Titel:
Sofortiges Anerkenntnis bei Unterlassungsklagen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes
Normenketten:
ZPO § 93, § 99 Abs. 2
UWG § 13
Leitsätze:
1. Einen Anlass zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO hat ein Beklagter bei Unterlassungsklagen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes regelmäßig nur dann gegeben, wenn er zuvor vom Kläger erfolglos abgemahnt wurde. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Abmahnung erfordert in jedem Fall, dass dem Abgemahnten mit dieser für den Fall, dass er der darin enthaltenen Aufforderung nicht nachkommt, die gerichtliche Geltendmachung des später eingeklagten Rechts in Aussicht gestellt wurde. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Abmahnung ist dem Gläubiger nicht zuzumuten und daher ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie offensichtlich nutzlos ist. Das ist etwa der Fall, wenn es sich um einen unnachgiebigen Schuldner handelt, aus dessen Verhalten der Gläubiger bei objektiver Betrachtung und vernünftiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalls berechtigterweise schließen darf, dass sich der Schuldner in keinem Fall unterwerfen wird und zur Durchsetzung des Unterlassungsanspruches des Gläubigers daher sofortige gerichtliche Hilfe unerlässlich ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
4. Allein in dem Umstand, dass der Beklagte im Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt die von ihm angemeldete Marke verteidigt hat, kann noch kein über die bloße Äußerung des eigenen Rechtstandpunkts hinausgehendes Berühmen gesehen werden, durch das der Beklagte bei objektiver Betrachtung zum Ausdruck gebracht hat, dass er auch im Fall der ernsthaften Androhung einer zivilrechtlichen Unterlassungsklage an seinem Rechtsstandpunkt festhalten und keinen Verzicht auf die Marke erklären wird. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
sofortiges Anerkenntnis, Veranlassung zur Klageerhebung, Unterlassungsklage, Erstbegehungsgefahr aufgrund Markenanmeldung, Abmahnung, Entbehrlichkeit der Abmahnung, freiwilliger Verzicht auf die Marke
Vorinstanz:
LG München I, Anerkenntnisurteil vom 13.06.2023 – 33 O 2383/23
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 7394
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird die Kostenentscheidung in Ziffer 2. des Anerkenntnisurteils des Landgerichts München I vom 13.06.2023, Az. 33 O 2383/23, dahingehend abgeändert, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
1
Von einem Tatbestand wird in entsprechender Anwendung der Vorschriften § 540 Abs. 2, § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
2
Die gemäß § 99 Abs. 2, § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 569 Abs. 1 und 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die Prozesskosten waren vorliegend gemäß § 93 ZPO dem Kläger aufzuerlegen.
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1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte den Anspruch sofort anerkannt hat im Sinne von § 93 ZPO. Dies wird auch auf von Seiten des Klägers zu Recht nicht infrage gestellt.
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2. Entgegen der Auffassung des Klägers und des Landgerichts hat der Beklagte im Streitfall nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben im Sinne von § 93 ZPO.
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a) Einen Anlass zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO hat der Beklagte bei Unterlassungsklagen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes regelmäßig nur dann gegeben, wenn er zuvor vom Kläger erfolglos abgemahnt wurde. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend keine entsprechende Abmahnung erfolgt ist. Entgegen der Auffassung des Klägers kann eine solche insbesondere nicht in dem als Anlage K 14 vorgelegten Schreiben des Klägers vom 16.07.2018 gesehen werden. Hierbei kann offenbleiben, ob in den Fällen, in denen aufgrund einer erfolgten Markenanmeldung (nur) eine Erstbegehungsgefahr für künftige Benutzungshandlungen des Zeichens besteht, der Inhaber des älteren Kennzeichenrechts mit der Abmahnung allein eine Rücknahme der Markenanmeldung oder einen Verzicht auf die bereits eingetragene Marke verlangen kann – und nicht auch eine Unterlassungserklärung, und folglich auch eine entsprechende Aufforderung zur Rücknahme der Anmeldung bzw. zum Verzicht auf die Marke für eine Abmahnung, die geeignet ist, die Kostenfolge des § 93 ZPO auszuschließen, ausreichend ist. Denn eine Abmahnung erfordert in jedem Fall, dass dem Abgemahnten mit dieser für den Fall, dass er der darin enthaltenen Aufforderung nicht nachkommt, die gerichtliche Geltendmachung des später eingeklagten Rechts in Aussicht gestellt wurde (vgl. Thiering, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 14 Rn. 633 a.E.; Nordemann, in: Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., vor § 14 Rn. 357; zum Wettbewerbsrecht: Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 13 Rn. 23). Denn aus der unzureichenden Reaktion des Abgemahnten auf die Abmahnung kann der Abmahnende nur dann darauf schließen, dass er ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen werde (vgl. Herget, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 93 Rn. 3), wenn der Abgemahnte aufgrund des Inhalts der Abmahnung mit der konkreten Klage rechnen musste. In dem Schreiben des Klägers vom 16.07.2018 (Anlage K 14) hat dieser dem Beklagten jedoch keine Unterlassungsklage angedroht. Vielmehr wurde darin – nur – die Einlegung eines Widerspruchs gegen die Markeneintragung in Aussicht gestellt, sollte der Beklagte die Markenanmeldung nicht bis 20.08.2018 zurückziehen. Unter diesen Umständen musste der Beklagte aufgrund des Inhalts des Schreibens nicht damit rechnen, dass der Kläger nach fruchtlosem Fristablauf – auch – eine zivilgerichtliche Unterlassungsklage gegen ihn erheben würde.
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Da es mithin im Streitfall bereits inhaltlich an einer ausreichenden Abmahnung fehlt, kann offenbleiben, ob eine im Juli 2018 ausgesprochene Abmahnung überhaupt geeignet gewesen wäre, auch noch für eine erst im Februar 2023 eingereichte Unterlassungsklage die Kostenfolge aus § 93 ZPO zu vermeiden. Es spricht Einiges dafür, dass der Anlass für eine Klageerhebung, den ein Abgemahnter durch seine fehlende oder unzureichende Reaktion auf eine wirksame Abmahnung gegeben hat, in einer solchen Konstellation aufgrund des erheblichen Zeitablaufs wieder entfallen ist und der Gläubiger in diesem Fall grundsätzlich eine wiederholte Abmahnung aussprechen muss, wenn er den Anlass für die Klageerhebung erneut schaffen möchte.
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b) Eine Abmahnung war vorliegend auch nicht ausnahmsweise entbehrlich (vgl. Nordemann, in: Ingerl/Rohnke/Nordemann, vor § 14 Rn. 358).
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aa) Eine Abmahnung ist dem Gläubiger nicht zuzumuten und daher entbehrlich, wenn sie offensichtlich nutzlos ist, so etwa, wenn es sich um einen unnachgiebigen Schuldner handelt, aus dessen Verhalten der Gläubiger bei objektiver Betrachtung und vernünftiger Würdigung aller Umstände berechtigterweise schließen darf, dass sich der Schuldner in keinem Fall unterwerfen wird und zur Durchsetzung des Unterlassungsanspruches des Gläubigers daher sofortige gerichtliche Hilfe unerlässlich ist (vgl. Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 13 Rn. 64; Brüning, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 13 Rn. 8). Der Gläubiger wird im Allgemeinen insbesondere dann von der Entbehrlichkeit einer Abmahnung ausgehen können, wenn sich der Schuldner der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens berühmt und damit über die Äußerung seines Rechtstandpunkts hinaus zu erkennen gibt, dass er sich von seinem Verhalten auch durch eine Abmahnung nicht abbringen lassen wird (Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 13 Rn. 12). Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls (Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, a.a.O.).
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bb) Gemessen daran kann im Streitfall nicht von der Entbehrlichkeit einer Abmahnung ausgegangen werden.
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Allein in dem Umstand, dass der Beklagte in dem Widerspruchsverfahren die von ihm angemeldete Marke verteidigte, kann – jedenfalls im konkreten Fall – noch kein über die bloße Äußerung des eigenen Rechtstandpunkts hinausgehendes Berühmen gesehen werden, durch das der Beklagte bei objektiver Betrachtung zum Ausdruck gebracht hat, dass er auch im Fall der ernsthaften Androhung einer zivilrechtlichen Unterlassungsklage an seinem Rechtsstandpunkt festhalten und keinen Verzicht auf die Marke erklären wird. Der Beklagte weist insoweit vielmehr zu Recht darauf hin, dass das Kostenrisiko für einen solchen Prozess vor den Zivilgerichten um ein Vielfaches höher ist als dasjenige für die Durchfechtung eines Widerspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt. Davon, dass der Beklagte auch dieses – weitaus höhere – Kostenrisiko eingegangen wäre, konnte der Kläger nicht ohne Weiteres ausgehen.
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Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Patentanwältin und Mutter des Beklagten auf das Schreiben des Klägers vom 16.07.2018 (Anlage K 14) hin gegenüber dessen Mitarbeiter telefonisch erklärt hatte, sie vermute, dass der Kläger „die besseren Karten“ habe, und sie könne diesem schon jetzt zusagen, dass die Marke so wohl nicht verwendet werde, aber dass dennoch erst einmal die Amtsentscheidung abgewartet werden solle (vgl. die Gesprächsnotiz in der E-Mail des Herrn C. K. vom 23.08.2018, von der Klägerseite vorgelegt als Anlage K 16). Zudem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die vom Beklagten angemeldete Marke zu keiner Zeit tatsächlich benutzt wurde. Zwar genügten weder die von der Patentanwältin und Mutter des Beklagten abgegebene Erklärung noch die mehrjährige Nichtbenutzung der Marke, um die durch die Markenanmeldung begründete Erstbegehungsgefahr zu beseitigen (vgl. BGH, GRUR 2010, 838 Rn. 28 – DDR-Logo). Darauf kommt es vorliegend aber nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Kläger bei objektiver Betrachtung und vernünftiger Würdigung dieser Umstände nicht davon ausgehen durfte, dass das Interesse des Beklagten an der Aufrechterhaltung und Benutzung der Marke so groß war, dass er diese „ohne Wenn und Aber“, mithin in jeder Art und Weise verteidigen würde und hierfür insbesondere auch das hohe – dem Beklagten, wie der Kläger erkennen konnte („die besseren Karten“), bewusste – Prozess- und Kostenrisiko einer Unterlassungsklage eingehen würde.
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Unter diesen Umständen kann eine Abmahnung im Streitfall nicht als entbehrlich angesehen werden, sondern dem Kläger wäre es zuzumuten gewesen, vor der Klageerhebung zunächst den trotz der Verteidigung der Marke im Widerspruchsverfahren nicht offensichtlich aussichtslos erscheinenden Weg, den Beklagten durch die konkrete Androhung einer Unterlassungsklage doch noch zum „freiwilligen“ Verzicht auf die Marke zu bewegen, zu beschreiten.
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3. Nachdem der Beklagte somit keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat und er die geltend gemachten Ansprüche sofort anerkannt hat, war auf die Beschwerde des Beklagten die erstinstanzliche Kostenentscheidung abzuändern und die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 93 ZPO dem Kläger aufzuerlegen.
14
Da der Kläger im Beschwerdeverfahren unterlegen ist, waren ihm auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens entsprechend § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen.
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Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung erfordert, wie die obigen Ausführungen zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.