Inhalt

LG München I, Endurteil v. 22.05.2025 – 7 O 7590/24
Titel:

Mikroporöse Membran mit organischer/anorganischer Zusammensetzung

Normenketten:
PatG § 3, § 4, § 9 S. 2 Nr.1, § 21 Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 3 S. 1, § 34 Abs. 4, § 139, § 140a
ZPO § 148
EPÜ Art. 87 Abs. 1, Art. 88
Leitsätze:
1. Zum Nachweis der Patentinhaberschaft ist es zulässig, wenn die an der Patentübertragung beteiligten Parteien nachträglich Dokumente erstellen, um die Aktivlegitimation zu belegen. Diese Dokumente können als Beweis angesetzt werden, dass die Beteiligten die Rechtsfolgen, nämlich den Wechsel der Patentinhaberschaft, tatsächlich wollten, zumal die ursprünglich eingetragene Patentinhaberin ansonsten nicht bei der Erstellung der nachträglichen Dokumentation mitwirken würde. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn ausländische Unternehmen Produkte herstellen und an international tätige Unternehmen aus der Automobilindustrie liefern, von denen bekannt ist, dass deren Produkte, nämlich Pkws, auch auf den deutschen Markt kommen, dann sind sie im Rahmen ihrer Position als Beklagte dafür verantwortlich, die konzerninterne Aufteilung der Unternehmen darzulegen und ggf. zu beweisen, dass sie selbst keinen Beitrag zu den patentverletzenden Handlungen geleistet haben. In aller Regel wird deshalb der Mutterkonzern und das auf die Herstellung des streitgegenständlichen Produkts spezialisierte Tochterunternehmen haften. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es gibt zumindest einen Anschein, dass deutsche Tochtergesellschaften, die von der Namensgebung und den tatsächlichen Anteilseignern den Mutterkonzern und das produktbezogene Tochterunternehmen repräsentieren, in den Vertriebsprozess eingebunden sind. Dies gilt zumindest dann, wenn es in der Bundesrepublik Deutschland auch Unternehmen gibt, die sich mit der Herstellung von Produkten befassen, für die die angegriffene Ausführungsform verwendet werden kann. Derzeit kann noch davon ausgegangen werden, dass dies in der Automobilindustrie der Fall ist. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Einspruch oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche ist kein Grund, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen. (Rn. 89) (redaktioneller Leitsatz)
5. Patente betreffen dieselbe Erfindung, wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist, wobei es nicht auf Ansprüche ankommt, sondern ob sich der Patentgegenstand aus der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen ergibt (Anschluss an BGHZ 200, 63 = GRUR 2014, 542 – Kommunikationskanal).     (Rn. 100) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Patentverletzung, Aktivlegitimation, Passivlegitimation, Patentübertragung, Technische Lehre, Auslegung von Patentansprüchen, Verfahrensaussetzung
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 14919

Tenor

A.
1
Die Beklagten werden verurteilt,
2
I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist,
zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen
1. einen organischen/anorganischen porösen Verbundseparator, welcher umfasst: a) ein Substrat, das ein poröser Separator auf Polyolefinbasis ist; und b) eine Mischung aus anorganischen Teilchen, die in einer Batterie elektrochemisch stabil sind, und einem Bindepolymer mit einer Glasübergangstemperatur zwischen - 200°C und 200°C in einem Gewichtsverhältnis von 60:40 bis 99:1, beschichtet direkt auf einer Oberfläche des Substrats und einem Teil der Poren, die in dem Substrat vorhanden sind, die eine organische/anorganische poröse aktive Verbundschicht bildet;
wobei die elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen in der aktiven Schicht untereinander verbunden sind und durch das Bindepolymer fixiert sind und es erlauben, dass Zwischenräume zwischen diesen gebildet werden, und wobei die Zwischenräume zwischen den elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen eine Porenstruktur bilden, die es Lithiumionen erlaubt, sich hindurch zu bewegen;
wobei, wenn die Größe der elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen zunimmt, der Zwischenraumabstand zwischen den anorganischen Teilchen zunimmt, wodurch die Porengröße zunimmt;
mit der Maßgabe, dass der organische/anorganische poröse Verbundseparator nicht eine poröse Folie ist, die ein organisches/anorganisches poröses Verbundfoliensubstrat und eine Beschichtungsschicht umfassend Styrol-Butadien-Kautschuk, gebildet auf wenigstens einem Bereich ausgewählt aus einer Oberfläche des Substrats und einem Teil der Poren in dem Substrat, umfasst, wobei das Substrat eine poröse Folie und eine Schicht umfasst, die eine Mischung aus anorganischen Teilchen und einem Bindepolymer, beschichtet auf einer Oberfläche der porösen Folie und/oder einem Teil der Poren in der porösen Folie, umfasst,
(EP ... B1 – Anspruch 1)
2. ein elektrochemisches Bauelement umfassend eine Kathode, eine Anode, einen Separator und einen Elektrolyten, wobei der Separator ein organischer/anorganischer poröser Verbundseparator ist, wie er in einem der vorangehenden Ansprüche definiert ist,
(EP ... B1 – Anspruch 11)
3
II. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 2014 begangen haben, und zwar unter Angabe
1.
der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
2.
der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
3.
der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei
-
zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, höchst hilfsweise Zollpapiere) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen, und
-
die Aufstellung mit den Daten der Auskunftserteilung zusätzlich in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln ist (z.B. Excel-Tabelle);
4
III. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I bezeichneten Handlungen seit dem 1. Februar 2014 begangen haben, und zwar unter Angabe:
1.
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer
2.
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
3.
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
4.
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei
5
IV. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziffer I bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
6
V. die vorstehend unter Ziffer I bezeichneten, seit dem 1. Januar 2014 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts München I vom 22. Mai 2025) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
B.
7
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der durch die in Ziffer A.I. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, und zwar der Schaden,
-
der der .... allein seit dem 1. Februar 2014 bis zum 2. Juni 2015 entstanden ist,
-
der der ... als Mitinhaberinnen seit dem 3. Juni 2015 bis zum 31. März 2017 entstanden ist,
-
der der ... als Mitinhaberinnen seit dem 1. April 2017 bis zum 30. Mai 2022 entstanden ist,
-
der der ... als Mitinhaberinnen seit dem 31. Mai 2022 bis zum 12. Juni 2024 entstanden ist,
-
der der .... sowie der Klägerin als Mitinhaberinnen seit dem 13. Juni 2024 entstanden ist und noch entstehen wird.
C.
8
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
D.
9
Das Urteil ist in Ziffern A.I.1 und 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 800.000,00 EUR, in Ziffern A.II. und A.III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 50.000,00 EUR, In Ziffern A. IV und A.V gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 EUR und in Ziffer C. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Leitsätze des Gerichts:
10
1. Zum Nachweis der Patentinhaberschaft ist es zulässig, wenn die an der Patentübertragung beteiligten Parteien nachträglich Dokumente erstellen, um die Aktivlegitimation zu belegen. Diese Dokumente können als Beweis angesetzt werden, dass die Beteiligten die Rechtsfolgen, nämlich den Wechsel der Patentinhaberschaft, tatsächlich wollten, zumal die ursprünglich eingetragene Patentinhaberin ansonsten nicht bei der Erstellung der nachträglichen Dokumentation mitwirken würde.
11
2. Wenn ausländische Unternehmen Produkte herstellen und an international tätige Unternehmen aus der Automobilindustrie liefern, von denen bekannt ist, dass deren Produkte, nämlich Pkws, auch auf den deutschen Markt kommen, dann sind sie im Rahmen ihrer Position als Beklagte dafür verantwortlich, die konzerninterne Aufteilung der Unternehmen darzulegen und ggf. zu beweisen, dass sie selbst keinen Beitrag zu den patentverletzenden Handlungen geleistet haben. In aller Regel wird deshalb der Mutterkonzern und das auf die Herstellung des streitgegenständlichen Produkts spezialisierte Tochterunternehmen haften.
12
3. Es gibt zumindest einen Anschein, dass deutsche Tochtergesellschaften, die von der Namensgebung und den tatsächlichen Anteilseignern den Mutterkonzern und das produktbezogene Tochterunternehmen repräsentieren, in den Vertriebsprozess eingebunden sind. Dies gilt zumindest dann, wenn es in der Bundesrepublik Deutschland auch Unternehmen gibt, die sich mit der Herstellung von Produkten befassen, für die die angegriffene Ausführungsform verwendet werden kann. Derzeit kann noch davon ausgegangen werden, dass dies in der Automobilindustrie der Fall ist.

Tatbestand

13
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents ... B1 in Anspruch. Das Klagepatent betrifft einen mikroporösen Separator mit organischer/anorganischer Zusammensetzung wie er bei Sekundärbatterien zum Einsatz kommt und ein entsprechendes elektrochemisches Bauelement.
14
Die Klägerin ist gemeinsam mit dem .... Inhaberin des am 22. Dezember 2005 angemeldeten Europäischen Patents ... B1 (Anlage HL-A-8, nachfolgend: Klagepatent), welches die Prioritäten der k. Patente 20040110402 (Anlage KE2/NK4.2a) und 20040110400 (Anlage KE2/NK4.1 a) jeweils vom 22. Dezember 2004 in Anspruch nimmt. Die Anmeldung wurde am 05. September 2007 und der Erteilungshinweis am 01. Januar 2014 veröffentlicht. Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2024 (Anlage KE 2) hat die Beklagte zu 2) Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht erhoben (Az. 3 Ni 18/24). Der Hinweisbeschluss nach § 83 Abs. 1 PatG erging am 16. Mai 2025 (Bl. 485 ff. d.A.).
15
3 Die hier maßgeblichen Ansprüche 1 und 11 lauten in der Verfahrenssprache:
Anspruch 1:
„An organic/inorganic composite porous separator, which comprises: (a) a substrate which is a porous polyolefin-based separator; and (b) a mixture of inorganic particles being electrochemically stable in a battery and a binder polymer having a glass transition temperature between -200°C and 200°C in a weight ratio of 60:40 to 99:1 coated directly on a surface of the substrate and a part of the pores present in the substrate, which forms an organic/inorganic composite porous active layer; wherein the electrochemically stable inorganic particles in the active layer are interconnected among themselves and are fixed by the binder polymer and permit interstitial volumes to be formed among them, and the interstitial volumes among the electrochemically stable inorganic particles form a pore structure that permits lithium ions to move therethrough; wherein, as the size of the electrochemically stable inorganic particles increases, interstitial distance among the inorganic particles increases, thereby increasing the pore size; with the proviso that the organic/inorganic composite porous separator is not a porous film comprising an organic/inorganic composite porous film substrate and a coating layer comprising styrene-butadiene rubber formed on at least one region selected from a surface of the substrate and a part of the pores in the substrate, the substrate comprising a porous film and a layer which comprises a mixture of inorganic particles and a binder polymer coated on a surface of the porous film and/or a part of the pores in the porous film.“
Anspruch 11:
“An electrochemical device comprising a cathode, an anode, a separator, and an electrolyte, wherein the separator is an organic/inorganic composite porous separator as defined in any preceding claim.“
16
Die Klägerin ist ein Patentlizenzierungsunternehmen mit Sitz in ..., dessen Patentportfolio mehrere tausend Patente auf dem Gebiet der Batterietechnologie umfasst.
17
Die Beklagten sind Teil des ... Konzerns, dessen Muttergesellschaft die Beklagte zu 1) ist. Der ...-Konzern stellt „Electric Vehicle“-Batterien (nachfolgend: EV-Batterien) in ... her und verkauft sie dort unter anderem an „ ..., ein Joint-Venture-Unternehmen der ...
18
Die Beklagte zu 2) ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1). Im Rahmen der vom 19. bis 21. Juni 2024 in München veranstalteten Messe „electrical energy storage Europe (ees) wurde die Beklagte zu 2) auf Ausstellungsmaterial als Ansprechpartnerin genannt, welches an dem mit „ ... bezeichneten Messestand auslag. Auf den nachstehenden, S. 46/47 der Klageschrift entnommenen Lichtbildern ist erkennbar, dass die Beklagte zu 2) die Emailadresse ... angegeben hat.
...
19
Die Beklagte zu 3) ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1) und stellt die angegriffenen Ausführungsformen her. Auf dem vorgenannten Messestand auf der ees-Messe waren verschiedene englischsprachige Zertifikate der Beklagten zu 3) ausgestellt (Lichtbilder als Anlagenkonvolut HL-A-12).
20
Die Beklagte zu 4) ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 3). Sie verfügt über eine Niederlassung in Hamburg, welche ausweislich S. 22 der Klageschrift (Markierung durch die Klägerin) wie folgt beschildert ist:
...
21
Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich um Lithium-Ionen-Akkus, die unter anderem in Elektrofahrzeugen wie dem „...“ (nachfolgend: das Fahrzeug) eingesetzt werden. Die Fahrzeuge der Marke „...“ des Fahrzeugtyps „...“ werden von der ... exklusiv und spezifisch für den europäischen Markt angeboten. Die angegriffene Ausführungsform wird beispielsweise mit den Bezeichnungen „ ... angeboten und in Fahrzeuge des benannten Typs eingebaut. Die Lichtbilder auf S. 36 ff. der Klageschrift und S. 31 der Replik zeigen die angegriffene Ausführungsform:
...
Das Fahrzeug             Die Batterie unter dem Auto
...
Oben: Das Batteriegehäuse aus verschiedenen Perspektiven;
Unten: Vergrößerte Ansicht der auf dem Gehäuse befestigten Plakette mit der Beklagten zu 3) als “MANUFACTURER“ (gelb)
22
Das Akkugehäuse enthält ein Modulpack und zwölf Module. In den Modulen sind jeweils sechs Batteriezellen enthalten. Die Batteriezellen enthalten unter anderem die Elektroden in sogenannten „jelly roll stacks“. Diese „aufgerollten Stapel“ lassen sich entrollen, sodass die einzelnen Schichten deutlich werden (Lichtbild S. 40 der Klageschrift):
23
Die Klägerin trägt vor, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten Ansprüche 1 und 11 des Klagepatents unmittelbar und wortsinngemäß, weswegen die beantragten Rechtsfolgen zuzusprechen seien. Die Entgegenhaltungen der Beklagten seien nicht geeignet, den Bestand des Klagepatents in Zweifel zu ziehen, so dass eine Aussetzung des Rechtsstreits in Bezug auf die anhängige Nichtigkeitsklage ausscheide.
24
Die Klägerin beantragt zuletzt:
A. die Beklagten zu verurteilen,
I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen
1.
a) einen organischen/anorganischen porösen Verbundseparator, welcher umfasst: a) ein Substrat, das ein poröser Separator auf Polyolefinbasis ist; und b) eine Mischung aus anorganischen Teilchen, die in einer Batterie elektrochemisch stabil sind, und einem Bindepolymer mit einer Glasübergangstemperatur zwischen -200°C und 200°C in einem Gewichtsverhältnis von 60:40 bis 99:1, beschichtet direkt auf einer Oberfläche des Substrats und einem Teil der Poren, die in dem Substrat vorhanden sind, die eine organische/anorganische poröse aktive Verbundschicht bildet;
wobei die elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen in der aktiven Schicht untereinander verbunden sind und durch das Bindepolymer fixiert sind und es erlauben, dass Zwischenräume zwischen diesen gebildet werden, und wobei die Zwischenräume zwischen den elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen eine Porenstruktur bilden, die es Lithiumionen erlaubt, sich hindurch zu bewegen;
wobei, wenn die Größe der elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen zunimmt, der Zwischenraumabstand zwischen den anorganischen Teilchen zunimmt, wodurch die Porengröße zunimmt;
mit der Maßgabe, dass der organische/anorganische poröse Verbundseparator nicht eine poröse Folie ist, die ein organisches/anorganisches poröses Verbundfoliensubstrat und eine Beschichtungsschicht umfassend Styrol-Butadien-Kautschuk, gebildet auf wenigstens einem Bereich ausgewählt aus einer Oberfläche des Substrats und einem Teil der Poren in dem Substrat, umfasst, wobei das Substrat eine poröse Folie und eine Schicht umfasst, die eine Mischung aus anorganischen Teilchen und einem Bindepolymer, beschichtet auf einer Oberfläche der porösen Folie und/oder einem Teil der Poren in der porösen Folie, umfasst,
(EP ... B1 – Anspruch 1)
insbesondere wenn:
b) bei dem Separator gemäß Ziffer I.1.a) die elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen wenigstens eines sind von (a) anorganischen Teilchen mit einer Dielektrizitätskonstante von 5 oder mehr; (b) piezoelektrischen anorganischen Teilchen; und (c) anorganischen Teilchen mit Lithiumionenleitfähigkeit,
(EP ... B1 – Anspruch 2)
insbesondere wenn:
c) bei dem Separator gemäß Ziffer I.1.b) die elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen (a) mit einer Dielektrizitätskonstante von 5 oder mehr SrTiO3, SnO2, CeO2, MgO, NiO, CaO, ZnO, ZrO2, Y2O3, Al2O3, TiO2 oder SiC sind; die elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen (b) mit Piezoelektrizität BaTiO3, Pb(Zr, Ti)O3 (PZT), Pb1-xLaxZr1-y, TiyO3 (PLZT), Pb(Mg3Nb2/3)O3-PbTiO3 (PMN-PT) oder Hafniumoxid (HfO2) sind; und die elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen (c) mit Lithiumionenleitfähigkeit wenigstens eines sind ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Lithiumphosphat (Li3PO4), Lithiumtitanphosphat (LixTiy(PO4)3, 0<x<2, 0<y<1), Lithiumaluminiumtitanphosphat (LixAlyTiz(PO4)3, 0<x<2, 0<y<1, o<z<3), (LiAlTiP)xOy-artigem Glas (0<x<4, 0<y<13), Lithiumlanthantitanat (LixLayTiO3, 0<x<2, 0<y<3), Lithiumgermaniumthiophosphat (LixGeyPzSw, 0<x<4, 0<y<1, 0<z<1, 0<w<5), Lithiumnitrid (LixNy 0<x<4, 0<y<2), SiS2-artigem Glas (LixSiySz,0<x<3, 0<y<2, 0<z<4) und P2S5-artigem Glas (LixPySz, 0<x<3, 0<y<3, 0<z<7);
(EP ... – Anspruch 3)
und/oder:
d) bei dem Separator gemäß Ziffer I.1.a), I.1.b) oder I.1.c) die Größe der elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen zwischen 0,001 µm und 10 pm ist,
(EP ... B1 – Anspruch 4)
und/oder:
e) bei dem Separator gemäß Ziffer I.1.a), I.1.b), I.1.c) oder I.1.d) das Bindepolymer einen Löslichkeitsparameter zwischen 15 und 45 MPa1/2 aufweist,
(EP ... B1 – Anspruch 5)
und/oder:
f) bei dem Separator gemäß Ziffer I.1.a), I.1.b), I.1.c), I.1.d) oder I.1.e) das Bindepolymer eine Dielektrizitätskonstante zwischen 1,0 und 100, gemessen bei einer Frequenz von 1 kHz, aufweist,
(EP ... B1 – Anspruch 6)
und/oder:
g) bei dem Separator gemäß Ziffer I.1.a), I.1.b), I.1.c), I.1.d), I.1.e) oder I.1.f) das Bindepolymer wenigstens eines ist ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Polyvinylidenfluorid-co-hexafluorpropylen, Polyvinylidenfluorid-cotrichlorethylen, Polymethylmethacrylat, Polyacrylnitril, Polyvinylpyrrolidon, Polyvinylacetat, Polyethylen-covinylacetat, Polyimid, Polyethylenoxid, Zelluloseacetat, Zelluloseacetatbutyrat, Zelluloseacetatpropionat, Cyanoethylpullulan, Cyanoethylpolyvinylalkohol, Cyanoethylzellulose, Cyanoethylsucrose, Pullulan, Carboxymethylzellulose und Polyvinylalkohol,
(EP ... B1 – Anspruch 7)
und/oder:
h) der Separator gemäß Ziffer I.1.a), I.1.b), I.1.c), I.1.d), I.1.e), I.1.f) oder I.1.g) eine Dicke zwischen 1 und 100 µm aufweist,
(EP ... B1 – Anspruch 9)
2.
a) ein elektrochemisches Bauelement umfassend eine Kathode, eine Anode, einen Separator und einen Elektrolyten, wobei der Separator ein organischer/anorganischer poröser Verbundseparator ist, wie er in einem der vorangehenden Ansprüche definiert ist,
(EP ... B1 – Anspruch 11)
insbesondere wenn:
b) das elektrochemische Bauelement gemäß Ziffer I.2.a) eine Lithiumsekundärbatterie ist,
(EP ... B1 – Anspruch 12)
II. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 2014 begangen haben, und zwar unter Angabe
4. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
5. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
6. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei
-
zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, höchst hilfsweise Zollpapiere) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen, und
-
die Aufstellung mit den Daten der Auskunftserteilung zusätzlich in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln ist (z.B. Excel-Tabelle);
III. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I bezeichneten Handlungen seit dem 1. Februar 2014 begangen haben, und zwar unter Angabe:
a)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei
IV. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziffer I bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
V. die vorstehend unter Ziffer I bezeichneten, seit dem 1. Januar 2014 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des ... vom ...) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
B. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch – hilfsweise als Einzeltäter – verpflichtet sind, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der durch die in Ziffer A.I. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, und zwar der Schaden,
-
der der ... allein seit dem 1. Februar 2014 bis zum 2. Juni 2015 entstanden ist,
-
der der ... als Mitinhaberinnen seit dem 3. Juni 2015 bis zum 31. März 2017 entstanden ist,
-
der der ... als Mitinhaberinnen seit dem 1. April 2017 bis zum 30. Mai 2022 entstanden ist
-
der der ... als Mitinhaberinnen seit dem 31. Mai 2022 bis zum 12. Juni 2024 entstanden ist,
-
der der ... sowie der Klägerin als Mitinhaberinnen seit dem 13. Juni 2024 entstanden ist und noch entstehen wird.
Hilfsweise:
festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch – hilfsweise als Einzeltäter – verpflichtet sind, der Klägerin sowie der ... die soeben unter B. aufgeführten Schäden zu ersetzen.
25
Die Beklagten beantragen
I. die Klage kostenpflichtig abzuweisen
II. hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren über den Rechtsbestand des deutschen Teils des Europäischen Patents EP ... B1 (DE ...) auszusetzen.
III. hilfsweise: den Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
26
Die Beklagten sind der Ansicht, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Aufgrund von Mängeln in den Übertragungsvorgängen sei sie nie wirksam Mitinhaberin des Klagepatents geworden. Jedenfalls sei sie als Teilhaberin einer Bruchteilsgemeinschaft nicht berechtigt, Leistung an sich selbst zu verlangen, und jedenfalls nicht für den Zeitraum vor Erwerb der Patentinhaberschaft.
27
Die Beklagten seien nicht passivlegitimiert. Der Konzern der Beklagten nehme die Herstellung und den Vertrieb der streitgegenständlichen EV-Batterien allein in ... vor und verkaufe sie in ... an einen Vertriebspartner. Für welchen Markt die einzelnen Batterien bestimmt seien, sei nicht bekannt, zumal auch noch weitere Hersteller Batterien für Fahrzeuge der ... herstellten. Die Beklagten zu 2) und zu 4) hätten mit Herstellung und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen nichts zu tun.
28
Die Beklagten sind der Ansicht, der Vortrag der Klägerin zur jeweiligen Merkmalsverwirklichung sei nicht einlassungsfähig, da sie keine Analyse vorgelegt habe. Es lasse sich nicht nachvollziehen, was sie mit welchen Methoden und Ergebnissen im Einzelnen getestet habe. Unterstelle man die Analyse der Klägerin als richtig, so verwirklichten die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale 1.5 und 1.6 nicht. Im Übrigen stünde der Disclaimer gemäß Merkmal 1.7 einer Verletzung entgegen.
29
Der Vernichtungsanspruch scheitere auch daran, dass keine der Beklagten Inlandsbesitz an den angegriffenen Ausführungsformen gehabt habe. Dabei sei es unerheblich, dass die Beklagte zu 3) mit dem ... Abnehmer einen Eigentumsvorbehalt vereinbart habe, da dieser durch zeitnahe Begleichung der Rechnung bereits erloschen sei, wenn die mit der angegriffenen Ausführungsform ausgestatteten Fahrzeuge in das Gebiet der EU verbracht werden. Der Rückrufanspruch scheitere aus denselben Gründen.
30
Schließlich sei das Klagepatent nicht rechtsbeständig. Die Entgegenhaltungen NK 22 und NK 27 stünden ihm neuheitsschädlich entgegen. Die technische Lehre sei nicht ausführbar offenbart und beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
31
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2025 verwiesen. Den Parteien wurde nach Erhalt des Hinweisbeschlusses des Bundespatentgerichts ein besonderes Schriftsatzrecht eingeräumt, welches beide Parteien wahrgenommen haben.

Entscheidungsgründe

32
Die zulässige Klage (A.I.) ist begründet. Die Klägerin ist aktivlegitimiert (A.II.) und die Beklagten sind passivlegitimiert (B.). Aus der zutreffenden Auslegung der strittigen Merkmale 1.5, 1.6 und 1.7 des Klagepatents (C. I.) folgt, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre das Klagepatents hinsichtlich aller Merkmale Gebrauch machen (C.II.). Daraus ergeben sich die tenorierten Rechtsfolgen (C.III.). Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren war aufgrund der Entgegenhaltungen nicht angezeigt (D.). Entsprechend waren die Nebenfolgen festzusetzen (E.).
A.
33
I. Die Klage ist zulässig. Das Landgericht München I ist zuständig. Der Schadensersatzfeststellungsantrag ist zulässig, weil das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben ist, § 256 Abs. 1 ZPO. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist vor Erteilung der Auskunft noch nicht bezifferbar.
34
II. Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
35
1. Hinsichtlich der Frage der Aktivlegitimation eines eingetragenen Patentinhabers kommen folgende grundsätzliche Erwägungen zum Tragen:
36
Gewerbliche Schutzrechte wie Patente stellen ein wirtschaftliches handelbares Gut dar und können als solche übertragen werden. Dabei kann aus der Tatsache, dass eine Übertragung stattgefunden hat, nicht darauf geschlossen werden, dass es weitere, bislang nicht bekannte Übertragungen gibt – eine Übertragung begründet damit nicht die Vermutung, dass die Registerlage und die tatsächliche Rechtslage auseinanderfallen. § 30 Abs. 3 S. 1 PatG begründet eine Indizwirkung dahingehend, dass der Registerstand die Rechtslage korrekt wiedergibt, sodass sich eine klagende Patentinhaberin zum Nachweis ihrer Aktivlegitimation im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast darauf beschränken darf, auf die Registerlage zu verweisen. Weiterer Vortrag wird nur dann erforderlich, wenn die Beklagte die ordnungsgemäße Patentübertragung bestreitet; erst dann muss die Übertragung hinreichend konkretisiert dargelegt werden. Dabei gilt der Maßstab, dass ein vernünftiges Maß an Überzeugungsbildung erforderlich, aber auch ausreichend ist. Damit soll einerseits sichergestellt werden, dass die Rechte der Klägerin als Patentinhaberin gewahrt werden, dass aber andererseits auch die Beklagten vor unberechtigter Inanspruchnahme geschützt werden.
37
Vor diesem Hintergrund ist es zum Nachweis der Patentinhaberschaft zulässig, wenn die an der Patentübertragung beteiligten Parteien nachträglich Dokumente erstellen, um die Aktivlegitimation zu belegen. Diese Dokumente können als Beweis angesetzt werden, dass die Beteiligten die Rechtsfolgen, nämlich den Wechsel der Patentinhaberschaft, tatsächlich wollten, zumal die ursprünglich eingetragene Patentinhaberin ansonsten nicht bei der Erstellung der nachträglichen Dokumentation mitwirken würde. Im Rahmen der Patentübertragung müssen die Parteien nicht antizipieren, dass etwaige Beklagte in einem Verletzungsprozess sich gegen jede einzelne Übertragung wenden. Schließlich stehen im Mittelpunkt des Handelns wirtschaftliche Überlegungen und nicht das Bedürfnis nach gerichtsfestem Handeln.
38
2. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall für die Aktivlegitimation hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs (samt der Folgeansprüche) ausreichend, dass die Klägerin eingetragene Mitinhaberin ist. Zwar ist für die Sachlegitimation im Verletzungsrechtsstreit die materielle Rechtslage und nicht die Eintragung im Patentregister maßgeblich, ihr kommt jedoch eine erhebliche Indizwirkung zu, da nach § 30 Abs. 3 S. 1 PatG eine Änderung nur dann im Patentregister vermerkt werden darf, wenn sie dem Deutschen Patent- und Markenamt nachgewiesen wird (BGH GRUR 2013, 713, Rn. 51 ff – Fräsverfahren). Da sich die Beklagten auf eine vom Registerstand abweichende Rechtslage berufen, müssen sie konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, aus denen sich die Unrichtigkeit des Patentregisters ergibt (vgl. Cepl/Voß/Thomas, § 52 Rn. 52; OLG Hamburg, GRUR-RR 2020, 294 Rn. 32 – Verpackung für Rauchwaren). Die Argumente der Beklagten sind demgegenüber nicht geeignet, diese Vermutungswirkung zu erschüttern.
39
3. Hinsichtlich der bereits in der Vergangenheit entstandenen Schadensersatzansprüche hat die Klägerin ausführlich dargelegt, in welcher Form nicht nur das Patent, sondern auch die Schadensersatzansprüche übertragen wurden.
40
Die ursprüngliche Patentinhaberin, ... übertrug mit Vertrag vom 3. Juni 2015 (Anlage HL-A-13) der ... die hälftige Mitinhaberschaft an dem Klagepatent. Dieser Mitinhaberanteil ging aufgrund des Unternehmenszusammenschlusses mit ... am 1. April 2017 (Anlage HL-A-14) auf diese über.
41
Mit Vertrag vom 31. Mai 2022 (Anlage HL-A-15) übertrug die Patentanmelderin ihren Mitinhaberanteil an .... Dieser Vertrag enthält auf S. 6 eine Regelung dahingehend, dass alle bereits entstandenen Schadensersatzansprüche von der Erwerberin in eigenem Namen geltend gemacht werden können.
42
Schließlich übertrug ... ihren Mitinhaberanteil an die Klägerin, sodass diese am 18. Juni 2024 ihre Eintragung ins Patentregister beantragte, welche am 25. Juli 2024 vollzogen wurde. Mit Vertrag vom 13. Juni 2024 (Anlage HL-A-16) bestätigten ... und die Klägerin die Übertragung und Annahme der Übertragung des Mitinhaberanteils der ... sowie ihrer bislang entstandenen Schadensersatzansprüche an die Klägerin. Aus diesem Vertrag ergibt sich ebenfalls, dass die Klägerin berechtigt ist, die Schadensersatzansprüche in eigenem Namen geltend zu machen und nicht nur zugunsten der Bruchteilsgemeinschaft.
43
Hinreichend konkrete Anhaltspunkte, die gegen die Wirksamkeit der Übertragungsvorgänge sprechen, haben die Beklagten nicht vorgetragen.
B.
44
Die Beklagten sind passivlegitimiert.
45
1. Im Rahmen der Beurteilung der Passivlegitimation bei arbeitsteiligem Vorgehen im Rahmen einer Konzernstruktur gelten folgende grundsätzliche Überlegungen:
46
Wenn ausländische Unternehmen Produkte herstellen und an international tätige Unternehmen aus der Automobilindustrie liefern, von denen bekannt ist, dass deren Produkte, nämlich Pkws, auch auf den deutschen Markt kommen, dann sind sie im Rahmen ihrer Position als Beklagte dafür verantwortlich die konzerninterne Aufteilung der Unternehmen darzulegen und ggf. zu beweisen, dass sie selbst keinen Beitrag zu den patentverletzenden Handlungen geleistet haben. In aller Regel wird deshalb der Mutterkonzern und das auf die Herstellung des streitgegenständlichen Produkts spezialisierte Tochterunternehmen haften.
47
Es gibt zumindest einen Anschein, dass deutsche Tochtergesellschaften, die von der Namensgebung und den tatsächlichen Anteilseignern den Mutterkonzern und das produktbezogene Tochterunternehmen repräsentieren, in den Vertriebsprozess eingebunden sind. Dies gilt zumindest dann, wenn es in der Bundesrepublik Deutschland auch Unternehmen gibt, die sich mit der Herstellung von Produkten befassen, für die die angegriffene Ausführungsform verwendet werden kann. Derzeit kann noch davon ausgegangen werden, dass dies in der Automobilindustrie der Fall ist.
48
Zwar ist ein im Ausland ansässiger Lieferant eines im Inland patentgeschützten Erzeugnisses, welcher einen gleichfalls im Ausland sitzenden Abnehmer beliefert, nicht ohne Weiteres verpflichtet zu überprüfen, ob und wohin die von ihm gelieferten Ware weitergeliefert wird. Anders liegt der Fall jedoch, wenn für den Lieferanten konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es als naheliegend erscheinen lassen, dass sein Abnehmer die gelieferten Waren ins Inland weiterliefert oder dort anbietet. Dann ist er zu einer Überprüfung des Sachverhalts verpflichtet. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann eine pflichtwidrige und schuldhafte Ermöglichung oder Förderung einer fremden Patentverletzung Ansprüche aus §§ 139 ff. PatG begründen (BGH, GRUR 2017, 785, Rn. 62 ff. – Abdichtsystem).
49
2. Unter Beachtung dieser Grundsätze sind alle Beklagten passivlegitimiert.
50
Hinsichtlich der Beklagten zu 1) und zu 3) ergibt sich die Passivlegitimation daraus, dass die Beklagte zu 3) die angegriffenen Ausführungsformen herstellt und die Beklagte zu 1) als Muttergesellschaft und 100 %-ige Anteilseignerin den Vertrieb und die Abstimmung mit den Fahrzeugherstellern koordiniert. Dabei können sich die Beklagten nicht darauf zurückziehen, dass sie die Batterien lediglich an einen Abnehmer in ... verkaufen. Ausweislich einer Pressemitteilung auf der Internetseite ... wurden im Jahr 2022 etwa 43.000 Fahrzeuge der Serie ... innerhalb von Europa verkauft. Selbst wenn die Beklagte zu 3) nicht alleinige Batterieherstellerin für diese Fahrzeugserie ist, durfte sie nicht darauf vertrauen, dass ihr Abnehmer von patentverletzenden Handlungen Abstand nehmen wird. Vielmehr musste sie damit rechnen, dass zumindest ein erheblicher Teil der von ihr hergestellten Batterien in Fahrzeuge verbaut wird, die jedenfalls auch für den deutschen Markt bestimmt sind.
51
Bezüglich der Beklagten zu 2) und zu 4) ergibt sich die Haftung aus dem Geschäftszweck. Ausweislich des Handelsregisterauszugs (Anlage HL-A-25) vom 4. Februar 2025 war für die Beklagte 2) im Zeitraum 11. Januar 2023 bis 16. Oktober 2024 eingetragener Geschäftszweck „Der Import und Export von sowie der Handel mit Waren aller Art, insbesondere Batterien, Akkus und Materialien zu deren Herstellung, Batterien für Elektrofahrzeuge einschließlich Batteriemanagementsvstemen (BMS), Energiespeicherbatteriemodule und Energiespeichersystemen einschließlich Wechselrichtern, sowie elektronische Produkte, Beratung zu allen vorgenannten Produkten, des Weiteren Beratung und andere Serviceleistungen hinsichtlich Techniktransfers, soweit eine besondere Erlaubnis hierfür nicht erforderlich ist“. Zwar wurde die Passage „Batterien für Elektrofahrzeuge einschließlich Batteriemanagementsystemen (BMS)“ als Geschäftszweck aus dem Handelsregister gestrichen, jedoch ist nicht erkennbar, dass damit eine tatsächliche Änderung des Geschäftszwecks einher ging – zumal eine zeitlich nachgelagerte Änderung auch nicht ohne weiteres den durch die vorherige Eintragung gesetzten Schein entfallen lässt. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wurde von den Beklagten insofern nicht abgegeben.
52
Die Beklagte zu 4) als 100 %-ige Tochter der Beklagten zu 3) und damit 100 %-ige Enkelin der Beklagten zu 1) firmiert unter ... und führt im Handelsregister (Auszug vom 28. Juni 2024 vorgelegt als Anlage HL-A-6) den Import und Export von sowie den Handel mit Waren aller Art, insbesondere Batterien, Akkus (einschließlich Batteriemanagementsystemen) und Materialien zu deren Herstellung als Geschäftszweck auf.
53
In dieser Konstellation wäre es an den Beklagten gewesen, die Rolle der jeweiligen Unternehmung im Konzern darzulegen und damit den gesetzten Anschein zu entkräften. Das haben sie nicht in ausreichendem Maß getan. Sie können sich damit nicht auf das arbeitsteilige Vorgehen zurückziehen.
C.
54
I. Das Klagepatent betrifft eine mikroporöse Membran mit organischer/anorganischer Zusammensetzung, einen sogenannten Separator, der innerhalb einer Batteriezelle die Elektroden, Kathode und Anode, voneinander trennt, während der Elektrolyt die Bewegung der Ionen zwischen den Elektroden ermöglicht. Weiter betrifft es eine dadurch hergestellte elektrochemische Einrichtung, wie sie bei wiederaufladbaren Sekundärbatterien zum Einsatz kommen (Abs. [0001], [0002]).
55
1. Die Klagepatentschrift führt zum vorbekannten Stand der Technik aus, dass es bei den bislang hauptsächlich als Sekundärbatterien verwendeten Lithium-Batterien Probleme mit der Sicherheit gegeben habe, da sich die verwendeten organischen Elektrolyte entzünden oder explodieren könnten. Zudem sei der Herstellungsprozess sehr aufwendig. Die neueren Lithium-Ionen-Polymer-Batterien wiesen zwar diese Nachteile nicht mehr auf, seien aber im Verhältnis weniger leistungsstark. Insbesondere bei niedrigen Temperaturen sei die Leistung nicht zufriedenstellend (Abs. [0003]).
56
Eine Lithium-Ionen-Batterie werde hergestellt, indem man ein Kathodenaktivmaterial (beispielsweise LiCoO2) und ein Anodenaktivmaterial (beispielsweise Grafit) auf einem entsprechenden Stromabnehmer (d.h. Aluminiumfolie und Kupferfolie) aufbringe und so eine Kathode und eine Anode erhalte. Zwischen die beiden Elektroden wird ein Separator eingefügt, und in die so erhaltene Elektrodenanordnung wird ein Elektrolyt injiziert. Während des Ladevorgangs der Batterie wird das in der kristallinen Struktur des Kathodenaktivmaterials eingelagerte Lithium ausgelagert und in das Anodenaktivmaterial eingelagert. Beim Entladevorgang läuft diese Reaktion in umgekehrter Reihenfolge ab, weshalb Lithium-Ionen-Batterien auch Schaukelstuhl-Batterien genannt werden (Abs. [0004]). Die nachfolgend eingelichtete, S. 26 der Klageschrift entnommene Abbildung veranschaulicht dies am Beispiel eines Entladevorgangs beim Betrieb einer Glühbirne:
57
Das US-Patent ... (Anlage NK 27) offenbart einen Polyolefin-basierten Separator, der mit einer anorganischen Lage aus beispielsweise Kalziumkarbonat oder Kieselsäure beschichtet ist. Allerdings sind herkömmliche anorganische Partikel nicht in der Lage, bei externen Einflüssen auf die Batterie und dadurch verursachten Kurzschlüssen die Sicherheit signifikant zu erhöhen, zumal in dem Separator keine entsprechende Vorrichtung vorhanden ist. Zudem definiert das Patent die anorganische Partikelschicht hinsichtlich Dicke, Porosität und Porengröße nicht weiter. Auch haben die dort verwendeten anorganischen Partikel keine Lithium-Leitfähigkeit, wodurch die Qualität der Batterie erheblich sinkt (Abs. [0007]).
58
2. Hieraus definiert das Klagepatent die objektiv zu bestimmende Aufgabe, einen Separator bzw. ein elektrochemisches Bauelement mit einem Separator bereitzustellen, der bei einer hohen Leistungsfähigkeit hitzestabil und betriebssicher ist.
59
3. Als Lösung stellt das Klagepatent den vorliegend geltend gemachten Anspruch 1 (Separator) und den nebengeordneten Anspruch 11 (Bauelement) vor, die sich wie folgt gliedern lassen:
1. Anspruch 1
1.1. Organischer/anorganischer poröser Verbundseparator, welcher umfasst:
1.2. (a) ein Substrat, das ein poröser Separator auf Polyolefinbasis ist; und
1.3 (b) eine Mischung aus anorganischen Teilchen, die in einer Batterie elektrochemisch stabil sind, und einem Bindepolymer mit einer Glasübergangstemperatur zwischen -200°C und 200°C
1.3.1 in einem Gewichtsverhältnis von 60:40 bis 99:1,
1.4. beschichtet direkt auf einer Oberfläche des Substrats und einem Teil der Poren, die in dem Substrat vorhanden sind, die eine organische/anorganische poröse aktive Verbundschicht bildet;
1.5. wobei die elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen in der aktiven Schicht untereinander verbunden sind, und durch das Bindepolymer fixiert sind und es erlauben, dass Zwischenräume zwischen diesen gebildet werden, und wobei die Zwischenräume zwischen den elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen eine Porenstruktur bilden, die es Lithiumionen erlaubt, sich hindurch zu bewegen;
1.6. wobei, wenn die Größe der elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen zunimmt, der Zwischenraumabstand zwischen den anorganischen Teilchen zunimmt, wodurch die Porengröße zunimmt;
1.7. mit der Maßgabe, dass der organische/anorganische poröse Verbundseparator nicht eine poröse Folie ist, die ein organisches/anorganisches poröses Verbundfoliensubstrat und eine Beschichtungsschicht umfassend Styrol-Butadien-Kautschuk, gebildet auf wenigstens einem Bereich ausgewählt aus einer Oberfläche des Substrats und einem Teil der Poren in dem Substrat, umfasst, wobei das Substrat eine poröse Folie und eine Schicht umfasst, die eine Mischung aus anorganischen Teilchen und einem Bindepolymer, beschichtet auf einer Oberfläche der porösen Folie und/oder einem Teil der Poren in der porösen Folie, umfasst.
Anspruch 11:
Elektrochemisches Bauelement umfassend eine Kathode, eine Anode, einen Separator und einen Elektrolyten, wobei der Separator ein organischer/anorganischer poröser Verbundseparator ist, wie er in einem der vorangehenden Ansprüche definiert ist.
60
4. Die durch das Klagepatent unter Schutz gestellte technische Lehre ist aus der Sicht des Fachmanns, eines Physikalischen Chemikers oder Elektrochemikers mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Batterien (die Kammer schließt sich insofern dem Bundespatentgericht an), aus den Merkmalen der hier maßgeblichen Klagepatentansprüchen im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit unter Heranziehung der Beschreibung sowie der Zeichnungen zu ermitteln.
61
a. Der klagepatentgemäße organische/anorganische poröse Verbundseparator (Merkmal 1.1) umfasst zum einen ein Substrat, nämlich einen porösen Separator auf Polyolefinbasis (Merkmal 1.2, Abs. [0041]) und zum anderen eine Mischung (Merkmal 1.3) aus anorganischen Teilchen (Abs. [0031]), die in einer Batterie elektrochemisch stabil sind, sowie einem Bindepolymer (Abs. [0038]), der patentgemäß über eine Glasübergangstemperatur zwischen -200°C und 200°C verfügt. Nach Merkmal 1.3.1 beträgt das Gewichtsverhältnis dieser beiden Komponenten 60:40 bis 99:1 (Abs. [0039]).
62
b. Merkmal 1.4 spezifiziert weiter, dass die in Merkmal 1.3 genannte Mischung direkt auf einer Oberfläche des Substrats und einem Teil der Poren, die in dem Substrat vorhanden sind, beschichtet wird. Dadurch wird eine organische/anorganische Verbundschicht gebildet. Figur 1 des Klagepatents zeigt eine schematische Darstellung eines anspruchsgemäßen Verbundseparators, wobei es zur Anspruchsverwirklichung ausreichend ist, wenn eine Oberfläche des Substrats mit der Aktivmischung beschichtet ist; die Beschichtung beider Oberflächen ist nicht erforderlich (Abs. [0053]).
63
c. Das Bindepolymer hat nach Merkmal 1.5 die Aufgabe, die elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen in der aktiven Schicht untereinander zu verbinden und zu fixieren (Abs. [0024]). Gleichzeitig sollen Zwischenräume (interstitial volumes, Abs. [0004]) zwischen den fixierten anorganischen Teilchen gebildet werden, wodurch eine Porenstruktur entsteht. Dabei beschäftigt sich die Patentschrift nicht mit der genauen Ausgestaltung der anorganischen Teilchen oder der Porenstruktur. Insbesondere fordert Merkmal 1.5 des Anspruchs weder, dass die Porenstruktur der Aktivschicht einheitlich ist, noch dass die anorganischen Teilchen eine bestimmte Form aufweisen oder gar rund sind. Weiter setzt Merkmal 1.5 nicht voraus, dass die einzelnen Teilchen formschlüssig zusammenwirken. Merkmal 1.5 beansprucht lediglich, dass die Aktivschicht durch die Verbindung von Bindepolymer und anorganischen Teilchen so ausgestaltet ist, dass die Porenstruktur der Aktivschicht dergestalt mit der Porenstruktur des in Merkmal 1.2 beanspruchten Substrats zusammenwirkt, dass sich die Lithiumionen widerstandslos durch den Separator bewegen können (Abs. [0023]).
64
Dabei ist es unschädlich, wenn einzelne anorganische Teilchen vollständig von Bindepolymer umgeben sind und keine direkte Verbindung mit benachbarten Teilchen haben. Denn das Klagepatent fordert nicht, dass alle Teilchen miteinander in Berührung stehen. Die anorganischen Teilchen sind erst dann nicht mehr im Sinne des Merkmals 1.5 untereinander verbunden, wenn sie sich in so großen Abständen im Bindepolymer verteilen, dass sie keine Porenstruktur mehr bilden können. Für die Erfüllung dieser Funktion ist die Angabe konkreter Abstände und/oder der Art der Verbindung nicht erheblich, solange das Bindepolymer wie in den Absätzen [0024, 0035 und 0039] beschrieben die Verbindung der anorganischen Teilchen untereinander unterstützt.
65
d. Merkmal 1.6 enthält die beschreibende Korrelation, dass die Porengröße zunimmt, wenn die Größe der elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen und damit der Zwischenraumabstand zwischen den anorganischen Teilchen zunehmen (Abs. [0052]). Damit wird eine direkt proportionale Beziehung zwischen der Größe der anorganischen Teilchen und der Porengröße festgelegt. Merkmal 1.6 steht auch nicht im Widerspruch zu Merkmal 1.5. Durch das Zusammenspiel der beiden Merkmale wird vielmehr deutlich, dass das Bindepolymer die anorganischen Teilchen und damit zugleich die Porenstruktur bzw. die Zwischenräume in der porösen Verbundschicht des Separators fixiert (Merkmal 1.5), während Merkmal 1.6 die Steuerung der Porengröße über die Teilchengröße lehrt. Aus fachlicher Sicht ist es selbstverständlich, dass die Größe der Teilchen vorab festgelegt werden muss und nach der Zugabe des Binderpolymers nicht mehr geändert werden kann.
66
Dabei beansprucht Merkmal 1.6 nicht, dass die elektrochemisch stabilen anorganischen Teilchen eine bestimmte Struktur aufweisen. Zwar ist es richtig, dass sich bei Verwendung von kugelförmigen Partikeln die Porengröße merkmalsgemäß vergrößert. Das Klagepatent enthält jedoch weder im Anspruch noch in der Beschreibung Anhaltspunkte dafür, dass der Patentannspruch auf diesen engen Anwendungsbereich beschränkt sein soll. Vielmehr zeigt das Klagepatent in Figur 2a (entnommen S. 37 der Replik) ein Bild des als erfindungsgemäß beschriebenen Ausführungsbeispiels 1. Bei dieser Figur ist erkennbar, dass die als anspruchsgemäß betrachteten anorganischen Teilchen nicht kugelförmig sein müssen, sondern unterschiedliche Formen und Größen aufweisen dürfen. Auch die zwischen ihnen bestehenden Zwischenraumabstände dürfen unterschiedliche Größen und Formen aufweisen, solange die gebildete Struktur den Lithiumionen ein widerstandsloses Bewegen durch den Separator ermöglichen.
67
e. Mit Merkmal 1.7 grenzt sich das Klagepatent von dem in Abs. [0008] genannten Stand der Technik, WO-A-2006/062349 (Anlage NK 28) ab und schließt solche Ausgestaltungen vom Schutzbereich des Anspruchs aus, bei der ein organisches/anorganisches poröses Verbundfoliensubstrat mit einer Schicht umfassend Styrol-Butadien-Kautschuk beschichtet ist. Hinsichtlich der Frage, wie der auch in Merkmal 1.2 verwendete Begriff des Substrats zu verstehen ist, ist darauf abzustellen, mit welcher Bedeutung die Patentschrift NK 28 den Begriff des Substrats belegt. Diese lehrt auf S. 20 Z. 17 bis S. 21 Z. 9 eine Struktur, wie sie den unteren beiden Schichten der S. 49 der Replik entnommenen Abbildung entspricht:
68
Dabei ist Merkmal 1.7 so zu verstehen, dass nur solche Ausgestaltungen vom Schutzbereich ausgenommen sein sollen, bei denen als zusätzliche Schicht zu der porösen Folie (Merkmal 1.2) und der Mischung aus anorganischen Teilchen und Bindepolymer (Merkmale 1.3/1.4) eine Beschichtung mit Styrol-Butadien-Kautschuk vorliegt. Demgegenüber schließt das Klagepatent nicht aus, dass in der nach Merkmalen 1.3 und 1.4 gebildeten Aktivschicht Styrol-Butadien-Kautschuk vorhanden sein darf. Vielmehr führt Abs. [0038] in seiner nicht abschließenden Liste „acrylonitrile-styrene-butadiene copolymer“ als möglichen Bindepolymer nach Merkmal 1.3 auf.
69
II. Unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten Auslegung der zwischen den Parteien zu Recht allein streitigen Merkmale 1.5, 1.6 und 1.7 ist eine wortsinngemäße Verwirklichung von Anspruch 1 (und folglich auch Anspruch 11) des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform zu bejahen. Die Verwirklichung der übrigen Merkmale steht zwischen den Parteien zurecht nicht in Streit, weil die angegriffenen Ausführungsformen davon Gebrauch machen. Auf die Verwirklichung der weiteren abhängigen Ansprüche, die das Gericht nach ständiger Praxis als Hilfsansprüche wertet, kam es nicht an.
70
1. Hinsichtlich des Aufbaus und der Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform legt das Gericht die detaillierten und durch Messungen belegten Angaben der Klägerin zugrunde, denen die Beklagtenpartei nicht mit konkretem Sachvortrag entgegengetreten ist.
71
Die Klägerin trägt hinsichtlich der Verwirklichung der einzelnen Merkmale und damit der Verletzung des Klagepatents die Darlegungs- und Beweislast. Dies bedeutet, dass sie die einzelnen Tatsachen, aus denen sich die in Streit stehenden Merkmale ergeben, zunächst schlüssig vortragen muss. Die Beklagtenseite ist grundsätzlich nicht – auch nicht unter dem Aspekt der Sachnähe – verpflichtet, der Klägerin die Führung des Beweises zu erleichtern (Grabinski/Zülch/Tochtermann/Benkard, PatG, 12. Auflage 2023, § 139 Rn. 115, m.w.N.). Zudem darf sie einen pauschalen Vortrag ebenfalls pauschal bestreiten (a.a.O.). Sofern jedoch qualifizierter Vortrag der beweisbelasteten Partei vorliegt, muss die Gegenseite – um der Rechtsfolge des § 138 Abs. 3 ZPO zu entgehen – mit dem gleichen Detaillierungsgrad den Vortrag substantiiert bestreiten.
72
Die Beklagten haben vorgetragen, dass der klägerische Vortrag nicht einlassungsfähig sei, da die Klägerin keine Analysen vorgelegt habe. Damit werden die Beklagten ihrer Vortragslast nicht gerecht. Die Klägerin hat substantiierte Messungen vorgetragen, um den Aufbau der angegriffenen Ausführungsform zu belegen. Sofern die Beklagten der Auffassung sind, dass die von der Klägerin vorgelegten Messungen und Abbildungen die angegriffene Ausführungsform nicht richtig darstellen, hätten sie – zumal ihnen die konkrete Ausgestaltung bekannt ist – substantiiert darlegen müssen, wie die angegriffenen Separatoren bzw. Batterien tatsächlich aufgebaut sind. Dieser Verpflichtung sind sie nicht nachgekommen, sodass der Vortrag der Klägerin nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.
73
2. Die angegriffene Ausführungsform enthält einen organischen/anorganischen Verbundseparator (Merkmal 1.1), der sowohl ein Substrat – welches ein poröser Separator auf Polyolefinbasis ist (Merkmal 1.2) – als auch eine Mischung aus anorganischen Teilchen und Bindepolymer (Merkmal 1.3) umfasst.
74
Das nachfolgend eingelichtete, S. 58 der Klageschrift entnommene Lichtbild stellt eine mit einem Rasterelektronenmikroskop (REM) aufgenommene Querschnittsaufnahme des angegriffenen Separators dar und verdeutlicht den Aufbau der angegriffenen Ausführungsform:
75
Das Substrat nach Merkmal 1.2 ist in der breiten, dunkelgrau dargestellten Schicht erkennbar. Anhand der kleinen dunklen Strukturen ist erkennbar, dass das Substrat porös ist. Das Substrat besteht ausweislich der seitens der Klägerin durchgeführten Analysen aus Polyethylen, einem Polyolefin. In der Abbildung befindet sichbestehende Aktivschicht weist eine Porenstruktur auf, wie anhand der nachfolgenden S. 60 der Klageschrift entnommenen Abbildung (rote Markierungen durch die Klägerin, blaue Markierungen durch die Beklagten) erkennbar ist:
76
Als Bindepolymer nach Merkmal 1.3 kommen Polymethylmethacrylat (nachfolgend: PMMA), Polyacrylnitril (nachfolgend: PAN) und Styrol-Butadien-Kautschuk (nachfolgend: SBR) zum Einsatz. Die Glasübergangstemperatur von PMMA liegt bei 125°C, die von PAN bei ca. 95°C und jene von SBR bei ca. -55°C, sodass die verwendeten Bindepolymere jeweils eine Glasübergangstemperatur im beanspruchten Bereich aufweisen.
77
Das Gewichtsverhältnis der Mischung aus anorganischen Teilchen (Aluminiumoxid) und dem Bindepolymer liegt bei 86:14, mithin innerhalb des von Merkmal 1.3.1 beanspruchten Bereichs.
78
3. Merkmal 1.4 ist wortsinngemäß verwirklicht, weil die Mischung aus anorganischen Teilchen und Bindepolymer auf der Oberfläche und einem Teil der in dem Substrat vorhandenen Poren beschichtet ist. Dies veranschaulicht die S. 65 der Klageschrift entnommene REM-Aufnahme:
79
4. Merkmal 1.5 und 1.6 sind ebenfalls wortsinngemäß verwirklicht.
80
Auf der nachfolgend eingelichteten, S. 66 der Klageschrift entnommenen REM-Aufnahme ist ersichtlich, dass sich die anorganischen Teilchen einerseits berühren und miteinander verbunden sind, andererseits aber dennoch eine (lithiumionendurchlässige) Porenstruktur bilden.
81
Auch die von den Beklagten (S. 20 der Duplik) vorgelegte REM-Aufnahme zeigt eine patentgemäße Ausgestaltung:
82
Nach der gefundenen Auslegung ist es nicht erforderlich, dass die Aktivschicht eine einheitliche Porenstruktur aufweist, oder dass die anorganischen Teilchen rund sind. Vielmehr ist für die Merkmalsverwirklichung ausreichend, wenn die Porenstruktur – wie hier – so ausgestaltet ist, wie in Figur 2a des Klagepatents gezeigt, da so die Lithiumionen den Separator widerstandslos passieren können.
83
5. Die angegriffene Ausführungsform weist keine anspruchsausschließende Ausgestaltung nach Merkmal 1.7 auf. Dabei ist es unschädlich, dass die Aktivschicht SBR enthält. Nach der gefundenen Auslegung sind nur solche Ausführungsformen ausgeschlossen, bei denen der Separator zusätzlich zur Aktivschicht eine weitere SBR-Schicht enthält. Das ist bei der angegriffenen Ausführungsform nicht der Fall.
84
6. Die angegriffene Ausführungsform macht von Anspruch 11 des Klagepatents Gebrauch.
85
Die angegriffene Lithium-Sekundärbatterie ist ein elektrochemisches Bauelement, welches eine Kathode, eine Anode und – dazwischenliegend – einen Separator gemäß Anspruch 1 umfasst. Der Aufbau der angegriffenen Ausführungsform wird durch das nachfolgend eingeblendete Lichtbild (S. 75 der Klageschrift) verdeutlicht.
86
III. Die Beklagten bieten die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland an, vertreiben sie und machen damit widerrechtlich von der Lehre des Klagepatents im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG Gebrauch. Rechtsfolge dessen sind die tenorierten Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten.
87
Die Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung § 140a Abs. 1 und 3 PatG scheitern nicht am mangelnden Inlandsbesitz der Beklagten, da zumindest die Beklagte zu 3) die angegriffenen Ausführungsformen unter Eigentumsvorbehalt liefert und nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser bei Lieferung in das Inland noch nicht erloschen ist. Weiter kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich Batterien in den Geschäftsräumen der Beklagten zu 2) und zu 4) befinden. Zudem bietet auch der Auftritt der Beklagten auf der ees-Messe genügend Anhaltspunkte für die Annahme von Inlandsbesitz an den angegriffenen Ausführungsformen.
D.
88
Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht keine Veranlassung, § 148 ZPO. 
89
I. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammern des Landgerichts München I (vgl. GRUR-RS 2023, 26656 Rn. 93; GRUR-RS 2019, 31034 Rn. 66; GRUR-RS 2019, 31037 Rn. 63; BeckRS 2018, 41093 Rn. 147) stellen ein Einspruch oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen. Das ist dem Gesetz jedoch fremd. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.
90
Aufgrund des Vortrags der Beklagten kann vorliegend nicht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Widerrufs des Klagepatents ausgegangen werden. Dabei hat die Kammer insbesondere auch den Vortrag der Beklagtenpartei berücksichtigt, in dem sie sich kritisch mit dem Hinweisbeschluss des Bundespatentgerichts vom 16.05.2025 auseinandergesetzt hat. Die Beklagtenpartei konnte zu den Einwänden noch vor der Verhandlung schriftsätzlich vortragen und hatte zudem die Möglichkeit, die Argumente in der mündlichen Verhandlung umfassend vorzutragen. Von dieser Möglichkeit wurde auch Gebrauch gemacht.
91
II. Das Klagepatent offenbart die durch Anspruch 1 geschützte Lehre hinreichend deutlich und vollständig.
92
Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung liegt vor, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in die Lage versetzt wird, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (BGH, GRUR 2010, 901 Rn. 31 – Polymerisierbare Zementmischung).
93
Die Beklagten berufen sich auf eine mangelnde Ausführbarkeit von Merkmal 1.6, da dieses zwar einerseits voraussetze, dass sich die Teilchengröße in dem beanspruchten Verbundseparator entweder aktiv vergrößern lasse oder aber sich die Größe der anorganischen Teilchen zu einem Zeitpunkt eigenständig verändere, das Klagepatent andererseits aber keinen Hinweis darauf enthalte, wie dies zu bewerkstelligen sei.
94
Dabei gehen die Beklagten jedoch von einem unzutreffenden Verständnis des Merkmals 1.6 aus. Nach der gefundenen Auslegung lehrt Merkmal 1.6 allein die Steuerung der Porengröße über die Teilchengröße, wobei die Größe der Teilchen nach Zugabe des Bindepolymers nicht mehr geändert werden kann.
95
III. Der Gegenstand des Klagepatents ist durch keine der vorgebrachten Entgegenhaltungen neuheitsschädlich vorweggenommen.
96
1. Das Klagepatent ist neu gegenüber der Entgegenhaltung US 6,432,586 (Anlage NK 27, nachfolgend: NK 27).
97
a. Für die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, ist maßgeblich, welche technische Information dem Fachmann unmittelbar und eindeutig offenbart wird (BGH GRUR-RS 2022, 35280, Rn. 87 – Wundreinigungstuch).
98
b. Das Klagepatent beschreibt in Abs. [0007] die Entgegenhaltung NK 27 als Stand der Technik (s. oben Rn. 45), so dass es eine Vermutung gibt, dass diese Entgegenhaltung Gegenstand des Erteilungsverfahrens war. Davon unabhängig offenbart die NK 27 nicht alle Merkmale. Denn die NK 27 beansprucht einen Separator, der ausweislich Sp. 3, Z. 10 als nicht-poröse keramische Verbundschicht ausgestaltet ist. Somit zeigt NK 27 die Merkmale 1.5 und 1.6 nicht eindeutig und unmittelbar.
99
2. Die Entgegenhaltung NK 22 steht dem Klagepatent nicht neuheitsschädlich entgegen, da sie aufgrund wirksamer Inanspruchnahme der Prioritäten der KR 2004-... (KE2/NK4.2a) und KR 2004-... (KE2/NK4.1a) durch das Klagepatent keinen zu berücksichtigenden Stand der Technik darstellt. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem Hinweisbeschluss des Bundespatentgerichts Bezug genommen.
100
a. Bei der Anmeldung eines europäischen Patents kann das Prioritätsrecht einer vorangegangen Anmeldung nach Art. 87 Abs. 1 EPÜ in Anspruch genommen werden, wenn beide dieselbe Erfindung betreffen. Dieselbe Erfindung liegt vor, wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist. Dabei ist die Offenbarung des Gegenstandes der ersten Anmeldung nicht auf die dort formulierten Ansprüche beschränkt, vielmehr ist dieser aus der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen zu ermitteln (BGH GRUR 2014, 542 – Kommunikationskanal).
101
b. In beiden Prioritätsdokumenten sind verschiedene anorganische Teilchen genannt. Im vorliegenden Fall kann der erteilte Patentanspruch 1 daher Teilchen mit weiteren/anderen Eigenschaften umfassen, sofern sich auch diese Teilchen nach wie vor in einer Batterie als elektrochemisch stabil erweisen. Das Streitpatent fasst die einzelnen Erkenntnisse aus den Prioritätsdokumenten durch die im Merkmal 1.3 allgemein genannte Mischung aus anorganischen Teilchen, die in einer Batterie elektrochemisch stabil sind, in zulässiger Weise zusammen, ohne damit den Erfindungsgedanken der Voranmeldung zu verlassen. Die Tatsache, dass nur ein Teilbereich Gegenstand einer Priorität ist, führt vorliegend demzufolge nicht zur Unwirksamkeit der Priorität (BGH GRUR 2016, 50 Rn. 34 – Teilreflektierende Folie).
102
Die nachträgliche Ermittlung eines optimalen Verhältnisses von anorganischen Teilchen zu Binderpolymer von 60:40 bis 99:1 in der Nachanmeldung (siehe Merkmal 1.3.1), welches in der Voranmeldung noch nicht offenbart worden war, ist ebenfalls unschädlich, da mit dem breiteren Bereich in der Voranmeldung auch alle denkbaren Unterbereiche mit offenbart sind (BGH GRUR 2000, 591 – Inkrustierungsinhibitoren).
103
IV. Das Fehlen erfinderischer Tätigkeit kann nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
104
a. Die Beklagten sind der Ansicht, es fehle der klagepatentgemäßen Erfindung an erfinderischer Tätigkeit ausgehend von der Patentanmeldung JP 2005 ... (Anlage NK 22, nachfolgend NK 22), NK 22 in Verbindung mit allgemeinem Fachwissen und ausgehend von NK 27.
105
93 b. Um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum einen erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen muss der Fachmann Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH BeckRS 2018, 13279 Rn. 49 f. – Tongeber für Einparkhilfesysteme von Fahrzeugen)
106
c. Wie ausgeführt stellt NK 22 aufgrund der wirksamen Inanspruchnahme der Priorität keinen zu berücksichtigenden Stand der Technik dar und kann damit auch bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht (auch nicht in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen) herangezogen werden.
107
d. Ausgehend von NK 27 beruht das Klagepatent auf erfinderischer Tätigkeit. NK 27 liegt eine technische Lösung zugrunde, bei der die lonenleitfähigkeit durch das verwendete Matrixmaterial und die darin dispergierten Teilchen beeinflusst wird (Sp. 3, Z. 9 bis 14) und nicht durch die Porenstruktur des Separators. NK 27 führt damit von der erfindungsgemäßen Lehre weg.
108
Daher übt die Kammer das ihr eingeräumte Ermessen dahingehend aus, das Verfahren nicht auszusetzen.
E.
109
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO, wobei das Gericht die Angaben der Parteien zugrunde gelegt hat.