Titel:
Haupt- und Hilfsanträge, Schriftsatznachlass, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Klageerweiterung, Anschlußberufung, Verkehrsbekanntheit, Spitzenstellungsbehauptung, unlauterer Wettbewerb, Klageabweisung, Bestimmter Klageantrag, Unterlassungsanspruch, Konkrete Verletzungsform, Schriftsatzfrist, Erstinstanzlicher Vortrag, Streitgegenstand, Verletzungshandlung, Anforderungen an die Bestimmtheit, Dienstleistungen, Unterlassungsantrag, Auswechslung des Klagegrundes
Schlagworte:
Irreführung, Prüfzeichen, Methodikbewertung, Verbrauchererwartung, Testwerbung, Unterlassungsanspruch, Wettbewerbsrecht
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 13.02.2023 – 4 HK O 14545/21
Fundstelle:
GRUR-RS 2025, 11035
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts München I vom 13.02.2023 (Az.: 4 HK O 14545/21), berichtigt durch Beschluss vom 20.02.2023, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche im Hinblick auf das Anbieten zu Werbezwecken und/oder das Zurverfügungstellen bestimmter Siegel an bestimmte Ärztinnen und Ärzte durch die Beklagte.
2
Der Kläger ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V., ein im Jahr 1912 gegründeter Verein mit heute rund 2.000 Mitgliedern, darunter ca. 1.100 Unternehmen und ca. 800 Verbände. Die Beklagte verlegt unter anderem die mehrfach im Jahr erscheinende Publikation „FOCUS GESUNDHEIT“, die sowohl als Heft als auch digital als PDF-Dokument vertrieben wird. Einmal im Jahr erscheint „FOCUS GESUNDHEIT“ unter dem Titel „Ärzteliste“ (Ausgabe der „Ärzteliste 2020“, Anlage K 1; Ausgabe der „Ärzteliste 2021“, Anlagen K 2, K 10).
3
Die „Ärzteliste 2021“ besteht jeweils – geordnet nach Fachbereichen – aus einer Aufstellung verschiedener namentlich genannter Mediziner mit der Einrichtung (inklusive Ort und Telefonnummer), in der sie tätig sind und den Kategorien: (ggf.) „Fachrichtung“, (ggf.) „Patientengruppe“, „Behandlungsspektrum“ (mit jeweils spezifischen Unterkategorien), „Patientenservices/Digitalangebot“, „wissenschaftliche Publikationen“, (ggf.) „klinische Studien“, „Reputation“ (mit den Unterkategorien „von Ärzten empfohlen“ sowie „Patientenbewertung“). Die „Ärzteliste 2020“ enthält neben der namentlichen Nennung sowie des Ortes und der Telefonnummer der Einrichtung – ebenfalls geordnet nach Fachbereichen – die Kategorien: (ggf.) „Fachrichtung“, „von Kollegen empfohlen“, „von Patienten empfohlen“, „Publikationen“, „Studien“, „Behandlungsspektrum“ (mit spezifischen Unterkategorien), (ggf.) „Wartezeit“.
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Die Beklagte verleiht an entsprechend in den Ärztelisten aufgeführte Ärztinnen und Ärzte die nachstehend abgebildeten Siegel:
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Die entsprechend ausgezeichneten Mediziner können gegen Entrichtung einer jährlich anfallenden Lizenzgebühr mit diesen Siegeln in eigenen Werbematerialien und auf der eigenen Internetpräsenz werben. Unter www.focus-arztsuche.de erläutert die Beklagte zur „Erhebung“ 2020 (Anlage K 3): „Das Rechercheinstitut Munich Inquire Media [MINQ] ermittelte die Top Mediziner Deutschlands. Die Ergebnisse dieser Recherche veröffentlicht das Magazin FOCUS Gesundheit. MINQ verwendet für die Erhebung fünf verschiedene Bewertungsparameter bzw. Qualitätskriterien, in denen jeweils gute Ergebnisse vorliegen müssen: 1. Ärztebewertungen […] 2. Patientenbewertungen […] 3. Publikationen […] 4. Zertifikate und Studien […] 5. Fragebogen […]“. Die für 2021 angewandte Erhebungsmethode der TOP-MedizinerListen ergibt sich aus der Anlage K 2 bzw. K 10, Seite 70-73 = Anlage B 3)
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Darüber hinaus zeichnet die Beklagte mit dem nachstehend abgebildeten Siegel „FOCUSEmpfehlung“ bestimmte Fachärzte im Landkreis ihrer jeweiligen Niederlassungen aus.
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Die ausgezeichneten Mediziner können diese Siegel („FOCUSEmpfehlung“) der Beklagten zu gewerblichen Zwecken gegen eine jährliche Lizenzgebühr in Höhe von 1.900,00 € (netto) nutzen.
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Nach den den ausgezeichneten Medizinern zur Verfügung gestellten Unterlagen (Anlage K 4) wurden die Empfehlungen „gemeinsam mit der H. Stiftung Gesundheit auf der Basis von sämtlichen über einen Arzt öffentlich verfügbaren Informationen ausgesprochen. Die Erhebung wird jährlich aktualisiert und optimiert. Die vom Experten-Team unter Chefredakteur […] aufgestellte Methodik beinhaltet das folgende Kriterien-Set: Reputation […] Fachliche Erfahrung […] Wissenschaftliches Engagement […] Patientenorientierte Faktoren […]. Neben den objektiven empirischen Daten liegt die Gewichtung der Gesamtbeurteilung insbesondere auch auf der Kollegenempfehlung, die laut Studienlage die verlässlichste Informationsquelle zur Beurteilung der Behandlungsqualität von Ärzten ist.“
9
Unter www.focus-arztsuche.de (Anlage K 5) erläutert die Beklagte zur „Empfehlung 2021“ unter der Überschrift „Bewertungskriterien und Score-Berechnung“: „Die wichtigsten zu Grunde gelegten Bewertungskriterien sind in absteigender Reihenfolge der Bedeutung:
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Kollegenempfehlung [medizinische Reputation]
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Facharzt- und Zusatzbezeichnungen entsprechend der Weiterbildungsordnung
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Mitglied bzw. Funktionsträger in Fachgesellschaft
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Niederlassungsjahr
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allgemeine bzw. koordinierende Teilnahme an Disease-Management-Programm [DMP]
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Gutachtertätigkeit
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Vortragstätigkeit
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Qualitätsmanagement
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Patientenzufriedenheit
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Patientenservice
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Barrierefreiheit
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-
Publikationen
[…] Die Kriterien Kollegenempfehlung sowie Facharzt- und Zusatzbezeichnungen sind theoretisch nach oben unbegrenzt. Das einflussreichste Kriterium ist die Kollegenempfehlung – jede Empfehlung verbessert den Score des Arztes. Es gibt keine Punktabzüge für die Kriterien, die ein Arzt nicht erfüllt.“
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Der Kläger meint, die Unterlassungsanträge seien hinreichend bestimmt. Sie nähmen insbesondere Bezug auf die jeweils konkrete Verletzungsform. Das Anbieten und Zurverfügungstellen der Siegel solle der Beklagten gemäß den Anträgen vor dem Hintergrund der in den Anlagen wiedergegebenen veröffentlichten Methodik verboten werden. Die Anlagen konkretisierten den Prozess, an dessen Ende jeweils die „Verleihung“ der Siegel stehe. Auf welche Art und Weise die Siegel den Medizinern sodann zu Werbezwecken angedient würden, spiele im Hinblick auf den Streitgegenstand keine Rolle. Es solle der Beklagten nicht pauschal verboten werden, entsprechende Siegel herauszugeben. Das begehrte Verbot solle sich vielmehr auf die Kombination aus Methodik und „Ergebnis“ beziehen.
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Der Kläger meint, die Beklagte verstoße mit dem Angebot und der Verleihung des Siegels „TOP Mediziner“ gegen §§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F., 5a UWG sowie gegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Den mit dem Siegel angesprochenen Zielgruppen müsse sich der Eindruck aufdrängen, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung als „TOP-Mediziner“ ausgezeichnet worden und nähmen mithin eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplinen ein. Diese Spitzenstellungsbehauptung sei unzulässig, weil unzutreffend. Dabei sei es insoweit unerheblich, ob diese Spitzenstellung von dem Arzt selbst behauptet werde oder ob sich dieser einen vermeintlich objektiv begründeten Spitzenstellungsnachweis eines Dritten, wie hier der Beklagten, zu eigen mache. Tatsächlich lägen den von der Beklagten verliehenen Spitzenstellungszuschreibungen keine sachgerechten Kriterien zugrunde, die den Schluss zuließen, ein Mediziner gehöre nicht nur vorübergehend zu einer TOP-Gruppe von Ärzten, die gegenüber ihren Kollegen einen nicht nur marginalen qualitativen Vorsprung aufwiesen. Von fünf Qualitätskriterien der Beklagten beruhten drei auf ausschließlich subjektiven Elementen, nämlich die Ärztebewertungen, die Patientenbewertungen und die eigene Einschätzung des Arztes. Dies ergebe sich jedoch aus dem streitgegenständlichen Siegel nicht. Die von der Beklagten genannten Kriterien seien ungeeignet, um eine objektive Spitzenstellung der ausgezeichneten Ärzte zu belegen. Mit den Kriterien würden subjektive und objektive Elemente vermischt. Die Kriterien seien nicht sachgerecht, um tatsächlich die Qualität ärztlicher Diagnose- und Behandlungsleistungen zu ermitteln. Aus den Erklärungen gehe nicht die zahlenmäßige Grundlage hervor. Es fehle zudem jegliche Information über die Gewichtung der Kriterien. Die Siegel der Beklagten suggerierten, dass die „Siegelträger“ unter allen Ärzten in Deutschland ermittelt worden seien. Tatsächlich werde jedoch ein Großteil der Ärzteschaft per se und von vornherein nicht mit in die Untersuchung der Beklagten einbezogen. Es werde eine von der Beklagten vorselektierte kleine Anzahl an Medizinern dafür ausgewählt, sich untereinander zu empfehlen. Zudem erschienen die „Siegelträger“ per se als „TOP Mediziner“ bzw. als gegenüber anderen Ärzten in der Region zu empfehlende Ärzte. Die von der Beklagten über die Siegel vermittelten Aussagen gingen daher über den Aussagewert der von der Stiftung Warentest verwendeten Noten-Siegel noch einmal deutlich hinaus. Umso höher seien daher auch die Anforderungen, die an die Bewertungsmethodik der Beklagten zu stellen seien. Der Verstoß gegen § 5a UWG liege darin begründet, dass die Beklagte dem angesprochenen Verkehr unter anderem vorenthalte, welche Bewertungsplattformen hinsichtlich der Patientenbewertungen ausgewertet, sowie wie die dortigen Bewertungen ausgewählt und gewürdigt würden. Weiter bleibe unklar, inwieweit die Patientenbewertungen auf Echtheit und Substanz geprüft würden und nach welcher Arithmetik sie Eingang in das Urteil der Beklagten gefunden hätten. Hinsichtlich der behaupteten durchgeführten Kollegenbefragungen sei unklar, wie viele Kollegen auf welche Weise befragt würden und wie die Antworten nach Inhalt und Gewicht in das Qualitätsurteil der Beklagten einflössen. Den behaupteten Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG begründet der Kläger damit, dass es den streitgegenständlichen Siegeln jedenfalls an der notwendigen Nachvollziehbarkeit im Hinblick auf die Kriterien, die die angepriesenen Ärzte zu angeblichen „TOP-Medizinern“ machten, fehle. Angesichts der subjektiven Kriterien, die die Beklagte ihren Siegeln zugrunde lege, fehle es auch an wesentlichen und relevanten Eigenschaften der von den Ärzten erbrachten Dienstleistungen. Damit hebe die Beklagte Ärzte im Vergleich mit anderen Ärzten hervor, ohne die Bedingungen des zulässigen Werbevergleichs gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu erfüllen.
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Auch in der Verleihung des Siegels „FOCUS EMPEHLUNG“ liege ein Verstoß gegen §§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F., 5a UWG, weil bei den angesprochenen Verkehrskreisen falsche Vorstellungen über die der Empfehlung zugrunde liegenden Tests der Beklagten und deren Ergebnisse hervorgerufen würden. Auch hier erwarte der angesprochene Verkehr, dass der prämierten „Empfehlung“ eine sachliche Erhebung objektiver Parameter zugrunde liege, die eine belastbare Aussage über die Qualität ärztlicher Leistungen erlaube. Insbesondere fehle es auch an einer Darstellung, welche Zahlen den jeweiligen Kriterien zugrunde lägen und wie die jeweiligen Kriterien gewichtet würden. Für das Siegel „FOCUS EMPFEHLUNG“ kämen von vornherein nur solche Ärzte überhaupt für eine Empfehlung in Betracht, die von sich aus eine solche Empfehlung dadurch vorbereiteten, dass sie gegenüber der Stiftung Gesundheit überobligatorische Angaben zu Art und Umfang der eigenen Tätigkeit machen. Es sei nicht erkennbar, aufgrund welcher Besonderheiten ein Arzt empfohlen werde, während andere Kollegen in seinem sachlichen und örtlichen Gebiet nicht empfohlen würden. Auch die von der Beklagten „empfohlenen“ Ärzte wiesen keinen objektiv messbaren Vorsprung gegenüber den nicht empfohlenen Kollegen auf. Ein solcher werde jedoch durch die in Form eines Siegels verbriefte Empfehlung suggeriert.
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Gegenüber der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede wendet der Kläger ein, die zugrunde liegenden Verletzungshandlungen, die Lizenzierung der Siegel gegenüber Ärzten, dauerten noch an. Im Internet fänden sich nach wie vor zahlreiche Ärzte, die unter Verweis auf die von der Beklagten für das Jahr 2020 verliehenen Siegel werben würden (Anlagenkonvolut K 9). Aufgrund der von der Beklagten behaupteten strengen Überwachungsmaßnahmen sei davon auszugehen, dass die Beklagte von der Werbung mit diesen Siegeln Kenntnis habe und sie mithin dulde bzw. die Werbung schlicht den erteilten Lizenzen entspreche. Solange der Eingriff noch fortdauere, könne die Verjährung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen aufgrund einer Dauerhandlung nicht beginnen (Bl. 120 d. A.).
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Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:
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Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt:
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Darüber hinaus hat sie beantragt,
die Höhe einer etwaigen Sicherheit gemäß § 709 Satz 1 ZPO auf nicht unter 1.000.000,00 € festzusetzen und der Beklagten nachzulassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers gemäß § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzuwenden.
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Im Hinblick auf die Anträge 1. a) und 2. a) erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung (Bl. 75 d. A.). Die Kenntnis des Klägers spätestens ab 06.01.2021 sei durch das Abmahnschreiben (Anlage K 7) belegt. Aus Anlage K 4 ergebe sich, dass die Beklagte ab den ersten Monaten eines jeden Kalenderjahres nur noch die Siegel des aktuellen Jahres bewerbe.
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Weiter rügt die Beklagte die Unbestimmtheit der Anträge. Die Anträge verwiesen zwar auf die Anlagen K 1, K 2 und K 5 als konkrete Verletzungsformen, die Anlagen enthielten jedoch keine konkrete Form der abstrakt benannten Verletzungshandlungen. K 1 und K 2 seien die jeweils vollständigen Ausgaben des Magazins FOCUS-GESUNDHEIT. Bei Anlage K 5 handelt es sich um die „Methodenbeschreibung der empfohlenen Ärzte in der Region“. Das Auseinanderfallen zwischen der abstrakten Umschreibung der Verletzungshandlung und dem Inhalt der vermeintlich die konkrete Verletzungshandlung zeigenden Anlagen verstoße gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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Die Beklagte meint, die Lizenzierung der Siegel sei ein unselbstständiger, nachgelagerter Akt zur journalistischredaktionellen Erstellung der Ärztelisten mit dem Inhalt, bezüglich der bereits aufgrund unabhängiger redaktioneller Recherche und Entscheidung ausgesprochenen Empfehlungen die werbliche Nutzung markenrechtlich geschützter Logos zu gestatten. Die Bestätigung an die einzelnen empfohlenen Ärzte in Siegelform sei nichts anderes als ein Auszug aus dieser Empfehlungsliste. Die streitgegenständlichen Siegel drückten aus, dass ein Arzt von der Beklagten die redaktionelle Empfehlung erhalten habe, die durch die Aufnahme in die entsprechende Ärzteliste zum Ausdruck gebracht werde. Die Beurteilung eines Arztes und gegebenenfalls die Aufnahme in eine Ärzteliste erfolgten unabhängig von dessen Teilnahme an der Befragung und unabhängig vom Abschluss eines Lizenzvertrages über die Siegelnutzung. Umgekehrt bestehe für Ärzte, die nicht auf der Liste stünden, keine Möglichkeit eines Lizenzerwerbs. Nur ein Bruchteil der in den Listen verzeichneten Ärzte erwerbe eine Siegellizenz. Empfohlene Mediziner könnten mit ihrer Aufnahme in die Liste auch ohne Siegel und damit ohne Lizenz werben.
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Die Kriterien der Rechtsprechung für redaktionelle Warentestveröffentlichungen seien erfüllt. So sei die Untersuchung neutral, objektiv und sachkundig durchgeführt worden und sowohl die Art des Vorgehens bei der Prüfung als auch die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse seien vertretbar, d. h. diskutabel (Verweis auf BGH GRUR 1989, 539 – Warentest V; BGH GRUR 1997, 942, 943 – Druckertest). Dabei müssten zugleich die sachlichen Unterschiede zwischen Warentests und der Bewertung medizinischer Dienstleistungen berücksichtigt werden. Die Prüfung von Medizinern in einem Testlabor sei nicht möglich, auch nicht die Probebehandlung von „Scheinpatienten“.
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Da die Veröffentlichung der Empfehlungslisten der Beklagten zulässig sei, müsse das gleiche auch für die nachgelagerte Lizenzierung von Siegeln gelten, die nichts anderes darstelle als eine bestimmte Form des Hinweises auf diese Listenaufnahme. Ein Verbot der Siegellizenzierung würde die Beklagte von einer legitimen Möglichkeit der Refinanzierung ihrer journalistischen Arbeit abschneiden. Die Publikation der Empfehlungslisten sei durch die Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt.
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Weiter meint die Beklagte, die Kriterien für Spitzenstellungswerbung seien auf Testhinweiswerbung nicht anwendbar. Durch das angegriffene Testsiegel werde unmissverständlich verdeutlicht, dass es sich bei der Aussage „TOP Mediziner“ nicht um eine Selbsteinschätzung des jeweiligen Arztes handle, sondern um das Ergebnis der unabhängigen Bewertung von FOCUS. Daher bemesse sich die Frage der Irreführung nicht nach den Kriterien der Alleinstellungswerbung, sondern nach denen der Testhinweiswerbung. Ein Verbraucherverständnis, wonach die (durch die streitgegenständlichen Grafiken betriebene) Werbung eines Arztes mit der Empfehlung der Beklagten als TOP-Mediziner für eine bestimmte Indikation der Behauptung gleichkomme, er behandle seine Patienten erwiesenermaßen mit deutlichem und nachhaltigem Abstand besser als alle anderen Ärzte seines Faches, sei fernliegend. Die Beklagte unterstütze ihre Leser bei der Suche nach Spezialisten, indem sie ihnen eine Liste mit nach ihrer Beurteilung hervorragenden Vertretern des jeweiligen Fachbereichs an die Hand gebe. Eine „Relation des werbenden Arztes zu der übrigen Ärzteschaft“ werde dadurch nicht zum Ausdruck gebracht und eine Abwertung der nicht in der Liste verzeichneten Ärzte werde explizit ausgeschlossen. Die Kriterien für Prüfsiegelwerbung seien ebenfalls nicht anwendbar. Die Siegel der Beklagten seien mit technischen Prüfsiegeln nicht vergleichbar. Als „Absender der Bewertung“ trete die bekannte Medienmarke FOCUS in Erscheinung, sodass bereits keine Assoziation mit einer technischen Prüfstelle geschaffen werde.
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Da keine konkreten Werbeanzeigen Streitgegenstand seien, begehre der Kläger ein nicht auf eine konkrete Verletzungsform beschränktes Totalverbot. Das Vorliegen einer Irreführung könne jeweils nur unter Berücksichtigung aller Umstände beurteilt werden, denn maßgeblich sei stets der Gesamteindruck einer Werbung. Für die werbliche Nutzung des Siegels gebe es unzählige Varianten. An keiner Stelle begründe der Kläger zu einer konkreten Werbung, dass diese irreführend wirke.
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Die Unbegründetheit des Antrags ergebe sich zudem auch schon daraus, dass in dem Antrag die Siegelgrafiken in einer Weise eingeblendet würden, wie sie von der Beklagten unstreitig zu keinem Zeitpunkt Ärzten zu Werbezwecken angeboten oder zur Verfügung gestellt wurden, nämlich ohne Angabe der Indikation/Fachrichtung bzw. – im Fall des Siegels „FOCUS EMPFEHLUNG" - des Landkreises).
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Mit Urteil vom 13.02.2023, berichtigt durch Beschluss vom 20.02.2023, hat das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, der Klage vollumfänglich stattgegeben. Mit ihrer Berufung greift die Beklagte das Urteil insgesamt an und verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags ihr Begehren weiter.
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Ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vortrag führt die Beklagte aus, dass das vom Antrag erfasste Verhalten – das Anbieten und Zurverfügungstellen der streitgegenständlichen Siegel an Ärztinnen und Ärzte – keine Außenwirkung gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern entfalte. Die Beklagte nehme daher bereits keine irreführungsgeeigneten Handlungen vor. Eine Ansprache der Verbraucher durch die Beklagte finde nicht statt. Es fehle daher an der Passivlegitimation der Beklagten.
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Weiter wendet die Beklagte ein, eine mögliche Irreführung könne nicht unabhängig von der konkreten Gestaltung von Werbeanzeigen und der Gesamtschau der darin enthaltenen Informationen festgestellt werden. Wie das Anlagenkonvolut K 9 zeige, werde die Abbildung der Siegelgrafik in den Online-Auftritten der damit werbenden Mediziner praktisch stets flankiert durch zusätzliche Informationen, etwa durch Erläuterungstexte, die sich auf das Zustandekommen der FOCUS-Empfehlung bezögen. Ein abstrakter Unterlassungsantrag, der unabhängig von einer konkreten Werbung gestellt werde und die Einzelfallbeurteilung abschneide, könne nicht begründet sein.
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Die Beklagte beantragt (Bl. 10 d. OLG-A.),
das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt – ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags (Bl. 5 d. OLG-A.),
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Senat auf die – nach seiner Auffassung – Unbestimmtheit der bisherigen Klageanträge hingewiesen. In den in den Anträgen in Bezug genommenen Anlagen K 1 und K 2 bzw. K 5 „geschehe“ kein Anbieten und kein Zurverfügungstellen der Siegel durch die Beklagte an Ärztinnen und Ärzte. Soweit der Kläger einen Verstoß gegen § 5a UWG rüge, fehle es im Antrag an der konkreten Beschreibung dessen, welche wesentlichen Informationen nach Auffassung des Klägers von der Beklagten vorenthalten würden.
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Der Kläger hat daraufhin unter Aufgreifen eines Formulierungsvorschlags des Senats zuletzt beantragt:
zu Werbezwecken anzubieten und/oder zur Verfügung zu stellen, wenn dies geschieht auf Grundlage von in der Anlage K 1 (Siegel a)) oder in der Anlage K 2 (Siegel b)) enthaltenen Ärztelisten, die nach der auf den Seiten 56-57 der Anlage K 1 bzw. auf den Seiten 70-72 der Anlage K 2 beschriebenen Methodik erstellt worden sind
zu Werbezwecken anzubieten und/oder zur Verfügung zu stellen ohne die Verwendung der Siegel mit der Auflage zu versehen, dass bei der Verwendung der Siegel durch die Ärzte darauf hingewiesen wird, dass in die zugrunde liegende Bewertung subjektive Wertungen einfließen, nämlich Selbstauskünfte der Ärzte, Patientenbewertungen, Kollegenempfehlungen sowie den zahlenmäßigen Umfang der Bewertungen und die Gewichtung der einzelnen Kriterien anzugeben.
zu Werbezwecken anzubieten und/oder zur Verfügung zu stellen, wenn dies geschieht auf Grundlage der in der Anlage K 5 wiedergebenden Methodik.
zu Werbezwecken anzubieten und/oder zur Verfügung zu stellen ohne die Verwendung der Siegel mit der Auflage zu versehen, dass bei der Verwendung der Siegel durch die Ärzte darauf hingewiesen wird, dass in die zugrunde liegende Bewertung subjektive Wertungen einfließen, nämlich Selbstauskünfte der Ärzte, Patientenbewertungen, Kollegenempfehlungen sowie den zahlenmäßigen Umfang der Bewertungen und die Gewichtung der einzelnen Kriterien anzugeben.
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Zudem beantragte der Kläger im Termin vor dem Senat am 27.03.2025 Schriftsatzfrist von drei Wochen zu dem Hinweis des Senats. Der Hinweis des Senats zu den Antragsfassungen sei erstmalig und entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Termin vom 27.03.2025 erfolgt, weshalb der Klägervertreter gezwungen gewesen sei, unter hohem Zeitdruck geänderte Antragsfassungen zu formulieren, ohne hierbei nochmals den gesamten Streitstoff in den Blick nehmen zu können.
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Zur Antragsfassung wiederholt der Kläger, Gegenstand der Anträge sei das Anbieten und/oder Zurverfügungstellen von bestimmten, in verallgemeinernder Form dargestellten (d. h. bezogen auf sämtliche denkbaren Fachgebiete/Landkreise) Siegeln zu Werbezwecken vor dem Hintergrund der konkreten Methodik der Vergabe, auf die als konkrete Verletzungsformen in dem Antrag Bezug genommen werde. Dies sei auch die einzige Möglichkeit, um kein pauschales Verbot (das gegebenenfalls auch zulässiges Verhalten umfassen würde, zum Beispiel wenn die Kriterien der Vergabe geändert würden) zu begehren, sondern eines, das die irreführende Kombination aus Methodik und Siegel hinreichend bestimme und gleichzeitig hinreichend verallgemeinere, um sämtliche konkreten Ausgestaltungen (Fachgebiet/Landkreis) als kerngleich zu erfassen.
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Die in Rede stehende Irreführung könne unabhängig von der konkreten Gestaltung von Werbeanzeigen festgestellt werden. Die Irreführung beruhe auf der Gestaltung des Siegels selbst. Unabhängig davon, in welchem werblichen Kontext das Siegel verwendet werde, werde der Verkehr das Siegel als eine unzulässige Spitzenstellungsbehauptung und als nach objektiven Kriterien verliehenes Qualitätssiegel verstehen. Das Siegel sei als solches irreführend und damit auch jede Verwendung, unabhängig von der jeweils gestalteten Werbung des Lizenznehmers.
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Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.03.2025 Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage ist nach den geänderten Anträgen zwar zulässig, da sie den Anforderungen an die Bestimmtheit genügt. Für die in der Berufungsinstanz erstmals gestellten Hilfsanträge bedurfte es keiner Anschlussberufung. Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger stehen die mit Haupt- und Hilfsanträgen geltend gemachten Unterlassungsansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
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I. Die im Termin vor dem Senat am 27.03.2025 vom Kläger beantragte Schriftsatzfrist von drei Wochen war nicht zu gewähren. Der Antrag wurde daher mit Beschluss des Senates vom 27.03.2025 zurückgewiesen.
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1. Das Gericht muss – in Erfüllung seiner prozessualen Fürsorgepflicht – gem. § 139 Abs. 4 ZPO Hinweise auf seiner Ansicht nach entscheidungserhebliche Umstände, die die betroffene Partei erkennbar für unerheblich gehalten hat, grundsätzlich so frühzeitig vor der mündlichen Verhandlung erteilen, dass die Partei die Gelegenheit hat, ihre Prozessführung darauf einzurichten und schon für die anstehende mündliche Verhandlung ihren Vortrag zu ergänzen und die danach erforderlichen Beweise anzutreten. Erteilt das Gericht den Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung, muss es der betroffenen Partei genügend Gelegenheit zur Reaktion hierauf geben. Das Gericht darf das Urteil in dem Termin erlassen, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, wenn die Partei in der mündlichen Verhandlung ohne Weiteres in der Lage ist, umfassend und abschließend Stellung zu nehmen. Ist das nicht der Fall, soll das Gericht auf Antrag der Partei Schriftsatznachlass gewähren, § 139 Abs. 5 ZPO. Wenn es offensichtlich ist, dass die Partei sich in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend erklären kann, so muss das Gericht – wenn es nicht in das schriftliche Verfahren übergeht – auch ohne einen Antrag auf Schriftsatznachlass die mündliche Verhandlung vertagen, um Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (BGH NJW-RR 2011, 877 Rn. 11. m.w.N.).
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2. Nach diesen Grundsätzen war keine Schriftsatzfrist gemäß § 139 Abs. 5 ZPO zu gewähren. Der Senat konnte den Hinweis auf die Unbestimmtheit der Anträge zwar erst im Termin geben. Nach dem Hinweis, in dessen Rahmen der Senat dem Kläger auch einen Formulierungsvorschlag für die Anträge unterbreitet hat, wurde jedoch die Sitzung für 49 Minuten unterbrochen und dem Kläger damit die ausreichende Möglichkeit gegeben, die Anträge an die Hinweise des Senats sowie an dessen Formulierungsvorschlag anzupassen. Nach Fortsetzung der Sitzung legte der
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Klägervertreter zwei handschriftliche Seiten vor, auf denen er die Anträge und Hilfsanträge ausformulierte und die als Anlage zu Protokoll gegeben wurden. Dies zeigt, dass dem Klägervertreter nach der durchaus längeren und angesichts des Prozessstoffs angemessenen Sitzungsunterbrechung eine Erklärung ohne weiteres möglich war und er Anträge stellen konnte, die den Anforderungen an die Bestimmtheit genügen (s. hierzu sogleich). Es zeigt auch, dass der Klägervertreter den Streitstoff jedenfalls soweit in den Blick nehmen konnte, um die zuvor bestehenden Mängel der Bestimmtheit der Anträge zu beseitigen. Durch die in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Antragstellung zu den nunmehr hinreichend bestimmten Klageanträgen wurde der Sinn und Zweck des § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO, auf sachdienliche und damit auch bestimmte Anträge hinzuwirken, erfüllt; einer weiteren Schriftsatzfrist bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht.
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II. Die Klage ist in der Fassung der zuletzt gestellten Anträge zulässig. Insbesondere genügt sie nunmehr den Anforderungen an die Bestimmtheit gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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1. Ein bestimmter Klageantrag nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist erforderlich, um den Streitgegenstand und den Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) festzulegen, sowie die Tragweite des begehrten Verbots zu erkennen und die Grenzen der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festzulegen (BGH GRUR 2011, 521 Rn. 9 – TÜV I). Der Verbotsantrag darf daher nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Gegner nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Antragsgegner verboten ist, im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (st. Rspr., BGH GRUR 2015, 1237 Rn. 13 - Erfolgsprämie für die Kundengewinnung; WRP 2017, 426 Rn. 18 – ARD-Buffet; WRP 2018, 328 Rn. 12 – Festzins Plus; GRUR 2019, 627 Rn. 15 – Deutschland-Kombi; WRP 2019, 1013 Rn. 23 – Cordoba II). Auch muss der Schuldner, der den Titel freiwillig befolgen möchte, hinreichend genau wissen, was ihm verboten ist (Köhler/Feddersen, in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl. 2025, § 12 Rn. 1.35).
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Bei der Umschreibung des künftig zu unterlassenden Verhaltens im Rahmen eines Unterlassungsantrags kommt es auf die Merkmale dieses Verhaltens an, die die Rechtsverletzung begründen, also die „konkrete Verletzungsform“. Dementsprechend muss der Klageantrag grundsätzlich auf die „konkrete Verletzungsform“ abstellen. Der Antrag muss sich möglichst genau an die konkrete Verletzungsform anpassen und deren Inhalt und die Umstände, unter denen ein Verhalten untersagt werden soll, so deutlich umschreiben, dass sie in ihrer konkreten Gestaltung zweifelsfrei erkennbar sind (BGH GRUR 1977, 114, 115 – VUS). Eine unmittelbare Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform liegt auch dann vor, wenn der Klageantrag die Handlung abstrakt beschreibt, sie aber – anders als bei Antragsfassungen, die die konkrete Verletzungsform nur als Beispiel heranziehen – mit einem „wie“-Zusatz (z.B. „wie geschehen …“; „wenn dies geschieht wie …“) konkretisiert (BGH WRP 2011, 873 Rn. 17 – Leistungspakete im Preisvergleich). Die abstrakte Kennzeichnung hat dabei die Funktion, den Kreis der Varianten näher zu bestimmen, die als kerngleiche Handlungen von dem Verbot erfasst sein sollen (BGH GRUR 2006, 164 Rn. 14 – Aktivierungskosten II; BGH GRUR 2010, 749 Rn. 36 – Erinnerungswerbung im Internet; Köhler/Feddersen, a.a.O., Rn. 1.43).
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2. Diesen Maßstäben genügen die Klageanträge (Hauptanträge Ziff. 1 und 2) in der zuletzt gestellten Fassung.
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a) Nach den Ausführungen des Klägers soll der Beklagten das Anbieten und Zurverfügungstellen der Siegel gemäß den Anträgen vor dem Hintergrund der in den Anlagen wiedergegebenen veröffentlichten Methodik verboten werden. Die Anlagen sollen dabei den Prozess, an dessen Ende jeweils die „Verleihung“ der Siegel stehe, konkretisieren. Das begehrte Verbot solle sich auf die Kombination aus Methodik und „Ergebnis“ beziehen.
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b) Anders als in den ursprünglichen Anträgen nimmt der Kläger in seinen Hauptanträgen Ziff. 1 und 2 nunmehr ausdrücklich Bezug auf die von ihm beanstandete Methodik, die jeweils in den – ebenfalls konkret im Antrag in Bezug genommenen – Seiten 56-57 (Anlage K 1), Seiten 70-72 (Anlage K 2) und Anlage K 5 beschrieben wird. Damit stellt der Kläger auf die konkrete Verletzungsform ab und umschreibt diese so deutlich, dass sie in ihrer konkreten Gestaltung zweifelsfrei erkennbar ist.
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3. Die entsprechende Änderung der Anträge in der Berufungsinstanz war in vorliegendem Fall auch ohne Anschlussberufung gem. § 524 ZPO möglich. Einer Anschlussberufung bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur, wenn der Berufungsbeklagte seine in erster Instanz erfolgreiche Klage erweitern oder auf einen neuen Klagegrund stellen möchte (vgl. BGH NJW-RR 2023, 1166 Rn. 9 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall: Bereits in erster Instanz hat der Kläger hervorgehoben, das Anbieten und Zurverfügungstellen der Siegel solle der Beklagten gemäß den Anträgen vor dem Hintergrund der in den Anlagen wiedergegebenen veröffentlichten Methodik verboten werden. Das begehrte Verbot solle sich auf die Kombination aus Methodik und „Ergebnis“ beziehen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger bekräftigt, Gegenstand der Anträge sei das Anbieten und/oder Zurverfügungstellen von bestimmten, in verallgemeinernder Form dargestellten (d. h. bezogen auf sämtliche denkbaren Fachgebiete/Landkreise) Siegeln zu Werbezwecken vor dem Hintergrund der konkreten Methodik der Vergabe, auf die als konkrete Verletzungsformen in dem Antrag Bezug genommen werde. Mit den zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Hauptanträgen ist damit weder eine Klageerweiterung noch eine Auswechslung des Klagegrundes verbunden.
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III. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Dabei kann offenbleiben, ob die Beklagte – wie sie meint – bereits nicht passivlegitimiert ist.
49
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte jedenfalls keinen Anspruch gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG: In dem Verwenden der – isoliert betrachteten – streitgegenständlichen Siegel „TOP Mediziner“ durch damit ausgezeichnete Mediziner auf Grundlage von in Anlage K 1 (Siegel a)) oder von in Anlage K 2 (Siegel b)) enthaltenen „Ärztelisten“, die nach den auf Seiten 56 f. (Anlage K 1) bzw. Seiten 70-72 (Anlage K 2) beschriebenen Methodik erstellt worden sind, liegt keine unlautere Irreführung. Folglich kann das hierzu vorgelagerte Zurverfügungstellen und/oder das Anbieten der streitgegenständlichen Siegel durch die Beklagte auf Grundlage von in Anlage K1 (Siegel a)) oder von in Anlage K 2 (Siegel b)) enthaltenen „Ärztelisten“, die nach den auf Seiten 56 f. (Anlage K1) bzw. Seiten 70-72 (Anlage K 2) beschriebenen Methodik erstellt worden sind, auch nicht zu einer unlauteren Irreführung beitragen. Gleiches gilt für das Anbieten/ Zurverfügungstellen der Siegel „FOCUS EMPFEHLUNG“, die auf Grundlage der in Anlage K 5 beschriebenen Methodik verliehen worden sind.
50
a) Der auf Wiederholungsgefahr gestützte und in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch besteht nur, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung rechtswidrig ist (vgl. BGH GRUR 2022, 1308 Rn. 68 – YouTube II; GRUR 2022, 229 Rn. 26 – ÖKO-TEST III). Für den Streitfall maßgebliche Unterschiede haben sich durch die Überführung von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG a.F in § 5 Abs. 2 Nr. 1 n.F. UWG nicht ergeben.
51
b) Maßgeblich für das zu berücksichtigende Verständnis der Aussagen ist dasjenige der angesprochenen Verkehrskreise, an die sich die Aussagen richten (st. Rspr.; BGH GRUR 1955, 38, 40 – Cupresa-Kunstseide; GRUR 1961, 193, 196 – Medaillenwerbung; GRUR 1987, 171, 172 – Schlussverkaufswerbung I; GRUR 1991, 852, 854 – Aquavit; GRUR 1995, 612, 614 – Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie; GRUR 1996, 910, 912 – Der meistverkaufte Europas; GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; GRUR 2015, 1019 Rn. 19 – Mobiler Buchhaltungsservice; GRUR 2016, 521 Rn. 10 – Durchgestrichener Preis II).
52
c) Die angesprochenen Verkehrskreise sind alle Adressaten von Werbeaussagen von Medizinern, die die streitgegenständlichen Siegel in ihrer Außendarstellung, insbesondere auf ihrer Internetpräsenz und in ihren Werbematerialien, nutzen. Zu den angesprochenen Verkehrskreisen im vorliegenden Zusammenhang gehören alle Personen, die auf der Suche nach einem geeigneten Mediziner für eine bestimmte Fachrichtung sind. Abzustellen ist insoweit auf den durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsverbraucher, der den maßgeblichen Aussagen eine der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH GRUR 2000, 619, 621 – Orient-Teppichmuster; GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung; GRUR 2004, 605, 606 – Dauertiefpreise; WRP 2015, 1098 Rn. 22 – TIP der Woche; WRP 2018, 413 Rn. 27 – Tiegelgröße).
53
Der Senat kann aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, wie die angesprochenen Verkehrskreise die angegriffenen Aussagen verstehen, da er ständig mit Wettbewerbssachen befasst ist (BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; GRUR 2014, 682 Rn. 29 – Nordjob-Messe).
54
d) Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
55
aa) Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen die streitgegenständlichen Siegel, wenn sie von den entsprechend ausgezeichneten Medizinern verwendet werden, als Werbung mit aktuellen Testergebnissen.
56
Entgegen der Auffassung des Klägers versteht der angesprochene Verkehr die streitgegenständlichen Siegel der Beklagten nicht als Prüfzeichen oder Gütesiegel in dem Sinne, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die damit versehene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen geprüft hat. Ein solches Zeichen bietet aus der Sicht des Verkehrs die Gewähr, dass ein mit ihm gekennzeichnetes Produkt bestimmte, für seine Güte und Brauchbarkeit als wesentlich angesehene Eigenschaften aufweist (Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl. 2023, § 5 Rn. 271 unter Bezugnahme auf BGH GRUR 2020,299 Rn. 26 – IVD-Gütesiegel; BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 39 – LGA tested). Um der mit dem Siegel verbundenen Güteerwartung des Verkehrs gerecht zu werden, ist eine kontinuierliche Überwachung der Verwendung des Gütesiegels durch die verleihende Stelle erforderlich (Ohly/Sosnitza, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH GRUR 2020, 299 Rn. 26 aE – IVD-Gütesiegel). Prüfzeichen haben Bedeutung vor allem für das Gebiet der Sicherheitstechnik (Ohly/Sosnitza, a.a.O.).
57
Die streitgegenständlichen Siegel der Beklagten sind mit Prüfzeichen oder Gütesiegeln im oben genannten Sinne nicht vergleichbar. Eine Vergleichbarkeit ergibt sich für den Senat – anders als für das Landgericht – dabei nicht aus der „optischen Aufmachung“ der streitgegenständlichen Siegel als Prüfzeichen. Insoweit erschließt sich dem Senat schon nicht, worin die „optische Aufmachung“ eines Prüfzeichens typischerweise besteht. So existiert in den unterschiedlichsten Zusammenhängen eine Vielzahl von Siegeln, die gerade keine Prüfzeichen sind. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Siegel der Beklagten im Zusammenhang mit der Bewertung von Ärzten angeboten bzw. zur Verfügung gestellt werden und damit bereits nicht in einem technischen Zusammenhang, in dem der Verkehr typischerweise mit der Verwendung von Prüfzeichen rechnet und an diese gewöhnt ist. Weiter ist dem Verkehr bekannt, dass die Bewertung von Ärzten im Wesentlichen subjektiv geprägt ist und daher eine Prüfung nach „objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen“, wie sie bei technischen Produkten regelmäßig stattfindet, nicht erfolgen kann. Zudem weiß der Verkehr aufgrund der Verwendung des farblich und größenmäßig deutlich hervorgehobenen Logos „FOCUS“ in den streitgegenständlichen Siegeln, dass es sich dabei nicht um ein anerkanntes Prüfinstitut handelt, das typischerweise Prüfzeichen oder Gütesiegel erteilt, sondern ein Medienunternehmen, das neben den TOP Medizinern – über FOCUS BUSINESS – Listen auch etwa über die Top-Wirtschaftskanzleien, die TOP-Rechtsanwälte, die TOP-Steuerberater, die TOP-Arbeitgeber, die TOP-Immobilienmakler, etc. herausgibt. Auch ist dem Verkehr bekannt, dass – wie die Beklagte zu Recht hervorhebt (Bl. 157 f. d.A.) – andere Medienunternehmen wie etwa der Stern (Deutschlands ausgezeichnete Ärzte) oder die FAZ (Deutschlands beste Ärzte) vergleichbare „Ärztesiegel“ zur Verfügung stellen.
58
bb) Die Werbung mit aktuellen Testergebnissen für Produkte, die den getesteten entsprechen und die auch nicht technisch überholt sind, ist grundsätzlich nicht irreführend, wenn die von einem Dritten vergebene Auszeichnung in einem seriösen Verfahren vergeben und nicht erschlichen worden ist (GRUR 2019, 631 Rn. 68 – Das beste Netz unter Bezugnahme auf BGH, GRUR 1985, 932 – Veralteter Test; BGH WRP 2014, 67 = BeckRS 2013, 18553 Rn. 8 – Testergebniswerbung mit Kaffee-Pads; BGH, GRUR 2003, 800 [802] = WRP 2003, 1111, juris-Rn. 38 – Schachcomputerkatalog). Der Werbende darf sich in diesen Fällen mit der Auszeichnung schmücken und braucht keinen eigenen Qualitätsnachweis zu führen; insbesondere unterliegt er nicht den Zulässigkeitsanforderungen der Alleinstellungs- oder Spitzengruppenwerbung (BGH a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH, GRUR 2003, 800 [802], juris-Rn. 38 – Schachcomputerkatalog). Die Werbung mit einem Testsiegel darf allerdings auch über den Rang des beworbenen Produkts im Kreise der getesteten Produkte nicht irreführen (BGH a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH, GRUR 1982, 437 [438] = WRP 1982, 414, juris-Rn. 15 f. – Test Gut). Ausnahmsweise kann die Werbung mit einem Testsiegel irreführend sein, wenn dem Testsiegel aufgrund besonderer Umstände – etwa wegen des Fehlens von objektiven Kriterien für die Prüfung der untersuchten Dienstleistung – nur eine begrenzte Aussagekraft zukommt (BGH a.a.O. Rn. 70 unter Bezugnahme auf BGH, GRUR 2005, 877 [879 f.] = WRP 2005, 1242, juris-Rn. 35 ff. – Werbung mit Testergebnis). Unberührt bleibt ferner die aus § 5 a Abs. 2 UWG (§ 5a Abs. 1 UWG n.F.) folgende Pflicht des Werbenden, bei der Werbung mit einem Testsiegel wesentliche Informationen – etwa die Testfundstelle oder Hinweise auf Prüfkriterien – mitzuteilen (BGH a.a.O. Rn. 71 unter Bezugnahme auf BGH, GRUR 2010, 248 Rn. 28 ff. = WRP 2010, 370 – Kamerakauf im Internet; GRUR 2016, 1076 Rn. 17 ff. = WRP 2016, 1221 – LGA tested).
59
cc) Nach diesen Maßstäben ist die Werbung mit den streitgegenständlichen Siegeln der Beklagten durch entsprechend ausgezeichnete Mediziner nicht irreführend. Der Kläger trägt nicht vor und es ist auch sonst nichts dafür ersichtlich, dass die Auszeichnungen TOP-Mediziner bzw. „FOCUS EMPFEHLUNG“ nicht in einem seriösen Verfahren vergeben oder erschlichen worden wären. Der mit den streitgegenständlichen Siegeln werbende Mediziner darf sich also mit der Auszeichnung schmücken und braucht keinen eigenen Qualitätsnachweis zu führen; insbesondere unterliegt er nach den oben genannten Grundsätzen des Bundesgerichtshofs nicht den Zulässigkeitsanforderungen der Alleinstellungs- oder Spitzengruppenwerbung. Eine Irreführung über den Rang der beworbenen Dienstleistung ist mit den beiden Siegeln „TOP-Mediziner“ bzw. „FOCUS EMPFEHLUNG“ ebenfalls nicht verbunden, da mit den Siegeln eine Aussage über den Rang innerhalb der TOP-Mediziner bzw. der „FOCUS EMPFEHLUNG“ gerade nicht getroffen wird. Auch soweit die „gelisteten Ärzte“ durch die Siegel ggü. den „nicht-gelisteten Ärzten“ herausgehoben werden, die aber in die Bewertung der Beklagten einbezogen waren, liegt darin keine Irreführung. Die Auswahl der Beklagten erfolgte insoweit – wie noch auszuführen ist – anhand sachgerechter Kriterien.
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Den Siegeln „TOP-Mediziner“ bzw. „FOCUS EMPFEHLUNG“ kommt auch nicht aufgrund besonderer Umstände – etwa wegen des Fehlens von objektiven Kriterien für die Prüfung der untersuchten Dienstleistung – nur eine begrenzte Aussagekraft zu.
61
Der Umstand, dass die Vorgehensweise der Beklagten bei der Aufstellung der Listen in den Schutzbereich des Art. 5 GG fällt, führt dabei dazu, dass hier keine zu strengen Anforderungen zu stellen sind. Die Festlegung der Kriterien fällt in den Kernbereich der journalistischen Recherche. Die Siegel verweisen auf das Ergebnis dieser Recherchetätigkeit. Dass es sich um das Ergebnis journalistischer Recherche handelt, wird auch besonders dadurch deutlich, dass der Name „FOCUS“ als bekanntes Medienunternehmen in beiden Siegeln – meist in deren „Kopfzeile“ – besonders prominent hervorgehoben wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr harte objektive Kriterien bei der Bewertung freiberuflicher Tätigkeit ohnehin nicht erwartet. Der Verkehr erwartet lediglich ein Bemühen in Richtung Objektivität, aber keine über jeden Zweifel erhabene Objektivierung, die angesichts der Art der bewerteten Leistung auch kaum möglich ist.
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Die Ausführungen auf S. 70-72 der Anlage K 2 bzw. K 10 (Ärzteliste 2021) zeigen, dass in die Recherche der Datenredakteure all jene der 400.000 in Deutschland niedergelassenen Ärzte und Klinikärzte eingeflossen sind (Bildung eines Recherchepools), die mindestens eines der nachfolgenden Kriterien erfüllten: Weiterbildungsbefugnis; Habilitation (akademischer Grad); Chefarzt, Direktor oder weitere leitende Funktion in einem Krankenhaus; führende Rolle oder ausgewiesener Spezialist einer einschlägigen medizinischen Fachgesellschaft; bereits als FOCUS-Top-Mediziner ausgezeichnet. Auf diese Weise wählten die Redakteure 75.000 Mediziner aus, über die sie in öffentlichen Datenquellen recherchierten. Bei einem „Prescoring“ verteilten sie Punkte an die Mediziner. 30.000 Ärzte kamen in die nächste Runde und erhielten einen ausführlichen Fragebogen zur Selbstauskunft. Jeder der befragten 30.000 Ärzte wurde gebeten, hochqualifizierte Fachkollegen und Mediziner aus dem eigenen oder anderen Fachbereichen zu nennen, von denen er sich selbst behandeln lassen würde oder zu denen er seine Patienten mit gutem Gefühl überweise. Knapp 20.000 Arztempfehlungen seien auf diese Weise eingegangen. Am Ende der Recherche erhielt jeder Arzt 0-1 Punkte für 5 Empfehlungskriterien, die mit unterschiedlicher Gewichtung in den Gesamtscore einflossen. Am stärksten wog die Behandlungsleistung.
63
Abschließend führten die Redakteure einen Plausibilitätsscheck der Daten mithilfe statistischer Methoden durch.
64
Nach alledem ist – auch unter Berücksichtigung des hohen Interesses der Verbraucher an der eigenen Gesundheit und damit an einer möglichst hohen Aussagekraft und möglichst hohen Belastbarkeit der Listen und der Siegel – nicht von einem Fehlen von objektiven Kriterien für die Prüfung der untersuchten Dienstleistung auszugehen. Insbesondere die Bildung eines Recherchepools erfolgt anhand objektiver und sachgerechter Kriterien wie der Weiterbildungsbefugnis, der Habilitation (akademischer Grad), der Funktion, der führenden Rolle oder dem ausgewiesenen Spezialistentum einer einschlägigen medizinischen Fachgesellschaft. Diese Kriterien lassen regelmäßig auf eine hohe, von Dritten anerkannte Qualifikation dessen, der diese Kriterien erfüllt, schließen. Auch die zuvor bereits erfolgte Auszeichnung als FOCUS-Top-Mediziner ist grundsätzlich ein objektives Kriterium. Auch die weitere Selektion erfolgt anhand objektiver Kriterien. So ist insbesondere auch die Anzahl von Expertenempfehlungen – auch wenn die einzelne Empfehlung an sich subjektiv ist – ein objektives Kriterium, das – worauf die Beklagte in ihrer Methodenbeschreibung S. 72 der Anlage K 2/ K 10 hinweist – in der Wissenschaft als zuverlässiges und gängiges Kriterium gilt. Der Senat verkennt dabei nicht, dass beim „Scoring“ die Behandlungsleistung am „stärksten wog“, wobei die Behandlungsleistung wesentlich auf den Selbstauskünften der befragten Ärzte beruhte und auch nicht die Gewichtung im Einzelnen angegeben wird. Dieser Umstand führt jedoch nicht zu einer begrenzten Aussagekraft der Ärztelisten und damit der von der Beklagten verliehenen Siegel, da sich dem Scoring eine Überprüfung der Datenqualität anschloss und insbesondere Ärzte, die eine außergewöhnlich hohe Punktzahl beim Scoring erreichten, durch die Rechercheure überprüft wurden, um Fehler bei der Bewertung auszuschließen. Für die Ärzteliste 2020 (Anlage K 1, S. 57) heißt es zudem, aufgrund der Selbstauskunft allein werde kein Arzt in die Liste aufgenommen. Die Rechercheure verifizierten, soweit möglich, Angaben wie Fallzahlen durch Einsehen von Qualitätsberichten von Kliniken. Bei entsprechender Qualifikation würden auch Ärzte in die Liste aufgenommen, welche die Fragebögen nicht ausgefüllt hätten.
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Auch dem Siegel „FOCUS EMPFEHLUNG“ liegen objektive Kriterien, wie Kollegenempfehlung (medizinische Reputation), Facharzt- und Zusatzbezeichnungen entsprechend der Weiterbildungsordnung, Mitglied bzw. Funktionsträger in Fachgesellschaft, Niederlassungsjahr, Gutachtertätigkeit, Vortragstätigkeit, Qualitätsmanagement, etc. zugrunde (vgl. Anlage K 5). Auch die jeweilige Score-Relevanz wird angegeben.
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Soweit der Kläger in der Klageschrift (S. 14) auf eine Berichterstattung des ZDF-Magazins Frontal21 verweist, wonach ein Mediziner von der Beklagten als empfohlener Palliativ-Mediziner oder als „Tropenmediziner“ ausgezeichnet worden sei, obwohl der Mediziner mit diesen Bereichen „nur am Rande zu tun“ habe, und wonach eine weitere Medizinerin als Radiologin ausgezeichnet worden sei, die „schon seit Jahren nicht mehr radiologisch tätig“ sei, vermag dies – die von der Beklagten bestrittene Richtigkeit der Recherche unterstellt – angesichts der erheblichen Datenbasis, die die Beklagte heranzieht, die Sachgerechtigkeit der Methodik der Beklagten nicht grundsätzlich in Frage zu stellen. Entsprechende (unterstellte) „Ausreißer“ dürften trotz Vorkehrungen, diese möglichst zu vermeiden, nicht gänzlich ausschließbar sein.
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2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG
68
Wie ausgeführt fehlt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht an der notwendigen Nachvollziehbarkeit im Hinblick auf die Kriterien, die die angepriesenen Ärzte zu „TOP-Medizinern“ bzw. die „FOCUS EMPFEHLUNGEN“ machen. Zudem ist – wie ausgeführt – der Vergleich objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften der Dienstleistungen bezogen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG liegen daher nicht vor.
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3. Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz hilfsweise beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die streitgegenständlichen Siegel zu Werbezwecken anzubieten und/oder zur Verfügung zu stellen ohne die Verwendung der Siegel mit der Auflage zu versehen, dass bei der Verwendung der Siegel durch die Ärzte darauf hingewiesen wird, dass in die zugrunde liegende Bewertung subjektive Wertungen einfließen, nämlich Selbstauskünfte der Ärzte, Patientenbewertungen, Kollegenempfehlungen sowie den zahlenmäßigen Umfang der Bewertungen und die Gewichtung der einzelnen Kriterien anzugeben, sind die Hilfsanträge zwar zulässig, aber unbegründet.
70
a) Nach den unter B. II. 1. dargestellten Maßstäben genügen die jeweils zuletzt gestellten Hilfsanträge der Bestimmtheit. Insbesondere enthalten sie im Hinblick auf den dahinterstehenden, vom Kläger insoweit gerügten Verstoß gegen § 5a UWG nunmehr die konkrete Beschreibung dessen, welche wesentlichen Informationen nach Auffassung des Klägers von der Beklagten vorenthalten werden.
71
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten war auch im Hinblick auf die in der Berufungsinstanz erstmals gestellten Hilfsanträge die Änderung der Anträge in der Berufungsinstanz in vorliegendem Fall ohne Anschlussberufung gem. § 524 ZPO möglich. Nach den unter B. II. 3. dargestellten Maßstäben ist auch mit den in der Berufungsinstanz erstmals gestellten Hilfsanträgen weder eine Klageerweiterung noch eine Auswechslung des Klagegrundes verbunden.
72
In den Hilfsanträgen hat der Kläger die seiner Ansicht nach von der Beklagten vorenthaltenen Informationen nunmehr auch im Antrag selbst aufgeführt und zur Begründung auf S. 16 der Klageschrift verwiesen, aus der sich sämtliche in den Hilfsantrag aufgenommene Punkte entnehmen ließen. Auch wenn sich diese Punkte der Klageschrift explizit nur auf § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG beziehen und seine Ausführungen zu § 5a UWG (S. 19 f. der Klageschrift) noch andere – nach Ansicht des Klägers – von der Beklagten vorenthaltene Informationen enthalten, zeigt die Bezugnahme auf S. 19 unten („Wie dargelegt und unter Beweis gestellt…“), dass der Kläger die auf S. 16 der Klageschrift genannten Punkte auch unter dem Gesichtspunkt des § 5a UWG gewürdigt wissen will. Mit den zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsanträgen ist damit weder eine Klageerweiterung noch eine Auswechslung des Klagegrundes verbunden.
73
c) Die Hilfsanträge sind unbegründet. Die angegriffenen Siegel der Beklagten verstoßen nicht gegen § 5a Abs. 1 UWG. Der Kläger hat gegen die Beklagte daher keinen Anspruch gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 5a Abs. 1 UWG.
74
aa) Gemäß § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, 1. die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und 2. deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
75
bb) Wer mit einem Testergebnis, das auf einem Test mehrerer vergleichbarer Erzeugnisse beruht, wirbt, muss in der Werbung deutlich erkennbar auf eine Fundstelle hinweisen, die leicht zugänglich ist und eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Test erlaubt, um dem Verbraucher eine einfache Möglichkeit zu verschaffen, den Test selbst zur Kenntnis zu nehmen und ihm damit eine informierte geschäftliche Entscheidung zu ermöglichen. Denn bei der Bewerbung eines Produkts mit einem solchen Qualitätsurteil besteht ein erhebliches Interesse des Verbrauchers zu erfahren, wie sich die Bewertung dieses Produkts in das Umfeld der anderen getesteten Produkte einfügt, damit er die Testergebnisse vergleichen kann (Köhler/Feddersen, in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl. 2025, § 5a Rn. 2.20 unter Bezugnahme auf BGH GRUR 2010, 248 Rn. 48 – Kamerakauf im Internet; WRP 2021, 895 Rn. 14, 21 – Testsiegel auf Produktabbildung; OLG Frankfurt WRP 2016, 750 Rn. 4; 2016, 1024 Rn. 10). Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn die konkrete Fundstelle mit Erscheinungsjahr und Ausgabe einer Veröffentlichung deutlich erkennbar angegeben wird (Köhler/Feddersen, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH WRP 2021, 895 Rn. 14, 21 – Testsiegel auf Produktabbildung). Ausreichend dafür ist bspw. die Angabe einer Website auf einem Produkt, die den Hinweis auf die Fundstelle enthält, weil diese Information gewährleistet, dass der Verbraucher mit zumutbarem Aufwand, ohne größere Recherche nähere Informationen über den Test auffinden kann (Köhler/Feddersen, a.a.O.).
76
cc) Die Beklagte verweist – deutlich erkennbar – in den angegriffenen Siegeln selbst auf die jeweiligen Quellen (FOCUS-GESUNDHEIT 04/2020 für das Siegel TOP-MEDIZINER 2020; FOCUS-GESUNDHEIT 04/2021 für das Siegel TOP-MEDIZINER 2021; FOCUS-ARZTSU-CHE.DE jeweils für die Siegel FOCUS EMPFEHLUNG 2020 und 2021. Dort finden sich – wie ausgeführt und aus Anlagen K 1 (S. 56 f.), K 2 (K10) (S. 70-72) und K 5 ersichtlich – die Erläuterungen über die Kriterien für die Zusammenstellung der jeweiligen Listen und – nachfolgend – für die Verleihung der jeweiligen Siegel. Auf diese Weise wird dem Verbraucher eine einfache Möglichkeit verschafft, den Test selbst zur Kenntnis zu nehmen und ihm damit eine informierte geschäftliche Entscheidung zu ermöglichen.
77
dd) Soweit der Kläger rügt, bei der Verwendung der Siegel durch die Ärzte werde nicht darauf hingewiesen, dass in die zugrunde liegende Bewertung subjektive Wertungen einflössen, nämlich Selbstauskünfte der Ärzte, Patientenbewertungen, Kollegenempfehlungen sowie der zahlenmäßige Umfang der Bewertungen und die Gewichtung der einzelnen Kriterien nicht angegeben werde, liegt bereits deshalb kein Vorenthalten wesentlicher Informationen vor, weil diese aufgrund der räumlichen Beschränkung des gewählten Kommunikationsmittels (Siegel) offensichtlich in diesem Rahmen nicht gegeben werden können, § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG. Gleiches gilt, soweit der Kläger rügt, es werde dem Verbraucher u.a. vorenthalten, welche Bewertungsplattformen hinsichtlich der Patientenbewertungen ausgewertet sowie wie die dortigen Bewertungen ausgewählt und gewürdigt würden, weiter bleibe unklar, inwieweit die Patientenbewertungen auf Echtheit und Substanz geprüft würden und nach welcher Arithmetik sie Eingang in das Urteil der Beklagten gefunden hätten, überdies sei bei den behaupteten Kollegenbefragungen unklar, wie viele Kollegen auf welche Weise befragt würden und wie die Antworten nach Inhalt und Gewicht in das Qualitätsurteil der Beklagten einflössen. Auch diese Informationen können im Rahmen eines Siegels offensichtlich nicht gegeben werden.
78
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
79
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
80
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall. Insbesondere liegt – entgegen der Auffassung des Klägers – auch keine Divergenz zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 07.04.2017, 6 U 134/16, GRUR-RS 2017, 109397) vor. Dort wurde der dortigen Antragsgegnerin u.a. untersagt, mit dem Logo des Q-Magazins als „Bester Internetprovider“ zu werben. Die angesprochenen Verkehrskreise gingen davon aus, dass der Aussage ein objektivierbarer Test zugrunde liege und nicht lediglich eine Umfrage, die sich letztlich nur mit der Kundenzufriedenheit auseinandersetze, aber keine Vergleichbarkeit herstelle. Die Kundenzufriedenheit sei auch nicht das maßgebliche Kriterium, um den „besten Internet-Provider“ zu bestimmen (OLG Köln, a.a.O., Rn. 50 f.). Das Oberlandesgericht Köln stellt also entscheidend darauf ab, dass der angesprochene Verkehr weiß, dass es bei der Beurteilung von Internet-Providern grundsätzlich objektivierbare Test gibt. Wie ausgeführt, weiß der angesprochene Verkehr im hier entschiedenen Fall dagegen, dass die Bewertung von Ärzten im Wesentlichen subjektiv geprägt ist und daher eine Prüfung nach harten „objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen“, wie sie bei technischen Produkten regelmäßig stattfindet, nicht erfolgen kann. Dies deutet auch das Oberlandesgericht Köln in der vom Kläger zitierten Entscheidung an, wenn es ausführt, etwas anderes gelte dann (also keine Irreführung), wenn eine solche (objektive) Prüfung (anhand konkreter Fakten) nicht möglich sei (OLG Köln, a.a.O. Rn. 53).