Titel:
Unzulässige Vereinbarung von Zusatzentgelten
Normenketten:
UWG § 3a, § 5a Abs. 1 u. 2 Nr. 1
BGB § 312a Abs. 3, 5
Leitsätze:
1. Bietet ein Anbieter von Online-Ticket-Bestellungen mehrere Varianten an, wie Verbraucher in den Besitz von Tickets gelangen können, ist dies unzulässig, wenn die Auswahl einer kostenpflichtigen Opt-In-Variante voreingestellt ist. (Rn. 24 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der fehlende gesonderte Ausweis einer Vorverkaufsgebühr ist unlauter, wenn diese nach den AGB des Anbieters als Entgelt für dessen Vermittlungsleistung nicht erstattet wird, falls die Veranstaltung abgesagt oder verlegt wird. (Rn. 44 – 57) (redaktioneller Leitsatz)
3. Hotlines, die ausschließlich der Entgegennahme von Bestellungen dienen, werden von § 312a Abs. 5 BGB, anders als "gemischte“ Hotlines, die sowohl der Vertragsabwicklung als auch der Vertragsanbahnung dienen, nicht erfasst. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Vorschrift des § 312 Abs. 5 BGB bestimmt, dass der Unternehmer kein Zusatzentgelt erheben darf, das über das für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes zu entrichtende Entgelt hinausgeht, sodass aufgrund der üblichen Flatrate-Tarife kein Entgelt zulässig erhoben werden kann. (Rn. 67 – 68) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Irreführung
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 29.03.2023 – 17 HK O 1899/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 25.07.2025 – I ZR 24/25
Fundstellen:
VuR 2025, 428
GRUR-RS 2024, 49090
LSK 2024, 49090
ZVertriebsR 2025, 332
Tenor
A. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 29. 03.2023, Az. 17 HK O 1899/21, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, im Internet
1. für den Verkauf von Tickets unter Angabe von Preisen zu werben oder werben zu lassen, ohne die konkrete Höhe der in dem Gesamtpreis enthaltenen Vorverkaufsgebühr zu nennen, wenn die AGB der Beklagten vorsehen, dass die Vorverkaufsgebühr im Falle von Absagen und Verlegungen durch den Veranstalter oder aus sonstigen Gründen nicht erstattet wird, wenn dies geschieht wie in Ziffer VI. 5. der Anlage K 7:
„Die im Ticketpreis enthaltene Vorverkaufsgebühr fällt als Entgelt für die erfolgreiche Vermittlung des Tickets unmittelbar bei dessen Verkauf an. Im Falle von Absagen oder Verlegungen von Veranstaltungen durch den Veranstalter oder aus sonstigen Gründen kann die Vorverkaufsgebühr daher nicht erstattet werden.“
2. im Rahmen der Online-Bestellung von Tickets mehrere Varianten, wie Verbraucher in den Besitz von Tickets gelangen können, anzubieten, wenn dies so erfolgt, dass die Auswahl der Varianten als Opt-In gestaltet ist und die kostenpflichtige Variante voreingestellt ist, wenn dies geschieht wie in der Abbildung 5 der Klageschrift dargestellt:
3. Verbrauchern auf der Internetseite … für Fragen und Erklärungen zu bestehenden Verträgen eine telefonische Servicenummer, beginnend mit 0180-6, anzubieten, wenn die Verbindungskosten 0,20 EUR pro Anruf aus dem Festnetz und bis zu 0,60 EUR aus den Mobilfunknetzen betragen können.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.03.2021 zu zahlen.
B. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29. 03.2023, Az. 17 HK O 1899/21, wird zurückgewiesen.
C. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
D. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts in obiger Fassung sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus den Ziffern I. 1., 2. und 3. des Urteils des Landgerichts in obiger Fassung durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 10.000,00 EUR sowie im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe bzw. in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um lauterkeitsrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Online-Verkaufsplattform der Beklagten für Veranstaltungstickets.
2
Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen der Länder sowie weiterer verbraucherpolitischer Verbände. Die Beklagte vertreibt Veranstaltungstickets überwiegend über das Internet und unterhält hierfür die Verkaufsplattform … .
3
Auf dem dortigen Internetauftritt der Beklagten war im Jahr 2020 die im Ticketpreis jeweils enthaltene Vorverkaufsgebühr nicht gesondert ausgewiesen. Gleichzeitig war in den AGB der Beklagten (Anlage K 7) unter Ziffer VI. 5. folgende Klausel enthalten:
„Die im Ticketpreis enthaltene Vorverkaufsgebühr fällt als Entgelt für die erfolgreiche Vermittlung des Tickets unmittelbar bei dessen Verkauf an. Im Falle von Absagen oder Verlegungen von Veranstaltungen durch den Veranstalter oder aus sonstigen Gründen kann die Vorverkaufsgebühr daher nicht erstattet werden.“
4
Im Rahmen des Bestellvorgangs für Tickets fand sich für deren Versand folgende Maske auf dem Internetportal der Beklagten, wobei die kostenpflichtige Variante des Standardversands für € 5,20 vorbelegt war, die zusätzlichen, erst nach einem Ausklappen (Pulldown) sichtbaren kostenfreien Möglichkeiten zum direkten Ausdruck oder zum Herunterladen auf ein mobiles Endgerät dagegen aktiv angeklickt werden mussten (Abbildung 4 der Klageschrift):
(Abbildung 5 der Klageschrift)
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Im August 2020 führte die Beklagte zudem auf ihrer Plattform unter der Bezeichnung „Kundenhotline“ eine Telefonnummer auf, die mit folgendem Hinweis (Anlage K 6) versehen war:
„(0,20 EUR/Anruf inkl. MwSt. aus den Festnetzen, max. 0,60 EUR/Anruf inkl. MwSt. aus den Mobilfunknetzen)“
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Am 01.09.2020 mahnte der Kläger die Beklagte erfolglos ab.
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Der Kläger ist der Auffassung, der fehlende gesonderte Ausweis der Vorverkaufsgebühr sei unlauter, da diese nach den AGB als Entgelt für die Vermittlungsleistung der Beklagten nicht erstattet werde, wenn die Veranstaltung abgesagt oder verlegt werde. Der Verbraucher verfüge angesichts der möglichen unterschiedlichen Höhe der Vorverkaufsgebühr damit nicht über eine für seinen Kaufentschluss wesentliche Information und könne deshalb sein wirtschaftliches Risiko für den Fall einer Absage oder Verlegung der Veranstaltung nicht abschätzen.
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Zudem sei die Vorbelegung bei der kostenpflichtigen Versandart wettbewerbswidrig, da eine Zahlungsvereinbarung, die über das für die vereinbarte Hauptleistung zu zahlende Entgelt hinausgehe, zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher nur ausdrücklich getroffen werden könne. Aufgrund der Vorbelegung der kostenpflichtigen Versandart fehle es aber an einer ausdrücklichen Willenserklärung des Verbrauchers.
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Auch die kostenpflichtige „Kundenhotline“ sei unzulässig, da sie der Verbraucher auch für Fragen oder Erklärungen zu einem mit der Beklagten als Unternehmerin geschlossenen Vertrag anrufen könne und das vereinbarte Entgelt das Entgelt für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes übersteige. Aufgrund der von Verbrauchern im Festnetz- und Mobilfunkbereich überwiegend genutzten Flatrate-Tarife lägen die Kosten von € 0,20 bzw. € 0,60 pro Anruf mangels sonstiger separater Berechnung einzelner Anrufe über den Nutzungskosten dieser Dienste.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, im Internet
a) für den Verkauf von Tickets unter Angabe von Preisen zu werben oder werben zu lassen, ohne die konkrete Höhe der in dem Gesamtpreis enthaltenen Vorverkaufsgebühr zu nennen, wenn die AGB der Beklagten vorsehen, dass die Vorverkaufsgebühr im Falle von Absagen und Verlegungen durch den Veranstalter oder aus sonstigen Gründen nicht erstattet wird.
b) im Rahmen der Online-Bestellung von Tickets mehrere Varianten, wie Verbraucher in den Besitz von Tickets gelangen können, anzubieten, wenn dies so erfolgt, dass die Auswahl der Varianten als Opt-In gestaltet ist und die kostenpflichtige Variante voreingestellt ist, wenn dies geschieht wie in der Abbildung 5 der Klageschrift dargestellt.
c) Verbrauchern auf der Internetseite … für Fragen und Erklärungen zu bestehenden Verträgen eine telefonische Servicenummer, beginnend mit 0180-6, anzubieten, wenn die Verbindungskosten 0,20 EUR pro Anruf aus dem Festnetz und bis zu 0,60 EUR aus den Mobilfunknetzen betragen können.
2. An den Kläger 214,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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Die Beklagte ist der Auffassung, die Vorverkaufsgebühr sei keine wesentliche Information, offenzulegen sei vielmehr nur der Gesamtpreis. Allein das Interesse eines Verbrauchers für einen Preisbestandteil begründe nicht die Wesentlichkeit einer Information. Da die Beklagte nur Vermittlerin der Tickets und nicht Veranstalterin der Events sei, habe sie auf deren Absage oder Verlegung keinen Einfluss. Aufgrund ihrer geringen Höhe habe die Vorverkaufsgebühr keinen wesentlichen Einfluss auf die Kaufentscheidung des Verbrauchers.
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Die Vorbelegung der kostenpflichtigen Versandoption sei der Beklagten nicht untersagt, da sie nicht im Fernabsatzhandel tätig sei. Die entsprechenden Versandkosten entsprächen zudem den üblichen und angemessenen Kosten der Beklagten für den postalischen Standardversand der Tickets. Dieser Versand sei auch der übliche Weg, über den die Verbraucher an die vielfach beworbenen, aufwendig bedruckten „Fantickets“ der Beklagten gelangten. Es fehle schließlich an einer spürbaren Beeinträchtigung des Verbrauchers.
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Die angegebene Telefonnummer sei eigentlich eine Bestell-Hotline, keine solche, die Kunden wegen Serviceleistungen nutzten. Die Kosten bewegten sich zudem im üblichen Rahmen, die Beklagte sei nicht verpflichtet, eine kostenlose Hotline anzubieten. Auch hier liege keine spürbare Beeinträchtigung vor.
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Das Landgericht hat der Klage durch Endurteil vom 29.03.2023, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, im Hinblick auf die Anträge 1. a), c) und 2. (Tenor Ziffer I. 1., 2. und II.) stattgegeben und sie im Übrigen, d.h. hinsichtlich Antrag 1. b) (Tenor Ziffer III.) abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es zu 1/3 dem Kläger und zu 2/3 der Beklagten auferlegt (Tenor Ziffer IV.).
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Der Kläger und die Beklagte greifen das Urteil jeweils im Umfang ihrer Beschwer mit ihrer jeweiligen Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an.
1. das Urteil des Landgerichts München vom 29.03.2023 zum Aktenzeichen 17 HK O 1899/21 im Tenor zur Ziffer III und IV aufzuheben
2. die Beklagte zu verurteilen
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, im Internet,
im Rahmen der Online-Bestellung von Tickets mehrere Varianten, wie Verbraucher in den Besitz von Tickets gelangen können, anzubieten, wenn dies so erfolgt, dass die Auswahl der Varianten als Opt-In gestaltet ist und die kostenpflichtige Variante voreingestellt ist, wenn dies geschieht wie in der Abbildung 5 der Klageschrift dargestellt.
18
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt weiter:
Das Urteil des Landgerichts München I vom 29. März 2023, 17 HK O 1899/21, wird aufgehoben und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass an Ziff. I 1 des Tenors angefügt wird „wenn dies geschieht wie in Ziff. VI. 5. der Anlage K 7“ und der dortige Text eingeblendet wird.
21
Zur Ergänzung wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2024 (Bl. 183/187 d.e.A.) sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
22
Beide Berufungen sind zulässig. Die Berufung des Klägers ist begründet. Die Berufung der Beklagten ist dagegen unbegründet.
23
A. Die Berufung des Klägers ist begründet.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 a.F.; 3 Abs. 1; 3a UWG i.V.m. § 312a Abs. 3 BGB der mit dem klägerischen Berufungsantrag 2. geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung, im Rahmen der Online-Bestellung von Tickets mehrere Varianten, wie Verbraucher in den Besitz von Tickets gelangen können, anzubieten, wenn dies so erfolgt, dass die Auswahl der Varianten als Opt-In gestaltet ist und die kostenpflichtige Variante voreingestellt ist, zu.
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Nach § 312a Abs. 3 BGB kann ein Unternehmer mit einem Verbraucher eine Vereinbarung, die auf eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung des Verbrauchers gerichtet ist, nur ausdrücklich treffen. Schließen der Unternehmer und der Verbraucher einen Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, wird eine solche Vereinbarung nur Vertragsbestandteil, wenn der Unternehmer die Vereinbarung nicht durch eine Voreinstellung herbeiführt.
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1. Bei § 312a Abs. 3 BGB handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG.
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§ 312a Abs. 3 BGB soll vor allem solchen Geschäftsmodellen entgegenwirken, bei denen der Verbraucher auf einer Internetseite eine Hauptleistung bestellt und im Rahmen des Bestellvorgangs durch Voreinstellungen Zusatzleistungen hinzugefügt werden, ohne dass der Verbraucher aktiv wird (BT-Drucks. 17/12637, 53). Die Norm setzt Art. 22 der Verbraucherrechterichtlinie (RL 2011/83/EU) mit Wirkung ab 13.06.2014 um. Art. 22 der RL 2011/83/EU sieht vor, dass der Unternehmer, „bevor der Verbraucher durch den Vertrag oder das Angebot gebunden ist, die ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers zu jeder Extrazahlung einzuholen hat, die über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistungspflicht des Unternehmers hinausgeht. Hat der Unternehmer vom Verbraucher keine ausdrückliche Zustimmung eingeholt, sondern sie dadurch herbeigeführt, dass er Voreinstellungen verwendet hat, die vom Verbraucher abgelehnt werden müssen, wenn er die zusätzliche Zahlung vermeiden will, so hat der Verbraucher Anspruch auf Erstattung dieser Zahlung.“ Dies bezweckt den Schutz der Privatautonomie sowie den Schutz von Personen in ihrer Eigenschaft als Verbraucher insbesondere vor einer Beeinträchtigung ihrer rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit. Da § 312a Abs. 3 BGB insoweit dem Schutz der Verbraucher dient, zählt die Regelung zu den Vorschriften, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, das Marktverhalten zu regeln (vgl. OLG Karlsruhe MMR 2024, 687 Rn. 19 ff. – Expressversand im Online-Shop; OLG Dresden GRUR-RS 2016, 1474 Rn. 34 – Sicherheitspaket).
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2. Die Ausgestaltung des Verkaufsvorgangs über die Internetplattform der Beklagten einschließlich derjenige der Maske mit den Versandoptionen ist eine geschäftliche Handlung §§ 3a, 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG.
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3. Durch ihre Ausgestaltung der Maske mit den Versandoptionen verstößt die Beklagte gegen § 312a Abs. 3 BGB, weil die Option des kostenpflichtigen postalischen Standardversands der Tickets für € 5,20 vorbelegt ist und es daher für den Fall der erfolgreichen Bestellung nicht zu einer ausdrücklichen Vereinbarung über ein zusätzliches Entgelt zwischen Unternehmer und Verbraucher kommt, die nicht durch eine Voreinstellung herbeigeführt wird.
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4. Der Verstoß ist – entgegen der Auffassung des Landgerichts – auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen.
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a) Nach dem klaren Wortlaut des § 3a UWG ist nicht erforderlich, dass die unlautere geschäftliche Handlung tatsächlich die Interessen anderer Marktteilnehmer spürbar beeinträchtigt. Vielmehr genügt dazu die bloße Eignung. Sie liegt dann vor, wenn eine objektive Wahrscheinlichkeit besteht, dass die konkrete geschäftliche Handlung solche Interessen spürbar beeinträchtigt (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Odörfer, UWG, 42. Aufl., § 3a, Rn. 1.97)
32
Ob eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung besteht, beurteilt sich nach dem jeweiligen Schutzzweck der verletzten Marktverhaltensregelung. Die Spürbarkeit ist dann zu bejahen, wenn eine Beeinträchtigung der geschützten Interessen nicht nur theoretisch, sondern auch tatsächlich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten kann. In § 3a UWG geht es – anders als im Kartellrecht – nicht um den Schutz von wettbewerblichen Marktstrukturen, sondern um den Schutz der Marktteilnehmer. Die Spürbarkeit eines Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung ist daher nicht marktbezogen, sondern marktteilnehmerbezogen zu verstehen (vgl. BGH GRUR 2008, 186 Rn. 25 – Telefonaktion; GRUR 2002, 360, 366 – H. I. V. POSITIVE II; GRUR 2001, 258, 259 – Immobilienpreisangaben; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Odörfer, a.a.O., Rn. 1.99).
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b) Nach diesen Grundsätzen besteht im vorliegenden Fall eine gewisse objektive Wahrscheinlichkeit dafür, dass die konkrete geschäftliche Handlung in Form der Ausgestaltung der Verkaufsplattform einschließlich der Versandoptionen-Maske die Interessen der Verbraucher spürbar beeinträchtigt.
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Nach dem oben Gesagten liegt der Schutzzweck der verletzten Marktverhaltensregelung des § 312a Abs. 3 BGB darin, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher als Marktteilnehmer zu wahren.
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Die konkrete Angebotsgestaltung der Beklagten mit den Versandoptionen beraubt die Verbraucher jedoch insoweit ihrer Entscheidungsfreiheit, als ihnen der Inhalt des abzuschließenden Vertrages mit der kostenpflichtigen Zusatzleistung des postalischen Standardversands der Tickets von der Beklagten durch die Vorbelegung vorgegeben und damit scheinbar zum Inhalt einer von ihnen abzugebenden Willenserklärung gemacht wird, sofern die Verbraucher dieser – durch die Notwendigkeit eines Pulldown (Abbildung 4 der Klageschrift) verstärkten – Bevormundung zum Beispiel infolge Flüchtigkeit nicht aktiv durch ein positives Anklicken einer der beiden anderen kostenlosen Versandoptionen entgegenwirken. Welcher quantitative Anteil der Verbraucher sich in der Praxis – beispielsweise aufgrund des Wunsches, ein professionell bedrucktes körperliches Ticket als Souvenir oder Geschenk zu erhalten – trotzdem für die vorgegebene Option entscheidet oder entscheiden würde, ist nach der oben dargestellten notwendigen Eignungsbetrachtung im Rahmen von § 3a UWG unmaßgeblich.
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c) Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es auch nicht darauf an, dass Kunden bei vielen Veranstaltungen mangels notwendiger technischer Infrastruktur gar nicht die Wahl zwischen verschiedenen Optionen der Ticketzusendung hätten. Diese Überlegungen entfernen sich vom Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens, das gerade drei verschiedene Möglichkeiten der Ticketzusendung zum Gegenstand hat. Bei etwaigen anderen tatsächlichen Gestaltungen würde es sich möglichweise nicht um kerngleiche Verstöße handeln, weil sie nicht Gegenstand des hiesigen Erkenntnisverfahrens sind.
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d) Es würde den Schutzzweck des § 312a Abs. 3 BGB auch übermäßig verengen, stellte man wie die Beklagte anstatt auf den Schutz der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers lediglich auf den Schutz vor „überraschenden Extrazahlungen“ oder die „Preistransparenz“ ab. Im Rahmen der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 312a Abs. 3 BGB ist vielmehr zu berücksichtigen, dass Art. 22 der RL 2011/83/EU, den die Norm umsetzt, die ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers im Auge hat und hierdurch deutlich wird, dass eine aktive Betätigung seines Willens erforderlich sein soll. Entscheidend sollen nach dem Willen des Unionsgesetzgebers nicht allein die ökonomischen Folgen dergestalt sein, dass der Verbraucher nicht transparent dargestellte Extrazahlungen leisten muss, er soll vielmehr bereits davor geschützt werden, dass ihm Gestaltungen aufgezwungen werden, die äußerlich den Anschein einer ausdrücklichen Zustimmung erwecken, bei denen er von seiner Entscheidungsfreiheit tatsächlich aber gar keinen Gebrauch gemacht hat.
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5. Die Norm des § 312a Abs. 3 BGB ist vorliegend auch nicht wegen eines vermeintlichen Vorrangs von § 312e BGB oder der Systematik von § 312a Abs. 3 BGB unanwendbar. Vielmehr kommt umgekehrt § 312e BGB nur eine geringe praktische Relevanz zu, weil § 312a Abs. 3 BGB hinsichtlich Fracht-, Liefer- oder Versandkosten und sonstigen Kosten ohnehin bereits eine ausdrückliche Vereinbarung verlangt (vgl. BeckOGK/Busch, 1.7.2023, BGB, § 312e, Rn. 2). Ein Anspruch des Unternehmers auf Fracht-, Liefer- oder Versandkosten sowie sonstige Kosten setzt voraus, dass kumulativ sowohl eine ausdrückliche Vereinbarung nach § 312a Abs. 3 BGB vorliegt als auch die nach §§ 312e, 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EGBGB a.F. erforderliche vorvertragliche Information erfolgt ist (vgl. HK-BGB/Schulte-Nölke, 12. Aufl., § 312e, Rn. 1).
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6. Es fehlt auch nicht an einer Zusatzleistung der Beklagten im Sinne von § 312a Abs. 3 BGB, weil der Versand der Tickets die Hauptleistung oder einen Teil der Hauptleistung der Beklagten darstellen würde.
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a) Bei richtlinienkonformer Auslegung anhand von Art. 22 Abs. 1 der RL 2011/83/EU, der den Begriff der „Extrazahlung“ verwendet, ist der Terminus der „über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehenden Zahlung“ in § 312a Abs. 3 BGB weit auszulegen. Erfasst werden alle Zusatzleistungen, die für die Erbringung der Hauptleistung nicht zwingend erforderlich sind, sondern diese ergänzen und das Leistungsspektrum des Unternehmers erweitern. Abzugrenzen sind solche Zusatzleistungen von Wahlmöglichkeiten des Verbrauchers, mithilfe derer die vertragliche Hauptleistung überhaupt erst konkretisiert wird (OLG Karlsruhe MMR 2024, 687 Rn. 32 – Expressversand im Online-Shop).
41
b) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der Gebühr für den Ticketversand um eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung im Sinne von § 312a Abs. 3 BGB. Die Beklagte wird vorliegend als Kommissionärin oder Handelsvertreterin bei der Vermittlung von Ticketkäufen durch Verbraucher vom jeweiligen Veranstalter tätig (vgl. z.B. BKartA BeckRS 2017, 143034). Für die Vermittlung erhält sie die Vorverkaufsgebühr. Der Ticketversand durch die Beklagte als Vermittlerin konkretisiert nicht erst deren vertraglich geschuldete Vermittlungsleistung, sondern stellt vielmehr eine Zusatzleistung dar, die für die Erbringung der Hauptleistung nicht zwingend erforderlich ist, zumal auch ein Versand durch den Verkäufer und Veranstalter selbst in Betracht kommt. Zudem zeigt die Gestaltung des Portals der Beklagten selbst, dass auch andere Wege ohne postalischen Versand beschritten werden können, um dem Käufer die im Rahmen der Hauptleistung vermittelten Tickets zukommen zu lassen.
42
B. Die Berufung der Beklagten ist dagegen unbegründet.
43
Dem Kläger stehen gegen die Beklagte die mit den vom Landgericht zuerkannten erstinstanzlichen Anträgen 1. a) und 1. c) geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung zu.
44
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 a.F.; 3 Abs. 1; 5a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 a.F. UWG auf Unterlassung, für den Verkauf von Tickets unter Angabe von Preisen zu werben oder werben zu lassen, ohne die konkrete Höhe der in dem Gesamtpreis enthaltenen Vorverkaufsgebühr zu nennen, wenn die AGB der Beklagten vorsehen, dass die Vorverkaufsgebühr im Falle von Absagen und Verlegungen durch den Veranstalter oder aus sonstigen Gründen nicht erstattet wird (Antrag 1. a)).
45
Nach § 5a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG a.F. handelt unlauter, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, wobei als Vorenthalten auch das Verheimlichen wesentlicher Informationen gilt.
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a) Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, handelt es sich bei der Höhe der im Ticketpreis enthaltenen Vorverkaufsgebühr nach den konkreten Umständen des hiesigen Falles um eine wesentliche Information, die der Verbraucher benötigt um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (§ 5a Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F.). Da der Verbraucher die der Höhe nach nicht ausdrücklich ausgewiesene Vorverkaufsgebühr nach den AGB der Beklagten nicht zurückerhält, wenn die Veranstaltung durch den Veranstalter oder aus sonstigen Gründen abgesagt oder verlegt wird, kann der Verbraucher den Umfang des von ihm zu tragenden wirtschaftlichen Risikos für den Fall der Verlegung oder Absage nicht einschätzen, da er keine Informationen über den Betrag erhält, auf dem er in einem solchen Fall mindestens „sitzen bleibt“.
47
Die vorenthaltene Information über die konkrete Höhe der Vorverkaufsgebühr ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte (§ 5a Abs. 1 Nr. 2 UWG a.F.). Ist dem Verbraucher die konkrete Höhe der nicht erstattungsfähigen Vorverkaufsgebühr nicht bekannt, besteht eine hinreichende objektive Wahrscheinlichkeit, dass er das von ihm zu tragende wirtschaftliche Risiko für den Fall der Absage oder Verlegung nicht erkennt, während er bei tatsächlicher Kenntnis von der Höhe der Vorverkaufsgebühr von einem Ticketerwerb abgesehen hätte, weil ihm dieses Risiko unverhältnismäßig hoch erschienen wäre.
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b) Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich nicht annehmen, dass es sich bei der Höhe der nicht erstattungsfähigen Vorverkaufsgebühr um eine bloß interessante Information handelt, der für die Entscheidung des Verbrauchers kein erhebliches Gewicht zukommt.
49
aa) Im Rahmen von § 5a Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F. ist zwar einerseits zu beachten, dass die Information ein solches Gewicht haben muss, dass sie für die Entscheidung des durchschnittlichen Verbrauchers voraussichtlich und für den Unternehmer erkennbar von maßgebender Bedeutung ist. Andererseits soll der Unternehmer durch die Informationspflicht nicht unzumutbar belastet werden. Dies gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BGH WRP 2016, 1221 Rn. 46 – LGA tested; OLG Köln WRP 2020, 234 Rn. 53). Was wesentlich ist, steht nicht von vornherein fest, sondern hängt von einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falls ab (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 5a, Rn. 2.12).
50
Für die Abwägung der widerstreitenden Interessen von Verbraucher und Unternehmer ist in richtlinienkonformer Auslegung auf die Wertungsmaßstäbe der UGP-RL (RL 2005/29/EG) zurückzugreifen. Zumutbar ist danach die Bereitstellung einer vom Verbraucher benötigten Information jedenfalls dann, wenn dies „dem Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt“ entspricht, „bei dem billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet“ (vgl. EuGH WRP 2016, 1342 Rn. 37 – Deroo-Blanquart). Dabei besteht eine gewisse Wechselwirkung: Je wichtiger die betreffende Information für eine informierte Entscheidung des Verbrauchers ist, desto eher ist dem Unternehmer auch ihre Bereitstellung zumutbar (OLG Oldenburg WRP 2019, 919 Rn. 11). Dies schließt gegebenenfalls sogar die Beschaffung der Information ein, wenn der Unternehmer noch nicht über sie verfügt (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., Rn. 2.13).
51
bb) Nach diesen Grundsätzen kommt bei der gebotenen Interessenabwägung der Information über die Höhe der Vorverkaufsgebühr erhebliches Gewicht im Sinne von § 5a Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F. zu. Entscheidend für die Bedeutung dieser Information ist die Tatsache, dass die Vorverkaufsgebühr nach den AGB der Beklagten für den Fall der Absage oder Verlegung der Veranstaltung nicht erstattungsfähig ist, so dass der Verbraucher sie in voller Höhe selbst zu tragen hat. Da sie folglich – über die Frage der Einbringlichkeit des sonstigen Ticketpreises bei Absagen oder Verlegungen hinaus – das sicher zu tragende wirtschaftliche Risiko des Verbrauchers widerspiegelt, ist sie für ihn als von so maßgebender Bedeutung anzusehen, dass nach dem vom Unternehmer zu erwartenden Sorgfaltsstandard billigerweise erwartet werden kann, dass er sie mitteilt. Dem steht auf Seiten der Beklagten kein überwiegendes Interesse entgegen, da es bei ihr keines besonderen Aufwandes bedarf, die Vorverkaufsgebühr mitzuteilen, zumal sie ihr ohne weiteres bekannt und als von ihr vereinnahmte Provision für ihre eigenen Profitabilitätsüberlegungen maßgeblich ist. Ihr bloß subjektives Interesse, wie beispielsweise im Kapitalanlage- oder Immobilienbereich die Höhe des eigenen Verdienstes zu verschleiern, ist unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten und dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht als anerkennenswert anzusehen. Ob die Vorverkaufsgebühr als einem Gesamtpreis zugehörig oder als ein Teil externer Kosten anzusehen ist oder welchen Regelungen der PAngV sie unterfällt, spielt im Rahmen der Interessenabwägung keine Rolle, zumal das Interesse der Verbraucher gerade durch die fehlende Erstattungsfähigkeit bestimmt wird, die diese Regelungen nicht zum Inhalt haben.
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c) Es kann auch nicht ernsthaft argumentiert werden, dass der Verbraucher die Information über die Höhe der Vorverkaufsgebühr nicht benötige und die fehlende Information nicht geeignet sei, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte (§ 5a Abs. 1 Nr. 2 UWG a.F.).
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Die Höhe der Vorverkaufsgebühr spielt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bei der Abwägung des Für und Wider der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers eine Rolle, weil er damit den Anteil der aufzuwendenden Geldsumme beziffern kann, den er bei einer Absage oder Verlegung sicher nicht zurückerhält, die also im Hinblick auf das von ihm zu tragende wirtschaftliche Risiko von dem Austauschverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entkoppelt ist.
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Die fehlende Information ist auch geeignet, ihn zu einer wirtschaftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Bei Kenntnis der Summe, auf die der Verbraucher bei einer Absage oder Verlegung der Veranstaltung sicher „sitzen bleibt“, kann der Verbraucher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch zu der Einschätzung gelangen, dass ihm dieses wirtschaftliche Risiko zu hoch ist und er vom Erwerb des Tickets absehen möchte.
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d) Die Anwendung von § 5a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 UWG a. F ist zudem nicht aufgrund einer Sperrwirkung von § 5b Abs. 1 UWG ausgeschlossen.
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aa) Für den Fall des konkreten Angebots im Sinne des § 5b Abs. 1 UWG („Aufforderung zum Kauf“ im Sinne des Art. 7 Abs. 4 UGP-RL) gilt eine Reihe von Informationen als wesentlich. Diese Liste ist abschließend, wie sich aus Erwägungsgrund 14 der UGP-RL ergibt (vgl. EuGH WRP 2017, 31 Rn. 68 – Canal Digital Danmark). Daraus folgt einerseits, dass der Umfang der in § 5b Abs. 1 UWG genannten wesentlichen Informationen nicht unter Hinweis auf § 5a Abs. 1 UWG beliebig erweitert werden kann. Andererseits ist es nicht ausgeschlossen, dass auch bei Angabe aller der in § 5b Abs. 1 UWG genannten Informationen die betreffende geschäftliche Handlung als irreführend einzustufen ist (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 71 – Canal Digital Danmark; BGH WRP 2018, 1069 Rn. 37 – Namensangabe; OLG Frankfurt WRP 2019, 1039 Rn. 7, 8). Insbesondere bleibt § 5a Abs. 1 UWG auf solche Informationen anwendbar, die sich auf Umstände außerhalb der Liste des § 5b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 UWG beziehen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5a, Rn. 2.19).
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bb) Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Umstand, dass gerade die nicht der Höhe nach ausgewiesene Vorverkaufsgebühr bei einer Absage oder Verlegung nach den AGB der Beklagten nicht erstattungsfähig ist, um einen solchen, der außerhalb der in der Liste des § 5b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 UWG berücksichtigten Umstände liegt. Es lässt sich deshalb nicht argumentieren, dass § 5b Abs. 1 UWG eine Sperrwirkung gegenüber § 5a Abs. 1 UWG entfalte, weil dort allein der Gesamtpreis, zusätzliche nicht vorausberechenbare Kosten und sorgfaltsabweichende Zahlungsbedingungen berücksichtigt sind, nicht aber der sich erst aus den AGB der Beklagten ergebende Umstand, dass gerade die der Höhe nach nicht ausgewiesene Vorverkaufsgebühr nicht erstattungsfähig ist. Gleiches gilt für eine vermeintliche Sperrwirkung der PAngV.
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2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ferner ein Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 a.F.; 3 Abs. 1; 3a UWG i.V.m. § 312a Abs. 5 BGB auf Unterlassung zu, Verbrauchern auf der Internetseite … für Fragen und Erklärungen zu bestehenden Verträgen eine telefonische Servicenummer, beginnend mit 0180-6, anzubieten, wenn die Verbindungskosten 0,20 EUR pro Anruf aus dem Festnetz und bis zu 0,60 EUR aus den Mobilfunknetzen betragen können (Antrag 1. c)).
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Nach § 312a Abs. 5 BGB ist eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass der Verbraucher den Unternehmer wegen Fragen oder Erklärungen zu einem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag über eine Rufnummer anruft, die der Unternehmer für solche Zwecke bereithält, unwirksam, wenn das vereinbarte Entgelt das Entgelt für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes übersteigt.
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a) Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, verstößt die von der Beklagten vorgehaltene „Kundenhotline“ mit Verbindungskosten von 0,20 EUR bzw. 0,60 EUR pro Anruf gegen die Marktverhaltensregelung des § 312a Abs. 5 BGB, da sie auch zur Klärung von Vertragsfragen dient und aufgrund der heute üblichen Flatrate-Tarife das Entgelt für die bloße Nutzung des jeweiligen Telekommunikationsdienstes überstiegen wird.
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b) Soweit die Beklagte annimmt, es fehle an einer Wiederholungsgefahr im Sinne von § 8 Abs. 1
62
Satz 1 UWG, weil die Verbindungskosten entgegen der Tenorierung des Landgerichts niemals 20 EUR pro Anruf aus dem Festnetz betragen hätten, kann dem nicht gefolgt werden. Es handelt sich hierbei um einen offensichtlichen Schreibfehler im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO, der auch von der Rechtsmittelinstanz jederzeit berichtigt werden kann (vgl. BGH BeckRS 2024, 1115 Rn. 14) .
63
c) Soweit die Beklagte anführt, es habe sich bei der bereitgehaltenen Rufnummer nicht um eine Kundenhotline im Sinne von § 312a Abs. 5 BGB, also um ein Hotline mit Vertragsbezug, gehandelt, dringt sie damit nicht durch.
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aa) § 312a Abs. 5 BGB betrifft ausschließlich Kundenhotlines zur Vertragsabwicklung (z.B. mit Informationen über den Vertragsinhalt, die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten oder Fragen zur Rechnung des Unternehmers). Die Vorschrift setzt daher voraus, dass zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ein Vertrag geschlossen wurde. Hotlines, die ausschließlich der Entgegennahme von Bestellungen dienen, werden nicht erfasst. Bei „gemischten“ Hotlines, die sowohl der Vertragsabwicklung als auch der Vertragsanbahnung dienen, findet § 312a Abs. 5 BGB Anwendung (BeckOGK/Busch, 1.7.2023, BGB § 312a, Rn. 39).
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bb) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich um eine Hotline im Sinne von § 312a Abs. 5 BGB, da die Beklagte ihre Hotline gemäß Anlage K 6 selbst als „Kundenhotline“ bezeichnet und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass sie bereit ist, über diese Hotline Fragen der Vertragsabwicklung zu diskutieren, zumal die Eigenschaft eines Verbrauchers als Kunden voraussetzt, dass dieser bereits einen Vertrag abgeschlossen hat. Soweit die Beklagte sich nunmehr darauf berufen möchte, die Hotline sei nur versehentlich kurzzeitig als Kundenhotline betitelt worden, ändert dies nichts an einem jedenfalls einmaligen Verstoß. Sofern die Beklagte so verstanden werden möchte, es habe sich entgegen ihrer eigenen Bezeichnung gar nicht um eine „Kundenhotline“ gehandelt, legt sie hierbei widersprüchliches Verhalten an den Tag, mit dem sie nach § 242 BGB (Grundsatz des venire contra factum proprium) nicht gehört werden kann.
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d) Auch soweit die Beklagte meint, ihre Entgelte lägen nicht über dem maßgeblichen Grundtarif, weil maßgeblich der Tarif für ein einzelnes Telefongespräch sei, gehen ihre Argumente an der Sache vorbei.
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aa) Nach Art. 21 Satz 1 Verbraucherrechterichtlinie (RL 2011/83/EU) darf das vom Verbraucher für die Nutzung der Kundenhotline zu zahlende Entgelt nicht über dem „Grundtarif“ liegen. Dieser Begriff ist nach der Rechtsprechung des EuGH dahin auszulegen, „dass die Kosten eines auf einen geschlossenen Vertrag bezogenen Anrufs unter einer von einem Unternehmer eingerichteten Service-Rufnummer die Kosten eines Anrufs unter einer gewöhnlichen geografischen Festnetznummer oder einer Mobilfunknummer nicht übersteigen dürfen“ (EuGH GRUR 2017, 395 Rn. 32 – comtech). Da es in Deutschland keinen allgemeinen Grundtarif für Telekommunikationsleistungen gibt, hat der deutsche Gesetzgeber den Begriff des „Grundtarifs“ nicht wörtlich in § 312a Abs. 5 BGB übernommen. § 312 Abs. 5 BGB bestimmt deshalb vielmehr, dass der Unternehmer kein Zusatzentgelt erheben darf, das über das für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes zu entrichtende Entgelt hinausgeht (BeckOGK/Busch, 1.7.2023, BGB, § 312a, Rn. 40, 41). § 312a Abs. 5 BGB muss daher richtlinienkonform teleologisch dahingehend reduziert werden, dass die Kosten eines auf einen geschlossenen Vertrag bezogenen Anrufs unter einer von einem Unternehmer eingerichteten Service-Rufnummer die Kosten eines Anrufs unter einer gewöhnlichen geografischen Festnetznummer oder einer Mobilfunknummer nicht übersteigen dürfen (vgl. LG Hamburg GRUR-RS 2021, 19230 Rn. 19).
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bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Überlegung des Landgerichts tragfähig, dass die Kosten eines Anrufs unter einer gewöhnlichen geografischen Festnetznummer oder einer Mobilfunknummer deswegen mit Null anzusetzen sind, weil gerichtsbekanntermaßen auch aus Sicht des Senats sowohl im Festnetz- als auch im Mobilfunkbereich heutzutage nahezu ausschließlich sogenannte Flatrate-Tarife marktgängig sind, bei denen eine Einzelabrechnung von Gesprächen nicht mehr erfolgt (vgl. OLG München, 6 U 2988/18, Urteil vom 21.02.2019, Seite 26 ff.). Für ein einzelnes Telefongespräch fällt deshalb – anders als die Beklagte meint – üblicherweise kein gesondertes Entgelt an, so dass eine gesonderte Berechnung einer „Kundenhotline“ mit 0,20 EUR oder 0,60 EUR pro Anruf gegen § 312a Abs. 5 BGB verstößt. Auf die von der Beklagten eigenhändig vorgenommenen Preisanalysen unter Schätzung der in Deutschland üblichen durchschnittlichen Gesprächsdauer und eines quotalen Ansatzes der von Telekommunikationsanbietern verlangten Grundgebühren kommt es daher nicht an.
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e) Der vorliegende Verstoß gegen § 312a Abs. 5 BGB ist auch geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar im Sinne von § 3a UWG zu beeinträchtigen. Bei der „Kundenhotline“ der Beklagten können Verbraucher von der Geltendmachung vertraglicher Rechte abgehalten werden, weil ihnen durch die telefonische Kontaktaufnahme gesonderte Kosten entstehen. Diese Kosten stellen aus Sicht der angesprochenen Verbraucher mit hinreichender objektiver Wahrscheinlichkeit eine zusätzliche Hürde dar, um mit der Beklagten in Vertragsangelegenheiten in Kontakt zu treten.
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C. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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D. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Eine Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht, weil der Senat nicht als letztinstanzliches Gericht eines Mitgliedstaates entscheidet (vgl. EuGH EuZW 2009, 75 Rn. 76 – Cartesio; EuZW 2002, 476 Rn. 16 – Lyckeskog).