Titel:
Erfolglose Klage wegen angeblich unautorisierter Offenlegung sensibler Informationen
Normenketten:
ZPO § 253, § 256
DSGVO Art. 6, Art. 82
Leitsatz:
Das Gericht hält die Behauptung des Klägers, bei ihm habe sich nach Erhalt der Auskunft über die Positivmitteilung (Mitteilung des Abschlusses eines Telekommunikationsvertrages an einen Dritten) ein Gefühl des Kontrollverlustes und der großen Sorge, auch in Bezug auf die Beurteilung seiner Bonität eingestellt sowie eine Stigmatisierung ergeben, weil seine finanzielle Zuverlässigkeit in Frage gestellt worden sei, für "schlichtweg konstruiert". (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klagezulässigkeit, Klagebegründetheit, Schadensersatzanspruch, Kontrollverlust, Datenübermittlung, Unterlassungsanspruch, Feststellungsinteresse
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 17.07.2025 – 16 U 540/25
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 17960
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 6.500,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Ansprüche der Klagepartei gegen die Beklagte aus der Übermittlung von Daten. Die Beklagte erbringt unter „***.de“ Telekommunikationsdienstleistungen. Sie ist für die in diesem Zusammenhang erfolgenden Datenverarbeitungen datenschutzrechtlich verantwortlich. Am 03.03.2020 schlossen die Parteien einen Mobilfunkvertrag, der bei der Beklagten unter der Nummer C4778*** geführt wird. Die Beklagte wies die Klagepartei bei Abschluss des Vertrages auf die beabsichtigte Übermittlung sogenannter Positivdaten an die *** Holding AG (im Folgenden: ***) hin:
„Die *** Online GmbH übermittelt im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses erhobene personenbezogene Daten über die Beantragung, die Durchführung und Beendigung dieser Geschäftsbeziehung sowie Daten über nicht vertragsgemäßes Verhalten oder betrügerisches Verhalten an die *** AG, ***. Rechtsgrundlagen dieser Übermittungen sind Art. 6 I b) und Art. 6 I f) DSGVO. Übermittlungen auf der Grundlaqe von Art. 6 I f) DSGVO dürfen nur erfolgen, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen der **** GmbH oder Dritter erforderlich ist und nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Der Datenaustausch mit der *** dient auch der Erfüllung gesetzlicher Pflichten zur Durchführung von Kreditwürdigkeitsprüfungen von Kunden (§§ 505a, 506 BGB).
Die *** verarbeitet die erhaltenen Daten und verwendet Sie auch zum Zwecke der Profilbildung (Scoring), um Ihren Vertragspartnern im Europäischen Wirtschaftsraum und in der Schweiz sowie ggf. weiteren Drittländern (sofern zu diesen ein Angemessenheitsbeschluss der Europäischen Kommission besteht; Informationen unter anderem zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit von natürlichen Personen zu geben. Nähere Informationen zur Tätigkeit der *** können dem *** Informationsblatt nach Art. 14 DS-GVO entnommen werden.“
2
Hierzu wird auf Anlage B2 Bezug genommen.
3
Die Erteilung einer entsprechenden Einwilligung durch die Klagepartei erfolgte nicht.
4
Am 04.03.2020 meldete die Beklagte der *** den Abschluss eines Telekommunikationsvertrages durch die Klagepartei und übermittelte hierzu das Servicekonto unter der Nummer 17500***. Diese Information werde, so hieß es zum Zeitpunkt der Eintragung, gespeichert, solange die Geschäftsbeziehung bestehe.
5
Die *** gab am 19.10.2023 bekannt, die übermittelten Positivdaten zu löschen.
6
Die von der Klagepartei angeforderte und dieser am 19.10.2023 erteilte ***-Selbstauskunft vom 12.10.2023 wies den Eintrag den streitgegenständlichen Mobilfunkvertrag betreffend noch auf. Für die Klagepartei war zum Stand 06.10.2023 ein Basis-Score von 97,28% ermittelt worden.
7
Die Beklagte gab gegenüber der Klagepartei keine strafbewehrte Unterlassungserklärung hinsichtlich der streitgegenständlichen Datenübermittlung ab.
8
Die Klagepartei holte seit der Löschungsankündigung keine neue Auskunft bei der *** mehr ein.
9
Die Klagepartei behauptet, die unautorisierte Offenlegung der sensiblen Informationen des Klägers habe beim Kläger eine Vielzahl von negativen Emotionen und Ängsten hervorgerufen, die seine Lebensqualität erheblich beeinträchtigen würden. Der Kläger fühle sich hilflos und ausgeliefert, da er keine Kontrolle darüber habe, welche Dienstleister nun Zugriff auf seine persönlichen Daten habe. Dieser Kontrollverlust löse bei ihm große Ängste und sogar Angstzustände aus. Besonders belastend sei für den Kläger die Tatsache, dass sein zukünftiges finanzielles Wohlergehen von einem Scoring abhänge, über das er keinerlei Informationen besitzt. Die Vorstellung, dass Personen mit einem guten Scoring bevorzugt behandelt werden könnten, bereite ihm Unwohlsein und führe zu Schlafstörungen. Die ständige Sorge um seine Bonität und die Frage, ob er seinen zukünftigen finanziellen Verpflichtungen nachkommen könne, belasten den Kläger Tag für Tag. Darüber hinaus erschüttere den Kläger das Ausmaß der Weitergabe seiner Daten ohne sein Wissen und Einverständnis. Sein Vertrauen in den Umgang mit seinen persönlichen Informationen sei zutiefst erschüttert, da er nicht wisse, wer sonst noch Zugriff auf seine Daten habe und wie sie verwendet werden. Diese Unsicherheit führt dazu, dass der Kläger auch das Vertrauen in potenzielle Vertragspartner verliere. Die ständige Angst davor, dass sich sein Scoring verschlechtern könnte und er dadurch keine Verträge oder Kredite mehr abschließen könne, belaste den Kläger enorm. Er fühle sich machtlos und zweifele an seiner Kontrolle über seine eigenen persönlichen Daten. Insgesamt fühle sich der Kläger von der Auskunftei und dem Mobilfunkanbieter im Stich gelassen und allein gelassen. Die Tatsache, dass er absolut keine Kontrolle über seine eigenen persönlichen Daten bei der Auskunftei habe, verstärke seine Ängste und Sorgen noch weitere Vertragspartner verliere. Es sei für den Kläger unerträglich, dass seine persönlichen Daten so leichtfertig weitergegeben werden und er keinerlei Einfluss darauf habe. Diese Situation belaste ihn täglich und er hoffe inständig, dass sich in Zukunft etwas an diesem untragbaren Zustand ändern werde.
10
Der Kläger behauptet ferner, dass seine Beunruhigung vor allem dadurch hervorgerufen sei, dass ihr von der *** Bank ohne Begründung kurz vor der Einholung der ***-Auskunft die Finanzierung eines Fernsehers im Wert von ca. 800 € abgelehnt worden sei. Er vermute, dies hänge mit dem auch durch die Einmeldung der Positivdaten entstandenen zu schlechten Score zusammen.
11
Die Klagepartei ist der Ansicht, die Datenübermittlung an die *** sei unrechtmäßig gewesen, Art. 6 Abs. 1, Art. 5 Absatz 1 lit.a) DSGVO. Durch die unbefugte Weitergabe sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klagepartei in Gestalt des Rechts auf Sicherheit der persönlichen Daten (Art. 8 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 16 Abs. 1 AEUV, DSGVO Erwägungsgrund 1 und 2) sowie des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt worden. Schon durch die unrechtmäßige Weitergabe von Daten sei ein immaterieller Schaden eingetreten. Allein aufgrund des sich ergebenden Kontrollverlusts für den Kläger sei bereits ein Schaden eingetreten. Jedenfalls aus den übrigen Folgen ergebe sich ein immaterieller Schaden.
12
Die Klagepartei ist weiterhin der Auffassung, die Übermittlung der Daten sei nicht zur Senkung von Betrugsrisiken erforderlich gewesen. Insoweit habe die Datenschutzkonferenz bereits in Beschlüssen vom 11.06.2018 und vom 22.09.2021 festgestellt, dass Kreditauskunfteien in Bezug auf die Erhebung und Weiterverarbeitung von Positivdaten von Mobilfunkunternehmen kein berechtigtes Interesse hätten. Die Klagepartei ist der Ansicht, die Wiederholungsgefahr sei durch die Löschungsankündigung der *** nicht entfallen. Weiter bestehe ein Feststellungsinteresse, da künftige Schäden noch nicht absehbar seien.
13
Die Klagepartei konkretisierte mit Schriftsatz vom 06.05.2024 ihr ursprünglich in der Klage vom 03.01.2024 gestellten Anträge aus Ziff. 2) und 3).
14
Die Klagepartei beantragt zuletzt,
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz für einen immateriellen Schaden in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch EUR 5.000,00 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
- 2.
-
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien, namentlich *** AG, K*** 5, 6*** W***, zu übermitteln ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken.
- 3.
-
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen materiellen Schäden und künftigen derzeit noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch die unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten entstehen.
- 4.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 Euro zu zahlen.
15
Die Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
16
Die Beklagte wendet ein, dass die von der Beklagten an die *** übermittelten Daten der ***, abgesehen von dem Bestehen des Mobilfunkvertrages, schon vor der Einmeldung der Positivdaten bekannt gewesen seien, da infolge des erforderlichen SEPA-Lastschriftmandats die übrigen Daten der *** bereits vor Vertragsabschluss und damit vor Übermittlung der Positivdaten übermittelt wurden.
17
Die Beklagte wendet ferner ein, sie sei nach dem Gegenseitigkeitsprinzip zur Datenübermittlung an die *** verpflichtet gewesen. Die übermittelten Positivdaten dienten der Betrugsprävention, die beispielsweise bei mehreren zeitgleich abgeschlossenen Mobilfunkverträgen zum Tragen komme, der Überschuldungsprävention und der Ermöglichung von präziseren Ausfallrisikoprognosen. Gleiches gelte für die Frage, ob eine Person mit den bei Vertragsschluss angegebenen Personalien überhaupt existiere.
18
Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei gemäß Art. 6 Abs. 1 lit.f) DSGVO zur Meldung berechtigt gewesen. Die Klagepartei habe keine entgegenstehenden Interessen dargelegt. Eine Wiederholungsgefahr bestehe überdies nicht. Die Beklagte habe die Anmeldung von Positivdaten nämlich aufgegeben. Weiter vertritt die Beklagte die Ansicht, ein Feststellungsinteresse sei vorliegend nicht gegeben. Ein Schaden sei offensichtlich noch nicht eingetreten. Negative Folgen seien erst bei Übermittlung eines unzutreffenden Scores an Dritte zu befürchten.
19
Für die Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2025 Bezug genommen. Das Gericht hat keinen Beweis erhoben. Die Klagepartei ist informatorisch angehört worden.
Entscheidungsgründe
20
Die zulässige Klage ist unbegründet.
21
A. Die Klage ist zulässig.
22
1. Das Landgericht Nürnberg-Fürth nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und nach § 39 Satz 1 ZPO international und örtlich zuständig (vgl. Zöller/Schultzky, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, Rdnr. 4 zu § 39 ZPO mit weiteren Nachweisen).
23
2. Der Unterlassung- und der Feststellungsantrag sind, jedenfalls in ihrer zuletzt gestellten Fassung, entgegen der Auffassung der Beklagten, hinreichend bestimmt iSd § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind, sich die Beklagte erschöpfend verteidigen kann und nicht dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung überlassen bleibt, was dem Beklagten aufgegeben oder verboten ist (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, § 253 Rn. 13). Der Umfang eines etwaigen Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruches ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit.
24
3. Es kann dahin stehen, ob für den Feststellungsantrag in Ziff. 3. ein besonderes Feststellungsinteresse iSd § 256 ZPO besteht, weil die Klage unbegründet ist (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 52. Ed. 1.12.2024, ZPO § 256 Rn. 16).
25
B. Die Klage ist unbegründet.
26
1. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf den begehrten immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Insoweit kann dahinstehen, ob die Übermittlung der Positivdaten durch die Beklagte an die *** tatsächlich eine unrechtmäßige Datenverarbeitung im Sinne von Art. 6 DSGVO darstellt. Denn die Klagepartei konnte nicht zur Überzeugung der Einzelrichterin belegen, dass ihr hierdurch ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist.
27
Nach der informatorischen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2025 konnte sich das Gericht keine Überzeugung dahingehend bilden, dass der Kläger einen kausal auf die behaupteten Verstöße zurückzuführenden Schaden erlitten hat.
28
Nach allgemeinen Grundsätzen obliegt es dem Kläger, die (Mit-) Ursächlichkeit des – vermeintlichen – Verstoßes für die geltend gemachten Schäden darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
29
a) Wie das Landgericht Aschaffenburg in seinem Urteil vom 23.12.2024, Az. 62 O 194/23, zitiert nach juris, Rn. 70 ff.) zutreffend ausführt, setzt ein Anspruch auf Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO Folgendes voraus:
30
Der EuGH hat am 04.05.2023 hierzu grundsätzlich zunächst entschieden, dass Art. 82 DSGVO dahin auszulegen ist, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, Az. C-300/21, NZA 2023, 621, dort Rn. 42). Es geht aus dem Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DSGVO klar hervor, dass das Vorliegen eines „Schadens“ eine der Voraussetzungen für den in dieser Bestimmung vorgesehenen Schadenersatzanspruch darstellt, ebenso wie das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DSGVO und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO für sich genommen den Schadensersatzanspruch der betroffenen Person im Sinne von Art. 4 Nr. 1 dieser Verordnung eröffnet. Eine solche Auslegung liefe dem Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zuwider (EuGH, Urteil v. 04.05.2023, Az. C-300/21, NZA 2023, 621 Rn. 32, 33; vgl. auch LG Köln, Urteil vom 10.04.2024, Az. 28 O 395/23 dort Seite 10, und LG Frankfurt, Urteil vom 19.03.2024, Az. 2-10 O 691/23). Insofern muss konkret festgestellt werden, dass die – vom Anspruchssteller zu beweisenden – Folgen einen Schaden darstellen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, Az. C-300/21; LG Ulm, Urteil vom 27.05.2024, Az. 2 O 8/24).
31
Ferner ist festzuhalten, dass eine „Erheblichkeitsschwelle“ für das Vorliegen eines solchen Schadens sich dabei nicht aus der DSGVO ergibt. Bagatellschäden sind folglich nicht auszuschließen. Zu verlangen ist aber jedenfalls, dass ein konkreter immaterieller Schaden auch tatsächlich eingetreten („entstanden“) ist (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.03.2022, 13 U 206/20, GRUR-RS 2022, 4491 Rn. 61 ff.; vgl. auch LG Gießen, Urteil vom 03.04.2024, Az. 9 O 523/23, m.w.N.).
32
Insoweit hat der BGH im Zusammenhang mit den Scrapingvorfall bei Meta entschieden, dass immaterieller Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO auch der bloße und kurzzeitige Verlust der Kontrolle über eigene personenbezogene Daten infolge eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung sein kann. Weder muss eine konkrete missbräuchliche Verwendung dieser Daten zum Nachteil des Betroffenen erfolgt sein noch bedarf es sonstiger zusätzlicher spürbarer negativer Folgen (vgl BGH 18.11.2024, VI ZR 10/24). Der Entscheidung zugrunde lag allerdings ein sogenannter Scraping-Fall, mithin ein Sachverhalt, bei dem personenbezogene Daten (insbesondere auch Telefonnummern) von unbekannten und unbefugten Dritten abgegriffen und potentiell genutzt werden konnten und damit mutmaßlich der Öffentlichkeit zugänglich waren.
33
b) Der formelhafte schriftsätzliche nicht auf die Person des Klägers individualisierte Vortrag genügt allerdings nicht, um einen Schaden in diesem Sinne festzustellen. Die Behauptung des Klägers, bei ihm habe sich nach Erhalt der Auskunft der *** wegen der Positivmitteilung der Beklagten ein Gefühl des Kontrollverlustes und der großen Sorge, auch in Bezug auf die Beurteilung seiner Bonität eingestellt sowie eine Stigmatisierung ergeben, weil seine finanzielle Zuverlässigkeit in Frage gestellt worden sei, ist schlichtweg konstruiert. Da in Deutschland jeder Erwachsene üblicherweise über einen Mobilfunkvertrag verfügt, hebt die Information, dass der Kläger auch einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen hat, ihn in keiner Weise von Millionen anderer in Deutschland lebender Erwachsenen ab. Ferner ergibt sich aus den Positivdaten ausschließlich der Abschluss eines Mobilfunkvertrages, aber nichts zu seiner in diesem Zusammenhang bestehenden oder etwaig nicht bestehenden finanziellen Zuverlässigkeit. Damit kann diese Information anderen Teilnehmern am Wirtschaftsverkehr wie Banken und Versicherungen auch keinen Anlass geben zu kritischer Nachfrage. Soweit der Kläger einen „objektiv falschen“ bzw. einen „beeinflussten“ ***-Score oder auch eine „Veränderung in der Bonitätsbewertung“ geltend macht, überzeugt auch dies nicht, da insoweit vom Kläger in keinster Weise die Kausalität zwischen den eingemeldeten positiven Daten und den Auswirkungen auf den ***-Score dargelegt oder gar bewiesen wurde und es daher nur eine Mutmaßung sein kann, dass sich die eingemeldeten positiven Daten negativ auf den ***-Score tatsächlich ausgewirkt haben. Ferner bleibt es eine vage Behauptung, dass dem Kläger die Finanzierung des Fernsehers, wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, aufgrund eines etwaig zu schlechten ***-Scores verwehrt wurde. Auch ist mit Blick auf den hohen ***-Score des Klägers bereits nicht ersichtlich, inwiefern die Einmeldung von Positivdaten hier beim Kläger zu einem über die bloße behauptete unbefugte Weitergabe der Daten, die selbst keinen Schaden für sich begründet, hinausgehenden Schaden führen sollten. Ferner ist für das Gericht kein Kontrollverlust, wie er vom BGH in den Scraping-Fällen festgestellt wurde, ersichtlich. Anders als in den Scraping-Fällen haben nicht Unbekannte mehrere personenbezogene Daten abgegriffen, deren weitere Verwendung völlig unklar blieb. Vielmehr geht es um ein einziges personenbezogenes Datum (Abschluss eines Mobilfunkvertrags), das an die *** gemeldet wurde, die möglicherweise diese Daten auch zur Erstellung des ***-Scores verwendet. Ein entsprechender weitgehender Verlust der Kontrolle über die eigenen personenbezogenen Daten wie in den Scraping-Fällen ergibt sich für das Gericht in dieser Konstellation nicht, sodass der für diese Form von Schaden vorauszusetzende Kontrollverlust nicht zur Überzeugung des Gerichts festzustellen ist.
34
Ein Schadensersatzanspruch des Klägers kann aus Art. 82 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO nach alledem nicht hergeleitet werden.
35
2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Unterlassung zu. Die Einzelrichterin schließt sich hierbei der insoweit ebenfalls zutreffenden Begründung des Landgerichts Aschaffenburg im Urteil vom 23.12.2024, Az. 62 O 194/23, zitiert nach juris, Rn. 82 ff, an.
36
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich ein solcher Anspruch aus Art. 17 DSGVO (ablehnend LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.11.2024, Az. 6 O 1191/24) oder aus §§ 823, 1004 BGB oder §§ 280 Abs. 1, 241, 1004 BGB, jeweils i.V.m. Art. 6 Abs. 1 DSGVO, überhaupt ergibt, denn der Unterlassungsantrag ist jedenfalls zu weit gefasst.
37
Streitgegenständlich begehrt der Kläger von der Beklagten, es zu unterlassen, Positivdaten des Klägers an Kreditauskunfteien weiterzuleiten, ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken. Die Stattgabe eines solchen Antrages würde zu einem allgemeinen Verbot der Übermittlung von Positivdaten von Mobilfunknutzern an Wirtschaftsauskunfteien führen. Dies erweist sich aber als zu weitgehend, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Datenübermittlung aus Gründen der Betrugsprävention bei datenschutzkonformer Ausgestaltung des Prozesses im berechtigten Interesse des Verantwortlichen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO liegen kann (vgl. LG Ulm, Urteil vom 27.05.2024, Az. 2 O 8/24; so auch OLG Köln, Urteil vom 03.11.2023, Az. 6 U 58/23; LG Frankfurt, Urteil vom 19.03.2024, Az. 2-10 O 691/23; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 30.04.2024, Az. 7 O 6632/23). Der Kläger führt hierzu sogar selbst aus, dass eine Datenbank entsprechend dem in der Versicherungsbranche bestehenden Hinweis- und Informationssystem auf das nur Telekommunikationsunternehmen Zugriff hätten, ein – aus ihrer Sicht wohl zulässiges – milderes Mittel wäre, als die Meldung an die ***. Schon dies zeigt, dass der streitgegenständliche Unterlassungsantrag, der auch eine entsprechende Meldung an diese Datenbank verbieten würde, zu weit gefasst ist (vgl. auch LG Ulm, Urteil vom 27.05.2024, Az. 2 O 8/24; LG Hagen, Urteil vom 22.07.2024, 3 O 196/23).
38
Die Formulierung „insbesondere“ im Klageantrag lässt zudem offen, welche weiteren Fallgestaltungen umfasst sein sollen. Auch dies steht der erforderlichen Bestimmtheit entgegen.
39
3. Der Kläger hat zudem auch keinen Anspruch auf eine Feststellung der Ersatzpflichtigkeit der Beklagten für die geltend gemachten Zukunftsschäden. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte für kausale zukünftige materielle oder immaterielle Schäden als Folge der gegenständlichen Datenübermittlung. Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt und bewiesen, dass die Möglichkeit eines künftigen Schadens besteht. Eine negative Auswirkung des streitgegenständlichen Eintrags entweder für den Score des Klägers oder auch in tatsächlicher Hinsicht für (potentielle) Vertragsabschlüsse oder sonstige Geschäftsbeziehungen wurde nicht hinreichend konkret dargelegt. Zudem hat die *** in einer Pressemitteilung vom 19.10.2023 mitgeteilt, dass sie sich entschieden habe, die Telekommunikationsdaten aus den Konten demnächst zu löschen. Der Kläger hat nicht dargelegt oder nachgewiesen, dass eine solche Löschung nicht erfolgt ist, was z.B. über die Vorlage einer weiteren Auskunft der *** ohne Weiteres möglich gewesen wäre (vgl. LG Aschaffenburg, Urteil vom 23.12.2024, Az. 62 O 194/23, zitiert nach juris, Rn. 87 ff.).
40
Indes hat er in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, diese Löschung bisher nicht durch Einholung einer weiteren Auskunft geprüft zu haben.
41
4. Die Nebenforderungen folgen dem Schicksal der Hauptforderung.
42
5. Die Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 91 ZPO.
43
6. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
44
7. Die Festsetzung des Streitwertes auf insgesamt 6.500,00 € beruht auf aus §§ 63 Abs. 2, 48 GKG, § 3 ZPO. Für die Begründung werden die zutreffenden nachfolgend zitierten Ausführungen des Landgerichts Aschaffenburg, die sich die Einzelrichterin zu eigen macht, im Urteil vom 23.12.2024 (Az. 62 O 194/23, zitiert nach juris, Rn. 95 ff.) herangezogen:
„Der Streitwert für den Antrag Ziffer 1 ist gem. § 3 ZPO auf 5.000,00 € festzusetzen.
Für die Anträge Ziffer 2 und 3 zieht das Gericht die Entscheidung des OLG Koblenz, Urt. v. 18.5.2022, Az. 5 U 2141/21, heran, wo zur Kompensation des immateriellen Schadens im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei festgestelltem Verstoß gegen Art. 6 DSGVO (unberechtigter Negativeintrag) und ansonsten ähnlicher Begründung ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 Euro für angemessen, aber auch ausreichend erachtet wurde, um einerseits der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion zu genügen, und andererseits der generalpräventiven Funktion des immateriellen Schadensersatzes hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.).
Vor diesem Hintergrund erscheint es angemessen, den auf wiederholte Verletzungen abzielenden Unterlassungsantrag, Ziffer 2 der Klage, mit 1.000,00 Euro zu bemessen, den Feststellungsantrag, Ziffer 3 der Klage, mit 500,00 Euro (ebenso LG Konstanz, Urteil vom 21.06.2024 – Az. D 2 O 269/23, GRUR-RS 2024, 14360 Rn. 69).
Der Antrag Ziffer 4 ist nicht streitwertrelevant (§ 4 Abs. 1 Hs. 2 Var. 4 ZPO).“