Titel:
Herkunftstäuschung, Verkehrsgeltung, Wettbewerbliche Eigenart, Prozeßstandschaft, Verwechslungsgefahr, Unterlassungsanspruch, Klagemuster, Zuordnungsgrad, Dienstleistungen, Warenidentität, Abtretungsvereinbarung, Unlauterkeit, Wettbewerbsverhältnis, Klageschrift, Auskunftserteilung, Ausnutzung der Wertschätzung, Durchschnittsverbraucher, Rufausbeutung, Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung, Gutachten
Schlagworte:
Prozessstandschaft, Verkehrsgeltung, Herkunftstäuschung, Wettbewerbliche Eigenart, Nachahmung, Rufausnutzung, Gutachten
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 46142
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte markenrechtliche, hilfsweise lauterkeitsrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunftserteilung, Rückruf und Vernichtung sowie auf Erstattung der entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend.
2
Die Klägerin ist ein Gemeinschaftsunternehmen des italienischen Unternehmens … und des Unternehmens … …. Die Gründung der Klägerin erfolgte im Jahr 2020.
3
Unter … werden u.a. die in Italien von der … … produzierten und abgefüllten gleichnamigen Weine vertrieben. Dazu gehört auch der Wein der Rebsorte …, der in der folgend eingeblendeten Aufmachung hergestellt und vertrieben wird:
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Die Klagemarke weist folgende Gestaltungsmerkmale auf: ein cremefarbenes Etikett, eine markante Umrandung, die aus zwei schwarzen parallelen Strichen besteht, an die sich zum Etikettinneren vertikal spiegelsymmetrische, durchgehende Blattrankenornamente (sog. Arabesken) in schwarzer und goldener Farbe anschließen, eine in rubinroter Farbe mit goldener Schattierung und Blockbuchstaben gehaltene Überschrift, die symmetrisch an deren Rändern nach unten geschwungen verläuft sowie eine grafische Gestaltung der Rebsortenbezeichnung … in Blockbuchstaben, die in rubinroter Farbe mit goldener Schattierung sowie mit geschlossener rechteckiger Umrandung gehalten sind. Daneben ist eine zentral im Etikett angeordnete geografische Herkunftsangabe … bzw. alternativ …, ein rotgoldenes Siegel- bzw. Wappenelement, ein kursiver Text der jeweils an der Ober- und Unterseite durch waagerechte Striche begrenzt wird und die Bezeichnung … in serifenlosen Blockbuchstaben in der Klagemarke vorhanden.
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Das Klagemuster enthält neben den genannten Merkmalen noch eine rubinrote Kapsel auf der Flaschenöffnung.
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Der Wein der Rebsorte … der Klägerin ist seit dem Jahr 2022 mit folgendem Etikett erhältlich:
7
Die Klägerin wurde von der … und der … umfassend ermächtigt, die Rechte an der Bezeichnung … sowie an der Ausstattung der Weine wahrzunehmen, einschließlich etwaiger Zeichenrechte kraft Benutzung sowie Ansprüchen wegen unlauterer Nachahmungen (vgl. Prozessstandschafts- und Abtretungsvereinbarung in Anlage K2).
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Die Beklagte ist ein international tätiges Vertriebsunternehmen für Getränke insbesondere auch für alkoholische Getränke, u.a. Weine und Schaumweine. Unter der Bezeichnung … führt sie Perl- und Schaumweine, aber auch italienische Weine im Angebot. Darunter befindet sich auch ein … in folgender Aufmachung:
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Die Beklagte präsentiert und bewirbt den dargestellten Wein umfangreich auf ihrer eigenen Website unter der Domain …. Die Weine sind darüber hinaus auch allgemein online und im stationären Lebensmittelhandel erhältlich.
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Die Klägerin erfuhr im August 2022 von den reinen Online-Werbeaktivitäten der Beklagten auf deren Website. Daraufhin veranlasste sie über ihre Verfahrensbevollmächtigen einen Testkauf über die Online-Handelsplattform Amazon und ließ am 15. August 2022 gegenüber der Beklagten eine Abmahnung aussprechen. Darin wurde die Beklagte zur Einstellung der Werbe- und Vertriebshandlungen für die im Antrag gezeigte Aufmachung sowie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert (vgl. Schreiben vom 15.08.2022 in Anlage K28).
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Dies ließ die Beklagte mit Schreiben vom 23.08.2022 ablehnen (vgl. Anlage K30). Es kam daraufhin zu zwei einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen den Parteien, eines vor dem Landgericht Köln (Gz. 33 O 407/22) und eines vor dem Landgericht München I (Gz. 33 O 14278/22).
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Die Klägerin trägt vor, bei den … – Weinen handele es sich nach Absatz und Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel um die erfolgreichsten Markenweine Deutschlands. Dazu gehöre in erster Linie auch der Wein der Rebsorte … in der obigen Darstellung. Die vorgetragenen Umsatz- und Absatzzahlen in Tabelle 1b der Anlage K6 bezögen sich ausschließlich auf Flaschen in Deutschland, die mit der Klagemarke etikettiert seien. Klagemarke und Klagemuster seien von der Klägerin auch weiterhin in der dargestellten Gestaltung gegenüber den relevanten Verkehrskreisen und vor allem gegenüber Endverbrauchern benutzt worden. Sowohl Klagemuster als auch Klagemarke seien bekannt, was unter anderem durch die vorgelegten Gutachten der … und der … belegt sei. Die neue Etikettengestaltung des … werde seit September/Oktober 2022 neben der Klagemarke verwendet. In Deutschland sei kein anderes Weinhandelsunternehmen beziehungsweise kein anderer Weinhersteller vorhanden, der ein Etikett mit dieser Art der Etikettengestaltung nutzt. Die Klägerin bestreitet, dass die von der Bekl. vorgetragenen Flaschengestaltungen überhaupt auf dem deutschen Markt angeboten werden und präsent sind. Sie bestreitet weiter, dass dies in einem Umfang geschieht, der jedenfalls ansatzweise vergleichbar mit der Marktdurchdringung des Klagemusters einhergehe.
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Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus einer Marke kraft Verkehrsgeltung nach § 4 Nr. 2 MarkenG zu. Die Klagemarke sei als Wort-/Bildmarke gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG schutzfähig und besitze bundesweite Verkehrsgeltung. Das in K10 vorgelegte Gutachten belege mehr als ausreichende Bekanntheits-, Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrade. Eine ausreichende Verkehrsgeltung sei auch aufgrund der Marktpräsenz zu bejahen. Die Gestaltung der Etiketten von Weinflaschen diene als Hinweis auf die Herkunft von einem bestimmten Abfüller. Eine Aktivlegitimation bestehe, da das italienische Unternehmen …. als Herstellerin, beziehungsweise als Abfüllerin die originäre Inhaberin der Marke sei, und die Klägerin sich wegen der ihr im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft erteilten Ermächtigung hierauf berufen könne. Eine Verwechslungsgefahr gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bestehe, da eine Warenidentität und eine hochgradige, jedenfalls durchschnittliche Zeichenähnlichkeit in bildlicher Hinsicht bestehe und die Klagemarke über eine weit überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft verfüge. Jedenfalls bestehe eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, da der Bildbestandteil beziehungsweise das Hauptetikett eine selbständig kennzeichnende Stellung besitze. Ein Anspruch bestehe auch aus Bekanntheitsschutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG. Bei der Klagemarke handele es sich um eine bekannte Marke, deren Unterscheidungskraft und Wertschätzung in unlauterer Weise ohne rechtfertigenden Grund ausgenutzt werde. Die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Klagemarke seien darüber hinaus auch beeinträchtigt.
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Ein Unterlassungsanspruch folge auch aus §§ 3, 4 Nr. 3 lit. a) und b) UWG. Das Klagemuster weise eine erheblich gesteigerte wettbewerbliche Eigenart auf. Darüber hinaus habe die Beklagte das Klagemuster nahezu identisch übernommen, insbesondere auch im Hinblick auf dessen Kombination und Anordnung. Es liege eine unlautere Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 lit. a) UWG vor. Eine Herkunftstäuschung werde nicht durch die Bezeichnung … vermieden, weil es mangels Gestaltungsbeschränkungen auf unterschiedliche Kennzeichnungen von vornherein nicht ankomme. Es handele sich bei dieser Angabe auch um keine Bezeichnung, die geeignet wäre, eine Herkunftstäuschung zu vermeiden. Jedenfalls sei eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne zu bejahen, da der Eindruck erweckt werde, es handele sich bei der angegriffenen Verletzungsform um eine neue Serie oder eine Zweitmarke der Originalherstellerin oder es bestünden zwischen jener und der Beklagten zumindest lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen. Daneben sei eine unlautere Rufausbeutung nach § 4 Nr. 3 lit. b) UWG gegeben. Der Anspruch auf Kostenerstattung folge aus § 14 Abs. 6 MarkenG beziehungsweise aus §§ 677, 683 S. 1 BGB, der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus § 19 Abs. 1 und 3 MarkenG beziehungsweise § 242 BGB i.V.m. § 9 UWG und der Anspruch auf Vernichtung und Rückruf aus § 18 Abs. 1, Abs. 2 MarkenG.
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Die Klägerin stützt sich in erster Linie auf eine Verletzung der nachfolgend eingeblendeten Marke kraft Verkehrsgeltung i.S.v. § 4 Nr. 2 MarkenG wegen Verwechslungsgefahr und Rufausbeutung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 MarkenG, hilfsweise auf Ansprüche wegen unlauterer Nachahmung gemäß § 4 Nr. 3 a und b UWG.
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Die Klägerin beantragt zuletzt:
1. Der Beklagten wird verboten, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Rotweine in der nachfolgend eingeblendeten Aufmachung zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen, anzubieten und/oder anbieten zu lassen, zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, einzuführen und/oder einführen zu lassen, in Verkehr zu bringen und/oder in Verkehr bringen zu lassen:
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das unter Ziff. 1 ausgesprochene Verbot wird der Beklagte ein gegen sie festzusetzendes Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre, jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagte).
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aufgrund der vorstehend in Ziff. 1 bezeichneten Handlungen bereits entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.
4. Die Beklagte wird verurteilt, über den Umfang der vorstehend Ziff. 1 bezeichneten Handlungen Auskunft zu erteilen sowie unter Vorlage von Rechnungskopien und Lieferdokumenten Rechnung zu legen, und zwar über
- a)
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die Angebots- und Vertriebszeiträume,
- b)
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die Mengen der erhaltenen oder bestellten Waren sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der vorstehend unter Ziff. 1 genannten Waren,
- c)
-
die einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen nebst Produktbezeichnungen so-wie Namen und Anschriften der Abnehmer,
- d)
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die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen nebst Produktbezeichnungen so-wie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- e)
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die Art und über den Umfang der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Reichweiten, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, Aufrufzahlen,
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die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten sowie
- g)
-
den erzielten Gewinn, wobei vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegen-über zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
5. Die Beklagte wird verurteilt, die vorstehend gemäß Ziff. 1 gekennzeichneten und im Besitz Dritter befindlichen Waren unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten rechtsverletzenden Zustand auf eigene Kosten aus den Vertriebswegen zurückzurufen und/oder endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen, wobei diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, ernsthaft aufgefordert werden, gegen Rückzahlung des bereits gezahlten Kaufpreises und Erstattung der Kosten für die Rückgabe, die Waren an die Beklagte zurückzugeben.
6. Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz bzw. im Eigentum befindlichen und gemäß Ziff. 1 gekennzeichneten Waren zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einem von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
7. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 3.020,34 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt:
18
Die Beklagte bestreitet, dass die Klagemarke durchgängig und intensiv auf deutschem Markt benutzt worden sei und dass die Benutzung durch eines der Unternehmen erfolge, das entweder die Klägerin selbst oder eines ihrer teilhabenden Unternehmen sei. Sie trägt vor, dass vielmehr die Mehrzahl der Anbieter die Abbildung des neu gestalteten Etiketts verwende. Die geänderte Etikettengestaltung werde mindestens seit dem 18.05.2022 auf der deutschsprachigen Website angezeigt. Die Aufmachung werde nur noch und nicht mehr lediglich „daneben“ von der Klägerin vertrieben und sämtliche Kommunikation sei darauf umgestellt worden. Die Beklagte bestreitet weiter, dass die von der Klägerin vorgetragenen Kennzahlen und Werbeaufwendungen ausschließlich auf das Klagemuster, beziehungsweise auf die angebliche Klagemarke entfallen sind. Bestritten wird auch, dass das in Anlage K10 vorgelegte Befragungsgutachten die aktuelle Meinung der angesprochenen Verkehrskreise zum Zeitpunkt des Klageverfahrens widerspiegele.
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Die Beklagte ist der Auffassung, es seien keine hinreichenden Benutzungsrechte zugunsten der … entstanden, die sie im Rahmen der vorgelegten Vereinbarung an die Klägerin hätte abtreten können. Die Etikettengestaltung habe keine Verkehrsgeltung, insbesondere seien die in den Gutachten angegebenen Prozentsätze für die Annahme einer Verkehrsgeltung nicht ausreichend. Entscheidend für die Zuordnung der Produkte zum Unternehmen der Klägerin sei die Verwendung der Worte … und nicht das grafisch gestaltete Etikett. Aufgrund unterschiedlicher Angaben sei es den angesprochenen Verkehrskreisen nicht möglich, das Zeichen nur einem Unternehmen zuzuordnen. Eine Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne bestehe nicht. Zunächst bestehe nur eine geringe Kennzeichnungskraft einer potentiellen Marke, da … für ein spezielles Herstellungsverfahren stehe. Die Gestaltungselemente seien nicht per se kennzeichnungskräftig oder phantasievoll kombiniert und es seien unzählige ähnliche Etikettengestaltungen für Weine auf dem Markt vorhanden. Auch eine Zeichenähnlichkeit bestehe nicht. Im Übrigen sei nicht davon auszugehen, dass der obere Teil des zweigeteilten Gesamtetiketts einen selbständig kennzeichnenden Bestandteil darstelle. Das Bestehen einer wettbewerblichen Eigenart des Klagemusters sei zu verneinen, da bereits nicht deutlich sei, für welche Gestaltung die Klägerin die wettbewerbliche Eigenart genau geltend mache. Es seien darüber hinaus zahlreiche ähnliche Gestaltungen auf dem Markt vorhanden, insbesondere bestehe der gleiche Gesamteindruck wie bei den … Etiketten. Wesentliche Gestaltungsmerkmale seien nicht übernommen worden. Des Weiteren bestehe auch keine Herkunftstäuschung, da durch die deutlich angebrachte Marke … jegliche Gefahr von Verwechslungen ausgeräumt sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 05.03.2024 (Bl. 236/238 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Klage ist zulässig, insbesondere kann die Klägerin markenrechtliche Ansprüche aus der Klagemarke und lauterkeitsrechtliche Ansprüche im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen. Die (nach § 30 Abs. 3 MarkenG) erforderliche Zustimmung der … als Gesellschafterin der Klägerin lag vor (vgl. Prozessstandschafts- und Abtretungsvereinbarung in Anlage K2). Nachdem aus der in K2 vorgelegten Anlage folgt, dass sich die Klägerin mit dem Aufbau und der Pflege der Marke „Doppio Passo“ für Weine und der damit verbundenen Produktaufmachung, insbesondere des Aussehens und der Ausstattung von Weinflaschen und Etiketten befasst (vgl. Seite 1 der Anlage K2), ist auch ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung der Ansprüche im Wege der Klage zu bejahen. Eine unbillige Benachteiligung der Beklagten durch die Prozessstandschaft besteht nicht.
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Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Klägerin weder die geltend gemachten markenrechtlichen noch die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche zustehen.
24
I. Der Klägerin steht der in Klageantrag 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht nach § 14 Abs. 2 MarkenG zu, da sie keine Benutzungsmarke i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG erworben hat.
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1. Nach § 4 Nr. 2 MarkenG entsteht Markenschutz durch die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat. Eine Verkehrsgeltung des Zeichens als Marke ist vorliegend zu verneinen.
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2. Verkehrsgeltung bedeutet, dass, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten, ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise eine Verbindung zwischen dem Zeichen und einem bestimmten Unternehmen herstellt und das Erscheinungsbild des Zeichens wieder erkennt (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 14 Auflage 2023, § 4 Rdnr. 26). Das notwendige Maß an Verkehrsgeltung kann dabei nicht in einer Weise festgelegt werden, dass einem prozentmäßig bestimmten Anteil der angesprochenen Verkehrskreise bekannt sein müsse, dass das Zeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinweist. Zu berücksichtigen sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH GRUR 2021, 1199 Rdnr. 35 – Goldhase III). Für den Schutz einer Benutzungsmarke ist eine Verkehrsgeltung innerhalb beteiligter Verkehrskreise ausreichend (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 14 Auflage 2023, § 4 Rdnr. 47). Ein geringerer Zuordnungsgrad ist grundsätzlich ausreichend, wenn das Zeichen als Registermarke ohne weiteres eintragbar wäre („einfache Verkehrsgeltung“). Würden einer Eintragung hingegen Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG entgegenstehen, muss der Zuordnungsgrad genauso hoch liegen wie im Falle der Verkehrsdurchsetzung, da es sonst zu einer Umgehung der Anforderungen des § 8 Abs. 3 MarkenG käme. Dies bezeichnet die qualifizierte Verkehrsgeltung (vgl. zum gesamten Vorstehenden Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 14 Auflage 2023, § 4 Rdnr. 47). Für eine einfache Verkehrsgeltung ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen einem bestimmten (nicht notwendig namentlich benennbaren) Unternehmen zuordnet. Im Allgemeinen wird dabei ein Zuordnungsgrad von 20-25 % ausreichen. Für die qualifizierte Verkehrsgeltung bedarf es eines Zuordnungsgrades von regelmäßig nicht unter 50 % (vgl. zum Ganzen Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 14 Auflage 2023, § 4 Rdnr. 49 f.).
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a) Wer sich auf den Schutz einer Benutzungsmarke beruft, hat zunächst spezifizierte Angaben über Art und Form, Beginn, Dauer und Umfang der Benutzung durch Darlegung von Umsätzen, Marktanteilen, Werbeaufwendungen, Vorlage von Preislisten, Produktmustern, Werbematerial etc. zu machen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 14. Auflage 2023, § 4 Rdnr. 52). Bereits diesem Erfordernis ist die Klägerin nicht hinreichend nachgekommen.
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b) Die Klägerin hat die Klagemarke hinreichend konkret dargestellt und bezeichnet. Zwar führt die Klägerin insoweit auf Seite 33 ihrer Klageschrift aus, die „Klagemarke“ werde unter anderem durch die zentral im Etikett angeordnete geografische Herkunftsangabe … bzw. alternativ … ausgezeichnet, so dass im Hinblick auf diese Alternative unklar ist, welche Gestaltung die „Klagemarke“ konkret darstellen soll. Da die Klägerin die „Klagemarke“ selbst wiederholt innerhalb der Klageschrift mit der Bezeichnung … darstellt, kann jedoch angenommen werden, dass jedenfalls mit diesen Abbildungen die „Klagemarke“ hinreichend konkret dargestellt und bezeichnet ist.
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c) Dauer und Umfang der Nutzung der Klagemarke hat die Klägerin indes nicht in einer Weise belegt, die die Annahme einer Benutzungsmarke ermöglicht. Zwar hat die Klägerin grundsätzlich Umsatzzahlen vorgelegt sowie zu der Höhe von Werbeaufwendungen vorgetragen. Die Beklagte bestritt jedoch, dass die „Klagemarke“ durchgängig und intensiv auf dem deutschen Markt benutzt worden sei. Ihr Bestreiten unter Bezugnahme auf klägerische Unterlagen und von der Klagemarke abweichende Etikettengestaltungen war dabei erheblich. Des Weiteren bestritt die Beklagte in erheblicher Weise, dass die von der Klägerin vorgetragenen Kennzahlen und Werbeaufwendungen ausschließlich auf das Klagemuster beziehungsweise die angebliche Klagemarke entfallen sind. Ein Beweisangebot der Klägerin folgte darauf nicht. Die Klägerin bot Frau … lediglich als Beweis für die Tatsache an, dass sich die Werbeaufwendungen für das zurückliegende Jahr auf mehr als 1,4 Millionen Euro beliefen, wobei der größte Anteil davon v.a. für POS-Aktionen aufgewendet wurde. Konkrete Werbeaufwendungen in Bezug auf die Klagemarke trug die Klägerin nicht vor. Bezüglich der Umsatzzahlen folgen aus der vorgelegten Tabelle 1b in Anlage K6 auch nur die Umsatz- und Absatzzahlen in Bezug auf den … …. Die Klägerin selbst führte jedoch auf Seite 33 ihrer Klageschrift aus, dass es die Gestaltung der Klagemarke statt der Bezeichnung … auch mit der Bezeichnung … gibt. Auch dabei handelt es sich um einen …, wie beispielsweise aus der Seite 1 der Anlage K12 folgt. Die Beklagte legt auf Seite 17 ihrer Klageerwiderung darüber hinaus noch weitere Etikettengestaltungen vor, die unter anderem den … betreffen“. Die Klägerin führt auf Seite 51 ihrer Klageschrift weiter aus, dass nur nahezu jeder zweite verkaufte …, der in Deutschland verkauft wird, die Gestalt des Klagemusters aufweise. Soweit die Klägerin angibt, dass bestimmte abweichende Etikettengestaltungen des … nur im Fachhandel und in der Gastronomie vertrieben würden, wurde dies seitens der Beklagten mit Nichtwissen bestritten. Ein Beweisantritt erfolgte auch hier in der Folge nicht.
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d) Unabhängig davon ist eine Verkehrsgeltung durch die vorgelegten Meinungsforschungsgutachten nicht belegt.
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(1) Hinsichtlich der zu fordernden Prozentsätze ist zunächst zu beachten, dass bezüglich der Klagemarke eine qualifizierte Verkehrsgeltung erforderlich ist, da aufgrund der Vielzahl der beschreibenden Beschriftungen innerhalb der „Klagemarke“ eine Eintragungsfähigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zu verneinen wäre.
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(2) Der insoweit zu fordernde Zuordnungsgrad von nicht unter 50 % ist durch das in Anlage K10 vorgelegte Gutachten der … nicht belegt. Unabhängig davon ist aus dem Gutachten bereits die konkrete Gestaltung der Weinflasche nicht erkennbar. Dass es sich bei der Abbildung um die Klagemarke ohne den Schriftzug … handelt, wurde seitens der Beklagten auch bestritten. Das Gutachten bezieht sich gerade auch auf die gesamte Flasche und nicht lediglich auf die „Klagemarke“. Da die Angaben zu der gesamten Flasche nicht ohne Weiteres auf mögliche Angaben zu einem nur allein vorgelegten Etikett übertragen werden können, kann das Gutachten schon aus diesem Grund nicht verwertet werden.
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(3) Selbiges gilt für das in Anlage K36 vorgelegte Gutachten der …, dessen Gegenstand laut Seite 1 des Gutachtens die Schauseite der kompletten Flasche des Rotweins … war. Die Beklagte beanstandet insoweit zurecht, dass auf der Abbildung innerhalb des kursiven Textes noch die Bezeichnung … zu finden war. Nachdem dieser Begriff auch kurz hinter … positioniert war, ist nicht auszuschließen, dass jedenfalls einige der Befragten von dieser Angabe bei ihren Antworten beeinflusst wurden. Dies gilt umso mehr, da aus Seite 1 des Gutachtens folgt, dass den Befragten die Abbildung der Schauseite der Flasche des Rotweins in Originalgröße vorgelegt wurde. Unstreitig geblieben ist auch, dass sich die jeweilige Befragungsperson bis zum Ende der Befragung die Abbildung der Vorderansicht ansehen konnte und auch in die Hand nehmen durfte. Darüber hinaus ist auch inhaltlich durch das Gutachten, das einen Zuordnungsgrad von 26,4 % ausweist, eine qualifizierte Verkehrsgeltung nicht belegt.
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e) Auch die übrigen seitens der Klägerin vorgelegten Unterlagen rechtfertigen in der Zusammenschau die Annahme einer qualifizierten Verkehrsgeltung nicht.
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II. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt auch nicht aus § 4 Nr. 3 i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1 UWG. Es liegen weder die Voraussetzungen des § 4 Nr. 3 lit. a) UWG noch die des § 4 Nr. 3 lit. b) UWG vor.
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1. Die Klägerin ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert.
37
a) Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (vgl. BGH GRUR 2014, 1114 Rdnr. 24 – nickelfrei). Dafür ist nicht Voraussetzung, dass die Parteien auf der gleichen Vertriebsstufe tätig sind, solange sie letztlich gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen (vgl. BGH GRUR 2016, 828 Rdnr. 19 f. – Kundenbewertung im Internet). Deshalb besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Hersteller einer Ware nicht nur gegenüber anderen Herstellern gleichartiger Waren, sondern auch gegenüber anderen Händlern gleichartiger Waren (vgl. OLG München GRUR-RR 2022, 378 – Premium Spritz). Die … ist damit als Abfüllerin hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs gegenüber der Beklagten aktivlegitimiert. Die … hat die Klägerin zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen Nachahmung der Produktaufmachung ermächtigt (vgl. Prozessstandschafts- und Abtretungsvereinbarung in Anlage K2).
38
2. Der Vertrieb der Rotweine in der streitgegenständlichen Aufmachung durch die Beklagte stellt eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.
39
3. Der Vertrieb der streitgegenständlichen Rotweine ist nicht nach § 4 Nr. 3 lit. a) UWG unlauter.
40
a) Nach § 4 Nr. 3 lit. a) UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Eine Herkunftstäuschung ist bei dem Vertrieb der streitgegenständlichen Rotweine durch die Beklagte nicht gegeben.
41
b) Bei der Prüfung des wettbewerblichen Leistungsschutzes nach § 4 Nr. 3 lit. a) UWG besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie der Unlauterkeit der Herkunftstäuschung. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die die Unlauterkeit begründende Herkunftstäuschung und ihre Vermeidbarkeit zu stellen und umgekehrt (stRspr; vgl. nur BGH GRUR 2017, 1135 Rn. 17 – Leuchtballon m.w.N.)
42
c) Das Klagemuster verfügt in seiner Produktgestaltung über eine durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart.
43
(1) Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2015, 909 Rn. 10 – Exzenterzähne; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 33 – Herrnhuter Stern). Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist auf den Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses abzustellen, wobei sich der Verkehr grundsätzlich nur an den äußeren Gestaltungsmerkmalen orientieren kann (vgl. BGH GRUR 2016, 720 Rn. 22 – Hot Sox). Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung (vgl. BGH GRUR 2021, 1544 Rn. 48 – Kaffeebereiter).
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(2) Nach der Darlegung der Klägerin zeichnet sich die Produktaufmachung des Klagemusters insbesondere aus durch folgende Merkmale:
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rubinrote Kapsel auf der Flaschenöffnung
- -
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cremefarbenes Etikett
- -
-
markante Umrandung bestehend aus zwei schwarzen parallelen Strichen, an die sich zum Etikettinneren vertikalspiegelsymmetrische, durchgehende Blattrankenornamente (sog. Arabesken) in schwarzer und goldener Farbe anschließen
- -
-
die in rubinroter Farbe mit goldener Schattierung und Blockbuchstaben gehaltene Überschrift, die symmetrisch an deren Rändern nach unten geschwungen verläuft
- --
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grafische Gestaltung der Rebsortenbezeichnung … in Blockbuchstaben, die in rubinroter Farbe mit goldener Schattierung sowie mit geschlossener rechteckiger Umrandung gehalten sind
… die zentral im Etikett angeordnete geografische Herkunftsangabe … bzw. alternativ …
- -
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rot-goldenes Siegel- bzw. Wappenelement
- -
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kursiver Text der jeweils an der Ober- und Unterseite durch waagerechte Striche begrenzt wird
- -
-
die Bezeichnung … in serifenlosen Blockbuchstaben.
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(3) Vorliegend ist aufgrund der dargestellten Gestaltungsmerkmale davon auszugehen, dass die konkrete Ausgestaltung des Rotweins der Klägerin den angesprochenen Verkehr – dessen Verständnis die Kammer vorliegend selbst feststellen kann, da deren Mitglieder als Durchschnittsverbraucher zum angesprochenen Verkehr gehören und da sie aufgrund ihrer ständigen Befassung mit Kennzeichen- und Wettbewerbsstreitsachen in der Lage ist, das Verkehrsverständnis anhand ihrer Erfahrungen selbst zu beurteilen (st. Rspr., vgl. hierzu etwa OLG München GRUR-RR 2016, 270 Rn. 31 – Klosterseer) – auf seine betriebliche Herkunft hinweist. Vom Marktumfeld anderer Rotweinflaschen hebt sich die klägerische Ausgestaltung durch ein Zusammenspiel dieser Gestaltungsmerkmale derart ab, dass eine originär durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart anzunehmen ist. Insbesondere die seitens der Beklagten auf Seite 57 ihrer Klageerwiderung vorgelegten Gestaltungen erscheinen im Gesamteindruck zwar ähnlich, unterscheiden sich jedoch noch hinreichend in ihrer Gesamtgestaltung. Die Klägerin hat darüber hinaus auch bestritten, dass die von der Beklagten vorgetragenen Flaschengestaltungen überhaupt auf dem deutschen Markt angeboten werden und präsent sind (vgl. insoweit BGH GRUR 2021, 1544 – Rdnr. 23 – Kaffeebereiter). Auch der seitens der Beklagten abgebildete Ricasoli – Rotwein weist bereits durch das dunkelblaue Etikett einen hinreichend abweichenden Gesamteindruck auf.
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(4) Die Angaben der Klägerin zu Verkaufs- und Umsatzzahlen, Werbeaufwendungen, Markt- und Medienpräsenz genügen demgegenüber nicht für die Annahme einer erhöhten wettbewerblichen Eigenart. Auch insoweit hat die Klägerin zwar behauptet, aber nicht dargetan und belegt, dass die angegebenen Kennzahlen auf das Klagemuster entfallen. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
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d) Die Produktgestaltung der Beklagten stellt eine nachschaffende Nachahmung derjenigen des Klagemusters dar.
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(1) Die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse ist nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen (vgl. BGH GRUR 2009, 1069 Rn. 20 – Knoblauchwürste; BGH GRUR 2010, 80 Rn. 39 – LIKEaBIKE; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 47 – Herrnhuter Stern). Dabei kommt es weniger auf die Unterschiede und mehr auf die Übereinstimmungen der Produkte an, weil der Verkehr diese erfahrungsgemäß nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt, in dem die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die unterscheidenden (vgl. BGH GRUR 2007, 795 Rn. 34 – Handtaschen; BGH GRUR 2010, 80 Rn. 41 – LIKE-aBIKE; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 41 – Herrnhuter Stern). Dabei müssen gerade die übernommenen Gestaltungsmittel diejenigen sein, die die wettbewerbliche Eigenart des Erzeugnisses ausmachen, für das Schutz beansprucht wird (vgl. BGH GRUR 2007, 795 Rn. 32 – Handtaschen; BGH GRUR 2010, 1125 Rn. 25 – Femur-Teil; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 41 – Herrnhuter Stern). Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit ist auf die Sichtweise des durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 4 Rn. 3.37 a). Eine nahezu identische Nachahmung liegt vor, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist; eine nachschaffende Übernahme ist demgegenüber gegeben, wenn die fremde Leistung lediglich als Vorbild genutzt wird und eine bloße Annäherung an das Originalprodukt festzustellen ist (BGH GRUR 2018, 832 Rdnr. 50 m.w.Nachw. – Ballerinaschuh; BGH GRUR 2022, 160 Rdnr. 38 – Flying V).
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(2) Eine identische oder nahezu identische Nachahmung scheidet vorliegend aus, weil sich der Gesamteindruck der Vergleichsprodukte – auch nach dem unvollkommenen Erinnerungsbild – über geringfügige Abweichungen hinaus unterscheidet. So sind zum einen die Flaschengrößen unterschiedlich und weisen unterschiedlichen Formen auf. Darüber hinaus befindet sich bei der Gestaltung der Beklagten gegenüber derjenigen der Klägerin kein Wappen auf der Kapsel. Auf der Flasche der Beklagten ist die Überschrift … mit einer Verzierung versehen, die bei der Überschrift der Klägerin fehlt. Dafür weist die in der Mitte gehaltene rote Schrift bei der Klägerin eine Umrandung auf, die die Gestaltung der Beklagten nicht aufweist. Die kursive Schrift ist bei der Klägerin deutlich länger gehalten, wobei sich links von diesem Schriftzug ein Wappen befindet. Bei der Beklagten ist nur ein kurzer, einzeiliger Schriftzug vorhanden und ein Siegel oberhalb gehalten. Deutlich unterscheiden sich beide Gestaltungen auch dadurch, dass sich auf dem Produkt der Beklagten noch ein Unteretikett befindet, auf dem die Bezeichnung … angebracht ist. Das Unteretikett ist bei der Bewertung des Gesamteindrucks des Klagemusters zu berücksichtigen (hierzu sogleich).
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(3) Es liegt allerdings eine nachschaffende Nachahmung vor, weil das angegriffene Produkt einige, die wettbewerbliche Gestaltung der Flasche des Primitivos der Klägerin prägende, Gestaltungselemente übernimmt. So weist die Gestaltung der Beklagten parallel zu derjenigen der Klägerin eine rubinrote Kapsel auf der Flaschenöffnung sowie ein cremefarbenes Etikett auf. Auf beiden Produkten befindet sich eine markante Umrandung, bestehend aus zwei schwarzen parallelen Strichen, an die sich zum Etikettinneren vertikal spiegelsymmetrische, durchgehende Blattrankenornamente in schwarzer und goldener Farbe anschließen. Bei beiden Gestaltungen ist eine Überschrift zu finden, die in rubinroter Farbe mit goldener Schattierung und Blockbuchstaben gehalten ist und die symmetrisch nach unten geschwungen verläuft. Zudem ist jeweils die Rebsortenbezeichnung … grafisch gestaltet durch Blockbuchstaben, die in rubinroter Farbe mit goldener Schattierung sowie mit geschlossener rechteckiger Umrandung gehalten sind. Beide Aufmachungen weisen ein rot-goldenes Siegel-, beziehungsweise Wappenelement sowie einen kursiven Text auf, der an der Ober- und Unterseite durch waagerechte Striche begrenzt wird. Auch die Bezeichnung … sowie deren Darstellung in serifenlosen Blockbuchstaben wurde von der Beklagten übernommen. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass auf das unvollkommene Erinnerungsbild des Verkehrs abzustellen ist, der die Produkte nicht unmittelbar nebeneinander vergleicht, sodass den Übereinstimmungen ein stärkeres Gewicht zukommt als den Unterschieden, ist eine Übernahme einiger prägender Gestaltungsmerkmale und eine Annäherung an das als Vorbild dienende Originalprodukt zu erkennen.
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e) Unter Gesamtwürdigung ist trotz der durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart des Originalprodukts und des Grads der Nachahmung eine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 3 lit. a) UWG zu verneinen, da weder eine unmittelbare Herkunftstäuschung noch eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne besteht (vgl. BGH GRUR 2007 – 795 – Handtaschen).
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(1) Eine unmittelbare Herkunftstäuschung ist zu bejahen, wenn die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, bei der Nachahmung handele es sich um das Originalprodukt. Eine mittelbare Herkunftstäuschung ist demgegenüber gegeben, wenn der Verkehr die Produktnachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält oder annimmt, es bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen (vgl. BGH GRUR 2001, 443 (445) – Viennetta; BGH GRUR 2009, 1069 Rdnr. 15 – Knoblauchwürste; BGH GRUR 2023, 736 Rdnr. 46 – KERRYGOLD). Voraussetzung hierfür ist auch, dass das Erzeugnis bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht haben muss, dass sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH GRUR 2005, 166 (167) – Puppenausstattungen; BGH GRUR 2006, 79 Rdnr. 35 – Jeans I; BGH GRUR 2007, 339 Rdnr. 39 – Stufenleitern; … BGH GRUR 2007, 984 Rdnr. 34 Gartenliege; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 4 Rdnr. 3.41 a).
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(2) Vorliegend scheidet eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus. Der angesprochene Durchschnittsverbraucher nimmt angesichts der dargestellten Unterschiede nicht an, dass es sich bei dem angegriffenen Produkt um das Originalprodukt handelt. Dies gilt insbesondere, da der angesprochene Verkehr auf der auf dem Unteretikett befindlichen Angabe … einen Herkunftshinweis erkennt. Soweit die Klägerin darauf verwiest, bei der Angabe auf dem Unteretikett handele es sich um keine Kennzeichnung, die geeignet sei, eine Herkunftstäuschung zu vermeiden, kann dem nicht gefolgt werden. Bei einer Gesamtbetrachtung der Flasche des streitgegenständlichen Rotweins der Beklagten ist nicht anzunehmen, dass der angesprochene Durchschnittsverbraucher das Unteretikett in seiner Gesamtheit nicht wahrnimmt. Das Unteretikett hebt sich vielmehr durch das ebenfalls in beiger Farbe gehaltene Etikett von der dunklen Flaschenfarbe ab. Eine Abhebung des Unteretiketts erfolgt auch durch die Trennung von dem Oberetikett, da hierdurch die Aufmerksamkeit nochmals verstärkt auch auf das Unteretikett gelenkt wird. Die Angabe … … ist demgegenüber wieder in roter Schrift groß und gut lesbar dargestellt. An der Wahrnehmbarkeit für den angesprochenen Verkehr bestehen daher keine Zweifel. Aus den seitens der Beklagten vorgelegten Unterlagen folgt auch, dass die Bezeichnung … dem durchschnittlichen Verbraucher im Zusammenhang mit alkoholischen Getränken gegenübertritt, sodass er in dem Begriff einen Herkunftshinweis erkennt. Eine Bekanntheit der Bezeichnung wurde außerhalb des Bereichs von Rotweinen seitens der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt.
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(3) Auch eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt nicht vor, da vorliegend keine Gefahr besteht, dass der angesprochene Verkehr annimmt, dass es sich bei dem Rotwein der Beklagten um eine neue Serie oder um eine Zweitmarke der Klägerin handelt. Allein aus den von der Beklagten verwendeten Bezeichnungen und der Übernahme von gestalterischen Merkmalen der äußeren Gestaltung der Produkte der Klägerin kann nicht geschlossen werden, dass damit bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt wird, dass es sich bei den Produkten der Beklagten um eine neue Serie oder eine Zweitmarke der Klägerin zu ihrer Erstmarke handelt. Vielmehr sind weitere Anhaltspunkte nötig, aus denen sich ergibt, dass Verbraucher die … – Produkte der Beklagten als neue Produkte der Klägerin ansehen oder die Bezeichnung … für eine Zweitmarke der Klägerin halten. Die Gefahr einer mittelbaren Herkunftstäuschung unter dem Gesichtspunkt, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei dem Produkt des Wettbewerbers um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Unterlassungsgläubigers, kann beispielsweise in Betracht kommen, wenn das in Rede stehende Produkt über einen anderen Vertriebsweg oder zu einem günstigeren Preis als das Originalprodukt angeboten wird (vgl. BGH GRUR 2023, 736 – KERRYGOLD).
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(4) Vorliegend ist eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne nicht gegeben, da mit … dem angesprochenen Verkehr eine Bezeichnung gegenübertritt, die ihm im Zusammenhang mit alkoholischen Getränken als Herstellerkennzeichnung bekannt ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr der Auffassung sein könnte, bei dem von der Beklagten vertriebenen Produkt handele es sich um eine neue Serie oder eine Zweitmarke der Klägerin bestehen nicht. Insbesondere hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt, dass das Produkt der Beklagten zu einem günstigeren Preis als das Originalprodukt angeboten wird. Der Primitivo der Beklagten wird unter anderem zum Preis von 8,99 € angeboten. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass der Wein der Beklagten auch in der Preisspanne zwischen 5,00 € und 6,00 € erhältlich sei, ist zu beachten, dass auch der Primitivo der Klägerin Preisschwankungen unterliegt. Die Klägerin führt zwar aus, dass das Produkt der Klägerin zu einem Preis zwischen 7,50 € und 8,50 € vertrieben wird, indes ergibt sich bei Zugrundelegung der klägerseits vorgelegten Umsatz- und Absatzzahlen zu dem … für das Jahr 2021 ein Durchschnittspreis von knapp 6,00 €. Aus den in Anlage K5 vorgelegten Prospekten folgt, dass der Rotwein der Klägerin sogar zu einem Preis zwischen 4,00 € und 5,00 € angeboten wird. Es kann damit davon ausgegangen werden, dass beide Produkte ungefähr im gleichen Preissegment liegen, beziehungsweise dass der Rotwein der Beklagten jedenfalls keinen solch günstigeren Preis aufweist, der den angesprochenen Verkehr zu der Annahme einer neuen Serie oder einer Zweitmarke verleiten könnte. Darüber hinaus werden beide Weine auch über dieselben Vertriebswege – online und im stationären Lebensmitteleinzelhandel – vertrieben.
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4. Auch eine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 3 lit. b) UWG kommt nicht in Betracht.
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a) Eine Ausnutzung der Wertschätzung des Produkts der Klägerin besteht nicht. Eine Ausnutzung der Wertschätzung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise die Wertschätzung für das Original auf die Nachahmung übertragen. Bei der Beurteilung dieser Frage ist auf Grund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Grades der Nachahmung und der Stärke des Rufes des Produkts zu entscheiden, ob es zu einer Übertragung von Güte- und Wertvorstellungen kommt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander, UWG, 42. Auflage 2024, § 4 Rdnr. 3.51 ff). Die Wertschätzung setzt eine gewisse Bekanntheit des Produkts voraus, die umso höher sein muss, je größer die Unterschiede zwischen dem Original und dem nachgeahmten Produkt sind. Entscheidend ist nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 3 b nur die Wertschätzung des Produkts, nicht jedoch diejenige des dahinterstehenden Unternehmens (vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Auflage 2023, § 4 Rdnr. 3/66).
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b) Dies zugrunde gelegt, reicht aufgrund der bloß nachschaffenden Nachahmung ein hinreichendes Maß an Bekanntheit nicht aus. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich die klägerseits vorgelegten Unterlagen teilweise bereits auf die …-Weine insgesamt und nicht konkret auf das Klagemuster beziehen. Die Bekanntheit können auch die in K10 und K36 vorgelegten Gutachten aus den bereits genannten Gründen nicht belegen. Soweit sich der Artikel in Anlage K9 auf den … der Klägerin bezieht, sind diese Angaben aufgrund potentiell mehrerer verschiedener Etikettengestaltungen nicht nur auf das Klagemuster zu übertragen. Soweit aus Anlage K9 hervorgeht, dass das Klagemuster zweimal prämiert wurde, reicht dies – auch unter Beachtung des in Anlage K22 befindlichen Artikels – aufgrund der lediglich nachschaffenden Nachahmung für die Annahme eines guten Rufs nicht aus. Zwar kann sich der gute Ruf eines Produkts auch in erster Linie daraus ergeben, dass der Hersteller ein besonderes Ansehen genießt. In diesem Fall ist eine Rufausnutzung jedoch durch eine deutlich sichtbare Herstellerkennzeichnung des Nachahmers – wie sie vorliegend besteht – ausgeschlossen (vgl. Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Auflage 2023, § 4 Rdnr. 3/66).
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c) Aufgrund der fehlenden Wertschätzung scheidet auch eine Rufbeeinträchtigung aus.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.