Titel:
Wiederholungsgefahr bei falscher Rechtsauskunft durch die IHK
Normenketten:
UWG § 3 a, § 5 Abs. 2 Nr. 3
GewO § 34d, § 34f, § 34i
Leitsatz:
Die durch Erstbegehung indizierte Wiederholungsgefahr entfällt nicht, weil der Anspruchsgegner sich bei Begehung der Wettbewerbsverletzung aufgrund einer falschen Rechtsauskunft der IHK im Irrtum befand und dieser Irrtum aufgeklärt wurde. (Rn. 26 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Erstbegehungsgefahr
Fundstellen:
WRP 2025, 966
GRUR-RS 2025, 13964
LSK 2025, 13964
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EURO oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – zu vollstrecken am Vorstand …, wegen jeder Zuwiderhandlung es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu werben mit den Hinweisen:
„Die … AG ist Versicherungsvertreterin mit Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 Gewerbeordnung, Bundesrepublik Deutschland (Versicherungsvermittler) Registernummer: …, sofern eine solche Erlaubnis nicht vorliegt
„Die … AG ist Finanzanlagenvermittlerin mit Erlaubnis nach § 34f Abs. 1 Gewerbeordnung, Bundesrepublik Deutschland Registernummer:…“, sofern eine solche Erlaubnis nicht vorliegt
„Die … AG ist Immobiliardarlehensvermittlerin mit Erlaubnis nach § 34i Abs. 1 S. 1 Gewerbeordnung, Bundesrepublik Deutschland Registernummer: …“, sofern eine solche Erlaubnis nicht vorliegt.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 374,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 24.02.2024 zu bezahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Ansprüche.
2
Der Kläger verfolgt gemäß § 2 seiner Satzung den Zweck, durch Beteiligung an der Rechtsforschung sowie durch Aufklärung und Belehrung zur Förderung des lauteren Wettbewerbs beizutragen und – ggf. im Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen der Rechtspflege – unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist er als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen klagebefugt.
3
Die Beklagte bewarb und erbrachte unter der Firmenbezeichnung … AG Finanzberatungsdienstleistungen und Finanzierungskonzepte. Diese wurden auch per Website im Internet angeboten.
4
Am 02.01.2024 hieß es im dortigen Impressum:
„Die … AG ist Versicherungsvertreterin mit Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 Gewerbeordnung, Bundesrepublik Deutschland (Versicherungsvermittler) Registernummer: ...
„Die … ist Finanzanlagenvermittlerin mit Erlaubnis nach § 34 f Abs. 1 Gewerbeordnung, Bundesrepublik Deutschland Registernummer: ...
„Die … AG ist Immobiliardarlehensvermittlerin mit Erlaubnis nach § 34 i Abs. 1 S. 1 Gewerbeordnung, Bundesrepublik Deutschland Registernummer:…
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Zu diesem Zeitpunkt verfüge die Beklagte nicht über die beschriebenen gewerberechtlichen Erlaubnisse in ihrer Rechtsform als AG.
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Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben und Abmahnung vom 18.01.2024 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
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Die Beklagte wies mit Schreiben vom 06.02.2024 die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung mit der Begründung zurück, Anzeigeerstatter sei ihr ehemaliger Vorstand, der Kläger ließe sich vor den „Karren spannen“, auch seien die Eintragungen im Register beantragt.
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Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 14.02.2024 und forderte die Beklagte mit letzter Fristsetzung zum 23.02.2024 zur Abgabe der Unterlassungserklärung auf.
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Die Beklagte habe es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit den im Klageantrag genannten Hinweisen zu werben, und sei verpflichtet, an den Kläger Abmahnkosten in Höhe von 374,50 € zu erstatten.
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Die Vermittlung von Versicherungsprodukten sowie von Finanzanlageprodukten und Immobiliendarlehen ohne Erlaubnis stelle aufgrund der verbraucherschützenden Zielrichtung der §§ 34 d, 34 f, 34 i Gewerbeordnung eine unzulässige unlautere geschäftliche Handlung und damit einen Wettbewerbsverstoß im Sinne der §§ 3, 3 a UWG dar, da es sich bei den genannten Vorschriften sich um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3 a UWG handele.
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Die gewerblichen Hinweise der Beklagten seien zudem auch irreführend gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Bei den werblichen Hinweisen der Beklagten handele es sich um unwahren Angaben in diesem Sinne, da die durch die Beklagte angegebenen Registernummern zu den gewerberechtlichen Erlaubnissen nicht zu der … AG führten, sondern einem Herrn … …, bzw. Herrn …
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Die Beklagte verkenne, dass der Anspruch nach § 8 UWG kein Verschulden voraussetze, es mithin nicht darauf ankomme, ob die Beklagte fahrlässig oder vorsätzlich im geschäftlichen Verkehr mit den Erlaubnissen nach §§ 34d Abs. 1, 34f Abs. 1, 34i Abs. 1 GewO werbe oder geworben habe. Auch die Wiederholungsgefahr des wettbewerbswidrigen Verhaltens sei nicht aufgehoben. Wenn es bereits zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen sei, streite eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr. An den Fortfall der Wiederholungsgefahr wären strenge Anforderungen zu stellen. Dies gelinge im Allgemeinen nur dadurch, dass der Verletzer eine bedingungslose und unwiderrufliche Unterlassungsverpflichtungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung abgebe. Die einfache Beseitigung des Wettbewerbsverstoßes genüge nicht, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
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Der Klageanspruch bezüglich des Aufwendungsersatzes beruhe auf § 13 Abs. 3 UWG. Die geltend gemachte Kostenpauschale in Höhe von 374,50 € (= 350,00 € zzgl. 7 % MwSt.) entspreche einem angemessenen Anteil der erforderlichen Aufwendungen des Klägers.
1. Die Beklagte wird verurteilt, unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EURO oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – zu vollstrecken am Vorstand …, wegen jeder Zuwiderhandlung es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu werben mit den Hinweisen:
„Die … AG ist Versicherungsvertreterin mit Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 Gewerbeordnung, Bundesrepublik Deutschland (Versicherungsvermittler) Registernummer:…, sofern eine solche Erlaubnis nicht vorliegt
„Die … AG ist Finanzanlagenvermittlerin mit Erlaubnis nach § 34f Abs. 1 Gewerbeordnung, Bundesrepublik Deutschland Registernummer:…“, sofern eine solche Erlaubnis nicht vorliegt
„Die … AG ist Immobiliardarlehensvermittlerin mit Erlaubnis nach § 34i Abs. 1 S. 1 Gewerbeordnung, Bundesrepublik Deutschland Registernummer:…“, sofern eine solche Erlaubnis nicht vorliegt.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 374,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz gemäß §§ 247, 288 Abs. 1 BGB seit 24.02.2024 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Klage sei unbegründet und es fehle sowohl an einem Wettbewerbsverstoß und erst recht an einer Wiederholungsgefahr. Bis Ende des Kalenderjahres 2023 sei Herr … weiterer Vorstand der Beklagten gewesen. Herr … habe sowohl über eine Erlaubnis nach § 34d GewO als auch über eine Erlaubnis nach § 34f GewO als auch über eine Erlaubnis nach § 34i GewO verfügt. Nach Ausscheiden aus der Beklagten habe dann Herr … im Dezember 2023 die Rückgabe seiner Registriernummer angefordert. Um den Geschäftsbetrieb weiter aufrechtzuerhalten, habe der weitere Vorstand Herr … andere Personen mit der Vermittlungsbetreuung beauftragt. Gleichzeitig – um nichts falsch zu machen – habe sich Herr … am 14.12.2023 mit der IHK in Verbindung gesetzt. Bei diesem Telefonat habe Herr … bei der IHK nachgefragt, ob es möglich ist, dass führungsverantwortliche Personen ihre Registriernummern zur Verfügung stellen, was von der Mitarbeiterin der IHK, Frau …, hinsichtlich der Erlaubnis nach § 34d GewO uneingeschränkt bejaht worden sei und für die Erlaubnisse nach § 34f GewO und § 34i GewO mit der Maßgabe, dass ein Gesellschafterbeschluss erfolgen müsse. Daraufhin sei unter dem Datum des 24.01.2024 auf Vorgaben der IHK ein entsprechender Gesellschafterbeschluss ergangen. Anschließend sei dann auf Anraten von Frau … von der IHK die Registrierung so beantragt worden, von der IHK ausdrücklich anerkannt und mit Rechnung der IHK vom 05.02.2024 abgerechnet worden. Am 20.02.2024 habe dann völlig überraschend ein anderer Mitarbeiter der IHK, nämlich Herr …, bei der Beklagten angerufen und mitgeteilt, dass die Erlaubnis nach § 34f GewO und § 34i GewO doch nicht so verwendet werden könne. Unmittelbar nach Rückkehr von einer Geschäftsreise habe sich dann der Vorstand der Beklagten, Herr …, am 29.02.2024 mit Herrn … von der IHK telefonisch in Verbindung gesetzt und auch eine E-Mail am gleichen Tage versandt. Sicherheitshalber – um ja nichts falsch zu machen – sei parallel die Registrierung nach § 34f GewO und § 34i GewO bereits vorab, also vor abschließender Klärung aus dem Internet, also insbesondere aus der Homepage herausgenommen worden. In weiteren Gesprächen mit der IHK habe sich dann herausgestellt, dass in der Tat die ursprüngliche Auskunft der IHK falsch gewesen sei und der von der Beklagten auf Vorgaben der IHK am 24.01.2024 gefällte Gesellschafterbeschluss nicht ausgereicht habe.
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Die Beklagte habe also von sich aus – völlig unabhängig von irgendwelchen Abmahnungen der Klägerin – alles Erforderliche sofort und umfassend veranlasst, um die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten.
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Wegen der übrigen Einzelheiten, insbesondere der geäußerten Rechtsansichten, wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet.
20
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit den im Tenor genannten Hinweisen zu werben, sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 374,50 €.
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I. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit den im Tenor genannten Hinweisen zu werben.
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1. Der Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte folgt aus § 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a, 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG, da die streitgegenständlichen Hinweise der Beklagten gemäß §§ 34 d, 34 f, 34 i Gewerbeordnung jedenfalls ab dem 01.01.2023 unrichtig waren.
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Der Unterlassungsanspruch ist verschuldensunabhängig, so dass es auf den Vortrag der Beklagten, zu den unrichtigen Angaben sei es aufgrund falscher Auskünfte der IHK gekommen, nicht ankommt.
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2. Die von der Beklagten vorgetragenen Umstände führen auch nicht zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr, die durch die Erstbegehung indiziert wird.
25
Im Wettbewerbsrecht ist anerkannt, dass der bloße Wegfall der Störung nicht zu einer Beseitigung der Wiederholungsgefahr genügt (Köhler/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 8 Rn. 1.49).
26
Die Beklagte kann sich auch nicht auf den teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Grundsatz berufen, wonach die Wiederholungsgefahr in Fallgestaltungen entfallen kann, in denen eine Unkenntnis oder ein Verkennen der Gesetzeslage als milder oder als entschuldigt angesehen werden kann und bei denen nicht ohne weiteres davon auszugehen ist, dass sich der Gesetzesverstoß wiederholt (BGH, Urteil vom 10.02.1994 – I ZR 16/92).
27
Diese Ausnahmen werden in der wettbewerbsrechtlichen Kommentarliteratur kritisch gesehen (Köhler/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 8 Rn. 1.53 – „Vereinzelt hat die Rspr. jedoch Ausnahmen zugelassen, die allerdings wenig überzeugen und nicht verallgemeinert werden dürfen.“).
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Vor allem aber ist der von der Beklagte vorgetragene Sachverhalt nicht mit diesen Fallgestaltungen vergleichbar. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren fehlte eine höchstgerichtliche Klärung der streitentscheidenden Rechtsfragen, weshalb es dort ausnahmsweise unbillig erschien, unverändert die strengen Grundsätze über die Annahme bzw. den Wegfall der Wiederholungsgefahr anzuwenden. Die Beklagte beruft sich hier aber schlicht auf eine falsche Rechtsauskunft der IHK. Wenn bereits eine solche falsche Rechtsauskunft dazu führen würde, dass die Wiederholungsgefahr entfiele, wären im Ergebnis die Grundsätze des verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs und der strengen Voraussetzungen des Wegfalls der Wiederholungsgefahr faktisch ausgehöhlt.
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Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass die von ihr behauptete falsche Rechtsauskunft der IHK auf einer Unsicherheit über die tatsächliche Rechtslage z.B. wegen fehlender obergerichtlicher Rechtsprechung o.ä. zurückzuführen war.
30
Es ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte lediglich auf eine nach ihrem Vortrag erfolgte telefonische Auskunft einer IHK-Mitarbeiterin berufen kann, die nach dem Vortrag der Beklagten zunächst erfolgte Registrierung durch die IHK soll erst nach der Abmahnung mit Schreiben vom 18.01.2024 erfolgt sein.
II. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 374,50 € gemäß § 13 Abs. 3 UWG.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, 91 Abs. 1, 709 ZPO, 48 GKG.