschriebenen wesentlichen Informationen an die Verbraucher so weiterzugeben, dass diese sie für eine informierte geschäftliche Entscheidung nutzen können (Köhler/Feddersen/Köhler/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 5a Rn. 3.7). Dabei ist eine räumliche oder zeitliche Beschränkung des Kommunikationsmittels nicht erst dann anzunehmen, wenn es objektiv unmöglich ist, die fraglichen Angaben schon bei der Aufforderung zum Kauf zu machen. Vielmehr ist die Frage, inwieweit der Unternehmer im Rahmen der Aufforderung zum Kauf informieren muss, anhand der Umstände dieser Aufforderung, der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts sowie des verwendeten Kommunikationsmediums zu beurteilen (BGH GRUR 2017, 1269 Rn. 27 – MeinPaket.de II). So kann es im Einzelfall beispielsweise zulässig sein, dass der Unternehmer nur bestimmte dieser Informationen in dem verwendeten Kommunikationsmittel angibt und er für die übrigen Informationen auf seine Website verweist, die die wesentlichen Informationen enthält (EuGH GRUR 2016, 1307 Rn. 63 – Canal Digital).
76
ee) Darüber hinaus kann eine geschäftliche Handlung nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG irreführend sein, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, enthält.
77
Eine divergierende Preisankündigung liegt vor, wenn in verschiedenen, zum gleichen Zeitpunkt getroffenen Werbeaussagen – bspw. in der Zeitungswerbung einerseits und durch die Preisauszeichnung im Regal oder auf der Ware andererseits – unterschiedliche Preise angekündigt, tatsächlich aber nur ein Preis verlangt wird (Köhler/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 5 Rn. 3.39). Hier ist, wenn der Werbende den höheren Preis fordert, die Werbeaussage zu dem niedrigeren Preis irreführend (BGH GRUR 1986, 322 – Unterschiedliche Preisankündigung).
78
Eine Preisspaltung liegt dagegen vor, wenn die gleiche Ware im selben Geschäft unterschiedlich ausgezeichnet ist, ohne dass auf diesen Umstand hingewiesen wird. Eine solche ist in der Regel irreführend, denn die Kunden gehen als Regelfall mit Recht von einer einheitlichen Preisauszeichnung aus (Köhler/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, a.a.O. § 5 Rn. 3.37).
79
b) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs ist die streitgegenständliche Preiskennzeichnung der Beklagten auf den Regalpreisschildern insgesamt nicht irreführend.
80
aa) Ein Verstoß gegen die Grundvorschriften der §§ 3, 4 PAngV scheidet bereits deshalb aus, weil unstreitig alle im Regal befindlichen Packungen mit vorgeschnittenem Käse über Etiketten verfügen, auf denen sämtliche preisangabenrechtlichen Pflichtangaben einschließlich des Gesamtpreises enthalten sind, und § 3 PAngV zu der Frage, wie und wo die verpflichtende Gesamtpreisangabe zu erfolgen hat, keine Vorgaben macht.
81
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin geht es auch nicht am Streitgegenstand vorbei, wenn im Rahmen der Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Zulässigkeit der Preisgestaltung nicht nur die Ausgestaltung der Regalpreisschilder (auch wenn von der Klagepartei ausschließlich die angeblich verwirrende und intransparente Darstellung der Regalpreise gerügt wird), sondern auch die Preisetiketten auf den jeweiligen Käseverpackungen in den Blick genommen werden.
82
Der Streitgegenstand wird durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren der Klagepartei bezieht, dies gilt unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen dieses Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht. Diesen Lebenssachverhalt kann das Gericht unabhängig davon unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten prüfen, ob die Klagepartei ihre Klage auf diese Gesichtspunkte gestützt hat oder nicht (BGH, GRUR 2020, 550 Rn. 14 – Sofort-Bonus II).
83
Vor diesem Hintergrund ist der relevante Lebenssachverhalt nicht auf die Angaben beschränkt, die auf den Regalpreisschildern der Beklagten angebracht sind. Vielmehr ist die gesamte Preiskommunikation am Regal – einschließlich der Angaben auf den Käsepackungen selbst – zu berücksichtigen. Denn im Zeitpunkt der geschäftlichen Entscheidung treten dem Verbraucher nicht allein die Angaben auf dem Regalschild gegenüber, sondern auch die sich in unmittelbarer räumlicher Nähe befindlichen Preisinformationen auf den Produktverpackungen, zumal sich auf den Regalschildern, bei denen der 100-g-Preis angegeben ist, der Verweis „Preis s. Pckg.“ wiederfindet. Dies entspricht auch dem Vortrag der Klagepartei, die auch auf die Preisangaben auf den einzelnen Käseverpackungen Bezug genommen und darüber hinaus mit Anlage K 2 ein Beispiel für die Etikettierung und Preiskennzeichnung der einzelnen Käseverpackungen vorgelegt hat.
84
bb) Ein Verstoß gegen die preisangabenrechtlichen Transparenzgebote ist nicht darin zu sehen, dass die Beklagte auf den Regalpreisschildern für Käse mit unterschiedlichen Gewichtseinheiten neben dem Grundpreis pro Kilogramm den Preis für 100 g blickfangmäßig angibt, obwohl ein Grundpreis von 100 g gesetzlich nicht mehr vorgesehen ist. Denn die nachfolgenden und in die Gesamtwürdigung einzubeziehenden Umstände des Einzelfalls ergeben, dass durch die Regalschilder, bei denen der 100-g-Beispielspreis angegeben ist, für den Durchschnittsverbraucher weder eine Preisunklarheit noch eine Gefahr der Irreführung besteht.
85
(1) Zum einen ist zu berücksichtigen, dass alle Regalpreisschilder bei jenen Produkten, die ein variierendes Nettogewicht aufweisen und daher mit einem 100-Gramm-Preis am Regal gekennzeichnet werden, einen ausdrücklichen Verweis auf den Preis der Produktverpackung („Preis s. Pckg.“) enthalten. Auf einen solchen Hinweis verzichtet die Beklagte jedoch dann, wenn – mangels Varianz im Nettogewicht – bereits am Regal ein (einheitlicher) Gesamtpreis angegeben ist. Außerdem wird die Angabe von 100-Gramm-Preisen auf den Regalschildern dadurch kenntlich gemacht, dass sie mit „100 g-Preis“ überschrieben sind. Durch diese Hinweise wird der Verbraucher hinreichend gewarnt, dass der 100-Gramm-Preis nicht der Gesamtpreis der einzelnen Artikel ist.
86
Durch die individuellen Gesamtpreisangaben auf dem Produkt selbst wird – wie bereits ausgeführt – der angesprochene Verkehr über die Bedeutung der Preise aufgeklärt. Für diesen sind bei den hier streitgegenständlichen Käsesorten mit einem variierenden Nettogewicht die unterschiedlichen Größen der Käsepackungen auch hinreichend ersichtlich; nach der Lebenserfahrung geht er auch davon aus, dass bei einem Produkt mit dem gleichen Grundpreis der Gesamtpreis mit zunehmender Packungsgröße ansteigt.
87
Insofern kann die Rechtsprechung zu Sternchenhinweisen herangezogen werden. Wie bereits ausgeführt, kann eine eindeutige Zuordnung der weiteren Preisangaben zu den herausgestellten Preisangaben durch einen Sternchenhinweis erfolgen, wenn der Sternchenhinweis am Blickfang teilhat und dadurch eine klare und unmissverständliche Zuordnung der weiteren Preisangaben zu den herausgestellten Preisangaben gewahrt bleibt. Diese Voraussetzung ist durch die eindeutige Angabe auf dem Regalpreisschild „Preis s. Pckg.“ erfüllt.
88
(2) Zum anderen ist in die Würdigung einzustellen, dass bei fertig verpackten Lebensmitteln mit unterschiedlichem Nettogewicht ein einheitlicher Gesamtpreis an der Regalauszeichnung wegen der räumlichen Beschränkung des Kommunikationsmittels nicht möglich wäre. Die Beklagte trägt vor, dass im Fall der von ihr angebotenen „Butterkäse Scheiben“ bei einer Auszeichnung aller konkreten Gesamtpreise am Regal das Schild wie folgt aussehen würde:
89
Solche Preisangaben wären dem Informationsinteresse des Verbrauchers nicht zu-, sondern abträglich.
90
Zwar ist der Einwand der Klägerin zutreffend, dass die Beklagte zum einen gar keine Regalpreisschilder verwenden müsse und sich zum anderen auf dem Preisschild am Regal auf die Angabe des Grundpreises und die Information beschränken könne, dass sich der Gesamtpreis auf der Ware befindet. Dies steht jedoch im Widerspruch zum Ansatz des Preisangabenrechts, wonach die Pflichtangaben der PAngV grundsätzlich durch freiwillige Preisangaben ergänzt werden dürfen (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Weidert, 5. Aufl. 2021, PAngV § 4 Rn. 8). Darüber hinaus kann die Angabe eines 100-Gramm-Preises durchaus eine informative Orientierungshilfe für den Verbraucher darstellen, da die meisten Käsepackungen in der Größenordnung von 100 g angeboten werden.
91
cc) Ein Verstoß gegen die preisangabenrechtlichen Transparenzgebote besteht auch nicht darin, dass die Beklagte – neben der Angabe des 100-g-Preises bei Käse mit unterschiedlichen Gewichtseinheiten – bei Käse mit einheitlichen Gewichtseinheiten den Gesamtpreis blickfangmäßig hervorgehoben angibt.
92
(1) Zwar sieht die Beklagte in demselben Warenregal in Bezug auf die gleiche Art von Lebensmitteln (Käse) zwei verschiedene hervorgehobene Preisangaben vor, die einen unterschiedlichen Informationswert haben: Der jeweils hervorgehobene Preis auf den Regalpreisschildern betrifft entweder einen Gesamtpreis oder einen Orientierungspreis pro 100 g. Diese Art der Preisdarstellung kann einen Preisvergleich erschweren, was grundsätzlich dem Sinn und Zweck der Preisangabenvorschriften widerspricht. Denn der Verbraucher muss, wenn er sich mit den unterschiedlichen Regalpreisschildern konfrontiert sieht, zunächst einmal durch analytische Prüfung ermitteln, welchen Aussagewert der ihm angezeigte hervorgehobene Preis überhaupt hat.
93
(2) Die nachfolgenden und in die Gesamtwürdigung einzubeziehenden Umstände des Einzelfalls ergeben jedoch, dass auch dieser Aspekt nicht zur Unlauterkeit der Preisauszeichnung führt.
94
(a) Zum einen ist zu berücksichtigen, dass sich entgegen des klägerischen Vorwurfs am Regal der Beklagten nicht drei, sondern lediglich zwei Formen der Preiskennzeichnung befinden. Denn – wie bereits ausgeführt – ist auch bei den „Saint Albray“-Käsevarianten auf dem Regalpreisschild der Gesamtpreis von 3,39 € angegeben. Die von der Klägerin befürchtete Verwirrung des Verbrauchers ist bereits vor dem Hintergrund – dass es die von ihr behauptete dritte Form der Preisauszeichnung der Angabe eines einzelnen (willkürlichen) Gesamtpreises für mehrere Gewichtseinheiten nicht gibt – deutlich vermindert.
95
Eine andere Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund veranlasst, dass das Regalpreisschild für den Käse der Marke „Saint Albray“ dem Verbraucher in einer leicht anderen Aufmachung gegenübertritt, da auf diesem Preisschild neben dem blickfangmäßig hervorgehobenen Gesamtpreis drei Grundpreise pro Kilogramm angegeben sind. Denn es handelt sich dabei um zutreffende Preisangaben, da es für dieses Käseprodukt zwar drei unterschiedliche Grundpreise, aber den für alle Produkte einheitlich geltenden (wegen unterschiedlicher Grammaturen) Verkaufspreis von 3,39 € gibt. Dies ist für den Verbraucher auch nicht verwirrend oder intransparent, da er mangels weiterer Angaben auf dem Regalpreisschild nicht im Zweifel darüber gelassen wird, dass es sich bei dem blickfangmäßig hervorgehobenen Preis um den Gesamtpreis handelt.
96
(b) Zum anderen ist zu beachten, dass beide von der Beklagten verwendeten Preisangaben – sowohl die Angabe eines Gesamtpreises als auch die Angabe des 100-Gramm-Preises – mit den Vorgaben der Preisangabenverordnung im Einklang stehen. Damit die Kombination von zulässigen und für sich genommen transparenten Preiskennzeichnungen dazu führt, dass eine Irreführung des Verbrauchers nach § 5 a Abs. 1 und § 5b Abs. 4 UWG angenommen werden kann, müssen besondere Umstände vorliegen, die im Streitfall nicht gegeben sind.
97
(c) Darüber ist im vorliegenden Fall in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, dass die Voraussetzungen einer nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG irreführenden divergierenden Preisankündigung oder einer Preisspaltung nicht gegeben sind. Insbesondere wird in dem Geschäft der Beklagten die gleiche Ware nicht ohne entsprechenden Hinweis unterschiedlich ausgezeichnet. Vielmehr wird – wie bereits ausgeführt – bei jenen Produkten, die ein variierendes Nettogewicht aufweisen und daher mit einem 100-Gramm-Preis am Regal gekennzeichnet sind, auf dem Regalpreisschild hinreichend auf den Umstand hingewiesen, dass es sich um einen „100 g-Preis“ handelt und sich der Gesamtpreis auf der jeweiligen Käsepackung befindet („Preis s. Pckg.“). Durch diese unterschiedliche Gestaltung der Preisetikette am Regal wird für den Durchschnittsverbraucher die alternative Angabe von Gesamtpreisen oder 100-Gramm-Preisen auf den Regalschildern hinreichend deutlich. In diesem Zusammenhang kann nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die von der Klagepartei gerügte fehlende Einheitlichkeit der Regalpreisauszeichnung vor dem Hintergrund unterschiedlicher Sachverhalte – Käsepackungen mit variierendem und einheitlichem Nettogewicht – aus der Natur der Sache ergibt.
98
(d) Zu berücksichtigen ist schließlich, dass – wie ebenfalls bereits ausgeführt – unstreitig alle im Regal befindlichen Packungen mit vorgeschnittenem Käse über Etiketten verfügen, auf denen sämtliche preisangabenrechtliche Pflichtangaben enthalten sind. Auch sind die Regalpreisetikette der Beklagten hinreichend deutlich unterschiedlich gestaltet. Dem Verbraucher wird damit genügend vor Augen geführt, dass die Beklagte am Regal mit hervorgehobenen Preisen in zwei Formen wirbt.
99
(e) Soweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass die streitgegenständliche Art und Weise der Preisangaben – auf den Regalpreisetiketten bei Käse mit unterschiedlichen Gewichtseinheiten den 100-g-Preis und bei Käse mit einheitlichen Gewichtseinheiten den Gesamtpreis blickfangmäßig hervorgehoben anzugeben – mit einer gewissen Erschwerung bei der Ermittlung des Gesamtpreises verbunden ist, führt dies nicht dazu, dass die Preisauszeichnung nicht hinreichend klar und eindeutig ist. Entscheidend ist, dass in der Gesamtschau der durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Verbraucher sich die Bedeutung und die unterschiedlichen Kennzeichnungsweisen ohne weiteres erschließen kann. Dies ist vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zu bejahen.
V.
100
Die Erstattungsfähigkeit der Abmahnkosten ergibt sich aus § 13 Abs. 3 UWG. Dass sich die Klägerin für die Abmahnung der Hilfe der Klägerbevollmächtigten bedient hat, steht dem geltend gemachten Anspruch auf Zahlung der Abmahnpauschale in Höhe von 243,51 € brutto nicht entgegen (vgl. OLG Nürnberg WRP 2024, 256 Rn. 30). Auch ist nach gefestigter Rechtsprechung eine Kostenpauschale auch dann in voller Höhe zu zahlen, wenn die Abmahnung nur teilweise berechtigt war (BGH GRUR 2009, 1064 Rn. 47 – Geld-zurück-Garantie II; GRUR 2009, 413 Rn. 31 – Erfokol-Kapseln; GRUR 2010, 744 Rn. 51 – Sondernewsletter). Einwände gegen die Berechnung der Höhe der Abmahnpauschale von 243,51 € sind weder dargetan noch ersichtlich.
C.
101
Der Streitwert wurde in Anwendung der Grundsätze der § 3 ZPO, § 47, § 48, § 51 Abs. 2 GKG bestimmt und entspricht der erstinstanzlichen Festsetzung, gegen die sich die Parteien nicht gewandt haben. Dabei entfallen 25.000,00 € auf Unterlassungsantrag Ziffer 1. und 22.000,00 € auf Unterlassungsantrag Ziffer 2.
102
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
103
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 709, § 711 ZPO.