Titel:
Werbung, Berufung, Unterlassung, Kennzeichnung, Pflichtverletzung, Vertragsstrafe, Unterlassungsvertrag, Beseitigung, Angebot, Feststellungsinteresse, Abmahnung, Verpflichtung, Unterlassungsschuldner, Feststellungsantrag, falsche Angaben, neues Angebot, keinen Erfolg
Normenketten:
BGB § 133, § 157, § 339 S. 2
UWG § 5 Abs. 2 Nr. 1, § 8, § 13
Leitsätze:
1. Verspricht der Abgemahnte, keine unzutreffenden Angaben darüber zu machen, dass sich an bestimmten Standorten noch von ihm betriebene Praxisräume befinden, kommt er bei entsprechenden Interneteinträgen seinen Pflichten dadurch nach, dass er die Räume als „dauerhaft geschlossen“ kennzeichnet.
2. Der Hinweis auf nicht mehr betriebene Praxisstandorte ist zwar lauterkeitsrechtlich nicht unbedenklich; ein darauf gestützter Verstoß ist aber nicht Kerngleich mit einer Werbung, die den Eindruck erweckt, es werde dort noch eine Praxis unterhalten.
Schlagworte:
Werbung, Berufung, Unterlassung, Kennzeichnung, Pflichtverletzung, Vertragsstrafe, Unterlassungsvertrag, Beseitigung, Angebot, Feststellungsinteresse, Abmahnung, Verpflichtung, Unterlassungsschuldner, Feststellungsantrag, falsche Angaben, neues Angebot, keinen Erfolg
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 01.10.2024 – 3 HK O 5904/23
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 12701
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. Oktober 2024, Az. 3 HK O 5904/23, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten darum, ob eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zustande gekommen und wie diese auszulegen ist und ob der Beklagte deshalb eine Vertragsstrafe in zwei Fällen verwirkt hat.
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Die beiden Parteien sind als selbstständige Ergotherapeuten tätig. Die Klägerin ließ unter dem 6. Dezember 2022 den Beklagten abmahnen, weil auf seiner Internet-Homepage mehrere Praxisstandorte aufgeführt waren, obwohl er zu diesem Zeitpunkt nur noch in E. eine Praxis betrieb. Beigefügt war eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, die sich darauf bezieht, Adressangaben zu veröffentlichen, wenn und soweit an den genannten Standorten kein der Beklagten zuzurechnender Praxisbetrieb besteht, und für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 5.100,00 € vorsah. Der Beklagte unterzeichnete diese Erklärung unter dem 19. Dezember 2022 mit dem handschriftlich angebrachten Zusatz, für im Netz kursierende Seiten wie Bewertungsportale sei er nicht verantwortlich. Unter dem 22. Dezember 2022 bat der Klägervertreter um Aufklärung hinsichtlich dieses Vorbehalts; die Einfügung sei entweder eine Selbstverständlichkeit und daher überflüssig, weil dem Beklagten solche Inhalte schon nicht zugerechnet werden könnten, oder führe dazu, dass die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt werde, wenn er sich nur zur Entfernung von Inhalten auf eigenen Seiten verpflichten wolle. Mit E-Mail vom 27. Dezember 2022 bestätigte der Beklagte eine zuvor erfolgte telefonische Klarstellung, er werde in absehbarer Zeit Drittinhalte im Internet in einem ihm zumutbaren Umfang löschen.
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Unter dem 5. Januar 2023 teilte der Beklagte dem Klägervertreter mit, alle Online-Darstellungen seien gelöscht, und fügte hierzu in zwei E-Mails eine Vielzahl von Screenshots bei. Auf Nachfrage des Beklagten vom 28. Februar 2023 erklärte der Klägervertreter unter dem 1. März 2023, dass die Angelegenheit durch Abgabe der Unterlassungserklärung und Beseitigung der Störungen bis auf den Kostenausgleich erledigt sei. Nachdem klägerseits festgestellt wurde, dass sich auf google weiter Einträge zu den vormaligen Praxisstandorten des Beklagten in N. und G. befinden, welche lediglich als „dauerhaft geschlossen“ gekennzeichnet sind, ließ die Klägerin den Beklagten unter dem 23. Mai und dem 14. September 2023 erneut zur Unterlassung auffordern und eine erhöhte Vertragsstrafe verlangen.
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Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe wegen zwei Verletzungen der strafbewehrten Unterlassungserklärung i.H.v. 10.200,00 €, Erstattung der Kosten für die anwaltlichen Schreiben vom 23. Mai und dem 14. September 2023 sowie die Feststellung, dass der Beklagte aufgrund der Erklärung vom 19. Dezember verpflichtet ist, Adressangaben im Internet die sich auf dem Betrieb eine Ergotherapiepraxis beziehen, entfernen oder entfernen zu lassen wenn dort kein dem Beklagten zuzurechnender Praxisbetrieb besteht, auch wenn der Beklagte die Adressinhalte nicht selbst eingestellt hat oder sie von ihm nicht unterhalten werden, sofern nicht eine Änderung oder Löschung spezielle Bearbeitungsrechte erfordert, über die der Beklagte nicht verfügt.
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Das Landgericht hat die Klageanträge abgewiesen. Es sei bereits kein Vertragsstrafeversprechen zustande gekommen, weil der Beklagte mit seiner Erklärung vom 19. Dezember 2022 das klägerseitige Angebot nur mit Einschränkungen angenommen habe und auch in der Folgezeit jede Seite das vorherige gegnerische Angebot abgelehnt habe; die Annahmeerklärung in der mündlichen Verhandlung habe das Strafversprechen nicht rückwirkend begründet. Selbst wenn man einen Unterlassungsvertrag unterstelle, fehle es an einer Pflichtverletzung durch den Beklagten, weil der Unterlassungsvertrag ihn nicht verpflichte, veraltete Adressen vollständig zu entfernen, sondern nur, keine irreführenden Informationen über aktuelle Praxisstandorte zu publizieren. Hierbei hat das Landgericht insbesondere darauf abgestellt, dass die Unterwerfung vom 19. Dezember 2022 nur das Verbot enthalte, falsche Angaben zu machen; eine Irreführung über einen Praxisbetrieb an einem bestimmten Standort scheide auch dann aus, wenn angegeben werde, dass an diesem Standort der Betrieb dauerhaft geschlossen ist. Ein „Umleiten“ von potentiellen Kunden durch Angabe inaktiven Standortes sei auch in der Vorkorrespondenz nie thematisiert worden. Für dieses Verständnis spreche auch, dass der Klägervertreter später bestätigt habe, die Angelegenheit sei erledigt, nachdem der Beklagte die entsprechenden Screenshots übersandt hatte. Der letztgenannte Umstand mache jedenfalls das Verlangen nach Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich. Die Klägerseite habe ein schutzwürdiges Vertrauen des Beklagten geschaffen, dass die von ihm unternommenen Anstrengungen ausreichten. Insoweit habe der Beklagte der Klägerseite Gelegenheit geben wollen, zu prüfen, ob auch aus ihrer Sicht das erforderliche getan ist; dies habe der Klägervertreter schließlich bestätigt. Der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Der Beklagte schulde nur Beseitigungsmaßnahmen, die zumutbar sind, woran es auch fehlen könne, wenn er spezifische Bearbeitungsrechte besitze; ohnehin sei es Aufgabe der Klägerin, erforderlichenfalls darzulegen und zu beweisen, welche Maßnahmen zur Beseitigung dem Beklagten zumutbar sind. Dementsprechend seien auch die Nebenansprüche nicht begründet.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Ein strafbewehrter Unterlassungsvertrag sei zustande gekommen, weil – was jedenfalls die nachfolgende Korrespondenz zeige – die Klägerin von vornherein nur solche Fälle erfassen wollte, in denen der Beklagte trotz Zumutbarkeit nicht aktiv wird, und der Beklagte dies so versprechen wollte. Jedenfalls sei eine entsprechende Einigung durch die Erklärungen vom 22. und 27. Dezember 2022 zustande gekommen. Bei der Auslegung des Inhalts habe sich das Landgericht über den klaren Wortlaut der Regelungen und der Vorkorrespondenz, in denen von „Löschen“ und „Entfernen“ die Rede ist, hinweggesetzt; an einer durch Auslegung auszufüllenden Lücke fehle es ebenso wie an den Voraussetzungen einer Umdeutung. Anlass der Abmahnung sei gerade gewesen, dass der Beklagte eine Adresse verwendete, unter der kein aktiver Praxisstandort unterhalten wurde; bei Berücksichtigung des Abmahnschreibens ergebe sich auch, dass es der Klägerin nicht nur um die Vermeidung eine Irreführung gegangen sei. Auf die Erklärungen des Klägervertreters vom 1. März 2023 könne sich der Beklagte nicht stützen, weil darin nicht ausdrücklich mitgeteilt wurde, der in den Anlagen zu entnehmende Zustand sei in Ordnung; der Beklagte habe bewusst falsche Angaben gemacht, dass die in den beigefügten Anlagen erkennbaren Inhalte gelöscht worden seien. Die Feststellungsklage sei zulässig, weil der entsprechende Leistungsanspruch bereits durch den Unterwerfungsvertrag erfüllt sei, der Beklagte aber in Abrede stelle, dass ein solcher Vertrag besteht und sich auch auf zumutbare Beseitigungsmaßnahmen erstreckt.
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Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
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Die zulässige Berufung hat zur Überzeugung der Senatsmitglieder jedenfalls im Ergebnis keinen Erfolg.
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1. Die Berufungsbegründung der Klägerin vom 5. Dezember 2024 lässt keinen Zweifel daran, dass die landgerichtliche Entscheidung in allen Punkten angegriffen werden sollte. Insoweit ist unschädlich, dass keine ausformulierten Berufungsanträge gestellt werden. Auch der Berufungsbeklagte hat dies offenbar so verstanden.
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2. Die Erwägungen des Landgerichts, ein wirksames strafbewehrtes Unterlassungsversprechen sei bis zur mündlichen Verhandlung nicht zustande gekommen, weil keine Partei ein vorheriges Angebot bzw. eine als neues Angebot zu bewertende Modifikation (§ 150 Abs. 2 BGB) angenommen habe, erscheinen zwar nicht bedenkenfrei. Insoweit sprechen gewichtige Argumente für den Standpunkt der Klägerin, der Beklagte habe mit Unterzeichnung der vorformulierten Unterwerfung am 19. Dezember 2022 das entsprechende Angebot der Klägerin angenommen, weil der handschriftlich angebrachte Vorbehalt lediglich das klarstellte, was sich bereits hinsichtlich des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs ergab und daher auch als Inhalt des vertraglichen Unterlassungsanspruchs zu unterstellen war. Zumindest wäre nach Klärung der Bedeutung des Vorbehalts durch die Erklärungen vom 22. und 27. Dezember 2022 ein Unterlassungsvertrag mit Strafversprechen mit entsprechendem Inhalt zustande gekommen.
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Dies kann aber dahinstehen:
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3. Inhalt einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wäre in sachlicher Hinsicht nur, keine unzutreffenden Angaben darüber zu machen, dass sich an bestimmten Standorten (noch betriebene) Praxisräume des Beklagten befinden.
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a) Die vom Beklagten unterzeichnete Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ist entgegen der Auffassung der Berufung zumindest insoweit auslegungsbedürftig, als es darum geht, ob hinsichtlich Standorten, an denen gegenwärtig keine Praxis mehr betrieben wird, jegliche Erwähnung unzulässig ist, oder nur eine solche, die den Anschein erweckt, der Beklagte betreibe dort eine Praxis und könne dort Behandlungen vornehmen aa) Zwar erfasst der Wortlaut der Unterlassungserklärung, die insoweit vom Beklagten uneingeschränkt angenommen wurde, jegliche Adressangaben für Standorte, an denen kein dem Beklagten zuzurechnender Praxisbetrieb besteht. Wegen §§ 133, 157 BGB darf bei der Auslegung einer Unterlassungserklärung aber grundsätzlich nicht am Wortlaut gehaftet werden, sondern sind alle Umstände einschließlich der Interessenlage und des Zustandekommens einer Vereinbarung einzubeziehen (vgl. Regenfus, GRUR 2022, 1489 (1490) m.w.N.). Da eine strafbewehrte Unterlassungserklärung dem Zweck dient, den gesetzlichen Unterlassungsanspruch entfallen zu lassen, indem die Wiederholungsgefahr ausgeräumt wird, kann vermutet werden, dass sich die Parteien an dem orientieren, was Inhalt des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs ist. Im Zweifel ist daher anzunehmen, dass das Versprechen des Schuldners den gesetzlichen Unterlassungsanspruch in vollem Umfang einschließlich kerngleicher Verstöße erfassen soll (vgl. Regenfus, GRUR 2022, 1489 (1492 f.); BGH, GRUR 1996, 290 (291) – Wegfall der Wiederholungsgefahr; BGH, GRUR 1997, 379 (380) – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH, GRUR 1997, 931 (932) – Sekundenschnell; BGHZ 146, 318 (325) = GRUR 2001, 758 (760) – Trainingsvertrag; BGH, GRUR 2003, 899 (900) – Olympiasiegerin; BGH, GRUR 2003, 450 (451 f.) – Begrenzte Preissenkung; BGH, GRUR 2010, 167 (168) – Unrichtige Aufsichtsbehörde; BGH GRUR 2015, 258 Rn. 58 – CT-Paradies; BGH, GRUR 2016, 395 Rn. 34 – Smartphone-Werbung; BGH, GRUR 2016, 1316 Rn. 30 – Notarielle Unterwerfungserklärung; BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 35 – Rückruf von RESCUE-Produkten; OLG Nürnberg, MMR 2022, 222 Rn. 14; Fezer/Büscher/Obergfell/Büscher UWG § 8 Rn. 175; Fritzsche, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage, S. 316 f., 321 f.; Kessen, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 8 Rn. 16 f.).
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bb) Ausgangspunkt der wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung der Parteien war, dass der Beklagte auf seiner Homepage auch auf die Praxisstandorte in N. und G. hingewiesen hatte, unter Angabe der Eröffnungsdaten 2002 bzw. 2005, ohne irgendwie zum Ausdruck zu bringen, dass er an diesen Orten aktuell keine Praxis mehr unterhält.
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cc) Damit ist grundsätzlich anzunehmen, dass die klagende Unterlassungsgläubigerin eine Unterlassungserklärung in dem Umfang fordern und der beklagte Unterlassungsschuldner eine Unterlassung in dem Umfang versprechen wollte, wie sich hieraus ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch ergab. Ebenso wenig, wie – sofern gegenteilige Anhaltspunkte nicht gegeben sind – unterstellt werden kann, der Beklagte habe hinter diesen Umfang zurückbleiben wollen, kann unterstellt werden, die Klägerin habe ein weitergehendes Verbot von werbenden Äußerungen verlangen wollen.
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b) Mit einer Werbung, die unzutreffend den Eindruck erweckt, ein Freiberufler unterhalte an einem bestimmten Standort eine Praxis, ist eine Angabe, ein Praxisstandort sei dauerhaft geschlossen, weder identisch noch kerngleich.
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aa) Nach der sog. „Kerntheorie“ erfasst die Wiederholungsgefahr alle Begehungsformen, die mit der begangenen Verletzung im Kern wesensgleich sind, was wiederum damit umschrieben wird, dass in ihnen das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (neben vielen anderen BGH, GRUR 1984, 593 (594) – adidas-Sportartikel; BGH, GRUR 1992, 858 (860) – Clementinen; BGH, WRP 1996, 199 (201) = GRUR 1996, 290 (291) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH, GRUR 1996, 800 (802) – EDV-Geräte; BGH, GRUR 1998, 1039 (1040) – Fotovergrößerungen; BGH GRUR 1989, 445 (446) – Professorenbezeichnung in der Ärztewerbung; BGH, GRUR 1997, 379 (380) – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH, GRUR 2000, 907 (909) – Filialleiterfehler; BGH, GRUR 2003, 446 (447) – Preisempfehlung für Sondermodelle; BGH, GRUR 2006, 421 Rn. 39 = JR 2007, 239 (242); BGH, GRUR 2010, 253 Rn. 30 – Fischdosendeckel; BGH, GRUR 2010, 749 Rn. 45 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH, GRUR 2010, 855 Rn. 17 – Folienrollos; BGH, GRUR 2011, 433 Rn. 26 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung; BGH, GRUR 2014, 706 Rn. 11 – Reichweite des Unterlassungsgebots; BGH, GRUR 2016, 395 Rn. 38 – Smartphone-Werbung; BGH, GRUR 2022, 399 Rn. 11 – Werbung für Fernbehandlung; Feddersen/Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, 42. Aufl. 2024, UWG § 8 Rn. 1.47; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 8 Rn. 8). Als unerheblich anzusehen sind unbedeutende Abwandlungen oder Abweichungen (Feddersen/Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, 42. Aufl. 2024, UWG § 8 Rn. 1.47; Teplitzky Wettbewerbsrechtliche Ansprüche/Feddersen Kap. 57 Rn. 12). Maßgeblich ist dabei, ob das Verhalten aus lauterkeitsrechtlicher Sicht gleichwertig ist, die bestehenden Unterschiede also den lauterkeitsrechtlich erheblichen Kern der Handlung unberührt lassen (Hofmann in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 29; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 8 Rn. 8). Ist eine erneute juristische Bewertung der abgewandelten Handlung notwendig, liegt – mag diese auch zum selben Ergebnis führen – keine Kerngleichheit vor (BeckOK UWG/Haertel/Fritzsche, 25. Ed. 1.7.2024, UWG § 8 Rn. 54).
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c) Nach diesen Kriterien fehlt es an der Kerngleichheit zwischen dem Verhalten des Beklagten, welches der Abmahnung und dem daraufhin abgegebenen strafbewehrten Unterlassungsversprechen zugrunde lag, und dem, welches in der Folgezeit stattfand und Grundlage des verfahrensgegenständlichen Vertragsstrafenverlangens ist.
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Der Senat räumt der Klägerin durchaus ein, dass es in lauterkeitsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht unbedenklich ist, wenn Unternehmer oder Freiberufler im Internet auf nicht mehr betriebene Geschäftslokale, Praxisstandorte o.ä. hinweisen, weil der Unternehmer/Freiberufler auch dadurch – insbesondere, wenn Kunden/Patienten Suchfunktionen nutzen und diese auf die geschlossenen Standorte „anspringen“ – Vorteile gegenüber Mitbewerbern erlangen kann. Der lauterkeitsrechtliche Vorwurf einer Irreführung potentieller Kunden/Patienten darüber, dass an dem genannten Standort eine Praxis unterhalten wird und daher an diesem Ort Behandlungen angeboten werden, ist aber in diesem Fall nicht mehr gegeben. Der nach einem Behandler suchende Patient erfährt nämlich in dem Moment, in dem er die Standortangabe sieht, dass dort gerade keine Praxis mehr betrieben wird und er daher nicht an diesem Ort mit einer Behandlung durch diesen Anbieter rechnen kann. Für denjenigen, der Wert auf eine wohnortnahe Behandlung legt, kommt daher ein solcher Anbieter nicht mehr in Betracht, und er wird deshalb auch – anders als in dem Fall, dass die Praxisschließung nicht offengelegt wird – von jeglicher Kontaktaufnahme von vornherein absehen.
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Insoweit kann nicht darüber hinweggesehen werden, dass der Hinweis auf einen früheren Praxisstandort, der die dauerhafte Schließung offenlegt, eine objektiv zutreffende und auch nicht von vornherein zur Irreführung geeignete Angabe darstellt, während die bloße Erwähnung früherer Standorte ohne eine entsprechende Klarstellung aus sich heraus irreführend wirkt.
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Ob und unter ggf. welchen weiteren Umständen die Erhöhung der Aufmerksamkeit auf den Anbieter, die ein solcher Suchtreffer bewirkt, überhaupt einen Unlauterkeitstatbestand einschließlich eines evtl. gegebenen Spürbarkeitserfordernisses verwirklicht, wäre völlig neu zu bewerten. Insbesondere müssten die Interessen des Freiberuflers, zum Zweck der Werbung mit einer besonders langen oder umfangreichen Erfahrung auf bisher betriebene Standorte hinweisen zu dürfen, oder einen möglichen (vorliegend klägerseits bestrittenen) Mehraufwand zu vermeiden, bei den Betreibern von Drittseiten auf eine vollständige Löschung hinzuwirken, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüft und berücksichtigt werden.
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d) Positive Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien bei Abschluss der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung dem Beklagten weitergehende Verpflichtungen auferlegen wollten, insbesondere auch die Pflicht, nicht mit „überholten“ Standorten zu werben, sind nicht vorgebracht oder erkennbar.
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Insbesondere wird im Abmahnschreiben vom 6. Dezember 2022 die Unlauterkeit gerade darauf gestützt, dass eine Werbung mit Betriebsstandorten, an denen in Wahrheit kein Praxisbetrieb unterhalten wird, eine Täuschung darüber bedeute, dass eine Terminvergabe vor Ort gar nicht möglich ist, und so den Einzugsbereich der eigenen Praxis vergrößere. Solche falschen Angaben verletzten § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Als zugrunde liegender Sachverhalt wird in der Abmahnung angegeben, dass der Beklagte noch auf eine Praxis in H. hinweise, obwohl in diesen Räumen nunmehr die Klägerin ihre Praxis betreibe und der Beklagte nur noch eine Praxis in E. unterhalte. Für den objektiven Empfänger ist dies dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin sich dagegen wendet, dass der Beklagte gegenüber Patienten suggeriert, er könne diese noch in H. behandeln. Den Vorwurf, die Aufmerksamkeit auf die eigene Tätigkeit zu vergrößern, indem nicht mehr aktuelle Standorte ins Spiel gebracht werden, enthält weder die tatsächliche Schilderung noch die Darstellung der Rechtslage. Der Vorwurf, der Beklagte vergrößere durch zielgerichtete Desinformation den Einzugsbereich seiner eigenen Praxis und verschaffe sich so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber denen, die mit wahrheitsgemäßen Angaben werben, knüpft ebenfalls an eine wahrheitswidrige Darstellung an und ist daher ebenfalls nicht spezifisch auf eine Werbung mit inaktiven Standorten bezogen.
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Auch die nachfolgende Korrespondenz liefert kein anderes Bild. Diese hatte lediglich zum Gegenstand, in welchem Umfang der Beklagte auch verpflichtet sein sollte, bei Dritten darauf hinzuwirken, dass nicht mehr auf nicht betriebene Standorte hingewiesen wird. Ob der Verpflichtung, einer Irreführung über aktive Standorte entgegenzuwirken, nur dadurch Genüge getan wird, wenn entsprechende Einträge vollständig entfernt werden, oder auch dadurch, dass diese als nicht mehr betrieben markiert werden, war nicht Gegenstand des Schrift-/E-Mail-Verkehrs.
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e) Zu berücksichtigen ist schließlich, dass eine eher eng am Wortlaut orientierte Auslegung der Unterlassungserklärung desto eher geboten ist, je höher die vereinbarte Vertragsstrafe ist (BGH, GRUR 2003, 545 (546) – Hotelfoto; BGH GRUR 2015, 258 Rn. 69 – CT-Paradies; OLG Frankfurt a. M., GRUR-RR 2019, 289 Rn. 24; Büscher, in: Fezer/Büscher/Obergfell, UWG § 8 Rn. 175; Kessen, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 8 Rn. 14; Husemann, WRP 2017, 270 (272); Regenfus, GRUR 2022, 1489 (1492)).
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Vorliegend hat der Beklagte eine pauschale Vertragsstrafe von 5.100,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung versprochen. Für Ergotherapeuten, die eine Praxis mit gewöhnlichem Umfang betreiben, handelt es sich hierbei um einen nicht unerheblichen Betrag; die angegriffene Werbung stellt auch keinen übermäßig zu gewichtenden Verstoß dar. Eine an das Gewicht des Verstoßes im Einzelfall anpassbare Verpflichtung (wie z.B. bei einem Strafversprechen nach Neuem Hamburger Brauch) haben die Parteien nicht getroffen. Insoweit nahm der Beklagte erkennbar das Risiko auf sich, auch nur für leichte Verstöße, sofern sie denn überhaupt den Tatbestand erfüllen, einen nicht unerheblichen Geldbetrag als Vertragsstrafe leisten zu müssen. In einer solchen Situation spricht alles dafür, dass der Verbotstatbestand eng gefasst werden sollte.
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f) Damit fehlt es an einem strafbewehrten Unterlassungsversprechen, das sich darauf erstreckt, dass der Beklagte auf dauerhaft geschlossene Praxisstandorte hinweist.
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4. Zutreffend hat das Landgericht seine klageabweisende Entscheidung auch hilfsweise darauf gestützt, dass der Beklagte darauf vertrauen durfte, alles auch aus Sicht der Klägerin erforderliche unternommen zu haben, um seiner Verpflichtung zu genügen.
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a) Der Beklagte hat mit seinen E-Mails vom 5. Januar 2023, 20:09 Uhr und 20:11 Uhr, dem Klägervertreter eine Vielzahl von Screenshots übersandt, aus der hervorgeht, wie er mit Anbietern wie C., G. und J. korrespondiert hat und zu welchen Ergebnissen seine Maßnahmen geführt haben. Aus ihnen war erkennbar, dass in einzelnen Fällen Einträge nicht vollständig entfernt wurden, sondern lediglich mit dem – rot hervorgehobenen – Vermerk „Dauerhaft geschlossen“ versehen wurden.
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b) Richtig ist zwar der Hinweis der Berufungsbegründung, dass der Beklagte dies damit kommentiert hat, es seien alle Onlinedarstellungen „gelöscht“. Wenn ein Unterlassungsschuldner eine Vielzahl von Screenshots übersendet, verfolgt er damit erkennbar das Ziel, dem Gläubiger zu belegen und eine Überprüfung zu ermöglichen, ob er seiner Unterlassungspflicht nachgekommen ist. Die Verantwortung dafür, dass die vertraglich zugesagte Unterlassungspflicht erfüllt ist und dazu auch die notwendigen Handlungen zur Beseitigung dauerhaft wirkender Zustände unternommen wurden, trägt zwar grundsätzlich der Schuldner. Es ist aber gerade bei Handlungspflichten, die aus Unterlassungspflichten resultieren, oftmals nicht zweifelsfrei, ob alles Erforderliche und Zumutbare getan wurde, damit Erfüllung eintritt, weshalb Schuldner das Ergebnis ihrer Maßnahmen dem Gläubiger übermitteln und um Rückmeldung bitten, ob auch aus Sicht des Gläubigers der Verpflichtung entsprochen ist.
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Die Klägerin bzw. ihr anwaltlicher Vertreter durfte die Übersendung der Screenshots am 5. Januar 2023 jedenfalls aufgrund der nachfolgenden E-Mail vom 28. Februar 2023 dahin verstehen, dass Gelegenheit gegeben werden sollte, zu prüfen, ob der Beklagte seine Verpflichtungen erfüllt hat. In der E-Mail vom 28. Februar 2023 bringt der Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck, dass er die Angelegenheit als erledigt ansieht, wenn in den folgenden Tagen kein Widerspruch eingeht, und er dann auch die letzte Verpflichtung (Ausgleich der Geldforderung) erfüllen werde. Der Klägervertreter hat daraufhin am 1. März 2023 ausdrücklich erklärt, dass die Angelegenheit durch Abgabe der Unterlassungserklärung und Beseitigung der Störungen insoweit erledigt ist. Dies erweckte aus Sicht eines objektiven Empfängers den sicheren Eindruck, der Klägervertreter sei anhand des übersandten Materials zum Ergebnis gekommen, dass die Störungen im geschuldeten Umfang beseitigt sind. Damit hat er namens der Klägerin einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass der Beklagte jedenfalls im Hinblick auf die Anbieter, die die vorgelegte Korrespondenz betraf, nichts mehr unternehmen muss und er insoweit der Unterlassungspflicht einschließlich der Pflicht zur Beseitigung bereits begründeter Störungszustände entsprochen hat.
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Der Senat stellt klar, dass diese Sichtweise nicht bedeutet, dass der Unterlassungsschuldner seine Verantwortung für die gehörige Erfüllung dem Unterlassungsgläubiger zuspielen kann. Zum einen verdient er nur dann Schutz und kann daher nur dann auf eine entsprechende Reaktion vertrauen, wenn er selbst in redlicher Absicht handelt, also vernünftigerweise davon ausgehen darf, alles Erforderliche getan zu haben. Zum anderen muss sich der Gläubiger grundsätzlich nicht auf eine solche Prüfung einlassen, sondern kann eine akzeptierende Erklärung unterlassen oder/oder erklären, dass er sich eine abschließende Bewertung vorbehält.
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c) Richtig ist zwar, dass ein Vertrauen nur schutzwürdig ist, wenn derjenige, der sich darauf beruft, selbst in redlicher Absicht agiert. Für den von der Berufung erhobenen Vorwurf, der Beklagte habe in seiner E-Mail bewusst falsche Angaben gemacht, findet sich im Sachverhalt aber keine ausreichende Stütze.
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Zwar mag man darüber streiten können, ob man eine Kennzeichnung eines Eintrags mit „dauerhaft geschlossen“ als „Löschung“ bezeichnen kann. Es muss aber lebensnah davon ausgegangen werden, dass der (damals nicht anwaltlich vertretene) Beklagte der Auffassung war, auch eine solche Kennzeichnung genüge für eine „Löschung“. Dies gilt jedenfalls vor dem Hintergrund, dass er zugleich die entsprechenden Screenshots übersandte und damit umfassend offenlegte, was er unternommen und damit als „Löschung“ verstanden hat. Zudem kann nicht übersehen werden, dass im vorliegenden Fall auch in juristischer Hinsicht keineswegs klar ist, dass der Beklagte eine vollständige Löschung schuldete.
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d) Das Landgericht hat es damit zutreffend als Verstoß gegen das aus dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entspringende Verbot selbstwidersprüchlichen Verhaltens angesehen, wenn die Klägerin später eine Vertragsstrafe wegen eines Sachverhalts fordert, der zuvor vom Beklagten offengelegt und von ihrem anwaltlichen Vertreter nicht beanstandet wurde.
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5. Hieraus folgt für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche und Klageanträge folgendes:
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a) Die geforderten Vertragsstrafen i.H.v. zweimal 5.100,00 € stehen der Klägerin nicht zu, weil die gerügten Sachverhalte bereits keinen Verstoß gegen die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 19. Dezember 2022 darstellen. Jedenfalls kann sie die Vertragsstrafe nicht verlangen, weil sie in der Folgezeit trotz Kenntnis erklären ließ, die Angelegenheit sei insoweit erledigt.
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b) Die Kosten für die Bemühungen des anwaltlichen Vertreters der Klägerin im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 23. Mai 2023 i.H.v. 953,40 € hat der Beklagte nicht zu erstatten, weil es an einer relevanten Pflichtverletzung fehlt. Wie ausgeführt, erfasste die zuvor abgegebene Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung einen möglichen Wettbewerbsverstoß durch fortwährende Werbung mit (als solche erkennbaren) früheren Standorten nicht, und hätte jedenfalls das nachfolgende Verhalten dazu geführt, dass die Klägerin daraus keine Ansprüche ableiten durfte.
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Auch unter dem Gesichtspunkt einer Verpflichtung zur Erstattung von Kosten für eine berechtigte Abmahnung (§ 13 Abs. 3 UWG; nun wegen Unzulässigkeit eines Hinweises auf früher betriebene Standorte) ist der Anspruch nicht gegeben. Insoweit dürfte es dem Schreiben vom 23. Mai 2023 bereits an der gebotenen (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG) Deutlichkeit dahingehend, was vom Beklagten verlangt wird, fehlen, weil ebenfalls die vorgeschlagene Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht spezifisch solche Verhaltensweisen betraf (sondern in gleicher Weise formuliert war wie die vorangegangene und nur eine höhere Vertragsstrafe vorsah). Zumindest wäre das Erstattungsbegehren rechtsmissbräuchlich, weil zuvor dem Beklagten signalisiert worden war, der geschaffene Zustand werde von der Klägerin gebilligt. Wer Gelegenheit zur Überprüfung erhält und daraufhin mitteilt, die Sache sei erledigt, kann später nicht Kostenerstattung für eine Abmahnung erhalten, weil er den Verstoß bereits früher durch eine anderweitige Reaktion vermeiden hätte können.
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c) Im Hinblick auf die Kosten für das anwaltliche Schreiben vom 14. September 2023 i.H.v. 527,70 € netto gelten diese Ausführungen entsprechend.
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Darauf, dass der darin gerügte Verstoß, hinsichtlich der Praxis in G. sei der Eintrag nur mit „dauerhaft geschlossen“ gekennzeichnet, kerngleich mit dem zuvor thematisierten Sachverhalt betreffend den Standort N. ist und § 8c Abs. 2 Nr. 6 UWG eine Aufspaltung der Rechtsverfolgung wegen kerngleicher Wettbewerbsverstöße verbietet, wenn hierfür kein sachlicher Grund erkennbar ist, kommt es damit nicht mehr entscheidend an.
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d) Auch die Abweisung des Feststellungsantrags stellt sich als zutreffend dar.
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aa) Der Antrag zielt darauf ab, aussprechen zu lassen, dass der Beklagte grundsätzlich auch bei Einträgen aktiv werden muss, die nicht von ihm selbst in das Internet eingestellt wurden und/oder dort unterhalten werden. Die Ausführungen des Beklagtenvertreters im vorgerichtlichen Schreiben vom 30. Mai 2023, die anführen, G. habe diesen Eintrag selbstständig vorgenommen und der Beklagte habe im Hinblick auf den originären Eintrag keinen Einfluss gehabt, lassen sich durchaus so verstehen, dass der Beklagte den Standpunkt vertritt, in solchen Fällen überhaupt nicht zu einem Tätigwerden verpflichtet zu sein.
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bb) Für einen Feststellungsantrag mit derartiger Zielrichtung fehlt es aber an dem erforderlichen Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) oder einer Vorgreiflichkeit (§ 256 Abs. 2 ZPO). Ein Feststellungsinteresse besteht u.a. nur dann, wenn das angestrebte Feststellungsurteil trotz seiner fehlenden Vollstreckbarkeit das am besten geeignete Mittel ist, um die zwischen den Parteien strittigen Fragen endgültig zu klären. Ist nicht sicher, dass die Parteien das Urteil befolgen werden oder das Ziel auf einfachere, weniger aufwändige Weise erreichbar ist, ist das Feststellungsinteresse zu verneinen (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 47).
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Vorliegend ist nicht aufgezeigt, dass durch eine Klärung, wie die Vereinbarung vom 19. Dezember 2022 in dieser Hinsicht auszulegen ist, künftiger Streit vermieden werden könnte.
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Hierzu müsste zumindest die Möglichkeit aufgezeigt sein, dass es entsprechende Einträge von Drittanbietern gibt und der Beklagte insoweit noch nichts unternommen hat; nur dann besteht nämlich überhaupt ein Klärungsbedarf. Hieran fehlt es. Soweit ersichtlich, streiten die Parteien nur noch darum, ob aufgrund der Erklärung vom 19. Dezember 2022 eine vollständige Entfernung der nicht mehr aktuellen Einträge gefordert werden kann oder es genügt, wenn diese als „dauerhaft geschlossen“ gekennzeichnet werden. Diese Frage würde durch einen Feststellungsausspruch des beantragten Inhalts nicht geklärt werden. Weitere Einträge dieser Art, bei denen der Beklagte nicht einmal diesen Zusatz erwirkt hat, sind offenbar nicht vorhanden.
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cc) Aus dem genannten Grund steht dem Erfolg der Feststellungsklage auch die Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage entgegen.
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Die Klägerin könnte den Beklagten im Hinblick auf konkrete Interneteinträge darauf verklagen, entsprechende Handlungen vorzunehmen oder solche Äußerungen zu unterlassen. Ein solcher Anspruch wäre insbesondere noch nicht tituliert und damit verbraucht oder erledigt, weil eine strafbewehrte Unterlassungserklärung keinen Vollstreckungstitel darstellt, sondern lediglich einen solchen im Hinblick auf die Unterlassung ersetzen soll. Auf diese Weise könnte auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls geklärt werden, ob hinsichtlich eines konkreten Eintrags bei einem bestimmten Drittanbieter der Beklagte die erforderlichen (weil möglichen und zumutbaren) Maßnahmen ergriffen hat oder nicht. Insoweit wäre eine abschließende Entscheidung möglich, welche durch den seinerseits wiederum abstrakt gehaltenen Feststellungsausspruch nicht erzielt werden könnte.
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Zudem würde der begehrte Ausspruch offen lassen, was sich aus der festgestellten Pflicht für den konkreten Einzelfall ergibt, welche Anstrengungen der Beklagte also in der jeweiligen Konstellation tatsächlich unternehmen muss. Ein solcher Streit wäre daher auch zu erwarten, wenn ein entsprechender Feststellungsausspruch erginge und die Klägerin in der Folgezeit Vertragsstrafe verlangt. Eine abschließende Klärung der Verpflichtungen ist somit nicht zu erwarten. Der Weg über eine Feststellungsklage ist aber nur dann trotz Möglichkeit zur Erhebung einer Leistungsklage eröffnet, wenn dies unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen sachgemäßen Erledigung der strittigen Punkte führt (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 55; BeckOK ZPO/Bacher, 55. Ed. 1.12.2024, ZPO § 256 Rn. 30). Beim Vorrang der Leistungsklage verbleibt es somit, wenn mit einem Feststellungsurteil nicht alle Streitpunkte geklärt werden können (BeckOK ZPO/Bacher, 55. Ed. 1.12.2024, ZPO § 256 Rn. 30a). Da zudem in rechtlicher Hinsicht kein ernsthafter Zweifel besteht, dass ein Unterlassungsschuldner grundsätzlich auch auf von Dritten zu verantwortende Inhalte reagieren muss, und der Beklagte dies unter dem 27. Dezember 2022 zugesagt hat, würde ein Folgerechtsstreit auch nicht mit dieser Frage belastet. Ein Fall, in dem ein Feststellungsausspruch zu einer prozessökonomisch sinnvollen Ausklammerung von Fragen führt, die einen späteren Rechtsstreit um einen Leistungsanspruch unnütz belasten würden (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 59), liegt damit ebenfalls nicht vor.
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e) Der Feststellungsantrag wäre aus diesem Grund in der gestellten Form auch unbegründet Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass ein vollständiges Entfernen der Einträge nicht in sämtlichen Fällen verlangt werden kann, in denen der Eintrag nicht vom Beklagten selbst vorgenommen oder unterhalten wird, und auch die formulierte Ausnahme (Notwendigkeit spezieller Bearbeitungsrechte) nicht ausreicht. Der Beklagte schuldet bei Einträgen, die er nicht aktiv bewirkt hat oder aufrechterhält, Bemühungen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren; das Landgericht weist zutreffend darauf hin, dass auch dann, wenn eine eigene Bearbeitung des Eintrags möglich wäre, dies im Einzelfall z.B. wegen Erforderlichkeit weiterer technischer Kenntnisse und Fähigkeiten unzumutbar sein kann. Insoweit geht der Feststellungsinhalt über das hinaus, was der Beklagte kraft Gesetzes und aufgrund der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung schuldet.
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Auf diese, sachlich richtigen, Erwägungen geht die Berufungsbegründung nicht ein. Eine Feststellungsklage darf nicht dazu führen, dass dem Beklagten Gegenrechte abgeschnitten werden, die ihm gegenüber einer Leistungsklage zustehen würden (vgl. MüKoZPO/ Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 59). Gerade dies droht aber vorliegend.
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6. Damit können sämtliche mit der Berufung weiter verfolgten Klageanträge keinen Erfolg haben.
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Der Senat legt deshalb aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
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Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.