Titel:
Herstellung der objektiven Eignung durch Veränderung der Softwarekonfiguration
Normenketten:
PatG § 143, § 139 Abs. 1 S. 1, § 139 Abs. 2, § 140 a Abs. 1 und 3, § 140 b Abs. 1 und 3, § 9 S. 2 Nr. 1
ZPO § 32, § 256 Abs. 1 § 261 Abs. 3 Nr. 1
EuGVVO Art. 7 Nr. 2
BGB § 242, § 259
EPÜ Art. 64 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Anspruch ist bereits dann verwirklicht, wenn die Merkmale der angegriffenen Ausführungsform objektiv geeignet sind, die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen zu erreichen. Eine Patentverletzung liegt auch vor, wenn eine Vorrichtung regelmäßig so bedient wird, dass die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen nicht erzielt werden. Die Patentverletzung entfällt in diesem Fall selbst dann nicht, wenn der Hersteller oder Lieferant seinen Abnehmern ausdrücklich eine andere Verwendung seiner Vorrichtung empfiehlt, solange die Nutzung der patentgemäßen Lehre möglich bleibt. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Eignung zur patentgemäßen Verwendung liegt grundsätzlich nicht vor, wenn diese erst durch zusätzliche (Umbau-)Maßnahmen (insbesondere tiefgreifende Eingriffe in die Software und damit Änderung der Steuerung, Hinzufügung von Komponenten oder Änderung der Konfiguration, etwa durch Aufspielen von Software) erreicht wird. Anders ist es, wenn die Vorrichtung aufgrund ihrer Mächtigkeit grundsätzlich geeignet ist, diesen Zweck oder diese Funktion zu erfüllen, und die entsprechende Funktion in den Werkseinstellungen zwar (noch) nicht aktiviert ist, sich aber über die Benutzeroberfläche in den Einstellungen („settings“) von den angesprochenen Abnehmern (einfach) einstellen lässt, insbesondere wenn im beiliegenden Handbuch dargestellt und/oder erläutert ist, wie dies geht. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auskunft und Rechnung sind in elektronischer Form zu erteilen bzw. zu legen. (Rn. 78) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Patentverletzung, Unterlassungsanspruch, Schadensersatzfeststellung, Auskunftsanspruch, Vernichtungsanspruch, Rückrufpflicht, Verjährung
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 15588
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 zu unterlassen,
- 1.1.1.1.
-
Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen zwischen einer Basisstation und einem Netzendgerät eines Funkübertragungsnetzes insbesondere eines Mobilfunknutzes, ausgebildet als Multiband-Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen unterschiedlicher Frequenzbänder, mit einem Sender, der dazu eingerichtet ist, die Kommunikationssignale zu einem Netzendgerät auszusenden, mit einem Sensor zu Detektion eines Schaltsignals sowie mit einer Steuereinheit, die dazu ausgebildet ist, den Sender abhängig von dem Schaltsignal zwischen einem passiven und einem aktiven Betriebszustand umzuschalten, wobei seine Sendeleistung in dem passiven Betriebszustand geringer als in dem aktiven Betriebszustand ist,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn der Sensor dazu ausgebildet ist, für jedes Frequenzband separat jeweils ein Schaltsignal zu detektieren, wobei die Steuereinheit dazu ausgebildet ist, den Sender abhängig von dem jeweiligen Schaltsignal für jedes Frequenzband separat zwischen dem passiven und dem aktiven Betriebszustand umzuschalten wobei der Sensor zur Detektion einer Lichtintensität, eines akustischen Signals, einer Bewegung oder einer Beschleunigung ausgebildet ist.
(Anspruch 1 des DE 50 2009 005 919 C5)
- 2.2.2.2.
-
Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen zwischen einer Basisstation und einem Netzendgerät eines Funkübertragungsnetzes, insbesondere eines Mobilfunknutzes, ausgebildet als Multiband-Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen unterschiedlicher Frequenzbänder, mit einem Sender, der dazu eingerichtet ist, die Kommunikationssignale zu einem Netzendgerät auszusenden, mit einem Sensor zu Detektion eines Schaltsignals sowie mit einer Steuereinheit, die dazu ausgebildet ist, den Sender abhängig von dem Schaltsignal zwischen einem passiven und einem aktiven Betriebszustand umzuschalten, wobei seine Sendeleistung in dem passiven Betriebszustand geringer als in dem aktiven Betriebszustand ist,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn der Sensor dazu ausgebildet ist, für jedes Frequenzband separat jeweils ein Schaltsignal zu detektieren, wobei die Steuereinheit dazu ausgebildet ist, den Sender abhängig von dem jeweiligen Schaltsignal für jedes Frequenzband separat zwischen dem passiven und dem aktiven Betriebszustand umzuschalten und den Sender im passiven Betriebszustand bei einer um etwa 10–20 dB gegenüber dem aktiven betriebszustand reduzierten Sendeleistung zu betreiben.
(Anspruch 2 des DE 50 2009 005 919 C5)
II. Die Beklagte wird verurteilt, für die Zeit ab dem 27. Juni 2014 über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. gegliedert nach Kalendervierteljahren schriftlich und in elektronisch verarbeitbarer Form Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe
- 1.
-
der einzelnen Lieferungen (unter Vorlage der Rechnungen und hilfsweise Lieferscheine) mit
- 2.
-
der einzelnen Angebote (unter Vorlage schriftlicher Angebote) mit
- 3.
-
der nach den einzelnen Faktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten sowie des erzielten Gewinns,
- 4.4.
-
der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, jeweils mit der Anzahl der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse;
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser seit dem 27. Juni 2014 durch die Handlungen gemäß Ziffer I. entstanden ist und zukünftig noch entsteht.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, die sich in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I. an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
V. Die Beklagte wird verurteilt, die unter Ziffer I. bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen
- 1.
-
zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit Zustimmung der Beklagten Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe des Erzeugnisses eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits bezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rücknahme zugesagt wird, und
- 2.
-
endgültig zu entfernen, indem die Beklagte diese Erzeugnisse an sich nimmt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlasst.
VI. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
VII. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
VIII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
- -
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900.000 € einheitlich für Ziffern I.1., II.2., IV. und VI.,
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100.000 € für Ziffer II. sowie
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110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags für Ziffer VII.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist Inhaberin des nationalen deutschen Teils des europäischen Patents 2 180 605 (Anlage MB4, nachfolgend: Klagepatent) und nimmt die Beklagte wegen unmittelbarer Patentverletzung in Anspruch.
2
Das Klagepatent wurde am 29.01.2009 angemeldet und nimmt eine Priorität vom 27.10.2008 (US 108693 P) in Anspruch. Die Veröffentlichung und Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung erfolgten am 09.01.2013. Das Klagepatent wurde mit Wirkung für Deutschland erteilt und war in Deutschland Gegenstand eines Nichtigkeitsverfahrens. Das Nichtigkeitsverfahren führte zu beschränkten Anspruchsfassungen (Urteil des Bundespatentgerichts vom 06.08.2019, Az. 6 Ni 23/17 (EP), Anlage MB6; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31.08.2021, X ZR 84/19, Anlage MB7), die in der geänderten Patentschrift des deutschen Teils des Klagepatents niedergelegt sind (DE 50 2009 005 919, Anlage SH2).
3
Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet in der beschränkten Fassung wie folgt:
„Repeater (1) zur Übertragung von Kommunikationssignalen zwischen einer Basisstation (4A) und einem Netzendgerät (5A) eines Funkübertragungsnetzes (2), insbesondere eines Mobilfunknetzes, ausgebildet als Multiband-Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen unterschiedlicher Frequenzbänder (I, II),
- -
-
mit einem Sender (9), der dazu eingerichtet ist, die Kommunikationssignale zu dem Netzendgerät (5A) auszusenden,
- -
-
mit einem Sensor (11) zur Detektion eines Schaltsignals,
- -
-
sowie mit einer Steuereinheit (13), die dazu ausgebildet ist, den Sender (9) abhängig von dem Schaltsignal zwischen einem passiven und einem aktiven Betriebszustand umzuschalten, wobei seine Sendeleistung in dem passiven Betriebszustand geringer als in dem aktiven Betriebszustand ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Sensor (11) dazu ausgebildet ist, für jedes Frequenzband (I, II) separat jeweils ein Schaltsignal zu detektieren, wobei die Steuereinheit (13) dazu ausgebildet ist, den Sender (9) abhängig von dem jeweiligen Schaltsignal für jedes Frequenzband (I, II) separat zwischen dem passiven und dem aktiven Betriebszustand umzuschalten, wobei der Sensor (11) zur Detektion einer Lichtintensität, eines akustischen Signals, einer Bewegung oder einer Beschleunigung ausgebildet ist.“
Patentanspruch 2 des Klagepatents lautet in der beschränkten Fassung wie folgt:
„Repeater (1) zur Übertragung von Kommunikationssignalen zwischen einer Basisstation (4A) und einem Netzendgerät (5A) eines Funkübertragungsnetzes (2), insbesondere eines Mobilfunknetzes, ausgebildet als Multiband-Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen unterschiedlicher Frequenzbänder (I, II),
- -
-
mit einem Sender (9), der dazu eingerichtet ist, die Kommunikationssignale zu dem Netzendgerät (5A) auszusenden,
- -
-
mit einem Sensor (11) zur Detektion eines Schaltsignals,
- -
-
sowie mit einer Steuereinheit (13), die dazu ausgebildet ist, den Sender (9) abhängig von dem Schaltsignal zwischen einem passiven und einem aktiven Betriebszustand umzuschalten, wobei seine Sendeleistung in dem passiven Betriebszustand geringer als in dem aktiven Betriebszustand ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Sensor (11) dazu ausgebildet ist, für jedes Frequenzband (I, II) separat jeweils ein Schaltsignal zu detektieren, wobei die Steuereinheit (13) dazu ausgebildet ist, den Sender
(9) abhängig von dem jeweiligen Schaltsignal für jedes Frequenzband (I, II) separat zwischen dem passiven und dem aktiven Betriebszustand umzuschalten,
die Steuereinheit (13) dazu ausgebildet ist, den Sender (9) im passiven Betriebszustand bei einer um etwa 10–20 dB gegenüber dem aktiven Betriebszustand reduzierten Sendeleistung zu betreiben.“
4
Die nachfolgend eingeblendeten Abbildungen (Figuren 1 bis 3) der Klagepatentschrift zeigen Ausführungsbeispiele der Erfindung:
5
Wegen der weiteren Details wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
6
Die Beklagte stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland sogenannte Intrain-Repeater, d.h. Repeater zum Einsatz in Eisenbahn- und Metrolinien, der Serien ... (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen I) und ... insbesondere ... (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen II).
7
Die Klägerin macht geltend, dass die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent in der beschränkten Fassung unmittelbar wortsinngemäß verletzten. Sie nimmt hierzu auf die Broschüre „Intrain Systems“ (Anlage MB2), das Gutachten des Sachverständigen Patentanwalt Dipl-Ing. ... im Besichtigungsverfahren gegen die deutsche Tochtergesellschaft der Beklagten vor dem Landgericht Düsseldorf (... Anlage MB9), das Handbuch ... (Anlage MB10), das Handbuch ... (Anlage M11), ein Privatgutachten der deutschen Tochtergesellschaft der Beklagten vor dem Landgericht Düsseldorf (Anlage MB16), ein Privatgutachten von Prof. Dr. ... vom 03.07.2019 (Anlage MB17), das Produktdatenblatt ... (Anlage MB23) sowie das von der Beklagten vorgelegte Handbuch ... (Anlage SH6) Bezug.
8
Insbesondere verweist die Klägerin auf nachfolgende Tabelle und nachfolgende Figuren 15, 24, 33 und 34 (mit Erläuterungen) in der Anlage MB11, S. 21/22, 30/31, 38/39 und 44:
The polygon configuration is an auxiliary tool to help the user define and manage GPS areas on a map. The defined areas can then be used in the Userlogic in order to modify device functionality depending on the current position and speed.
A polygon can be either active or inactive. The simplest form of active is, if the current position is inside the polygon. And the simplest form of inactive is, if the current position is outside. But there are four more parameters that need to be taken into consideration before a polygon is activated or inactivated.
In order to have some structure in the polygon definition there are two kinds of polygons:
- •
-
Parent polygon
- •
-
Child polygon
Child groups are bundles of children into categories. These children don’t necessarily have to be from the same parent.
The groups can then be used in the UserLogic as if they were a normal polygon. A child group is set active, as soon as at least one of its members is active. The big advantage of this is that
the user is able to define general behavior in the UserLogic for a large number of polygons with just one rule. This can save a lot of work if the polygon definition is very large.
The child groups are listed in the child polygon section as depicted in the following screenshot.
A function to reduce the gain by 20 dB in train stations might look like this:
Daneben verweist die Klägerin aus der Anlage SH6 insbesondere auf die nachfolgenden Figuren 39, 44 und 113:
9
Die Klägerin beantragt zuletzt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung angemessen festzusetzenden Ordnungsgeldes zu unterlassen,
- 1.1.1.1.
-
Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen zwischen einer Basisstation und einem Netzendgerät eines Funkübertragungsnetzes, insbesondere eines Mobilfunknutzes, ausgebildet als Multiband-Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen unterschiedlicher Frequenzbänder, mit einem Sender, der dazu eingerichtet ist, die Kommunikationssignale zu einem Netzendgerät auszusenden, mit einem Sensor zu Detektion eines Schaltsignals sowie mit einer Steuereinheit, die dazu ausgebildet ist, den Sender abhängig von dem Schaltsignal zwischen einem passiven und einem aktiven Betriebszustand umzuschalten, wobei seine Sendeleistung in dem passiven Betriebszustand geringer als in dem aktiven Betriebszustand ist,
anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn der Sensor dazu ausgebildet ist, für jedes Frequenzband separat jeweils ein Schaltsignal zu detektieren, wobei die Steuereinheit dazu ausgebildet ist, den Sender abhängig von dem jeweiligen Schaltsignal für jedes Frequenzband separat zwischen dem passiven und dem aktiven Betriebszustand umzuschalten wobei der Sensor zur Detektion einer Lichtintensität, eines akustischen Signals, einer Bewegung oder einer Beschleunigung ausgebildet ist.
(Anspruch 1 des nationalen deutschen Teils des EP 2 180 605)
- 2.2.2.
-
Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen zwischen einer Basisstation und einem Netzendgerät eines Funkübertragungsnetzes, insbesondere eines Mobilfunknutzes, ausgebildet als Multiband-Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen unterschiedlicher Frequenzbänder, mit einem Sender, der dazu eingerichtet ist, die Kommunikationssignale zu einem Netzendgerät auszusenden, mit einem Sensor zu Detektion eines Schaltsignals sowie mit einer Steuereinheit, die dazu ausgebildet ist, den Sender abhängig von dem Schaltsignal zwischen einem passiven und einem aktiven Betriebszustand umzuschalten, wobei seine Sendeleistung in dem passiven Betriebszustand geringer als in dem aktiven Betriebszustand ist, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn der Sensor dazu ausgebildet ist, für jedes Frequenzband separat jeweils ein Schaltsignal zu detektieren, wobei die Steuereinheit dazu ausgebildet ist, den Sender abhängig von dem jeweiligen Schaltsignal für jedes Frequenzband separat zwischen dem passiven und dem aktiven Betriebszustand umzuschalten und den Sender im passiven Betriebszustand bei einer um etwa 10–20 dB gegenüber dem aktiven betriebszustand reduzierten Sendeleistung zu betreiben.
(Anspruch 2 des nationalen deutschen Teils des EP 2 180 605)
II. Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung angemessen – auch wiederholt – festzusetzenden Ordnungsgeldes für die Zeit ab dem 27. Juni 2014 über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I gegliedert nach Kalendervierteljahren schriftlich und in elektronisch verarbeitbarer Form Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe
- a)
-
der einzelnen Lieferungen (unter Vorlage der Rechnungen und hilfsweise Lieferscheine) mit
- aa)
-
Liefermengen, Zeiten und Preisen,
- bb)
-
Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen, wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,
- cc)
-
den Namen und die Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
- b)
-
der einzelnen Angebote (unter Vorlage schriftlicher Angebote) mit
- aa)
-
Angebotsmengen, Zeiten und Preisen,
- bb)
-
Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen, wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,
- cc)
-
den Namen und die Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- c)
-
der nach den einzelnen Faktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten sowie des erzielten Gewinns,
- d)d)
-
der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, jeweils mit der Anzahl der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse;
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser seit dem 27. Juni 2014 durch die Handlungen gemäß Ziffer I. entstanden ist und zukünftig noch entsteht.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, die sich in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I. an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
V. Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines vom Gericht angemessen – auch wiederholt – festzusetzenden Ordnungsgeldes, die unter Ziffer I. bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen
a) zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit Zustimmung der Beklagten Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe des Erzeugnisses eine Rückzahlung des ggf. bereits bezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rücknahme zugesagt wird, und
b) endgültig zu entfernen, indem die Beklagte diese Erzeugnisse an sich nimmt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlasst.
10
Die Beklagte beantragt,
11
Die Beklagte ist im Wesentlichen der Ansicht, die Klage sei bereits aufgrund einer vor dem Landgericht Düsseldorf rechtshängigen negativen Feststellungsklage (Az ... unzulässig. Die Klage sei auch unbegründet, weil die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent nicht verletzten. Zudem seien sämtliche etwaigen Ansprüche verwirkt, teilweise jedenfalls verjährt.
12
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 26.03.2025 (Bl. 187/190 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13
Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.
14
Die Klage ist zulässig.
15
I. Das Landgericht München I ist sachlich, örtlich und international zuständig (§ 143 PatG, § 32 ZPO i.V.m. § 38 Nr. 1 BayGZVJu, Art. 7 Nr. 2 EuGVVO).
16
II. Die Rechtshängigkeit der negativen Feststellungsklage vor dem Landgericht Düsseldorf (Az. ... steht der vorliegenden Leistungsklage nicht gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegen. Die – grundsätzlich vorrangige – Leistungsklage ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen (vgl. BGH GRUR 1994, 846 – Parallelverfahren II).
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III. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, § 256 Abs. 1 ZPO. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist vor Erteilung der Auskunft noch nicht bezifferbar.
18
Die Klage ist weit überwiegend begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Schadensersatzfeststellung, Vernichtung, Rückruf und endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen gemäß §§ 139 Abs. 1 und 2, 140 a Abs. 1 und 3, 140 b Abs. 1 und 3, 9 S. 2 Nr. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB i.V. mit Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ zu.
19
I. Das Klagepatent betrifft einen Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen in einem Funkübertragungsnetz, vgl. [0001].
20
1. In der Beschreibung führt die Klagepatentschrift aus, dass Repeater im Zusammenhang mit einer Signalübertragung dazu dienten, ein Signal aufzunehmen, gegebenenfalls aufzubereiten, und wieder auszusenden. Im Rahmen eines Mobilfunknetzes werde ein solcher Repeater beispielsweise dazu eingesetzt, ein Funksignal in ein für Funkwellen abgeschattetes Gebiet, wie etwa ein Gebäude, zu übertragen, vgl. [0002]. Im Stand der Technik seien Repeater bekannt, die in einen Energiesparmodus mit verminderter Abstrahlleistung geschaltet werden könnten, vgl. [0006]. Weiter seien Repeater bekannt, die zur Übertragung von Kommunikationssignalen nach den Zeitmultiplexverfahren eingerichtet sind, wobei aktive Zeitscheiben der Übertragung festgestellt würden, und wobei die Repeater abhängig von der Feststellung aktiver Zeitscheiben betrieben würden, vgl. [0007].
21
2. Als nachteilig an bekannten Repeatem im Allgemeinen kritisiert das Klagepatent, dass Personen, die sich in einem Gebäude aufhielten, unnötigerweise einer von dem Repeater ausgehenden elektromagnetischen Strahlung ausgesetzt würden, wenn sich das mit der Basisstation kommunizierende Mobilfunkendgerät außerhalb des Gebäudes befinde, vgl. [0005].
22
3. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, einen Repeater bereitzustellen, bei dessen Betrieb möglichst wenig elektromagnetische Strahlung emittiert werde, vgl. [0008].
23
4. Hierfür schlägt das Klagepatent einen Repeater nach Maßgabe der beschränkten Ansprüche 1 und vor, die sich merkmalsmäßig wie folgt gliedern lassen (vgl. Anlage MB8):
1. Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen zwischen einer Basisstation und einem Netzendgerät eines Funkübertragungsnetzes, insbesondere eines Mobilfunknetzes;
2. ausgebildet als Multiband-Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen unterschiedlicher Frequenzbänder;
3.1 der der Detektion eines Schaltsignals dient,
3.2 dazu ausgebildet ist, für jedes Frequenzband separat jeweils ein Schaltsignal zu detektieren,
3.3. zur Detektion einer Lichtintensität, eines akustischen Signals, einer Bewegung oder einer Beschleunigung ausgebildet ist;
4. mit einer Steuereinheit
4.1 die dazu ausgebildet ist, den Sender
4.1.1 abhängig von dem Schaltsignal zwischen einem passiven und einem aktiven Betriebszustand umzuschalten,
4.1.2 abhängig von dem jeweiligen Schaltsignal für jedes Frequenzband separat zwischen dem passiven und dem aktiven Betriebszustand umzuschalten;
5.1 der dazu eingerichtet ist, die Kommunikationssignale zu einem Netzendgerät auszusenden;
5.2 seine Sendeleistung ist im passiven Zustand geringer als im aktiven Zustand.
1. Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen zwischen einer Basisstation und einem Netzendgerät eines Funkübertragungsnetzes, insbesondere eines Mobilfunknetzes;
2. ausgebildet als Multiband-Repeater zur Übertragung von Kommunikationssignalen unterschiedlicher Frequenzbänder;
3.1 der der Detektion eines Schaltsignals dient,
3.2 dazu ausgebildet ist, für jedes Frequenzband separat jeweils ein Schaltsignal zu detektieren;
4. mit einer Steuereinheit,
4.1 die dazu ausgebildet ist, den Sender
4.1.1 abhängig von dem Schaltsignal zwischen einem passiven und einem aktiven Betriebszustand umzuschalten,
4.1.2 abhängig von dem jeweiligen Schaltsignal für jedes Frequenzband separat zwischen dem passiven und dem aktiven Betriebszustand umzuschalten,
4.1.3 im passiven Betriebszustand bei einer Leistung zu betreiben, die um etwa 10 bis 20 dB gegenüber dem aktiven Betriebszustand reduziert ist;
5.1 der dazu eingerichtet ist, die Kommunikationssignale zu einem Netzendgerät auszusenden;
5.2 seine Sendeleistung ist im passiven Zustand geringer als im aktiven Zustand.
5. Diese Lehre bedarf hinsichtlich der Merkmale 3.2, 3.3 und 4.1.2 näherer Erläuterung.
24
a) Die durch das Klagepatent unter Schutz gestellte technische Lehre ist aus Sicht der angesprochenen Durchschnittsfachperson, eine/r Ingenieur/in der Elektro- bzw. Nachrichtentechnik mit Hochschulabschluss, die/der über eine mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Mobilfunksystemen verfügt und der/m die besonderen Herausforderungen beim Einsatz von Repeatern, beispielsweise in sich schnell bewegenden Verkehrsmitteln, bekannt sind, zu ermitteln (vgl. Bl. 189 d.A.).
25
b) Nach Merkmal 3.2 ist der Sensor des Multiband-Repeaters (Merkmal 2) dazu ausgebildet, für jedes Frequenzband separat jeweils ein Schaltsignal zu detektieren.
26
aa) Dabei ist der Anspruch in Merkmal 3.2 nicht auf eine bestimmte Art von Schaltsignalen beschränkt.
27
Als Schaltsignal i.S. von Merkmal 3.2 kann beispielsweise ein Uplink-Signal herangezogen werden, das von einem in der Umgebung des Repeaters befindlichen Netzendgerät ausgeht und anhand dessen das zugehörige Frequenzband identifiziert werden kann, vgl. [0016] (vgl. Anlage MB7, Rz. 19).
28
Entgegen der Ansicht der Beklagten (vgl. Duplik, S. 10/11) ist der Begriff des Schaltsignals in Merkmal 3.2 aber nicht auf „frequenzbandspezifische“ Schaltsignale beschränkt, die „immer die Frequenzbandinformationen des jeweiligen Frequenzbands“ enthalten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Beklagten herangezogenen Figuren 1 und 3, weil es sich um Ausführungsbeispiele handelt, die den Anspruch nicht einschränken. Insbesondere folgt aus dem angestrebten Erfindungserfolg und dem in Figur 3 mit Bezugszeichen 36 gezeigten Doppelpfeil kein engeres Verständnis des Anspruchs. Betroffen ist lediglich ein Ausführungsbeispiel. Auf dieses ist der Schutzgegenstand mangels entsprechenden Niederschlags im Anspruch nicht beschränkt. Vor allem ist entgegen der Annahme der Beklagten die technische Bedeutung der Pfeile 36 und 12 aus Figur 3 nicht in den Anspruch hineinzulesen.
29
Vielmehr kann der Sensor in weiteren Ausgestaltungen ein Helligkeits-, Schall-, Bewegungs-, Beschleunigungs- und/oder Positionssignal als Schaltsignal i.S. von Merkmal 3.2 detektieren, vgl. [0026] bis [0030] (vgl. Anlage MB6, S. 17). Da diese Ausführungsbeispiele in der Beschreibung als erfindungsgemäß vorgestellt werden, ist Merkmal 3.2 im Zweifel so zu verstehen, dass sämtliche Ausführungsbeispiele zu seiner Ausfüllung herangezogen werden können (vgl. BGH GRUR 2015, 972, Rn. 23 – Kreuzgestänge). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist insoweit nicht zwischen Repeatern und Multiband-Repeatern zu differenzieren, sondern eine einheitliche Auslegung geboten (vgl. BGH GRUR 2017, 152, Rn. 17 – Zungenbett), zumal in [0014] allgemein der Repeater als Multiband-Repeater beschrieben wird. Das bedeutet, dass auch die in Merkmal 3.3 genannten Signale (Lichtintensität, akustisches Signal, Bewegung oder Beschleunigung, siehe hierzu sogleich) Schaltsignale i.S. von Merkmal 3.2 sein können. Aus der Streichung der „Position“ aus Merkmal 3.3 (bzw. dem Umstand, dass dieses Signal nicht aus Unteranspruch 5 in die beschränkte Fassung des Anspruchs 1 übernommen wurde) folgt nicht, dass Positionssignale wie GPS-Signale für Schaltsignale generell unbeachtlich sind. So ist die Aufzählung in Merkmal 3.3 nicht abschließend. Zudem weiß die Fachperson, dass Positionssignale für die Bestimmung der „Bewegung“ oder „Beschleunigung“ herangezogen werden können.
30
Merkmal 3.2 ist folglich weder auf Uplink-Signale noch auf Signale i.S. von Merkmal 3.3 beschränkt. Zugleich legt der Wortlaut der Patentansprüche 1 und 2 nicht fest, ob der Sensor in der Lage sein muss, neben einem der in Merkmal 3.3 aufgeführten Signale weitere Arten von Schaltsignalen zu detektieren (vgl. Anlage MB7, Rz. 27). So ist beispielsweise die Detektion eines GPS-Signals von Merkmal 3.2 erfasst, aber nicht erforderlich.
31
bb) Der Sensor muss nach Merkmal 3.2 (lediglich) dazu ausgebildet sein, für jedes Frequenzband separat jeweils ein Schaltsignal zu detektieren. Dagegen liegt das Erzeugen eines Schaltsignals durch den Sensor – entgegen dem Vorbringen der Beklagten (vgl. Klageerwiderung, S. 9) – außerhalb der Patentansprüche 1 und 2.
32
Eine anspruchsgemäße Detektion kann auch durch Vergleich eines ermittelten Parameters, beispielsweise einer Position oder von Bewegungskoordinaten, mit einer Datenbank – gegebenenfalls in Zusammenwirken des Sensors mit der Steuereinheit (vgl. [0010] und Anlage MB6, S. 21/22) – erfolgen, vgl. [0030]. Dabei liegt eine für jedes Frequenzband separate Detektion i.S. von Merkmal 3.2 bei funktionaler Betrachtungsweise (vgl. BGH GRUR 2024, 1523 – Waage; GRUR 2024, 1515, Rn. 35 – Stereofotogrammetrie) auch vor, wenn in Bezug auf einen Parameter in der Datenbank für die einzelnen Frequenzbänder unterschiedliche Schwellenwerte bzw. Auslösewerte hinterlegt sind. Liegt der Schwellenwert für ein Frequenzband beispielsweise bei einer Maximalgeschwindigkeit von 3 km/h und für ein anderes Frequenzband bei einer Maximalgeschwindigkeit von 5 km/h, wäre ein Zug bei einer Geschwindigkeit von 4 km/h einerseits mit einer Geschwindigkeit „nicht unter 3 km/h“ und andererseits mit einer Geschwindigkeit „unter 5 km/h“ unterwegs. Eine derartige Unterscheidung in Bezug auf die Geschwindigkeit kann beispielsweise technisch sinnvoll sein, wenn hinsichtlich der Größe der einzelnen Funkzellen oder der Übergabegeschwindigkeit entsprechende Unterschiede zwischen den verschiedenen Frequenzbändern bestehen. Bei funktionaler Betrachtungsweise handelt es sich dann um zwei unterschiedliche Schaltsignale.
33
b) Der Sensor ist nach Merkmal 3.3 außerdem zur Detektion einer Lichtintensität, eines akustischen Signals, einer Bewegung oder einer Beschleunigung ausgebildet. Diese Signale muss der Sensor als Schaltsignal (Merkmal 3.1) detektieren.
34
Zur Auslegung von Merkmal 3.3 kann nicht allein auf den Wortlaut abgestellt werden (vgl. Anlage MB7, Rz. 23), vielmehr ist (auch) der funktionelle Zusammenhang, insbesondere mit den Merkmalen 3.1 und 4.1.1, in den Blick zu nehmen (vgl. Anlage MB7, Rz. 24).
35
Merkmal 3.3 steht nicht beziehungslos neben den übrigen Merkmalen. Es ist vielmehr als Konkretisierung der Merkmale 3.1 und 4.1.1 zu verstehen. Deshalb genügt es nicht, wenn der Sensor Signale der genannten Art detektieren kann. Vielmehr muss er in der Lage sein, sie als Schaltsignale i.S. von Merkmal 3.1 zu detektieren, also als Signale, die entsprechend den in Merkmal 4.1.1 definierten Vorgaben einen Umschaltvorgang zwischen einem aktiven und einem passiven Betriebszustand auslösen (vgl. Anlage MB7, Rz. 22/24).
36
c) Nach Merkmal 4.1.2 ist der Sensor dazu ausgebildet, den Sender abhängig von dem jeweiligen Schaltsignal für jedes Frequenzband separat zwischen dem passiven und dem aktiven Betriebszustand umzuschalten.
37
Merkmal 4.1.2 steht im funktionellen Zusammenhang mit dem oben dargelegten Merkmal 3.2. Der Sensor muss in der Lage sein, für jedes Frequenzband separat ein Schaltsignal zu detektieren (Merkmal 3.2) und die Steuereinheit muss in der Lage sein, abhängig von dem jeweiligen Schaltsignal den Sender für jedes Frequenzband separat, d.h. nicht lediglich synchron, zwischen dem passiven und aktiven Betriebszustand umzuschalten (Merkmal 4.1.2) (vgl. Anlage MB7, Rz. 28).
38
II. Die Beklagte verletzt das Klagepatent unmittelbar gemäß § 9 S. 2 Nr. 1 PatG, weil sie die angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland herstellt, anbietet und vertreibt und die angegriffenen Ausführungsformen von den Ansprüchen 1 und 2 des Klagepatents in der beschränkten Fassung unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch machen.
39
1. Die Parteien streiten über die Benutzung der Merkmale 3.2, 3.3, 4.1.2 und 4.1.3. Gegen die Benutzung der übrigen Merkmale wendet sich die Beklagte zu Recht nicht. Denn diese werden nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin von den angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht.
40
2. Die angegriffenen Ausführungsformen machen auch von Merkmal 3.2 Gebrauch. Die angegriffenen Ausführungsformen verfügen – entgegen der Ansicht der Beklagten (vgl. Klageerwiderung, S. 18/28; Duplik, S. 16/20) – über einen anspruchsgemäßen Sensor, der dazu ausgebildet ist, für jedes Frequenzband separat jeweils ein Schaltsignal zu detektieren.
41
a) Wie aus den von der Klägerin in Bezug genommenen Figuren 33 und 34 der Anlage MB11 (vgl. Klageschrift, Rz. 130/135) hervorgeht, können bei den angegriffenen Ausführungsformen für die einzelnen Frequenzbänder jeweils separat Schaltsignale als „Input“ eingestellt werden. Dementsprechend ist bei den angegriffenen Ausführungsformen auch ein entsprechender Sensor vorhanden, der dazu ausgebildet ist, für jedes Frequenzband jeweils ein Schaltsignal zu detektieren.
42
aa) Nach Auslegung der Kammer (s.o.) kann auch eine Position oder ein Beschleunigungswert ein Schaltsignal i.S. von Merkmal 3.2 sein. Derartige Schaltsignale sind bei den angegriffenen Ausführungsformen als einstellbar vorgesehen.
43
Aus den Figuren 33 und 34 geht hervor, dass bestimmte Bahnhof-GPS-Koordinaten (Figur 33) bzw. bestimmte „Service Areas“ (Figur 34) als Schaltsignal für verschiedene Frequenzbänder als „Input“ eingestellt und damit auch detektiert werden können. Darüber hinaus ist in der oben abgelichteten Tabelle auf S. 21/22 der Anlage MB11, der Figur 15 der Anlage MB11 sowie den Figuren 39 und 44 der Anlage SH6 dargestellt, dass bei der Definition sogenannter GPS-Polygone als „Input“ auch bestimmte Mindest- und Maximalgeschwindigkeiten, also Beschleunigungswerte, miteinbezogen werden.
44
Die Funktionsweise der (GPS-)Polygone als Schaltsignale ist in Anlage MB11, S. 30 („7.3.1: The polygon configuration is an auxiliary tool to help the user define and manage GPS areas on a map. The defined areas can then be used in the Userlogic in order to modify device functionality depending on the current position and speed.“) und in Anlage SH6, S. 38 („5.4.1 Polygons: The polygon configuration is an auxiliary tool to help the user define and manage GPS areas on a map. The defined areas can then be used in the userlogic in order to modify device functionality depending on the current position and speed.“) erläutert. Noch spezifischer findet sich in Anlage MB11, S. 43, die Beschreibung einer Funktion, bei der der Repeater in Abhängigkeit von einem bestimmten Polygon als „Input“ in den Standby-Modus umgeschaltet wird („7.3.1.9 Creating UserLogic functions: When creating a UserLogic function each Parent or Child Polygon and each Child Group can be selected as an input. Any function can then be built, e.g. reducing the gain in train stations or setting the repeater into standby mode.“).
45
bb) Der Verwirklichung von Merkmal 3.2 steht nicht entgegen, dass in den Figuren 33 und 34 der Anlage MB10 jeweils für mehrere Frequenzbänder GPS-Polygone als Input bzw. Schaltsignal definiert werden. Nach dem Verständnis der Kammer kann eine für jedes Frequenzband separate Detektion i.S. von Merkmal 3.2 bei funktionaler Betrachtungsweise auch gegeben sein, wenn für die verschiedenen Frequenzbänder jeweils der gleiche Parameter, beispielsweise die Position oder die Beschleunigung, betrachtet wird, etwa weil in Bezug auf diesen Parameter für die einzelnen Frequenzbänder unterschiedliche Schwellenwerte bzw. Auslösewerte (z.B. unterschiedliche Gebiete) hinterlegt sind. Dies ist bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall (vgl. Anlage MB9, S. 21/22).
46
cc) Der Patentbenutzung steht nicht entgegen, dass die angegriffenen Ausführungsformen im Auslieferungszustand – wie von der Beklagten vorgetragen (vgl. Klageerwiderung, S. 32/33; Duplik, S. 19, 22, 27/28) und von der Klägerin nicht bestritten wurde – derart eingestellt sind, dass keine separate Detektion der Schaltsignale, sondern abhängig von einem bestimmten Schaltsignal eine für alle Frequenzbänder synchrone Schaltung erfolgt.
47
(1) Ein Anspruch ist bereits dann verwirklicht, wenn die Merkmale der angegriffenen Ausführungsform objektiv geeignet sind, die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen zu erreichen. Unerheblich ist, ob die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen regelmäßig, nur in Ausnahmefällen oder nur zufällig erreicht werden und ob es der Verletzer darauf absieht, diese Wirkungen zu erzielen. Deshalb liegt eine Patentverletzung auch vor, wenn eine Vorrichtung regelmäßig so bedient wird, dass die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen nicht erzielt werden. Die Patentverletzung entfällt in diesem Fall selbst dann nicht, wenn der Hersteller oder Lieferant seinen Abnehmern ausdrücklich eine andere Verwendung seiner Vorrichtung empfiehlt, solange die Nutzung der patentgemäßen Lehre möglich bleibt (BGH GRUR 2006, 399, Rn. 21 – Rangierkatze).
48
Dabei weist eine angegriffene Ausführungsform die entsprechende Eignung grundsätzlich nicht auf, wenn diese erst durch zusätzliche (Umbau-)Maßnahmen (insbesondere tiefgreifende Eingriffe in die Software und damit Änderung der Steuerung, Hinzufügung von Komponenten oder Änderung der Konfiguration, etwa durch Aufspielen von Software) erreicht wird (vgl. BGH GRUR 2006, 923, Rn. 15 – Luftabscheider für Milchsammelanlage; GRUR 2022, 982, Rn. 54 – SRS-Zuordnung; GRUR 2025, 310, Rn. 60 – Servicemodul). Anders ist es, wenn die Vorrichtung aufgrund ihrer Mächtigkeit grundsätzlich geeignet ist, diesen Zweck oder diese Funktion zu erfüllen, und die entsprechende Funktion in den Werkseinstellungen zwar (noch) nicht aktiviert ist, sich aber über die Benutzeroberfläche in den Einstellungen („settings“) von den angesprochenen Abnehmern (einfach) einstellen lässt, insbesondere wenn im beiliegenden Handbuch dargestellt und/oder erläutert ist, wie es geht.
49
(2) Nach diesen Maßstäben verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen Merkmal 3.2, weil sie die erforderliche objektive Eignung aufweisen.
50
Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf die Figuren 33 und 34 (in Verbindung mit den Figuren 15 und 24) der Anlage MB11 sowie die Erläuterungen im Gutachten des Sachverständigen Patentanwalt Dipl.-Ing. Ing. ... (Anlage MB9, S. 21/22; vgl. Klageschrift, Rz. 58) substantiiert dargelegt (vgl. Klageschrift, S. 127/139; Replik, Rz. 168/195), dass die angegriffenen Ausführungsformen ohne Weiteres auf der Benutzeroberfläche so konfiguriert werden können, dass der Sensor für jedes Frequenzband separat jeweils ein Schaltsignal detektiert. Insbesondere zeigen die Schaltflächen „Add Input“ und „Add Output“ in den Figuren 33 und 34 für den/die Nutzer/in offensichtlich und ohne Weiteres hervor, dass an dieser Stelle entsprechende Konfigurationen bezüglich der Schaltsignale als Input und dem Betriebszustand des Repeaters in Bezug auf die einzelnen Frequenzbänder vorgenommen werden können.
51
Die Beklagte hat dies nicht gleichermaßen substantiiert bestritten. Dies gilt sowohl hinsichtlich der separaten Konfigurierbarkeit der angegriffenen Ausführungsformen in Bezug auf die einzelnen Frequenzbänder per se als auch hinsichtlich der Möglichkeit, diese Einstellungen auf der Benutzeroberfläche vorzunehmen. Die Beklagte hat ihr diesbezügliches Bestreiten (vgl. Duplik, S. 28) nicht substantiiert.
52
dd) Dies betrifft – entgegen dem Vorbringen der Beklagten (vgl. Klageerwiderung, S. 20, 22/27; Duplik, S. 5/6, 30/31) – die angegriffenen Ausführungsformen I und II gleichermaßen.
53
Die Beklagte hat hiergegen zwar im Wesentlichen vorgebracht, dass Erwägungen, die sich auf das ...-Handbuch gemäß Anlage MB11 stützten, nicht auf die angegriffenen Ausführungsformen II übertragen werden könnten, weil für die angegriffenen Ausführungsformen II ein neues ...-Handbuch gemäß Anlage SH6 verwendet werde (vgl. Klageerwiderung, S. 23). Zu keinem Zeitpunkt sei eine angegriffene Ausführungsform II mit einem Handbuch gemäß Anlage MB11 ausgeliefert worden (vgl. Klageerwiderung, S. 20). In der Anlage SH6 seien aber insbesondere die Figuren 33 und 34 nicht wiederzufinden (vgl. Klageerwiderung, S. 26; Duplik, S. 30).
54
Diese Einwände der Beklagten greifen aber nicht durch. Die Beklagte hat nicht hinreichend substantiiert bestritten, dass die – von der Klägerin anhand der Figuren 33 und 34 substantiiert dargelegten – Einstellungen hinsichtlich „Input“ und „Output“ auch bei den angegriffenen Ausführungsformen II vorgenommen werden können. Die bloße Behauptung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, die Handbücher spiegelten den Softwarestand wider, d.h. Einstellmöglichkeiten, die im neuen Handbuch nicht mehr zu finden seien, seien bei den (neuen) angegriffenen Ausführungsformen auch nicht mehr vorhanden, reicht hierzu nicht aus.
55
Dies gilt umso mehr, als die Klägerin auch auf der Grundlage des Handbuchs gemäß Anlage SH6 eine entsprechende Einstellbarkeit der angegriffenen Ausführungsformen II substantiiert dargelegt hat. So hat sie anhand der Figuren 39 und 44 der Anlage SH6 aufgezeigt, wie entsprechende GPS-Polygone definiert werden können. Figur 113 der Anlage SH6 zeigt, wie neue Funktionen eingestellt werden können, indem für einen bestimmten „Input“ ein bestimmter „Output“ festgelegt wird. Für den/die Nutzer/in ist somit ohne Weiteres ersichtlich, wie entsprechende GPS-Polygone als anspruchsgemäße Schaltsignale i.S. von Merkmal 3.2 eingestellt werden können. Dass es bei der Definition der GPS-Polygone (jedenfalls auch) um die Festlegung zu detektierender Schaltsignale geht, zeigt für den/die Nutzer/in offensichtlich und eindeutig die bereits zitierte Erläuterung in Anlage SH6, S. 38: „5.4.1 Polygons: The polygon configuration is an auxiliary tool to help the user define and manage GPS areas on a map. The defined areas can then be used in the userlogic in order to modify device functionality depending on the current position and speed.“
56
Zusätzlich erläutert auch das Produktdatenblatt ... (Anlage MB23) für die angegriffenen Ausführungsformen II die „GPS Polygon Functionality“ dahingehend, dass Polygone verwendet würden, um das Verhalten bestimmter Repeaterparameter in Abhängigkeit von der Repeaterposition zu beeinflussen. Diese Funktion werde z.B. für Intrain-Anwendungen genutzt, um z.B. die Verstärkung des Repeaters in einem Bahnhof zu reduzieren (Anlage MB23, S. 6: „Activates the polygon functionality on the UCM. There is only one licence required per UCM. A GPS receiver is required to use this function. Polygons are used to influence the behaviour of certain repeater parameters dependent on the repeater location. This feature is used e.g. for intrain applications to e.g. reduce the repeater gain in a [t]rain station.“).
57
Darüber hinaus hat die Klägerin – entgegen der Ansicht der Beklagten (vgl. Duplik, S. 5) – einen konkreten Bezug der angegriffenen Ausführungsformen II zum Handbuch gemäß Anlage MB11 aufgezeigt. So hat die Klägerin unter anderem darauf verwiesen, dass der für die angegriffenen Ausführungsformen II geltende ... ausdrücklich auf einem Handbuch ... aufbaue (Anlage MB10, S. 2) und es sich bei diesem Handbuch ... um das ... Handbuch gemäß Anlage MB11 handele (vgl. Replik, Rz. 97/98, mit Verweis auf Anlage MB11, S. 2). Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Der/die Nutzer/in haben somit einen konkreten Anhaltspunkt, auch für die angegriffenen Ausführungsformen II auf das Handbuch gemäß Anlage MB11 zurückzugreifen. Dies gilt umso mehr, als die Figur 113 der Anlage SH6 dem/r Nutzer/in konkret aufzeigt, dass neue Funktionalitäten durch „Add Input“ und „Add Output“ hinzugefügt werden können, ohne insoweit irgendwelche Einschränkungen aufzuzeigen. Es kann daher hier dahinstehen, ob nicht ohnehin davon ausgegangen werden kann, dass ein/e Nutzer/in bei Bedarf gegebenenfalls auch ohne konkreten Hinweis auf ältere Handbücher zurückgreifen würden.
58
3. Merkmal 3.3 (des Anspruchs 1 in beschränkter Fassung) wird durch die angegriffenen Ausführungsformen ebenfalls verwirklicht.
59
Die angegriffenen Ausführungsformen I und II weisen jeweils einen Sensor auf, der zur Detektion einer Beschleunigung als Schaltsignal ausgebildet ist. Wie aus den Tabellen in Anlage MB11, S. 21/22, und Anlage SH6, S. 18, hervorgeht, sind die angegriffenen Ausführungsformen I und II jeweils mit einem GPS-Sensor ausgestattet, durch den (auch) die Geschwindigkeit („Speed“) erfasst wird.
60
Die angegriffenen Ausführungsformen können jeweils auch so konfiguriert werden, dass die (Mindest- und/oder Maximal-)Geschwindigkeit bei der Definition der GPS-Polygone miteinbezogen wird (s.o. zu Merkmal 3.2). Dass es bei der Definition der GPS-Polygone (jedenfalls auch) um die Festlegung zu detektierender Schaltsignale geht, zeigen die bereits zitierten Erläuterungen in Anlage MB11, S. 30 („7.3.1: The polygon configuration is an auxiliary tool to help the user define and manage GPS areas on a map. The defined areas can then be used in the Userlogic in order to modify device functionality depending on the current position and speed.“) und Anlage SH6, S. 38 („5.4.1 Polygons: The polygon configuration is an auxiliary tool to help the user define and manage GPS areas on a map. The defined areas can then be used in the userlogic in order to modify device functionality depending on the current position and speed.“).
61
4. Die angegriffenen Ausführungsformen machen ebenfalls von Merkmal 4.1.2 Gebrauch.
62
Die angegriffenen Ausführungsformen I und II können dergestalt eingerichtet werden, dass ihre Steuereinheit den Sender abhängig von dem jeweiligen Schaltsignal für jedes Frequenzband separat zwischen dem passiven und dem aktiven Betriebszustand umschaltet. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zur Verwirklichung von Merkmal 3.2 Bezug genommen werden. Wie insbesondere aus den Figuren 33 und 34 der Anlage MB11 hervorgeht, können die angegriffenen Ausführungsformen durch die Definition von GPS-Polygonen und die unterschiedlichen Einstellungen von „Input“ und „Output“ derart konfiguriert werden, dass abhängig von den jeweiligen Schaltsignalen ein für jedes Frequenzband separates Umschalten erfolgt.
63
5. Auch Merkmal 4.1.3 (des Anspruchs 2 in beschränkter Fassung) wird durch die angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht.
64
Hiergegen bringt die Beklagte zwar vor, dass die angegriffenen Ausführungsformen I und II dieses Merkmal erst dann erfüllten, wenn sie durch einen Anwender entsprechend konfiguriert würden und dies der Beklagten zurechenbar sei (vgl. Klageerwiderung, S. 35/36). Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen II erklärt die Beklagte außerdem, dass die von der Klägerin in Bezug genommenen Figuren 33 und 34 und Erläuterungen in dem Handbuch gemäß Anlage MB11 auf die angegriffenen Ausführungsformen II keine Anwendung fänden (vgl. Klageerwiderung, S. 35).
65
Diese Argumente der Beklagten greifen aber aus den bereits zu Merkmal 3.2 dargestellten Gründen nicht durch.
66
III. Entgegen der Annahme der Beklagten scheidet eine unmittelbare Patentverletzung nicht unter Zurechnungsgesichtspunkten aus.
67
Zwar ist zwischen den Parteien umstritten, ob mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (vgl. GRUR-RR 2016, 97 und GRUR-RR 2020, 289) die Anforderung zu stellen ist, eine unmittelbare Patentverletzung hänge davon ab, dass der Beklagten das Verhalten der Nutzer beim patentgemäßen Einstellen der Software zugerechnet werden könne. Da aufgrund der konkreten Anleitung im Handbuch die patentgemäße Einstellung der Geräte in der Tat aber angelegt und absehbar ist, kann die Beantwortung der Rechtsfrage hier offenbleiben, weil bereits deswegen der Beklagten ein solches Verhalten zuzurechnen ist.
68
IV. Damit stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche im tenorierten Umfang zu.
69
1. Die Beklagte ist zur Unterlassung der patentverletzenden und rechtswidrigen Benutzungshandlungen verpflichtet, § 139 Abs. 1 S. 1 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen besteht Wiederholungsgefahr mit Blick auf die unstreitig gegebenen Tathandlungen. Die Wiederholungsgefahr wird durch die rechtswidrigen Benutzungshandlungen (im tenorierten Umfang) indiziert.
70
2. Der ausgesprochene Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung folgt aus § 140 b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ.
71
a) Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstandes unmittelbar aus § 140 b Abs. 1 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140 b Abs. 3 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ.
72
Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern.
73
Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben der Beklagten angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Der Wirtschaftsprüfervorbehalt ist wie beantragt zu gewähren.
74
b) Wegen der Akzessorietät zum Schadensersatzanspruch, kann die Klägerin die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung nur soweit geltend machen, wie von der Beklagten nicht wirksam die Einrede der Verjährung erhoben wurde.
75
Die Beklagte trägt hierzu vor, dass der Klägerin die anspruchsbegründenden Tatsachen bereits spätestens seit dem Jahr 2016 bekannt gewesen seien, so dass sich die Beklagte daher zumindest für die Zeit bis einschließlich 31.12.2020 auf Verjährung berufen könne (vgl. Klagerwiderung, S. 37).
76
Der Klägerin steht jedoch jedenfalls ein unverjährter Anspruch auf Restschadensersatz ab 27.06.2014 gemäß § 852 S. 1 BGB zu. Der Anspruch auf Restschadensersatz verjährt gemäß § 852 S. 2 BGB in zehn Jahren von seiner Entstehung an und wird durch Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt, wobei nach § 167 ZPO auf den Tag der Klageeinreichung abzustellen ist, wenn die Zustellung alsbald erfolgt. Da vorliegend die Klageeinreichung am 26.06.2024 erfolgte, steht der Klägerin für die davorliegenden zehn Jahre ein unverjährter Anspruch auf Restschadensersatz zu.
77
Der Klägerin stehen somit ab dem 27.06.2014 auch die geltend gemachten (akzessorischen) Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung zu.
78
c) Auskunft und Rechnung sind in elektronischer Form zu erteilen bzw. zu legen (vgl. LG München I, Urt. v. 12.11.2021 – 21 O 10885/16, GRUR-RS 2021, 40241).
79
d) Soweit die Klägerin hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung die Androhung eines Ordnungsgeldes beantragt, ist dieser Antrag derzeit unbegründet und die Klage insoweit abzuweisen. Die Beklagte hat insoweit bisher nicht zu erkennen gegeben, dass sie ihren diesbezüglichen Verpflichtungen aus dem vorliegenden Urteil nicht nachkommen wird. Insoweit ist eine Differenzierung gegenüber dem durch Wiederholungsgefahr begründeten Unterlassungsanspruch angezeigt.
80
3. Da die Beklagte die Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. zumindest fahrlässig begangen hat, ist sie dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet, § 139 Abs. 2 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ.
81
a) Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte im Geschäftsbetrieb der Beklagten spätestens einen Monat nach Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erkannt werden können und müssen, dass dieses durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verletzt wird.
82
Eine für die Feststellung der Schadensersatzpflicht ausreichende gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens ist wegen des bereits eingetretenen Schadens aufgrund der geschehenen Patentbenutzungen begründet.
83
b) Soweit die Beklagte die Einrede erhebt, sich zumindest für die Zeit bis einschließlich 31.12.2020 auf Verjährung berufen zu können, weil der Klägerin die anspruchsbegründenden Tatsachen spätestens seit dem Jahr 2016 bekannt gewesen seien (vgl. Klagerwiderung, S. 37), greift dies nicht durch.
84
Durch Klageerhebung im Jahr 2024 wurde die Verjährung des Schadensersatzanspruches nach § 139 Abs. 2 PatG für die Zeit ab 01.01.2021 gehemmt gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Für die Zeit ab 27.06.2014 bis 31.12.2020 steht der Klägerin gemäß § 852 BGB ein unverjährter Anspruch auf Restschadensersatz zu (s.o.).
85
4. Die Ansprüche gegen die Beklagte auf Vernichtung der Verletzungsformen sowie deren Rückruf und endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen ergeben sich im Umfang des Tenors aus § 140 a Abs. 1 und 3 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ.
86
Soweit die Klägerin hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf Rückruf und endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen die Androhung eines Ordnungsgeldes beantragt, ist dieser Antrag derzeit unbegründet und die Klage insoweit abzuweisen. Die Beklagte hat insoweit bisher nicht zu erkennen gegeben, dass sie ihren diesbezüglichen Verpflichtungen aus dem vorliegenden Urteil nicht nachkommen wird. Insoweit ist eine Differenzierung gegenüber dem durch Wiederholungsgefahr begründeten Unterlassungsanspruch angezeigt.
87
IV. Die Klägerin hat ihre Ansprüche auch nicht verwirkt gemäß § 242 BGB.
88
Das Vorbringen der Beklagten (vgl. Klageerwiderung, S. 36/37) reicht weder zur Begründung eines Zeitmoments noch eines Umstandsmoments aus. Insbesondere hat die Beklagte nicht dargelegt, inwieweit die Klägerin den Anschein gegeben habe, dass sie die andauernde Patentverletzung der Beklagten dulde, und dass sich die Beklagte mit ihrem Verhalten auf eine Duldung eingerichtet habe.
89
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
90
Soweit die Klage in Bezug auf die Androhungen von Ordnungsgeldern teilweise abgewiesen wurde, war die Zuvielforderung der Klägerin nur als verhältnismäßig geringfügig anzusehen und hat keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst.
91
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
92
Die Sicherheitsleistung ist wie grundsätzlich üblich anhand des Streitwerts festzusetzen. Die Festsetzung von Teilstreitwerten entspricht gängiger Übung der Verletzungskammern am Landgericht München I, wobei hinsichtlich Unterlassung, Vernichtung, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen sowie hinsichtlich Auskunft und Rechnungslegung jeweils einheitliche Sicherheiten zu bilden sind. Die Kammer schätzt die entsprechenden Teilstreitwerte dem klägerischen Interesse entsprechend wie im Tenor angegeben.