Titel:
Unzulässige identifizierende Verdachtsberichterstattung
Normenketten:
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1
BGB § 823, § 1004
GG Art. 1, Art. 2, Art. 5
Leitsatz:
Der Betroffene kann sich in zulässiger Weise in verschiedenen Verfahren gegen mehrere inhaltlich vergleichbare Presseberichterstattungen desselben Verantwortlichen in verschiedenen Pressemedien wenden. Seinen Klagen steht schon deshalb nicht jeweils die anderweitige Rechtshängigkeit des Parallelverfahrens entgegen, weil aufgrund der Berichterstattung in verschiedenen Medien bereits unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen. Für die Bestimmung der Streitgegenstände ist nicht relevant, ob eine kerngleiche Äußerung vom Schutzumfang des in einem Parallelverfahren tenorierten Unterlassungsgebots umfasst wäre.
Schlagwort:
Rechtshängigkeit
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 20.07.2023 – 26 O 14735/22
Fundstellen:
AfP 2024, 255
NJOZ 2024, 695
ZUM-RD 2024, 446
GRUR-RS 2024, 8562
LSK 2024, 8562
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 20.07.2023, Aktenzeichen 26 O 14735/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist in Ziffer 1 des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000 € vorläufig vollstreckbar. Im Übrigen ist das Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 180.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung einer ihn identifizierenden Wort- und Bildberichterstattung in mehreren auf der von der Beklagten betriebenen Plattform www.r. de online veröffentlichten Presseartikeln.
2
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstands und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 20.07.2023 Bezug genommen.
3
In einem Parallelverfahren (Landgericht München I, Az: 26 O 14724/22; hiergegen Berufung der Beklagten zum Oberlandesgericht München, 18 U 3369/23) macht der Kläger mit Klageschrift vom selben Tag Unterlassungsansprüche wegen weitgehend deckungsgleicher Artikel geltend, die die Beklagte auf der von ihr betriebenen Plattform www.v. de online veröffentlicht hat.
4
Das Landgericht hat die Beklagte im hiesigen Verfahren ebenso wie im Parallelverfahren zur Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung über den Kläger im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Ermittlungen gegen seine Person unter Angabe seines Namens und/oder unter Verwendung seines Bildnisses verurteilt, wenn dies geschieht wie in den angegriffenen Online-Artikeln.
5
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte im hiesigen Verfahren mit Schriftsatz vom 11.08.2023, beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 14.09.2023 (Bl. 5/39 OLG-Band), beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag, begründet.
6
Die Beklagte beantragt (Bl. 5 OLG-Band)
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Der Kläger beantragt (Bl. 45 OLG-Band),
die Berufung zurückzuweisen.
8
Auf die Berufungserwiderung des Klägers vom 09.11.2023 (Bl. 45/62 OLG-Band) wird Bezug genommen.
9
Auch gegen das Urteil im Parallelverfahren hat die Beklagte Berufung eingelegt.
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Mit Beschluss vom 28.11.2023 (Bl. 81/84 OLG-Band) hat der Senat darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen er beabsichtige, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 22.12.2023 (Bl. 85/99 OLG-Band) Stellung genommen. Ergänzend hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.02.2024 (Bl. 100/104 OLG-Band) zum Stand des strafrechtlichen Verfahrens gegen den Kläger vorgetragen.
11
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 20.07.2023 ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
12
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
13
Auch die Ausführungen der Beklagten in ihren Schriftsätzen vom 22.12.2023 und vom 29.02.2024 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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1. Der Klage steht nicht die anderweitige Rechtshängigkeit des Parallelverfahrens 18 U 3369/23 (26 O 14724/22) entgegen.
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a) Für den Artikel unter der Überschrift „Was macht das nur mit ihr? Nach Prügel-Vorwürfen gegen B.-Star: N. S. Freundin meldet sich bei I.“ folgt das schon daraus, dass die in dem Artikel enthaltenen Äußerungen nur Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind.
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b) Im Übrigen weist die Beklagte zwar zutreffend darauf hin, dass sich der Kläger in beiden Verfahren gegen weitgehend deckungsgleiche, ihn identifizierende Äußerungen und Bildnisse zur Wehr setzt, aus denen er eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts herleitet. Dennoch stellen die Berichterstattungen im hiesigen Verfahren und im Parallelverfahren unterschiedliche Streitgegenstände dar.
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Der Streitgegenstand betrifft die Frage der Abgrenzbarkeit verschiedener Klagebegehren und ist daher für die Beurteilung von anderweitiger Rechtshängigkeit bzw. entgegenstehender Rechtskraft und für die Einordnung neuer Anträge als Klageänderung von Bedeutung. Er bestimmt sich nach dem Klageantrag und dem zugrundeliegenden Lebenssachverhalt. In beiden Punkten unterscheiden sich die Klagen im hiesigen Verfahren und im Parallelverfahren 18 U 3369/23. Die Klageanträge weichen insofern voneinander ab, als der Kläger das Verbot der Veröffentlichung der jeweiligen Äußerung über ihn bzw. des jeweiligen Bildnisses von ihm in Bezug auf die konkreten Artikel begehrt (“wenn dies geschieht, wie …“), die auf unterschiedlichen Plattformen, teilweise mit leicht voneinander abweichenden Überschriften, veröffentlicht wurden. Vor allem aber stellt die Veröffentlichung in einem anderen Medium und auf einer anderen Online-Plattform der Beklagten einen anderen Lebenssachverhalt und – anders als in der von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des BGH, Beschluss vom 11.10.2006 – KZR 45/05 – nicht nur eine Ergänzung des Sachvortrags dar. Ein Lebenssachverhalt wird üblicherweise nach Ort und Zeit und den begleitenden Umständen bestimmt. Auf den vorliegenden Fall übertragen kommt es demnach neben dem Inhalt der angegriffenen Äußerung maßgeblich auf Ort und Zeit der Veröffentlichung an.
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Die Frage, ob es sich bei den angegriffenen Äußerungen um denselben Streitgegenstand handelt, ist getrennt von der Frage zu beurteilen, ob die im hiesigen Verfahren angegriffenen Äußerungen vom Schutzumfang des im Parallelverfahren tenorierten Unterlassungsgebots umfasst wären. Das in einem Unterlassungstitel ausgesprochene Verbot bestimmter Äußerungen umfasst nicht nur wortgleiche Wiederholungen. Es greift vielmehr grundsätzlich auch dann, wenn die verbotenen Äußerungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Berichterstattung sind, sofern etwaige Abweichungen den Aussagegehalt im Kern unberührt lassen. Denn das Verbot bezieht sich auf den Inhalt der zu unterlassenden Äußerung und weniger auf ihre konkrete Formulierung im Einzelfall. Würden nur identische Äußerungen die Rechtsfolge des § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO auslösen, wäre die effektive Durchsetzung von auf Unterlassung von Äußerungen gerichteten Ansprüchen wesentlich erschwert und ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit nicht gewährleistet (BGH, Beschluss vom 26.09.2023 – VI ZB 79/21, Rn. 15).
19
Aus dem Umstand, dass eine Äußerung – wie es vorliegend allerdings der Fall wäre – von einem (vorläufig vollstreckbaren) Unterlassungstitel erfasst wäre, kann aber nicht abgeleitet werden, dass diese Äußerung denselben Streitgegenstand aufweist wie die dem Unterlassungstitel zugrundeliegende Äußerung. Denn die Frage, ob einem Verfahren die Rechtshängigkeit eines anderen Verfahrens entgegensteht, stellt sich regelmäßig zu Beginn des Erkenntnisverfahrens und kann nicht davon abhängen, ob in einem anderen Verfahren bereits durch abschließende Entscheidung ein Unterlassungsgebot tenoriert wurde. Für die Frage der anderweitigen Rechtshängigkeit bzw. entgegenstehenden Rechtskraft kommt es daher allein darauf an, ob in beiden Verfahren unterschiedliche Anträge und/oder unterschiedliche Lebenssachverhalte dem Gericht zur Entscheidung unterbreitet werden. Dies ist vorliegend schon aufgrund der Veröffentlichung der Äußerungen auf unterschiedlichen Online-Plattformen der Fall.
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c) Aus den Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte, auf die sich die Beklagte beruft, kann nichts anderes abgeleitet werden. Das OLG Schleswig hat in seinem Beschluss vom 07.12.2011 – 6 W 31/01 – allerdings nur bei Beurteilung der voraussichtlichen Erfolgsaussichten eines einstweiligen Verfügungsverfahrens im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO – angenommen, dass die Antragstellerin in beiden geführten Eilverfahren die wettbewerbswidrige Unterlassung eines Hinweises auf weitere anfallende Kosten im Rahmen eines Telefonnutzungstarifs begehrt habe, auch wenn sich die angegriffenen Werbespots im Wortlaut geringfügig unterschieden hätten. Da es sich im Kern um dieselbe wettbewerbswidrige Aussage gehandelt habe, sei von der Identität der Streitgegenstände auszugehen. Das OLG Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 17.05.2022 – 11 W 32/21 – die Unterlassungsanträge in einem einstweiligen Verfügungsverfahren wegen anderweitiger Rechtshängigkeit für unzulässig gehalten, weil die Antragstellerin in einem früheren Eilverfahren gegen die nach dem Wortlaut und Angriffsumfang identischen Äußerungen bzw. kerngleiche Äußerung in der ersten und zweiten Auflage eines Buches vorgegangen sei.
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Soweit das OLG Frankfurt a.M. die Veröffentlichung identischer Äußerungen in der ersten und zweiten Auflage eines Buches als einheitlichen Lebenssachverhalt einstuft, unterscheidet sich der hiesige Fall hiervon, da die Beklagte Äußerungen auf unterschiedlichen Online-Plattformen und damit in verschiedenen Medien verbreitet hat. Soweit die beiden Entscheidungen darüber hinaus auch kerngleiche Äußerungen vom Streitgegenstand erfasst sehen, kann dem mit Blick auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26.09.2023 – VI ZB 79/21 nicht gefolgt werden. Unabhängig von der offenen Frage, ob die Kerntheorie im Bereich der Wortberichterstattung überhaupt zur Anwendung kommt (vgl. BGH a.a.O. Rn. 18), wäre nach der Kerntheorie für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung das Charakteristische der Verletzungshandlung maßgeblich, das darauf beschränkt ist, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen und in die Verurteilung einbezogen worden ist (vgl. BGH a.a.O. Rn. 21). Schon hieraus folgt, dass für die Frage der Bestimmung des Streitgegenstandes, die sich regelmäßig bereits zu Beginn des Erkenntnisverfahrens stellt, nicht auf die Kerntheorie abgestellt werden kann, da zu dieser Zeit noch keine Verurteilung zur Unterlassung vorliegen kann. Der Beschluss des OLG Schleswig vom 07.12.2011 – 6 W 31/01 ist auf den vorliegenden Fall darüber hinaus auch deshalb nicht übertragbar, weil dieses Verfahren das Verbot eines wettbewerbswidrigen Verhaltens und nicht die Unterlassung einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Äußerung betraf.
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Soweit sich die Beklagte darüber hinaus auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11.10.2006 – KZR 45/05 bezieht, hat der Bundesgerichtshof dort nur – wovon auch der Senat ausgeht – festgehalten, dass präzisierender Sachvortrag zu einem Lebenssachverhalt keinen neuen Streitgegenstand begründet. Dagegen liegt eine Klageänderung durch Einführung eines neuen Klagegrunds vor, wenn durch den Vortrag neuer Tatsachen der Kern des in der Klage angeführten Lebenssachverhalts verändert wird. Wie oben ausgeführt verändert die Veröffentlichung eines nahezu wortgleichen Artikels auf einer anderen Internetplattform den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt so weit, dass nicht mehr vom selben Streitgegenstand ausgegangen werden kann. Dies hat allerdings nichts mit der oben beschriebenen Kerntheorie zu tun, die sich nicht auf den Lebenssachverhalt als solchen, sondern auf den Kern eines ausgeurteilten Unterlassungsgebots bezieht.
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2. Das Rechtsschutzbedürfnis für die hiesige Klage ist gegeben. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem Kläger nicht zumutbar, sein Rechtsschutzbegehren hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen in einem Ordnungsmittelverfahren zu verfolgen. Denn im Zeitpunkt der Einleitung des hiesigen Verfahrens lag im Parallelverfahren, das mit Klageerhebung vom selben Tag eingeleitet wurde, kein – und damit noch nicht einmal ein vorläufig vollstreckbarer – Unterlassungstitel vor. Der Kläger konnte daher bei Einreichung der Klage im hiesigen Verfahren nicht damit rechnen, zeitnah ein Ordnungsmittelverfahren wegen der streitgegenständlichen Äußerungen einleiten und erfolgreich abschließen zu können. Im Hinblick auf den Schutz seines Persönlichkeitsrechts gegenüber der streitgegenständlichen, ihn identifizierenden Berichterstattung war es dem Kläger daher nicht zumutbar, zunächst im Parallelverfahren einen vorläufig vollstreckbaren Vollstreckungstitel zu erstreiten, sodann ein Ordnungsmittelverfahren einzuleiten und im Falle von dessen Erfolglosigkeit ein weiteres Erkenntnisverfahren (nämlich das hiesige) durchzuführen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von solchen, in denen ein Kläger bei Einreichung einer Klage oder eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits einen (zumindest vorläufig vollstreckbaren) Vollstreckungstitel in der Hand hat, wobei auch in einem solchen Fall das Rechtsschutzbedürfnis dann nicht verneint werden dürfte, wenn die Erstreckung des Vollstreckungstitels auf eine abgewandelte Verletzungshandlung nicht sicher wäre (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., vor § 253 Rn. 18a mwN).
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3. Hinsichtlich der Bestimmtheit des Hauptantrags hat die Beklagte keine ergänzenden Ausführungen gemacht. Insofern kann auf die Darstellung im Beschluss vom 28.11.2023 unter Ziffer 3 Bezug genommen werden. Die Bestimmtheit folgt schon aus dem in den Antrag aufgenommenen Kontextbezug.
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4. Die Verdachtsberichterstattung der Beklagten ist zumindest deshalb unzulässig, weil die Beklagte es versäumt hat, vor der Veröffentlichung eine Stellungnahme durch den Kläger zu den berichteten strafrechtlichen Vorwürfen einzuholen.
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a) Soweit die Beklagte rügt, der Senat sei auf ihre ausführlichen Darstellungen nicht eingegangen, dass eine Anhörung hier aus diversen Gründen nicht erforderlich gewesen sei, hat der Senat in diesem Zusammenhang auf die sorgfältig begründeten und überzeugenden Ausführungen des Landgerichts sowie seine eigenen ausführlichen Hinweise im Beschluss vom 05.05.2023 in einem weiteren Parallelverfahren (18 U 6535/22) Bezug genommen, den der Kläger als Anlage K15 im hiesigen Verfahren vorgelegt hat.
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Zur Wiederholung sei hier – in kursiver Schrift – noch einmal angeführt, was der Senat in seinem Beschluss vom 05.05.2023 im Verfahren 18 U 6535/22 ausgeführt hat:
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Die streitgegenständliche identifizierende Verdachtsberichterstattung war – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – unzulässig.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt werden. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen. Andererseits sind die Anforderungen umso höher, je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940, Rn. 18 m.w.N.; Urteil vom 16.02.2016 – VI ZR 367/15, MDR 2016, 520, Rn. 20; Urteil vom 12.04.2016 – VI ZR 505/14, MDR 2016, 648, Rn. 38; Soehring/Hoene: Presserecht, 6. Aufl., § 16, Rn. 53 m.w.N.; Korte: Praxis des Presserechts, 2. Aufl., § 2, Rn. 250).
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Diese Grundsätze gelten auch für die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten. In diesem Verfahrensstadium steht lediglich fest, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, in der Regel ist aber nicht geklärt, ob der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Straftat begangen hat. Deshalb greift auch die Argumentation der Verfügungsbeklagten zu kurz, derzufolge die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung nicht gelten sollen, soweit es die verfahrensgegenständliche Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft betreffe, weil es eine wahre Tatsache sei, dass die Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung vorgenommen und Speichermedien sichergestellt habe. Denn im Kontext der streitgegenständlichen Berichterstattung werden nicht isoliert die vorgenannten unstreitigen Tatsachen geschildert, sondern diese bilden nur den Anlass, darüber hinaus auch den Verdacht zu schildern, der Verfügungskläger habe zum Nachteil seiner damaligen Partnerin Straftaten begangen.
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Zwar gehört es zu den legitimen Aufgaben der Medien, Verfehlungen – auch konkreter Personen – aufzuzeigen. Dies gilt auch für die Berichterstattung über eine Straftat, da diese zum Zeitgeschehen gehört und die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter begründen kann. Besteht allerdings – wie im Ermittlungsverfahren – erst der Verdacht einer Straftat, so sind die Medien bei besonderer Schwere des Vorwurfs angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die persönliche Ehre in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet. Dabei ist im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb im Fall einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder eines Freispruchs vom Schuldvorwurf „etwas hängenbleibt“ (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940, Rn. 19 m.w.N.; Urteil vom 18.12.2018 – VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881, Rn. 15; Urteil vom 16.02.2016 – VI ZR 367/15, MDR 2016, 520, Rn. 23 m.w.N).
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Erforderlich ist insoweit jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 16.11.2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940, Rn. 19 m.w.N.; Urteil vom 16.02.2016 – VI ZR 367/15, MDR 2016, 520, Rn. 24 m.w.N).
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Das grundsätzliche Erfordernis einer Möglichkeit zur Stellungnahme soll sicherstellen, dass der Standpunkt des von der Verdachtsberichterstattung Betroffenen in Erfahrung und gegebenenfalls zum Ausdruck gebracht wird, der Betroffene also selbst zu Wort kommen kann. Dies setzt voraus, dass der Betroffene nicht nur Gelegenheit zur Stellungnahme erhält, sondern dass seine etwaige Stellungnahme auch zur Kenntnis genommen und der Standpunkt des Betroffenen in der Berichterstattung sichtbar wird (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940, 943, Rn. 25 m.w.N.).
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Gemessen an diesen Grundsätzen war die streitgegenständliche identifizierende Verdachtsberichterstattung unzulässig. Das Landgericht verweist zutreffend darauf, dass es jedenfalls an der Einholung einer Stellungnahme des Verfügungsklägers zu den im Artikel geschilderten, ihn betreffenden Vorwürfen fehlt. Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten war die Einholung einer solchen Stellungnahme hier auch nicht ausnahmsweise verzichtbar.
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(1) Eine Kontaktaufnahme vor der streitgegenständlichen Berichterstattung ist unstreitig nicht erfolgt.
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(2) Die Einholung einer Stellungnahme war in Übereinstimmung mit dem Landgericht und entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten auch nicht deshalb verzichtbar, weil dem Verfügungskläger im Vorfeld der Berichterstattung zwar nicht durch die Verfügungsbeklagte, aber durch die bereits vor der Verfügungsbeklagten über die streitgegenständliche Thematik berichtende B. Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, wobei der Verfügungskläger sich nicht zu den Vorwürfen geäußert hatte. Ebenso wenig verfängt die Argumentation der Verfügungsbeklagten, soweit diese mit Nichtwissen bestreitet, dass der Verfügungskläger – hätte sie ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben – eine weitergehende Erklärung abgegeben hätte, als gegenüber der B.
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In der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur ist eine Kontaktierung zwar dann für entbehrlich gehalten worden, wenn der Betroffene bereits im Vorfeld eindeutig zu erkennen gegeben hat, keine Stellung zu den in der Berichterstattung enthaltenen Vorwürfen nehmen zu wollen, oder sich bereits in einem bestimmten Sinne zu ihnen geäußert hat (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940, 942, Rn. 23 m.w.N.). Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, liegt hier ein derartiger Fall jedoch nicht vor.
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Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht aus der Tatsache, dass der Verfügungskläger sich gegenüber der Bi. nicht konkret zu den Vorwürfen geäußert hat, nicht den Schluss gezogen, dass er auch im Fall einer Konfrontation seitens der Verfügungsbeklagten mit den in den angegriffenen Artikeln enthaltenen Vorwürfen keine Stellungnahme abgegeben hätte. Dem Landgericht ist auch beizupflichten, soweit es die Rechtsmeinung der Verfügungsbeklagten nicht hat gelten lassen, derzufolge man sich die Konfrontation habe sparen können, da ohnehin nicht mehr als ein „bloßes Dementi“ zu erwarten gewesen sei (vgl. LGU, S. 11 unter Ziffer 1.3.2.).
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Zwar gibt es insoweit Stimmen in der Literatur, wonach die Anhörung des Betroffenen rechtlich nur erforderlich sei, wenn dadurch Aufklärung erwartet werden könne. Dies sei nicht der Fall, wenn sich bei vernünftiger Prognose ergebe, dass von vornherein mit einem Dementi zu rechnen sei. Dieser Auffassung schließt sich der Senat – jedenfalls in dieser Allgemeinheit – aber ebenso wenig an, wie der Bundesgerichtshof (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940, 942 f., Rn. 24 m.w.N.). Denn der Standpunkt des Betroffenen ist für den Leser nicht nur dann relevant, wenn sich die Stellungnahme konkret zu den geäußerten Verdachtsmomenten verhält, sich der Beschuldigte vom Verdacht „entlasten“ kann. Auch die Information über ein bloßes Dementi ist grundsätzlich geeignet, der Gefahr einer Vorverurteilung des Betroffenen zu begegnen. Wird – wie vorliegend – über ein laufendes Ermittlungsverfahren berichtet, wird es die notwendige publizistische Sorgfalt daher regelmäßig gebieten, der Gefahr, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt, auch durch das Sichtbarmachen einer pauschalen Zurückweisung der Vorwürfe seitens des Beschuldigten entgegenzuwirken, wobei es der Presse freigestellt ist, auf welche Weise dies geschieht. Der Senat schließt sich dem BGH an, der insoweit nicht die Auffassung teilt, der durchschnittliche Rezipient gehe ohnehin davon aus, dass der Betroffene den Tatvorwurf bestreite, solange nichts Gegenteiliges mitgeteilt werde (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940, 943, Rn. 25 m.w.N.).
40
Aus einer vermuteten oder von der Bi. verlautbarten knappen Reaktion des Verfügungsklägers auf deren Anfrage einer Stellungnahme mittels eines Fragenkatalogs kann nicht darauf geschlossen werden, dass auch bei der nachfolgenden Berichterstattung durch die Verfügungsbeklagte im Fall einer vorherigen Kontaktaufnahme keine oder nur eine pauschale Stellungnahme erfolgt wäre. Dies gilt um so mehr, als die Verfügungsbeklagte weder dargetan hat noch ersichtlich ist, wie genau die Anfrage der Bi. gelautet hatte und was der Verfügungskläger hierzu im Einzelnen mitgeteilt hat. Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten genügt es daher nicht, dass sie in ihren Artikeln auf ein Dementi der Anwältin des Verfügungsklägers und dessen Schweigen auf die B. – Anfrage hinweist. Es kann vorliegend nicht angenommen werden, die vom Verfügungskläger im Falle seiner Kontaktierung mitgeteilte Einlassung hätte mangels Relevanz für die Ausgewogenheit des Artikels nicht berücksichtigt werden müssen. Denn selbst für den Fall eines bloßen Dementis hätte die Stellungnahme des Verfügungsklägers zur Kenntnis genommen und sein Standpunkt in der Berichterstattung sichtbar gemacht werden müssen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 25 m.w.N.). Dies muss erst recht gelten, nachdem es angesichts des Vortrags des Verfügungsklägers (vgl. Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers vom 18.10.2022, S. 5. und vom 01.02.2023, S. 9 f. sowie die dort in Bezug genommene Anlage ASt 8) plausibel erscheint, dass es sich bei der Stellungnahme nicht um ein bloßes Dementi gehandelt hätte, sondern dass der Verfügungskläger seine Ausführungen im Vergleich zu den gegenüber der Bi. getätigten noch konkretisiert hätte; dies namentlich auch, indem er darauf hingewiesen hätte, dass ihm die gegen ihn erstattete Strafanzeige noch nicht vorliege und dass es ihm bei seinen Äußerungen in E-Mails und Chatnachrichten nicht darum gegangen sei, Misshandlungen zu bestätigen, sondern dass er lediglich die „aufgeheizte Situation“ habe beruhigen wollen. Der Bewertung der Beklagten, es sei nicht davon auszugehen, dass die Stellungnahme des Verfügungsklägers für die Ausgewogenheit der Berichterstattung relevant gewesen wäre, kann insoweit nicht gefolgt werden.
41
(b) Soweit die Verfügungsbeklagte die Rechtsauffassung vertritt, es sei deshalb nicht mehr geboten gewesen, dem Verfügungskläger die Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen, weil sich bereits Verantwortliche seines Fußballvereins geäußert hätten, hat das Landgericht zutreffend dargelegt, warum diese Einschätzung fehlgeht (LGU, S. 11 unter Ziffer 1.3.2); der Senat tritt dem Landgericht auch insoweit bei: Der Fußballverein hat seine Erklärung weder namens und in Vollmacht des Verfügungsklägers abgegeben noch mit diesem abgestimmt. Der Verfügungskläger muss sich die – vorliegend nicht mit seinen Interessen korrespondierende, sondern den Vereinsinteressen dienende – Stellungnahme des Vereins nicht zurechnen lassen.
42
(3) Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten liegt hier auch nicht aus sonstigen Gründen ein Ausnahmefall vom Erfordernis der Aufforderung zur Stellungnahme des Betroffenen vor Veröffentlichung eines strafrechtlichen Verdachts vor. Eine Parallele zum vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 31.05.2022; Az. VI ZR 95/21, NJW-RR 2022, 1559 ff. statuierten Ausnahmefall eines identifizierenden Presseberichts über die Hauptverhandlung in einem Strafverfahren ist nicht erkennbar. Im dortigen Fall ist die Einholung einer Stellungnahme entbehrlich gewesen, weil sich die Berichterstattung auf die Wiedergabe dessen beschränkte, was Gegenstand und Inhalt der öffentlichen Hauptverhandlung war, in der unter anderem auch die Anklageschrift verlesen wurde. Der Bundesgerichtshof stellte hier zur Begründung des Ausnahmefalls insbesondere auch darauf ab, dass Vertreter der Presse bei einer gem. § 169 Abs. 1 S.1 StPO öffentlichen Hauptverhandlung zusehen und zuhören und berechtigt seien, die aufgenommenen Informationen zu verbreiten (a.a.O. Rz. 32) Zudem betonte der Bundesgerichtshof die Gefahr der Beeinträchtigung der Sachaufklärung im Strafverfahren, wenn der Angeklagte parallel zur gerichtlichen Hauptverhandlung zur Stellungnahme zur Presseberichterstattung aufgefordert werden müsse (a.a.O. Rz. 33) .
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Eine Übertragbarkeit auf eine Berichterstattung zu Strafvorwürfen im Stadium des Anfangsverdachts nach Einreichung einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und daraus resultierender Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist fernliegend. Die Antragsgegnerin hätte den Antragssteller vor Veröffentlichung der drei online-Beiträge Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Berichterstattung über die massiven strafrechtlich relevanten Vorwürfe einräumen müssen.
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Soweit die Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 05.05.2023 im Verfahren 18 U 6535/22, an denen der Senat auch unter Berücksichtigung der Einwände der Beklagten festhält.
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b) Nichts anderes gilt hinsichtlich der Argumentation der Beklagten, beim Kläger deshalb keine Stellungnahme einholen zu müssen, weil sie sich auf Auskünfte der Staatsanwaltschaft D. gestützt habe und sich deshalb auf das sog. „Agenturprivileg“ berufen könne (siehe dazu und zu „privilegierten Quellen“ z.B. Soehring/Hoene: Presserecht, 6. Aufl., Rn. 2.29, 2.32 und 19.83, jeweils m.w.N.). Dieser Rechtsmeinung hat sich bereits das Landgericht zu Recht nicht angeschlossen (vgl. LGU, S. 19/20); der Senat folgt auch insoweit dem Landgericht. Die Beklagte verkennt, dass es beim „Agenturprivileg“ nicht darum geht, ob eine Anhörung des Betroffenen entbehrlich ist, sondern darum, ob das Presseorgan insoweit von einem ausreichenden Mindestbestand an Beweistatsachen ausgehen darf.
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c) Soweit die Beklagte geltend macht, eine Anhörung des Klägers sei entbehrlich gewesen, weil dieser auch nach Erhebung der gegen ihn gerichteten Anklage nur ein pauschales Dementi abgegeben und gerade nicht substantiiert Stellung genommen habe, kann dem nicht gefolgt werden. Denn auch ein solches pauschales Dementi hätte die Beklagte in ihrer Berichterstattung abbilden müssen, was sie aber gerade nicht getan hat, weil sie im Vorfeld der Veröffentlichung nicht an den Kläger herangetreten ist. Auch aus dem von der Beklagten ins Feld geführten Umstand, dass der recherchierende Reporter U. K. damals mit einem Pulk von zehn bis fünfzehn Reportern vor dem Trainingsgelände des B. gewartet habe, um den Kläger zu den Vorwürfen zu befragen, der Kläger jedoch einfach davon gefahren sei, kann nicht geschlossen werden, dass der Kläger ohnehin keine Stellungnahme habe abgeben wollen. Es macht einen Unterschied, ob der Betroffene konkret mit einer geplanten Berichterstattung über strafrechtlich relevante Vorwürfe konfrontiert wird, oder ob ein „Pulk“ von Reportern auf ihn wartet und mit Fragen auf ihn einstürmt. Nur Ersteres erfüllt die Anforderungen an eine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme.
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d) Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.12.2023 erstmals vorträgt, die Stellungnahme des B. sei mit dem Kläger abgestimmt gewesen, und eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen F. und R. anregt, ist dieser Vortrag neu und widerspricht den Feststellungen im landgerichtlichen Urteil (LGU S. 18), an die der Senat gebunden ist.
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Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Kläger vorliegend keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme hatte und damit sein Standpunkt nicht in Erfahrung gebracht und entsprechend in den Veröffentlichungen zum Ausdruck gebracht wurde.
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5. Den Ausführungen des Senats zur Wiederholungsgefahr ist die Beklagte nicht mit neuen Argumenten entgegen getreten. Es kann daher auf die Ausführungen im Beschluss vom 28.11.2023 verwiesen werden. Die vorläufige Einstellung des Strafverfahrens gegen den Kläger nach § 153a StPO durch das Amtsgericht D. lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.
50
6. Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe durch das Erwirken von gleichlautenden und auf identische Veröffentlichungen gestützten Unterlassungstiteln in getrennten Verfahren ungerechtfertigt Mehrkosten verursacht, ist im Rahmen der Kostengrundentscheidung nicht zu berücksichtigen, kann allerdings im Kostenfestsetzungsverfahren erneut vorgebracht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 01.10.2012 – VI ZB 68/11 Rn. 6 ff). Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 28.11.2023 Bezug genommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 709 S.1, S.2 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt.