Inhalt

LG München I, Endurteil v. 20.03.2024 – 21 O 2080/24
Titel:

Prüfpflicht der Clearingstelle vor Listung in der Lauer-Taxe

Normenketten:
EPÜ Art. 64 Abs. 1
PatG § 83 Abs. 1, § 139 Abs. 1, § 140b Abs. 1, Abs. 7
ZPO § 13, § 32, § 935, § 940
SGB V § 131 Abs. 4
Leitsatz:
Die Betreiberin der IFA-Datenbank ist vor Listung eines generischen Arzneimittels in der Lauer-Taxe verpflichtet, sich - gegebenenfalls unter Einholung rechtlichen Rats - über das Vorliegen einer äquivalenten Schutzrechtsverletzung Kenntnis zu verschaffen, wenn sie von der Patentinhaberin konkret und substantiiert auf die äquivalente Rechtsverletzung hingewiesen worden ist und eine offensichtliche Patentverletzung gegeben ist. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Unterlassung
Fundstellen:
MittdtPatA 2024, 350
PharmR 2024, 406
GRUR-RS 2024, 8804
LSK 2024, 8804
GRUR-RR 2024, 269

Tenor

1.    Die Antragsgegnerin wird verurteilt, der Antragstellerin unverzüglich nach Vorliegen eines Antrages auf Aufnahme eines generischen Produkts mit der Verbindung 5-Chlor-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl)phenyl]-1,3 o- xazolidin-5-yl}methyl)-2-thiophencarbonsäureamid [Verbindung (I), Rivaroxaban] um-fassend eine Hartkapsel mit schneller Freisetzung zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung einer thromboembolischen Erkrankung, welches nicht mehr als einmal täglich über mindestens fünf aufeinanderfolgende Tage verabreicht wird, wobei die Verbindung bei oraler Verabreichung an einen menschlichen Patienten eine Plasmakonzentrationshalbwertszeit von 10 Stunden oder weniger hat, in die IFA Datendienste Auskunft zu erteilen über
a)    die Identität des generischen Unternehmens, das Aufnahme des generischen Produkts beantragt hat und
b)    die der Antragsgegnerin vorliegenden Produktinformationen des generischen Produkts.
2.    Die Antragsgegnerin wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem ge¬setzlichen Vertreter der Antragsgegnerin zu vollziehen ist, zu unterlassen, eine die Verbindung 5-Chlor-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl)phenyl]-1,3 o- xazolidin-5-yl}methyl)-2-thiophencarbonsäureamid [Verbindung (I), Rivaroxaban] um-fassende Hartkapsel mit schneller Freisetzung zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung einer thromboembolischen Erkrankung, welches nicht mehr als einmal täg¬lich über mindestens fünf aufeinanderfolgende Tage verabreicht wird,
wobei die Verbindung bei oraler Verabreichung an einen menschlichen Patienten eine Plasmakon¬zentrationshalbwertszeit von 10 Stunden oder weniger hat, (äquivalente Verletzung von Anspruch 1, EP 1 845 961) ohne Zustimmung der Antragstellerin in die IFA Datendienste aufzunehmen,
wobei diese Anordnung unter der auflösenden Bedingung steht, dass die Antrag-stellerin binnen eines Monats ab Auskunftserteilung durch die Antragsgegnerin über den Antrag eines Dritten auf Aufnahme einer eine solche Verbindung umfassenden Hartkapsel in die IFA Datendienste diesen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschut¬zes wegen Schutzrechtsverletzung in Anspruch nimmt.
3.    Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
4.    Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Nebenintervenienten tragen ihre Kosten selbst.
5.    Der Streitwert wird auf 250.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin des nationalen deutschen Teils des europäischen Patents 1 845 961. Sie begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes von der Verfügungsbeklagten Auskunft und Unterlassung der Listung von generischen Produkten in die IFADatendienste.
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Das Klagepatent wurde am 19.01.2006 angemeldet und nimmt eine Priorität vom 31.01.2002 (EP ) in Anspruch. Es wurde am 22.04.2015 erteilt.
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Patentanspruch 1 des Klagepatents betrifft eine Verwendung des Wirkstoffs Rivaroxaban und lautet im englischen Original wie folgt:
„The use of a rapid-release tablet of the compound 5-Chloro-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl) phenyl]-1,3-oxazolidin-5-yl}methyl)-2-thiophenecarboxamide for the manufacture of a medicament for the treatment of a thromboembolic disorder administered no more than once daily for at least five consecutive days, wherein said compound has a plasma concentration half life of 10 hours or less when orally administered to a human patient.“
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Die Verfügungsbeklagte ist die gemeinsame Clearingstelle der pharmazeutischen Industrie, des pharmazeutischen Großhandels und der Apotheker in der Bundesrepublik Deutschland. Sie betreibt die IFA-Datenbank. Auf dieser beruht die sog. Lauer Taxe, welche den Apotheken Auskunft über die Verfügbarkeit zugelassener Arzneimittel gibt. Zudem vergibt die Verfügungsbeklagte für solche Waren die Pharmazentralnummer (PZN).
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Die Verfügungsbeklagte erklärte mit E-Mail vom 12.02.2024 gegenüber der Verfügungsklägerin, dass sie Rivaroxaban-Generika der Stärken 10 mg, 15 mg und 20 mg in Tablettenform frühestens ab dem 01.02.2026 und in Kapselform frühestens ab dem 15.04.2024 listen würde (Anlage AO7).
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Die Nebenintervenienten haben jeweils mit Schriftsatz vom 18.03.2024, 19.03.2024 und 20.03.2024 den Beitritt auf Seiten der Verfügungsbeklagten erklärt.
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Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, dass Anspruch 1 des Klagepatents durch eine Listung von Rivaroxaban-Generika in Tablettenform unmittelbar und in Kapselform äquivalent verletzt werde.
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Die Verfügungsklägerin beantragt zuletzt,
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben,
I. der Antragstellerin unverzüglich nach Vorliegen eines Antrages auf Aufnahme eines generischen Produkts mit der Verbindung 5-Chlor-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl) phenyl]-1,3 oxazolidin-5-yl}methyl)-2-thiophencarbonsäureamid [Verbindung (I), Rivaroxaban] mit schneller Freisetzung zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung einer thromboembolischen Erkrankung, welches nicht mehr als einmal täglich über mindestens fünf aufeinanderfolgende Tage verabreicht wird, wobei die Verbindung bei oraler Verabreichung an einen menschlichen Patienten eine Plasmakonzentrationshalbwertszeit von 10 Stunden oder weniger hat,
in die IFA Datendienste Auskunft zu erteilen über
a) die Identität des generischen Unternehmens, das Aufnahme des generischen Produkts beantragt hat und
b) die der Antragsgegnerin vorliegenden Produktinformationen des generischen Produkts
II. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin zu vollziehen ist, zu unterlassen,
1) eine die Verbindung 5-Chlor-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl) phenyl]- 1,3 oxazolidin-5-yl}methyl)-2-thiophencarbonsäureamid [Verbindung (I), Rivaroxaban] umfassende Tablette mit schneller Freisetzung zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung einer thromboembolischen Erkrankung, welches nicht mehr als einmal täglich über mindestens fünf aufeinanderfolgende Tage verabreicht wird, wobei die Verbindung bei oraler Verabreichung an einen menschlichen Patienten eine Plasmakonzentrationshalbwertszeit von 10 Stunden oder weniger hat,
(wortsinngemäße Verletzung von Anspruch 1, EP 1 845 961)
2) eine die Verbindung 5-Chlor-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl) phenyl]- 1,3 oxazolidin-5-yl}methyl)-2-thiophencarbonsäureamid [Verbindung (I), Rivaroxaban] umfassende Hartkapsel mit schneller Freisetzung zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung einer thromboembolischen Erkrankung, welches nicht mehr als einmal täglich über mindestens fünf aufeinanderfolgende Tage verabreicht wird, wobei die Verbindung bei oraler Verabreichung an einen menschlichen Patienten eine Plasmakonzentrationshalbwertszeit von 10 Stunden oder weniger hat,
(äquivalente Verletzung von Anspruch 1, EP 1 845 961)
ohne Zustimmung der Antragstellerin in die IFA-Datendienste aufzunehmen.
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Die Verfügungsbeklagte und die Nebenintervenienten beantragen, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Die Nebenintervenienten stellen zudem folgende Hilfsanträge, denen die Verfügungsbeklagte nicht entgegentritt:
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1) Die weitere Vollziehung einer etwaigen einstweiligen Verfügung wird davon abhängig gemacht, dass die Antragstellerin verbindlich gegenüber jedem antragenden Generikaunternehmen, das ein streitgegenständliches Produkt auf den Markt bringen möchte, binnen 14 Tagen erklärt, dieses von sämtlichen Schäden freizustellen, die durch die Ablehnung der Listung bei der IFA entstehen sollte, falls sich das Patent endgültig als nicht rechtsbeständig oder nicht verletzt erweisen sollte.
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2) Eine etwaige einstweilige Verfügung wird in der Weise befristet, dass sie insoweit außer Kraft tritt, als die Antragstellerin binnen eines Monats ab Kenntniserlangung vom Entstehen einer Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr keinen Eilrechtsschutz gegen den betroffenen Generikahersteller beantragt bzw. Eilrechtsschutz erst- oder zweitinstanzlich abgelehnt wird.
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Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, dass sie im Hinblick auf eine äquivalente Patentverletzung keine Prüfpflichten habe. Sie sei zudem kartellrechtlich daran gehindert, eine Listung der angegriffenen Rivaroxaban-Generika in der Verabreichungsform Hartkapseln zu verweigern.
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Die Nebenintervenienten sind im Wesentlichen der Ansicht, dass keine Verletzung des Klagepatents vorliege. Sie sind zudem der Ansicht, das Klagepatent sei nicht rechtsbeständig.
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 20.03.2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig (A.). Er ist auch im Hinblick auf die Verabreichungsform Hartkapseln in der tenorierten Fassung begründet (B.). Im Hinblick auf die Verabreichungsform Tabletten ist der Antrag mangels Begehungsgefahr unbegründet (C.).
A.
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Der Antrag ist zulässig.
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I. Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist eröffnet, weil es sich im Hinblick auf die geltend gemachten Ansprüche um eine bürgerliche Streitigkeit handelt, § 13 ZPO.
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Entgegen der Ansicht der Nebenintervenienten zu 1, 3 und 6 ist hier keine verwaltungsrechtliche oder sozialrechtliche Streitigkeit gegeben. Eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 VwGO bzw. eine sozialrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 51 SGG liegt vor, wenn das dem Klageanspruch unmittelbar zugrunde liegende Rechtsverhältnis öffentlichrechtlich ist. Hierbei ist auf die dem Rechtsstreit unmittelbar zugrunde liegende Anspruchsgrundlage abzustellen (BeckOK-VwGO/Reimer, § 40 Rn. 42). Die Verfügungsklägerin macht gegenüber der Verfügungsbeklagten den patentrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 139 PatG sowie den Auskunftsanspruch aus § 140b PatG geltend, so dass eine zivilrechtliche Streitigkeit vorliegt. Inwieweit die Verfügungsbeklagte durch Listung in den IFA-Datendiensten oder durch Vergabe einer Pharmazentralnummer eine hoheitliche Aufgabe wahrnimmt, kann bei Bestimmung des Rechtswegs dahinstehen. Dabei handelt es sich lediglich um dem Patentschutz nachgelagerte Fragen, die die Anwendung der patentrechtlichen Anspruchsgrundlage nicht berühren.
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II. Das Landgericht München I ist gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig.
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1. Die patentrechtsverletzende Listung der angegriffenen Ausführungsformen stellt eine unerlaubte Handlung dar, deren Erfolgsort sich auf das ganze Bundesgebiet erstreckt. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist insoweit nicht auf den Ort der bloßen Entscheidung über die Listung am Firmensitz der Verfügungsbeklagten in Frankfurt a.M. abzustellen, da die Listung ein bundesweites Angebot darstellt.
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2. Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten ergibt sich aus § 16 des IFA-Vertrags (Anlage AG1) im vorliegenden Fall keine vorrangige Gerichtsstandsvereinbarung.
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Diese Regelung erfasst allein Streitigkeiten „aus diesem Vertrag“. Vorliegend streiten die Parteien aber nicht um Ansprüche „aus diesem Vertrag“ oder um den Inhalt dieses Vertrags. Vielmehr ist dieser Vertrag für den vorliegenden Streit unerheblich, weil die Verfügungsklägerin wie ein beliebiger Dritter gegen die Verfügungsbeklagte die (patent-)gesetzlichen Ansprüche auf Auskunft und Unterlassung geltend macht. Dieser Streit wird durch das zwischen den Parteien zugleich bestehende Vertragsverhältnis nicht berührt.
B.
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Der Antrag ist im Hinblick auf die Verabreichungsform Hartkapsel begründet. Verfügungsanspruch (unter I.) und Verfügungsgrund (unter II.) bestehen.
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I. Die Verfügungsklägerin hat das Vorliegen des Verfügungsanspruchs glaubhaft gemacht.
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1. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG.
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a) Das Verfügungspatent ist durch den Vertrieb der angegriffenen Generika in der Verab reichungsform der Hartkapsel benutzt.
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aa) Gegenstand des Verfügungspatents ist die Behandlung von Störungen der Blutgerinnung.
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Im Stand der Technik waren als Standardtherapie für die Behandlung von Blutgerinnungsstörungen Heparine und für die Langzeitbehandlungen Vitamin-K-Antagonisten bekannt [0006, 0007]. Am Einsatz von Heparinen kritisiert das Klagepatent als nachteilig, dass diese akut wirken, aber nicht oral verfügbar seien und als Injektion genommen werden müssten. Im Hinblick auf den Einsatz von Vitamin-K-Antagonisten kritisiert das Klagepatent u.a. die lange Zeit bis zum Einsetzen der Wirkung und eine sehr lange Abklingzeit sowie das hohe Blutungsrisiko bei nur leichter Überdosierung, das ein engmaschiges Monitoring erfordere. Der Einsatz des Wirkstoffs Rivaroxaban war zum Prioritätszeitpunkt bekannt 0008.. Jedoch war die genaue Verwendung dieses Wirkstoffs nicht hinreichend klar.
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bb) Das Verfügungspatent beschreibt es daher als seine Aufgabe, ein sicheres und wirksames Verabreichungsregime für Rivaroxaban bereitzustellen.
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Hierfür schlägt das Verfügungspatent eine Verwendung gemäß Anspruch 1 vor, der sich nach seinen Merkmalen wie folgt gliedern lässt:
1. Verwendung der Verbindung 5-Chlor-N-({(5S)-2-oxo-3-[4-(3-oxo-4-morpholinyl) phenyl]-1,3oxazolidin-5-yl}methyl)-2-thiophencarbonsäureamid zur Herstellung eines Medikaments
2. in einer Tablette mit schneller Freisetzung
3. zur Behandlung einer thromboembolischen Erkrankung;
4. das Medikament wird nicht mehr als einmal täglich über mindestens fünf aufeinanderfolgende Tage verabreicht;
5. die Verbindung hat bei oraler Verabreichung an einen menschlichen Patienten eine Plasmakonzentrationshalbwertszeit von 10 Stunden oder weniger.
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cc) Die Kammer definiert die angesprochene Fachperson in Übereinstimmung mit der Definition des Bundespatentgerichts als Team bestehend aus einem Arzt mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der Behandlung thromboembolischer Erkrankungen, einem auf dem Gebiet der klinischen Pharmakokinetik berufserfahrenen Pharmakologen und einen pharmazeutischen Technologen mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der Entwicklung von antithrombotischen Arzneimitteln (Qual. Hinweis des Bundespatentgerichts vom 03.01.2024, S. 2, Anl. AO 20).
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dd) Die Auslegung der einzelnen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht nicht umstritten.
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ee) Durch die von der Verfügungsbeklagten beabsichtigte Listung der angegriffenen Ausführungsformen droht eine äquivalente Verletzung von Anspruch 1 des Verfügungspatents. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen in der Verabreichungsform Hartkapsel unstreitig die Merkmale 1, 3 und 4.
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(1) Hinsichtlich Merkmal 2 liegt eine äquivalente Patentbenutzung vor.
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(a) Eine äquivalente Verwirklichung setzt die Gleichwirkung der Mittel, die Auffindbarkeit für die Fachperson sowie die Orientierung am Patentanspruch voraus. Unstrittig kann bei Medikamenten im Allgemeinen sowie konkret bei dem patentgemäßen Wirkstoff eine orale Verabreichung sowohl über Tabletten als auch über Hartkapseln erfolgen. Der Fachperson war auch schon zum Prioritätszeitpunkt bekannt, dass Tabletten und Kapseln austauschbar sein können, so dass das gleichwirkende Mittel für die Fachperson auch auffindbar war.
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(b) Statt einer schnell freisetzenden Tablette eine solche Hartkapsel zu verwenden, ist am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert.
38
(aa) Nach dem Bundesgerichtshof ist die Verletzung eines Patents mit äquivalenten Mitteln nur zu bejahen, wenn die Überlegungen, die die Fachperson anstellen muss, um ein abgewandeltes Mittel als objektiv gleichwirkend aufzufinden, am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 49 – Pemetrexed). Dies setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen der Fachperson bildet (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 50 – Pemetrexed). Ob sich die abgewandelte Lösung an der patentgemäßen Lehre orientiert, ist allein anhand des technischen Sinns des Patentanspruchs zu beurteilen. Das abgewandelte Mittel ist am Patentanspruch orientiert, wenn ein im Vergleich zum Patent im Wesentlichen gleicher (aber notwendigerweise unterschiedlicher) Weg beschritten worden ist, den sich die Fachperson aufgrund der Überlegungen ausgehend vom Patentanspruch erschließen kann (Meier-Beck GRUR 2018, 241, 245).
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Die geforderte Orientierung am Patentanspruch schließt zwangsläufig die Möglichkeit ein, dass der (maßgebliche) Anspruch hinter der Offenbarung des Patents zurückbleibt. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung, als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, dass der Schutz entsprechend beschränkt ist (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 50 – Pemetrexed). Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 50 – Pemetrexed), selbst wenn die Fachwelt erkennt, dass die erfindungsgemäße Wirkung als solche über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 50 – Pemetrexed). Daher ist eine Ausführungsform aus dem Schutzbereich ausgeschlossen, die zwar offenbart oder für die Fachperson jedenfalls auffindbar sein mag, von der der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie nicht unter Schutz gestellt werden sollte (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 50 – Pemetrexed).
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Liegt dem Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten zugrunde, müssen die Überlegungen der Fachwelt zu möglichen Abwandlungen mit dieser Auswahlentscheidung in Einklang stehen (BGH GRUR 2011, 701 Rn. 35 – Okklusionsvorrichtung). Dies ergibt sich aus dem Primat des Anspruchs. Deshalb ist eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln in der Regel zu verneinen, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (BGH GRUR 2011, 701 Rn. 35 – Okklusionsvorrichtung; GRUR 2016, 921 Rn. 52 und 61 – Pemetrexed).
41
Wird nur eine Ausführungsform offenbart, liegt in der Regel keine Auswahlentscheidung vor und eine Orientierung am Patentanspruch scheitert nicht daran, dass sich der Patentinhaber mit der konkreten Formulierung des Merkmals im Anspruch auf eine dessen Wortsinn entsprechende Ausgestaltung festgelegt hat (BGH GRUR 2016, 1254 – V-förmige Führungsanordnung).
42
(bb) Nach diesen Maßstäben ist die Verwendung der angegriffenen Verabreichungsform Hartkapsel am Patentanspruch orientiert. Die Überlegungen, die die Fachperson anstellen muss, um anstatt einer Tablette eine Hartkapsel als objektiv gleichwirkend aufzufinden, sind am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert.
43
Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten und der sie unterstützenden Nebenintervenienten liegt dem Patentanspruch keine Auswahlentscheidung zugrunde. Die Fachwelt durfte nicht darauf vertrauen, dass der Schutzbereich des Verfügungspatents lediglich auf patentgemäße Tabletten beschränkt ist, auch wenn der Schutzgegenstand durch solche Tabletten definiert wird.
44
Die Nennung der Kapsel in der Beschreibung ist jedenfalls keine hinreichende Offenbarung einer Verwendung der Hartkapsel mit Blick auf sämtliche Merkmale des Patentanspruchs. Die Verfügungspatentschrift offenbart lediglich eine Ausführungsform mit den patentgemäßen Wirkungen in Tablettenform. Anders als die Beklagtenseite meint, wird keine Hartkapsel mit schneller Freisetzung unmittelbar und eindeutig offenbart. Zwar wird in 0029. generell auf eine orale Verabreichung Bezug genommen, wobei in der Folge Kapseln ausdrücklich aufgezählt werden. Allerdings wird hier nicht unmittelbar und eindeutig offenbar, dass sich der Zusatz betreffend die schnelle Freisetzung auch auf Kapseln bezieht. Die Passage mit „releasing rapidly“ bezieht sich unmittelbar und eindeutig auf die Tablettenform. Ob sie sich gleichfalls auf die zuvor genannten anderen Verabreichungsformen erstreckt, ist nach dem maßgeblichen englischen Wortlaut der Beschreibungsstelle zumindest unklar und damit jedenfalls im Zusammenhang mit diesen Verabreichungsformen nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Nach objektiver Betrachtung durfte die Beklagtenseite daher nicht darauf vertrauen, dass der Schutzbereich auf die patentgemäße Verwendung der Tabletten beschränkt ist, aber eine Verwendung von anderen oralen Verabreichungsformen – wie Hartkapseln – außerhalb des Schutzbereichs liegt und daher patentrechtlich erlaubt ist. Ebenso unterscheidet 0030. zwischen Tabletten und Tabletten mit einer schnellen Freisetzung, wobei eine schnelle Freisetzung lediglich vorzugswürdig ist, so dass davon auszugehen ist, dass das Verfügungspatent bei Nennung der Kapselform nicht zwingend von einer schnellen Freisetzung ausgeht. Da sich aus dem Offenbarungsgehalt der Verfügungspatentschrift gleichfalls nicht ergibt, dass vor dem Anmelde-/Prioritätstag patentgemäße Verwendungen mit Hartkapseln stattgefunden hätten, ist es nicht gerechtfertigt, Ausführungsformen vom Schutz auszuschließen, die aufgrund von Angaben in der Patentschrift (zwar) auffindbar (aber noch nicht aufgefunden) waren, weil Auffindbarkeit Grundvoraussetzung für Äquivalenz ist und der Einsatz abgewandelter Mittel sonst nie zur Patentverletzung führen könnte (vgl. BGH GRUR 2016, 921 Rn. 61 – Pemetrexed; Meier-Beck GRUR 2018, 241, 243, Werner in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Auflage, 2020, § 14 Rn. 66).
45
Ebenso ist keine Auswahlentscheidung aufgrund des Vergleichs der unterschiedlichen Anspruchsfassungen unter Berücksichtigung des übrigen Inhalts der Schrift gegeben, aus dem sich hinreichend deutlich ergibt, dass im Anspruch eine Konkretisierung vorgenommen worden ist, um den Gegenstand des Patents vom Stand der Technik abzugrenzen und Zweifel an der Patentfähigkeit zu vermeiden (vgl. BGH GRUR 2016, 921 Rn. 67 – Pemetrexed). Zwar ist unerheblich, ob die Konkretisierung objektiv notwendig gewesen ist, weil es in der Regel nicht darauf ankommt, warum eine bestimmte Ausführungsform nicht einbezogen ist (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 67 – Pemetrexed). Wird aber aufgrund (objektiv oder nur vermeintlich bestehender) formeller Anforderungen (der Anspruchsklarheit oder zur Vermeidung einer unzulässigen Erweiterung) der Patentanspruch konkretisiert, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs damit in der Regel keine Auswahlentscheidung verbunden, weil diese Formalien für die Äquivalenz nicht von unmittelbarer Bedeutung sind (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 68 – Pemetrexed) und andernfalls das unmittelbar und eindeutig Offenbarte auch die Grenzen des Äquivalenzbereichs bestimmen würde, obwohl es Sinn der Äquivalenz ist, auch das zu erfassen, was die Fachperson aufgrund der am Patentanspruch orientierten Überlegung kraft ihres Fachwissens als gleichwirkend auffinden kann (Meier-Beck GRUR 2018, 241, 244).
46
Die Annahme der Beklagtenseite, die im Verlauf der Erteilungsgeschichte vorgenommenen Beschränkung von einer – zunächst vorgeschlagenen – oralen Verabreichung auf die beanspruchte Tablettenform entspreche einer bewussten Auswahlentscheidung der Patentinhaberin, um den Gegenstand des Patents insbesondere vom Stand der Technik abzugrenzen, ist nicht belegt. Vielmehr ist es plausibel und nachvollziehbar, dass die Verfügungsklägerin, wie von ihr vorgetragen, wegen des uneindeutigen Wortlauts von 0029. der Anmeldeunterlage dem Einwand einer unzulässigen Erweiterung vorbeugen wollte. Vor allem ist entgegen dem Vortrag der Nebenintervenienten zu 2 und 5 (Schriftsatz vom 18.03.2024, Rn. 19 ff.) nicht belegt, dass die Beschränkung mit dem Ziel erfolgt ist, sich vom Stand der Technik abzugrenzen. Die Nebenintervenienten verweisen darauf, dass der ursprünglich zur Anmeldung eingereichte Anspruch 1 keine konkrete Dosierungsform beschrieben habe und lediglich Unteranspruch 5 auf eine Tablette mit schneller Freisetzung beschränkt sei. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass eine Beschränkung erfolgt ist, um sich vom Stand der Technik abzugrenzen. Die Nebenintervenienten legen schon nicht dar, dass die Abgrenzung erreicht werden sollte, indem der Anspruch auf Tabletten beschränkt wird.
47
(2) Auch Merkmal 5 ist durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht.
48
Soweit die Nebenintervenienten zu 2 und 5 einwenden, dass Rivaroxaban bei älteren Individuen eine terminale Halbwertszeit von 11 bis 13 Stunden aufweisen könne (Schriftsatz vom 18.03.2024, Rn. 29 ff. unter Verweis auf die Fachinformation Anlage TW1), führt dies nicht aus der Verwirklichung von Merkmal 5, da in derselben Fachinformation mitgeteilt wird, dass es bei Jüngeren 5 bis 9 Stunden sind (S. 41). Insgesamt geht die Fachinformation auf S. 23 bei Erwachsenen von einer Halbwertszeit von etwa 5 bis 13 Stunden aus. Im Übrigen handelt es sich insoweit um Durchschnittswerte, so dass zu befürchten ist, dass auch in einzelnen Fällen bei älteren Personen eine Halbwertszeit von 10 Stunden oder weniger gegeben ist. Dies ist für eine Verwirklichung des Merkmals ausreichend, da es für die Patentverletzung auf die Gemeinsamkeiten und nicht auf die Unterschiede ankommt.
49
b) Die Verfügungsbeklagte ist passivlegitimiert und haftet als Nebentäterin.
50
aa) Verletzer und damit Schuldner patentrechtlicher Ansprüche ist neben dem (Mit-)Täter auch der (fahrlässige) Nebentäter (BGH GRUR 2009, 1142 Rn. 34 – MP3-Player-Import; vgl. Werner, in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Auflage, 2020, § 139 Rn. 28). Die Haftung als Nebentäter wird auch nicht durch die Haftung des sachnäheren Täters ausgeschlossen.
51
Da der Nebentäter zur Verletzung nur einen untergeordneten Beitrag leistet, bedarf es für die Zurechnung seines Mitverursachungsbeitrags der Verletzung einer Rechtspflicht. Ob und in welchem Umfang eine Rechtspflicht zur Verhinderung eines schutzrechtsverletzenden Erfolgs besteht, richtet sich im Einzelfall nach Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Von entscheidender Bedeutung ist, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Falls ein Tätigwerden zuzumuten ist. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Schutzbedürftigkeit des Verletzten und der Zumutbarkeit von Prüfungs- und Handlungspflichten, die zu beachten sind: Je schutzwürdiger der Verletzte, desto mehr Rücksicht auf seine Interessen kann dem Dritten zugemutet werden. Je geringer das Schutzbedürfnis, desto kritischer ist zu prüfen, ob von dem Dritten erwartet werden muss, Schutzrechtsverletzungen aufzuspüren und gegebenenfalls abzustellen oder zu verhindern (BGH GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import; vgl. auch BGH GRUR 2017, 785 – Abdichtsystem). Zu berücksichtigten ist dabei auch die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (OLG Frankfurt, Urt. v. 11. September 2012, 11 U 157/11 (Kar), Rn. 13).
52
bb) Vorliegend ist eine Pflichtverletzung der Verfügungsbeklagten im Hinblick auf die äquivalente Schutzrechtsverletzung durch Hartkapseln gegeben, weil die Verfügungsklägerin sie konkret und substantiiert auf die äquivalente Rechtsverletzung hingewiesen hat und eine offensichtliche Patentverletzung gegeben ist. Der Verfügungsbeklagten war damit zumutbar, sich gegebenenfalls unter Hinzuziehung rechtlichen Rats Kenntnis darüber zu verschaffen, dass eine Schutzrechtsverletzung vorliegt.
53
Bei der Reichweite der Prüfpflichten berücksichtigt die Kammer, dass die Verfügungsbeklagte eine Clearingstelle ist und lediglich die angemeldeten Arzneimittelprodukte listet. Hierbei handelt es sich in der Regel um ein Massenverfahren, das keine individuelle Prüfung jedes Antrags ermöglicht. Zudem besteht der patentrechtliche Konflikt primär zwischen dem Patentinhaber und den Generikaanbietern, während die Verfügungsbeklagte kein eigenes Interesse an der Listung eines bestimmten Produkts und damit an der Verletzung eines Patents hat. Vielmehr übernimmt sie durch die Listung und Vergabe einer Pharmazentralnummer eine Funktion, die auch im öffentlichen Interesse liegt und die Verfügbarkeit von Medikamenten sicherstellt, vgl. § 131 Abs. 4 SGB V. Ebenso befindet sich die Verfügungsbeklagte in einem Spannungsfeld zwischen Patent- und Kartellrecht. Da sie durch die Entscheidung über die Listung über eine marktbeherrschende Stellung verfügt (OLG Frankfurt, Urteil vom 18.05.2010 – 11 U 38/09 (Kart), BeckRS 2012, 16070) und die pharmazeutischen Unternehmen zur Listung verpflichtet sind, vgl. § 131 Abs. 4 SGB V, besteht gegenüber den Generikaanbietern grundsätzlich die kartellrechtliche Pflicht, diese in die IFA-Datendienste aufzunehmen.
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Jedoch entbindet diese Stellung die Verfügungsbeklagte jedenfalls im vorliegenden Fall nicht von der Einhaltung gebotener patentrechtlicher Sorgfaltspflichten. Hier ist besonders zu berücksichtigen, dass die Verfügungsbeklagte ausführlich und substantiiert auf die Schutzrechtsverletzung durch die generischen Produkte hingewiesen wurde. Durch eine Prüfpflicht beschränkt auf Fälle eines substantiierten Verletzungshinweises droht der Verfügungsbeklagten keine unzumutbare Belastung, da sie auf Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, vergleichbar konkrete Verletzungshinweise kämen nur etwa einmal jährlich vor. Auch wenn die Listung ein Massengeschäft ist, käme es mithin nur sehr selten zu näheren Prüfpflichten. Insoweit besitzt wiederum die Schutzwürdigkeit des Patentinhabers besonderes Gewicht. Dieser kann in der vorliegenden Konstellation – in der er eine Verletzung durch Listung des generischen Präparats verhindern will, aber nicht hinreichend sicher die Anbieter kennt, deren Arzneimittel gelistet werden sollen, um gegen sie mit vertretbarem rechtlichen Risiko vorzugehen – praktisch nur gegen die Verfügungsbeklagte rechtliche Schritte einleiten. Gegenüber dem (Generika-)Anbieter wird regelmäßig erst der Antrag auf Listung eine Erstbegehungsgefahr begründen (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 16. Auflage, Kap. D Rn. 550). Zuvor bestehen auch keine Auskunftsansprüche, so dass der Patentinhaber erst mit Veröffentlichung der aktualisierten Liste von der dann bereits eingetretenen Patentverletzung Kenntnis erlangen würde. Die Verfügungsklägerin hat auch vorab diverse Generikaanbieter, die bereits eine Zulassung für ein generisches Produkt mit dem Wirkstoff Rivaroxaban erhalten haben, erfolglos um Auskunft gebeten, ob ein Antrag auf Listung beabsichtigt sei.
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Einer solchen Prüfpflicht steht nicht die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M., Urt. vom 13.8.21., Az. 3 – 10 O 64/21, (Anlage AG3) entgegen. Das Landgericht Frankfurt a.M. ist zwar der Ansicht, dass bei Hinweisen durch Dritte nur eine eingeschränkte Prüfpflicht besteht und eine Verweigerung der Listung nur zulässig ist, wenn die Verletzung der Rechte Dritter offenkundig und ohne Weiteres feststellbar ist. Gerade dies ist nach den obigen Ausführungen aber der Fall, da das Klagepatent offensichtlich verletzt ist. Das zitierte Urteil bezog sich zudem auf den Fall, dass laut dem qualifizierten Hinweis des Bundespatentgerichts eine Nichtigkeit des Patents vorliegen könnte (LG Frankfurt a.M., a.a.O., S. 15). Vorliegend geht das Bundespatentgericht in seinem qualifizierten Hinweis jedoch gerade von der Rechtsbeständigkeit des Klagepatents aus (s. unten II.2.)
56
cc) Diese Sorgfaltspflicht wird durch die Verfügungsbeklagte vorliegend verletzt, weil sie trotz des substantiierten Verletzungshinweises die angegriffenen Produkte in Kapselform listen würde. Dies ergibt sich aus ihrer E-Mail vom 16.02.2024 (Anlage AO9).
57
In dieser Nachricht teilte sie insbesondere am Anfang mit:
„In der Sache teilen wir Ihre Ansicht nicht, dass IFA im vorliegenden Fall patentrechtliche Äquivalenz prüfen darf. Demnach sind Kapseln Rivaroxabanhaltiger Generika nicht zu prüfen. Es ergeben sich für das EP 961 folgende Prüfpflichten:

Prüfungsmerkmal aus Fachinformation Rivaroxabanhaltiger Generika

Früheste mögliche Veröffentlichung Rivaroxabanhaltiger Generika in den IFAInformationsdiensten

Rivaroxaban 2,5 mg als Tablette oder Kapsel

15.04.2024

Rivaroxaban 10 mg, 15 mg, 20 mg als Kapsel

15.04.2024

Ribaroxaban 10 mg, 15 mg, 20 mg als Tablette

01.02.2026

(…)“.
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Im weiteren Verlauf begründete die Verfügungsbeklagte ihre Auffassung dann wie folgt:
„Wir verstehen die gegen IFA ergangenen Pemetrexed-Entscheidungen LG München Beschluss vom 10.12.2019 – 21 O 19033/16 und LG Frankfurt Urt. v. 13.09.2019 – 3 – 10 O 78/19 so, dass IFA ohne gerichtliche Vorgaben nicht befugt ist, pro-aktiv patentrechtliche Äquivalenz zu prüfen. Aus Ihrer Verletzungsanalyse ab S. 3 Ihres Schreibens (Anlage) folgt nicht, dass Kapseln offenkundig das EP 961 verletzen. Wie Sie selbst anmerken, wäre ein Patentanwalt hinzuzuziehen, was aber die Prüfpflichten der IFA gerade ausdehnen würde. LG Frankfurt Urt. v. 13.08.2021 – 3 – 10 O 64/21 sieht in solchen Fällen den meldenden generischen Anbieter in der Verantwortung.“
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Zwar ist die Verfügungsbeklagte nicht verpflichtet, eine eigene Patentabteilung zu unterhalten (so auch LG Frankfurt a.a.O.). Aufgrund des konkreten und substantiierten Verletzungshinweises wäre es zumindest in diesem konkreten Fall aber geboten und der Verfügungsbeklagten auch zumutbar gewesen, zur Beurteilung der Rechtsverletzung externen (patent-)anwaltlichen Rat einzuholen. Da sie im vorliegenden Fall die angegriffenen Produkte in Kapselform trotz des substantiierten Hinweises auf die offensichtliche äquivalente Patentverletzung listen wollte, hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt.
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c) Es besteht Erstbegehungsgefahr.
61
Die Verfügungsbeklagte hat angekündigt, Rivaroxaban-Produkte der Stärken 10 mg, 15 mg und 20 mg in Kapselform ab dem 15.04.2024 listen zu wollen. Da der Stoffschutz für Rivaroxaban am 02.04.2024 abläuft und 35 Generikahersteller bereits Zulassungen für generische Produkte erhalten haben, ist zu befürchten, dass Anträge auf Listung unmittelbar bevorstehen.
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II. Der Verfügungsgrund ist gegeben.
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Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt gemäß §§ 935, 940 ZPO eine objektiv begründete Gefahr voraus, dass die Rechtsverwirklichung des Verfügungsklägers mittels eines erst im Hauptsacheprozess erlangten Urteils vereitelt oder erschwert werden könnte. Dies verlangt zum einen eine für die Eilmaßnahme sprechende rein zeitliche Dringlichkeit und daneben eine Abwägung der widerstreitenden Interessen zwischen den dem Schutzrechtsinhaber ohne den Erlass der beantragten Verfügung drohenden Nachteilen, welche gegen die Interessen des als Verletzer in Anspruch genommenen Verfügungsbeklagten abgewogen werden müssen. Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist gemäß §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO seitens des Verfügungsklägers darzulegen und glaubhaft zu machen (OLG München GRUR-RS 2021, 12272 Rn. 47 – Cinacalcet; LG München I GRUR 2022, 1808 Rn. 62 – Fingolimod; vgl. Voß, in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, 3. Aufl. 2022, § 940 Rn. 64 f.).
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1. Der Erlass der einstweiligen Verfügung ist zeitlich dringend, da eine Entscheidung in der Hauptsache nicht rechtzeitig ergehen kann.
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Die Verfügungsklägerin hat unbestritten ausgeführt, dass sie über eine bevorstehende Listung erst fünf bis maximal zehn Tage vor Inkrafttreten der Listung Kenntnis erlangen würde. Eine Listung kann aber aufgrund der Redaktionstermine der Antragsgegnerin nur bis zum kurzfristigen Meldeschluss für Artikeländerungen etwa zwei bis drei Wochen vor der Listung verhindert werden. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren würde damit nicht rechtzeitig ergehen.
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Die erforderliche zeitliche Dringlichkeit ist zwar grundsätzlich zu verneinen, wenn der Antragsteller/Verfügungskläger mit der Rechtsverfolgung ohne sachlichen Grund zu lange zögert, weil er in diesen Fällen selbst zu erkennen gibt, dass er nicht derart eilig auf das begehrte Verbot angewiesen ist, dass es ihm nicht zugemutet werden könnte, sein Rechtsschutzziel in einem Hauptsacheverfahren durchzusetzen. Vorliegend hat die Verfügungsklägerin jedoch nicht zu lange abgewartet und die Dringlichkeit damit nicht selbst widerlegt. Sie hat erstmals mit E-Mail vom 12.02.2024 (Anlage AO7) konkret Kenntnis davon erlangt, dass die Verfügungsbeklagte bei einem entsprechenden Antrag eine Listung des angegriffenen Generikums in der Verabreichungsform Hartkapsel ab 15.04.2024 beabsichtigt. Nach Erhalt dieser Nachricht hat die Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 27.02.2024 und damit innerhalb von zwei Wochen den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.
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Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten (Antragserwiderung, S. 25) entfällt die Dringlichkeit nicht aufgrund der Tatsache, dass die Verfügungsklägerin seit Jahren weiß, dass die Verfügungsbeklagte bestimmte Generikaprodukte von Rivaroxaban listen würde. Ein unmittelbares Vorgehen gegen diese war ihr vor Stellung eines Antrags auf Listung nicht möglich (s.o.). Der Verfügungsklägerin war es auch nicht möglich, früher gegen die Verfügungsbeklagte vorzugehen, da der Rechtsbestand des Verfügungspatents bis zum Januar 2024 nicht hinreichend sicher war. Das vom EPA erteilte Patent wurde von diesem auf einen Einspruch hin widerrufen. Mit Entscheidung vom 27.10.2021 hat die Beschwerdekammer den Einspruch verworfen. Gegen diese Entscheidung wurde wiederum Beschwerde zur Großen Beschwerdekammer erhoben. Aufgrund Hinweises der Großen Beschwerdekammer wurde der Einspruch schließlich zurückgenommen, was der Verfügungsklägerin am 04.01.2024 mitgeteilt wurde. Die Rücknahme der Beschwerde markiert insoweit eine erste Zäsur. Die zweite Zäsur folgt aus der patentgerichtlichen Ladung der Verfügungsklägerin zur mündlichen Verhandlung (Anlage AO20). Diese Ladung enthält den Hinweis nach § 83 PatG, wonach nach vorläufiger Einschätzung des Patentgerichts, die Nichtigkeitsklagen keine Aussicht auf Erfolg hätten. Diese Ladung ist der Verfügungsbeklagten am 08.01.2024 zugegangen. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Rechtsbestand des Verfügungspatents jedenfalls nicht so hinreichend gesichert, dass es der Verfügungsklägerin zumutbar war, gegen die Verfügungsbeklagte vorzugehen.
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Aufgrund des schriftlichen Austauschs der Parteien Anfang Februar 2024 (Anlagen AO5 ff.) und angesichts dessen, dass bis dahin noch kein Generikaanbieter Anträge auf Listung der angegriffenen Ausführungsformen für April 2024 gestellt hatte, durfte die Verfügungsklägerin jedenfalls bis 16.02.2024 davon ausgehen, dass sie die Verfügungsbeklagte aufgrund ihres substantiierten Verletzungsvortrags (Anlage AO6 und AO8) umstimmen könne, dass diese die angegriffenen Ausführungsformen in der Verabreichungsform Hartkapsel ebenfalls nicht listen werde. Erst mit E-Mail der Verfügungsbeklagten vom 16.02.2024 (Anlage AO9), mit der die Verfügungsbeklagte ihre Listungsabsicht bestätigt hatte, war dringendes Handeln geboten und die Antragstellung am 27.02.2024 somit hinreichend zügig.
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2. Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist hinreichend gesichert. Die Kammer ist unter Berücksichtigung des beiderseitigen Vorbringens vom hinreichend gesicherten Rechtsbestand des Verfügungspatents überzeugt.
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a) Die schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Angriffe gegen den Rechtsbestand rechtfertigen es angesichts des qualifizierten Hinweises des Bundespatentgerichts (Anlage AO20) und der Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA nicht, den Verfügungsgrund zu verneinen.
71
Das Verfügungspatent wurde von der Technischen Beschwerdekammer des EPA mit Entscheidung vom 27.10.2021 wie erteilt aufrechterhalten. Ein Antrag auf Überprüfung der Entscheidung durch die Große Beschwerdekammer des EPA wurde zurückgenommen, nachdem diese in ihrer vorläufigen Auffassung davon ausgegangen war, dass das Verfügungspatent rechtsbeständig ist. Ebenso wurde der Rechtsbestand des Verfügungspatents in Urteilen in vier parallelen europäischen Verfahren in Schweden, Norwegen, Belgien und der Niederlange bestätigt. Schließlich geht das Bundespatentgericht im qualifizierten Hinweis gem. § 83 Abs. 1 S. 1 PatG vom 03.01.2024 (Anlage AO20) davon aus, dass das Verfügungspatent rechtsbeständig ist. Zweifel an der Richtigkeit des qualifizierten Hinweises bestehen für die Kammer nicht.
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cc) Die vorgebrachten Einwände der Nebenintervenienten vermögen keine Zweifel am bislang kontradiktorisch festgestellten Rechtsbestand des Verfügungspatents zu begründen.
73
Der Gegenstand des Verfügungspatents ist neu gegenüber dem Offenbarungsgehalt aus einem Poster der Konferenz der American Society of Haematology vom 06.12. bis 09.12.2003 (z.B. Anlage TW4). Dieses wurde im qualifizierten Hinweis des Bundespatentgerichts ausdrücklich berücksichtigt (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 19.03.2024, Rn. 21). Der Gegenstand des Verfügungspatents beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist nicht nahegelegt. Diesen Einwand hat das Patentgericht unter Berücksichtigung der Tadalafil-Entscheidung des Bundesgerichtshofs bereits in dem qualifizierten Hinweis gewürdigt.
74
3. Auch im Übrigen fällt die Interessenabwägung zugunsten der Verfügungsklägerin aus.
75
a) Abzuwägen sind die dem Schutzrechtsinhaber ohne den Erlass der beantragten Verfügung drohenden Nachteile und die Interessen des als Verletzer in Anspruch genommenen Verfügungsbeklagten.
76
b) Ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung würde die Verfügungsbeklagte angegriffene Ausführungsformen in der Verabreichungsform Hartkapsel listen, was – aufgrund der unstreitig bestehenden Mechanismen – zu einem nicht mehr rückgängig zu machenden Preisverfall der patentgemäßen Produkte aus dem Konzern der Verfügungsklägerin führen würde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Verfügungsklägerin mangels Kenntnis von etwaigen Listungsanträgen keine Möglichkeit hat, gegen den unmittelbaren Patentverletzer vorzugehen und die Listung so zu verhindern. Demgegenüber wird durch Erlass der einstweiligen Verfügung die Listung nur vorübergehend verhindert.
77
4. Im Rahmen der weiteren Interessenabwägung stellt die Kammer die erlassene einstweilige Verfügung in Anlehnung an den zweiten Hilfsantrag der Nebenintervenienten unter die Bedingung, dass die Verfügungsklägerin spätestens binnen eines Monats gegen die jeweiligen Generikaanbieter als eigentliche Patentverletzer vorgehen muss, sobald sie seitens der Verfügungsbeklagten eine entsprechende Auskunft erhält.
78
Damit wird den Interessen der Generikaanbieter entsprochen, deren Rechtsposition auf Listung durch den Erlass der einstweiligen Verfügung im hiesigen Rechtsstreit betroffen ist, ohne dass ihnen ein Schadensersatzanspruch gemäß § 945 ZPO zustünde, falls dessen Voraussetzungen vorlägen. Zugleich wird der Konflikt damit wieder sachgerecht auf die Ebene zwischen Patentinhaber und patentverletzendem (Generika-)Anbieter zurückgeführt. Dadurch wird sichergestellt, dass die Patentnutzer ihre Einwände gegen das Vorliegen einer Verletzung zeitnah und unmittelbar gegenüber dem Patentinhaber geltend machen können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verfügungsbeklagte als neutrale Clearingstelle kein eigenes Interesse an der Listung eines Produkts hat und die Gefahr bestünde, dass eine Verteidigung gegen den Vorwurf der Patentverletzung durch das generische Produkt durch die Verfügungsbeklagte nur unzureichend erfolgt.
79
Dem ersten Hilfsantrag ist hingegen nicht zu entsprechen. Die Kammer sieht keine Rechtsgrundlage, auf der der Erlass der einstweiligen Verfügung unter die Bedingung einer Schadensersatzleistung an die Generikaanbieter gestellt werden könnte.
80
III. Es besteht im Hinblick auf die Verabreichungsform Hartkapsel ein Auskunftsanspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1, Abs. 7 PatG. Nach den obigen Ausführungen liegt eine offensichtliche Patentverletzung vor, so dass der Auskunftsanspruch auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes besteht. Im Hinblick auf den Verfügungsgrund wird auf obige Ausführungen Bezug genommen.
C.
81
Der Verfügungsantrag ist unbegründet, soweit sich der Unterlassungsantrag und der geltend gemachte Auskunftsanspruch auf die Verabreichungsform Tablette beziehen. Insoweit liegt zwar eine wortsinngemäße und offensichtliche Patentbenutzung vor, es mangelt aber an einer Erstbegehungsgefahr, so dass kein Verfügungsanspruch besteht.
82
Denn anders als im Hinblick auf die Hartkapseln hat die Verfügungsbeklagte mit E-Mail vom 12.02.2024 (Anlage AO7) und vom 16.02.2024 (Anlage AO9) ausdrücklich zugesagt, dass sie ein Generikum in der Verabreichungsform Tablette nicht listen werde. Insoweit besteht auch kein Anspruch der Verfügungsklägerin auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Ein solcher Anspruch besteht in der Regel nur im Fall der Wiederholungsgefahr, wenn also bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Verfügungsbeklagte erklärt hat, eine Listung vorzunehmen, sollte sie im Rahmen einer gerichtlichen Entscheidung hierzu verpflichtet werden. Denn die Gefahr einer rechtswidrigen Beeinträchtigung kann nicht damit begründet werden, dass die Verfügungsbeklagte erklärt, einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung Folge zu leisten.
D.
83
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 100 ZPO. Die Parteien obsiegen jeweils zur Hälfte.
84
II. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Anlass zur Anordnung einer Sicherheitsleistung besteht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes i.d.R. nur, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nicht realisiert werden kann (OLG München, Urt. vom 28.06.2012 – 6 U 1560/12, BeckRS 2013 – Hydrogentartrat, 14928; LG München I, Urt. vom 24.6.2016 – 21 O 5583/16, GRUR-RS 2016, 11707). Solche Anhaltspunkte sind weder vorgetragen noch für die Kammer erkennbar.