Inhalt

OLG München, Endurteil v. 15.03.2024 – 38 Sch 38/22 VVG
Titel:

unangemessene Benachteiligung, Auskunftserteilung, Schadensberechnung, Darlegungs- und Beweislast, Anspruchsberechtigung, Schiedsstellenverfahren, Unterbeteiligung, Urheberrechtlicher Vergütungsanspruch, Pauschalvergütung, Aktivlegitimation, Angemessenheit der Vergütung, Abtretungsvereinbarung, Lizenzanalogie, Verwertungsgesellschaften, Angemessene Vergütung, Gesellschaftsvertrag, Schadensermittlung, Sendeunternehmen, Höhe der Vergütung, Bagatellgrenze

Schlagworte:
Vergütungsanspruch, Geräteabgabe, Privatkopie, Lizenzanalogie, Gesamtvertrag, Verzugszinsen, Beweislast
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 43940

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von EUR 104.686,75 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2017 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert wird auf EUR 104.686,75 festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte urheberrechtliche Vergütungsansprüche in Höhe von EUR 104.686,75 nach den §§ 54 ff. UrhG aF wegen des Herstellens und Importierens von PCs in der Zeit vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 in Deutschland geltend.
2
Die Klägerin ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, die Ansprüche aus § 54 Abs. 1 UrhG wegen der Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken herleiten können, wobei die Klägerin nach § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags (Anlage K 2) die ihr übertragenen Rechte im eigenen Namen wahrnimmt.
3
Die Verwertungsgesellschaft WORT (VG Wort) und die Verwertungsgesellschaft BILD-KUNST (VG Bild-Kunst) traten am 21.09./25.09./10.10.2017 ihre Ansprüche aus den §§ 54 ff. UrhG für Vervielfältigungen von stehendem Text und stehendem Bild aus den Zeiträumen 01.01.2008 bis 30.06.2017 an die Klägerin mit Wirkung ab dem 01.10.2017 ab (Anlage K 3).
4
Ferner schloss die G. mit der Verwertungsgesellschaft Musikedition am 08./12.01.1979 einen Mandatsvertrag, der die G. zur Wahrnehmung der aus den §§ 54, 54a- 54c UrhG resultierenden Ansprüche berechtigt. Nach einer Zusatzvereinbarung vom 29.11.2018 sollen Auskunfts- und Vergütungsansprüche der VG M. von der Klägerin wahrgenommen werden (Anlage K57).
5
Die Beklagte stellte PCs in der Stückzahl her bzw. importierte diese und brachte sie im Bereich der Bundesrepublik in Verkehr, wie es sich aus der unter dem 23.05.2017 erteilten Auskunft (Anlage K 4) ergibt.
6
Die Klägerin sowie die VG Wort und die VG Bild-Kunst schlossen mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (B.) und dem Bundesverband Computerhersteller e.V. (BCH) im Januar 2014 einen „Gesamtvertrag zu Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht gemäß §§ 54 ff UrhG für PCs für die Zeit ab dem 01.01.2011“ ab.
7
Die Klägerin, die Verwertungsgesellschaft WORT und die Verwertungsgesellschaft BILD-KUNST haben mit den Verbänden B. und BCH unter Beibehaltung der vereinbarten Vergütungssätze jeweils einen Vertrag abgeschlossen, der die bestehenden Gesamtverträge mit Wirkung ab dem 15.03.2016 ändert (Anlage K59).
8
Einen gleichlautenden Gesamtvertag schlossen die Klägerin, die VG Wort und die VG Bild-Kunst zudem mit dem Verband zur Rücknahme und Verwertung von Elektro- und Elektronikaltgeräten e.V. (VE.) mit Wirkung zum 01.01.2017 ab (Anlage K60).
9
Nach diesen Gesamtverträgen sind für jeden im Bundesgebiet in Verkehr gebrachten PC (ohne Berücksichtigung eines Gesamtvertragsrabatts) eine Vergütung zu entrichten wie folgt:
„Verbraucher-PC: EUR 13,1875
Business-PC: EUR 4,00
10
Die mit dem Gesamtvertrag vereinbarten Vergütungssätze wurden in einem gemeinsamen Tarif der Klägerin, der VG Wort und der VG Bild-Kunst im Bundesanzeiger vom 30.01.2014 veröffentlicht (Anlage K6). Dieser Tarif wurde unter Beibehaltung der Vergütungssätze durch einen am 07.03.2016 veröffentlichten Tarif ersetzt (Anlagen K7a und K7b).“
11
Die Beklagte ist kein Gesamtvertragsmitglied.
12
Mit Schreiben vom 28.04.2017 (Anlage K 55) forderte die Klägerin die Beklagte schriftlich zur Auskunftserteilung und Zahlung hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Produkte für den Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2016 unter Fristsetzung bis zum 26.05.2017.
13
Mit Schreiben vom 23.05.2017 erteilte die Beklagte Auskunft (Anlage K 4). Auf den Wortlaut der Anlage 4 wird Bezug genommen. Danach hat die Beklagte im Jahr 2016 insgesamt 12.859 PCs (1. Quartal: 3.435, 2. Quartal: 3.102, 3. Quartal: 2.801, 4. Quartal: 3.521) hergestellt bzw. importiert und im Bundesgebiet in Verkehr gebracht.
14
Die Aufteilung der beauskunfteten PCs in Business- und Privatgeräte nahm die Klagepartei auf Grundlage des von der International Data Corporation (IDC) für das Jahr 2016 ermittelten prozentualen Businessanteils von 54,922 Prozent (Anlage K53) vor.
15
Mit Schreiben vom 30.05.2022 (Rechnungsnummer ZP0054897) forderte die Klägerin für den Gesamtzeitraum einen Betrag in Höhe von EUR 104.686,75, wobei für jeden Privat-PC ein Stückpreis von EUR 13,1875 und für jeden Business-PC ein Stückpreis von 4,00 EUR in Ansatz gebracht wurde (Anlage K54). Zugleich stornierte die Klägerin eine Rechnung vom 06.07.2017 (Rechnungsnummer …11), in dem neben diesem Betrag auch 7 Prozent Mehrwertsteuer in Höhe von EUR 7.328,07 in Rechnung gestellt worden war.
16
Die Klägerin hat ein Verfahren vor der Schiedsstelle gegen die Beklagte mit Antrag vom 01.12.2017 eingeleitet (Az.: Sch-Urh 95/17), der der Beklagten am selben Tag zugestellt wurde. Mit Beschluss vom 08.12.2021 (Anlage K 1), der Beklagten zugestellt 14.12.2021, hat die Schiedsstelle einen Einigungsvorschlag unterbreitet, gegen den die Beklagte mit Schriftsatz vom 07.01.2022, bei der Schiedsstelle eingegangen per E-Mail am 11.01.2022 und per Post am 17.01.2022, Widerspruch eingelegt hat. Mit Beschluss vom 16.05.2022 gewährte die Schiedsstelle der Beklagten Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung eines Widerspruchs gegen den Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom 08.12.2021 (Anlage K70)
17
Die Klägerin macht geltend, ihre Aktivlegitimation für die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen ergebe sich aus §§ 48, 49 VGG, 54 h Abs. 1 UrhG aF i. V. m. dem als Anlage K 2 vorgelegten Gesellschaftsvertrag, den Wahrnehmungsverträgen der Verwertungsgesellschaften und i.V.m. der Abtretungsvereinbarung (Anlage K3) sowie aus dem zwischen der G. und der VG-Musikedition geschlossenen Mandatsvertrag und der Zusatzvereinbarung (Anlage K57).
18
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Geräte zur Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke geeignet und bestimmt seien. Die geltende gemachte Vergütung pro verkauftes Gerät sei angemessen. Die mit dem B. und dem V. geschlossenen Gesamtverträge indizierten die Angemessenheit der darin vereinbarten Vergütungssätze.
19
Die Klägerin meint, dass die Beklagte die Klageforderung ab dem 27.05.2017 zu verzinsen habe. Die Klägerin macht geltend, dass sich die Beklagte mit der Zahlung seit Ablauf der mit den Mahnschreiben vom 28.04.2017 (Anlage K 55) gesetzten Frist (26.05.2017) in Verzug befände.
20
Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Beklage zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von EUR 104.686,75 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2017 zu zahlen
21
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
22
Die Beklagte meint, dass die Klägerin nicht die Rechte aller Verwertungsgesellschaften wahrnehme und deswegen nicht aktivlegitimiert sei. Die Klagepartei verwende für PCs eine widersprüchliche und unbestimmte Definition des Begriffs „PC“. Der Steitgegenstand sei deswegen unklar.
23
Das Unionsrecht fordere bei der Ermittlung des Schadens, der Urhebern durch die Anfertigung von Kopien entsteht, die Anwendung der Differenzhypothese. Die nationalen Vorschriften stellten auf eine typenspezifische Nutzung von Geräten ab. Dies sei mit Unionsrecht nicht in Einklang zu bringen.
24
Die Höhe der angemessenen Vergütung könne nicht im Wege der Lizenzanalogie ermittelt werden. Für die Angemessenheit der im Gesamtvertrag ausgehandelten Vergütungssätze streite keine Vermutung. Es fehle insoweit an feststehenden Tatsachen und Erfahrungssätzen. Die Klagepartei habe für das Entstehen eines Schadens ihrer Darlegungslast nicht genügt. Es verstoße daher gegen den Grundsatz eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens, den Gesamtverträgen Indizwirkung zuzusprechen. Es handele sich bei den Gesamtverträgen im Ergebnis um Verträge zu Lasten Dritter.
25
Auf unbestimmte Zeit festgesetzte Tarife seien mit Unionsrecht nicht zu vereinbaren. Die Klage sei unbegründet, soweit die Klägerin eine Vergütung für Geräte und Speichermedien verlangt, die juristische Personen erworben haben. Die Annahme einer Vermutung, dass auch PCs für Privatkopien verwendet werden, die an juristische Personen überlassen wurden, sei unionsrechtswidrig.
26
Es bestehe kein Rückabwicklungsanspruch, wenn eine Vergütung gezahlt worden ist, ohne dass eine Vergütungspflicht besteht. Die bereicherungsrechtlichen Vorschriften nach den §§ 812 ff BGB seien nicht ausreichend, weil bereicherungsrechtlichen Ansprüchen zahlreiche Einreden und Einwendungen gegenüberstünden. Im nationalen Recht sei kein Schwellenwert für geringfügige und deswegen nicht zu vergütende Nachteile bestimmt worden. Die nationalen Regelungen sähen eine Pauschalvergütung vor, die nicht durch praktische Schwierigkeiten gerechtfertigt seien.
27
Die Parteien haben der Erledigung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung übereinstimmend zugestimmt. Der Zeitpunkt, bis zu welchen Schriftsätzen eingereicht werden konnten, war der 02.02.2024.
28
Ergänzend wird auf die von den Prozessbevollmächtigten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

29
Die Klage ist zulässig und begründet.
A.
30
Die Klageanträge sind zulässig.
31
I. Gemäß § 129 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG ist der Senat zur Entscheidung über den klägerseits geltend gemachten Zahlungsanspruch nach Maßgabe der §§ 54 ff. UrhG aF berufen.
32
II. Die Klägerin hat vor Klageerhebung das nach §§ 128 Abs. 1, 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG erforderliche Schiedsstellenverfahren gegen die Beklagte vor der zuständigen Schiedsstelle geführt (Az.: Sch-Urh 95/17). Gegen den Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom 08.12.2021 hat die Beklagte nach Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist fristgerecht Widerspruch eingelegt, § 105 Abs. 3 VGG.
33
III. Der Klageantrag ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – hinreichend bestimmt. Die Klagepartei begehrt eine Geräteabgabe für die von der Beklagten mitgeteilten Geräte (vgl. Anlage K4). Für die Frage der Bestimmtheit des Klageantrags ist ohne Belang, ob die im Tarif verwendete Definition des Begriffs „PC“ hinreichend bestimmt ist. Ob die von der Beklagten beauskunfteten Geräte vergütungspflichtig sind, ist dagegen nur eine Frage der Begründetheit.
34
IV. Der Streitgegenstand ist im Übrigen hinreichend bestimmt. Die Klagepartei macht gesetzliche Vergütungsansprüche nach den § 54 ff UrhG aF geltend. Anders als die Beklagte meint, wird das Vorbringen nicht dadurch widersprüchlich, dass die Klägerin die Angemessenheit der geforderten Vergütungssätze aus der Indizwirkung des Gesamtvertrages ableitet und hilfsweise Ausführungen zu einem von ihr entwickelten Berechnungsmodell macht. Die Klägerin hat auf Seite 30 ihrer Klageschrift klargestellt, dass ihr Vorbringen zum Berechnungsmodell nur „hilfsweise“ erfolgt. Aus dem Vortrag der Klägerin wird hinreichend deutlich, dass die diesbezüglichen Ausführungen nur für den Fall erfolgen, dass der erkennende Senat nicht von der Indizwirkung des Gesamtvertrags ausgeht.
B.
35
Der geltend gemachte Zahlungsantrag ist begründet.
36
Die Klägerin ist aktivlegitimiert; die Beklagte ist passivlegitimiert (nachfolgend Ziffer I.). Der Vergütungsanspruch besteht dem Grunde nach (nachfolgend Ziffer II.). Die geltend gemachte Vergütung ist angemessen (nachfolgend Ziffer III.). Der Vergütungsanspruch besteht in der geltend gemachten Höhe (nachfolgend Ziffer IV.). Die Beklagte schuldet Verzugszinsen ab dem 27.05.2021 (nachfolgend Ziffer V.).
37
I. Die Aktivlegitimation der Klägerin folgt aus § 49 Abs. 1 und 2 VGG.
38
1. Gemäß §§ 54 h Abs. 1 können nur Verwertungsgesellschaften Ansprüche nach §§ 54, 54a, 54b und 54f UrhG geltend machen. Diese müssen zur Wahrnehmung der Ansprüche nach §§ 54 ff UrhG über eine Erlaubnis des D. Patent- und Markenamtes verfügen, § 77 Abs. 1 VGG. Wahrnehmungsberechtigt ist außerdem die ZPÜ als abhängige Verwertungsgesellschaft i.S.v. § 3 Abs. 1 VGG, weil die an der ZPÜ beteiligten Verwertungsgesellschaften über eine Erlaubnis nach § 77 Abs. 1 VGG verfügen und nach § 4 des Gesellschaftsvertrags der ZPÜ die ihnen zur Wahrnehmung übertragenen Vergütungsansprüche für Vervielfältigungen von Audiowerken und von audiovisuellen Werken nach den §§ 53 Abs. 1-2, 54, 54a, 54b, 54e, 54f, 60a bis 60f und 60h Abs. 1 S. 2 UrhG aF, in die Gesellschaft eingebracht und diese an die Gesellschaft abgetreten haben (Anlage K2).
39
2. Die Aktivlegitimation der Klägerin folgt aus der Vermutungsregel des § 49 Abs. 1 VGG, weil die Klägerin – wie dargetan – die Rechte der Rechteinhaber nach §§ 54 Abs. 1, 54c UrhG aF wahrnimmt. Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats berechtigt, die Ansprüche aller forderungsberechtigten Verwertungsgesellschaften geltend zu machen, § 49 Abs. 2 VGG.
40
a) Die streitgegenständlichen PCs ermöglichen unstreitig die Vervielfältigung von Audiowerken und von audiovisuellen Werken. Die Klägerin ist nach § 4 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrags berechtigt, Vergütungsansprüche für Vervielfältigungen von Audiowerken und von audiovisuellen Werken der beteiligten Verwertungsgesellschaften geltend zu machen (vgl. z.B. BGH GRUR 2017, 684 Rn. 21 – externe Festplatten; BGH GRUR 2012, 705 Rn. 19 – PC als Bild- und Tonaufzeichnungsgerät).
41
b) Die von der Beklagten hergestellten und vertriebenen PCs ermöglichen zudem auch die Vervielfältigung von „stehendem Text“ und „stehendem Bild“. Die Rechte der Urheber von „stehendem Text“ und „stehendem Bild“ werden grundsätzlich von der VG WORT bzw. VG BILD-KUNST wahrgenommen. Die VG WORT und der VG BILD-KUNST haben mit Abtretungsvereinbarung vom 21.09./25.09./10.10.2017 (Anlage 3) ihre Ansprüche für PCs, die in der Zeit vom 01.01.2008 bis 30.06.2017 im Bundesgebiet in Verkehr gebracht wurden, an die Klägerin abgetreten (§ 398 BGB). Das pauschale Bestreiten der Aktivlegitimation durch die Beklagte ist im Übrigen unsubstantiiert, nachdem die Klägerin die Abtretungsurkunde vorgelegt hat.
42
c) Die von der Beklagten hergestellten und vertriebenen PCs ermöglichen zudem auch die Vervielfältigung von musikalischen Werken. Die Rechte der Urheber von Musikwerken werden grundsätzlich nur von VG-Musikedition wahrgenommen. Die VG-Musikedition hat – was zwischen den Parteien unstreitig ist – im Rahmen einer Repräsentationsvereinbarung der G. am 08/12.01.1979 das Inkasso für die gegenständlichen Ansprüche übertragen.
43
Nach einer am 29.11.2018 geschlossenen Zusatzvereinbarung zwischen der GEMA und der VG-Musikedition ist die G. berechtigt, die Forderungen nach §§ 54 bis 54c UrhG über die Klägerin einzuziehen. Sie ist damit auch insoweit aktivlegitimiert (zur Übertragbarkeit des Forderungsrechts siehe Wandtke/Bullinger/Gerlach, 6. Aufl. 2022, VGG § 49 Rn. 2).
44
d) Weitere Verwertungsgesellschaften sind nicht anspruchsberechtigt.
45
aa) Die A. Urheberrechtsschutz GmbH (kurz: A.) nimmt – entgegen den Rechtsausführungen der Beklagten (Schriftsatz vom 08.12.2022, Seite 13) – nicht Rechte nach §§ 54 – 54c UrhG, sondern wegen der öffentlichen Zugänglichmachung von Funksendungen im Internet wahr, die aber im Rahmen der Vergütungspflicht für PCs nach §§ 54 ff. UrhG aF nicht in Rede stehen, § 87 Abs. 4 UrhG.
46
bb) Die Verwertungsgesellschaft C. M. (ehemals VG M.) ist nicht anspruchsberechtigt. Die VG C. M. nimmt die Rechte der Sendeunternehmen nach § 87 UrhG war. Gemäß § 87 Absatz 4 UrhG stehen Sendeunternehmen Ansprüche nach § 54 Absatz 1 UrhG aber nicht zu.
47
cc) Eine Anspruchsberechtigung der A. und der VG C. ergibt sich – wie die Beklagte im Verfahren 38 Sch 1/21 VVG vorgetragen hat, auch nicht aus dem Unionsrecht.
48
Die in den §§ 54 ff UrhG geregelten Vergütungsansprüche für Leerspeichermedien und Geräte sind mit dem Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft in Kraft getreten (sog. „Zweiter Korb“). Die Novelle der Vergütungspflicht für Leerspeichermedien erfolgte in Umsetzung der RL 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (InfoSocRichtlinie) (Spindler, NJW 2008, 9, beck-online). Die nationalen Normen sind deswegen unionsrechtskonform auszulegen.
49
Die Auslegung des § 87 UrhG ergibt angesichts seines eindeutigen Wortlauts, dass Sendeunternehmen keinen Ausgleich für Privatkopien erhalten. Dies ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat vor Verabschiedung des „Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ eine Beteiligung der Sendeunternehmen an der Leermedienabgabe in Erwägung gezogen, von einer Anpassung der Regelungen in diesem Sinne aber bewusst Abstand genommen. Eine Beteiligung der Sendeunternehmen hielt der Gesetzgeber unionsrechtlich nicht für geboten. Erwägungsgrund 35 der RL 2001/29/EG (InfoSoc) stelle klar, dass Ausnahmen und Beschränkungen in bestimmten Fällen auch ohne Kompensation erfolgen könnten. Mit § 87 UrhG werde den Sendeunternehmen ein Leistungsschutzrecht gewährt und damit ihr kostspieliger technischer und wirtschaftlicher Aufwand anerkannt, den die Veranstaltung einer Sendung erfordere. Das Schutzrecht aus § 87 UrhG bestehe unabhängig vom Inhalt der Sendung und gelte auch dort, wo der Inhalt der Sendung – wie z. B. die Ziehung der Lottozahlen, der Wetterbericht oder eine Sportveranstaltung – nicht urheberrechtlich geschützt seien (vgl. Bt-Drs. 16/1828, Seite 16 f).
50
Auch eine unionsrechtskonforme Auslegung der Regelungen der §§ 54 ff, 87 UrhG führt deswegen nicht zu einer Anspruchsberechtigung der VG C. Die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (vgl. EuGH, Urteil vom 04.07.2006, C-212/04, NJW 2006, 2465, beckonline). Eine die Gesetzesbindung des Richters überschreitende Auslegung ist auch durch den Grundsatz der Unionstreue nicht zu rechtfertigen (BVerfG ZIP 2013, 924 Rn. 32; NJW 2012, 669 Rn. 46 f.).
51
dd) Eine Anspruchsberechtigung der Sendeunternehmen und damit der VG C. lässt sich auch nicht unmittelbar aus Art. 5 Abs. 2 der RL 2001/29/EG (InfoSoc-RL) bzw. aus der verbindlichen Auslegung dieser Norm durch das Urteil des Unionsgerichtshofs vom 23.11.2023, C-260/22 (Seven.One) ableiten.
52
Zwar hat der Unionsgerichtshof in der zitierten Entscheidung Art. 5 Abs. 2 lit b. InfoSoc-RL dahingehend ausgelegt, dass diese Bestimmung einer nationalen Regelung entgegensteht, die Sendeunternehmen, deren Aufzeichnungen der Sendungen von natürlichen Personen zum privaten Gebrauch und nicht zu kommerziellen Zwecken vervielfältigt werden, vom Anspruch auf einen gerechten Ausgleich im Sinne dieser Bestimmung ausschließt, soweit die Sendeunternehmen einen potenziellen Schaden erleiden, der nicht nur „geringfügig“ ist (EuGH, Urteil vom 23.11.2023, C-260/22, GRUR 2024, 51 Rn. 53, beck-online).
53
Eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie ist aber ausgeschlossen, wenn – wie hier – eine staatliche Verpflichtung aktiviert wird, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Verpflichtung eines privaten Dritten steht (Calliess/Ruffert/Ruffert, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 288 Rn. 64). Zutreffend weist die Klagepartei im Übrigen darauf hin, dass Richtlinien nur dann unmittelbar gelten, wenn die vom nationalen Gesetzgeber umzusetzende Regelung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist. Inhaltlich unbedingt ist eine Bestimmung, wenn sie vorbehaltlos und ohne Bedingung anwendbar ist und keiner weiteren Maßnahme der Organe der Mitgliedstaaten oder der Union bedarf (Calliess/Ruffert/Ruffert, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 288 Rn. 55).
54
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verfügen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der InoSoc-RL über ein weites Ermessen, weil die Bestimmungen der Richtlinie keine genaueren Angaben zu den verschiedenen Elementen der Regelung des gerechten Ausgleichs enthalten. Insbesondere bestimmen die Mitgliedstaaten, welche Personen diesen Ausgleich zu zahlen haben, und legen dessen Form, Einzelheiten und Höhe fest (EuGH, Urteil vom 24.03.2022, C-433/20, GRUR 2022, 558 Rn. 41, beck-online). Eine unmittelbare Anwendung scheidet somit aus.
55
Der Senat sieht sich im Übrigen nicht veranlasst, das Verfahren nach Art. 267 Abs. 2 AEUV dem Unionsgerichtshof vorzulegen, weil alle im Raume stehenden Auslegungsfragen vom Unionsgerichtshof bereits geklärt sind.
56
ee) Die CELAS ist keine Verwertungsgesellschaft, die über die nach § 77 Abs. 1 und Abs. 2 VGG erforderliche Erlaubnis verfügt. Im Übrigen hat die Beklagte nicht dargetan, dass weitere – von ihr im Übrigen nicht näher benannte – Verwertungsgesellschaften, die in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ihren Sitz haben, forderungsberechtigt sind. Nach § 77 Abs. 1 und 2 Nr. 1 VVG bedürfen diese in Deutschland einer Erlaubnis, wenn sie Vergütungsansprüche nach § 49 VVG geltend machen.
57
3. Die Beklagte ist als Herstellerin bzw. Importeurin von PCs, die sie im Bundegebiet in Verkehr gebracht hat, passivlegitimiert, § 54 UrhG.
58
II. Der geltend gemachte Vergütungsanspruch besteht dem Grunde nach. Die Ansprüche der Klägerin richten sich nach der in der Zeit vom 01.01.2008 bis 28.02.2018 geltenden Gesetzesfassung der §§ 54 ff UrhG (im Folgenden: aF).
59
1. Ist nach der Art eines Werkes zu erwarten, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF vervielfältigt wird, so hat der Urheber des Werkes nach § 54 Abs. 1 UrhG aF gegen den Hersteller von Geräten und Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme solcher Vervielfältigungen benutzt wird, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung.
60
a) Bei den verfahrensgegenständlichen PCs handelt es sich um Typen von Geräten, die nach den Bestimmungen der § 54 Abs. 1, § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG vergütungspflichtig sind. Die Beklagte hat auf der Grundlage der Definition in Abschnitt 3 des Tarifs für PCs vom 24.01.2014 Auskunft erteilt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats daraus, dass die Klägerin mit Schreiben vom 28.04.2017 (Anlage K55) die Beklagte zur Auskunft aufgefordert hat. Diesem Aufforderungsschreiben war in Anlage 1 eine Liste der zu vergütenden Produkte beigefügt, in der wiederum auf den veröffentlichten Tarif Bezug genommen wird.
61
Die Beklagte ihrerseits hat auf diese Aufforderung unter Verwendung eines von der Klägerin zur Verfügung gestellten Formulars (Anlage K4) die begehrte Auskunft auf der Basis dieser – im Tarif niedergelegten – Gerätedefinition erteilt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats daraus, dass sich auch in dem verwendeten Formular (dort in der Fußnote 1) ein Hinweis auf die Begriffsdefinition des Tarifs findet.
62
Die Klägerin hat in dem Tarif den Begriff „PC“ mit einer beschreibenden Definition so weit eingegrenzt, dass ersichtlich ist, welche Geräte erfasst werden. Zudem enthält die Definition eine Aufstellung von Geräten, die von der Definition nicht erfasst sein sollen. Danach handelt es sich bei einem PC im Sinne dieser Definition um ein Gerät, mit dem Daten elektronisch verarbeitet werden können und das neben einer Hauptplatine, einen Hauptprozessor, einen oder mehrere interne, nicht flüchtige, mehrfach beschreibbare Massenspeicher, einen flüchtigen Speicher, einen integrierten Bildschirm bzw. eine integrierte Schnittstelle zum Anschluss eines externen Bildschirms, einen Mausanzeiger- oder Cursor-Bewegungsmechanismus bzw. eine integrierte Schnittstelle für den Anschluss eines Bewegungsmechanismus, eine integrierte Tastatur bzw. integrierte Schnittstelle für den Anschluss einer Tastatur sowie eine offene Hardwarearchitektur aufweist, die die Installation eines Betriebssystems zulässt (Anlage K6, dort Abschnitt 3 „Definition PC“).
63
Die verwendete Definition des Begriffs PC verliert ihre hinreichende Bestimmtheit nicht dadurch, dass die Klagepartei sogenannte „Single-UserSysteme“ in ihrem Antrag u.a. als System definiert, das – sofern es sich um ein tragbares System handelt – nur über eine Hauptplatine verfügt, die in ein passendes Gehäuse integriert ist. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass das Gehäuse für eine Platine ausreichenden Raum bieten muss. Nach der Definition ist es unerheblich, ob das Gehäuse über Lüftungsschlitze verfügt bzw. ob das Gehäuse angesichts der zu erwartenden Wärmeentwicklung dem versprochenen Mindeststandard entspricht.
64
Die Definition wird auch nicht dadurch inhaltlich unbestimmt, dass die Klägerin für die Definition des Begriffs „PC“ die Begriffspaare „flüchtiger Arbeitsspeicher“ und „nicht flüchtiger Arbeitsspeicher“ verwendet. Wie die Beklagte selbst vorträgt, ist in der Regel unter einem „flüchtigen Arbeitsspeicher“ im Gegensatz zu einem „nicht flüchtigen Arbeitsspeicher“ ein Arbeitsspeicher zu verstehen, bei welchem vorübergehend im Modul gespeicherte Informationen gelöscht werden, wenn der jeweilige Computer neu gestartet oder heruntergefahren wird.
65
Die in dem später veröffentlichten Tarif (Anlage K7a) erfolgte Einschränkung, dass unter die Definition des Begriffs PCs nur Geräte fallen, die eines der dort genannten Betriebssysteme aufweisen, führt nicht zur Unbestimmtheit des verwendeten Begriffs.
66
Die von der Definition umfassten PCs sind somit Geräte i.S.v. § 54 UrhG (BGH, Urteil vom 16.03.2017, I ZR 36/15). Die von der Beklagten gemeldeten PCs verfügen über flüchtige Speicher und über nichtflüchtige merhfachbeschreibbare Massespeicher. Sie können demzufolge zur Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken, aber auch zur Vervielfältigung von stehendem Text und Bild zum privaten Gebrauch, genutzt werden (BGH, Urteil vom 16.03.2017, I ZR 36/15, NJOZ 2017, 778 Rn. 34).
67
Der Verweis darauf, dass auch PCs von der Definition erfasst werden, die ein bestimmtes Betriebssystem haben, führt nicht zur Unbestimmtheit der verwendeten Begriffsbestimmung.
68
b) Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Zeitraum PCs im Bundesgebiet hergestellt bzw. importiert und veräußert. Sie ist als Herstellerin bzw. Importeurin gem. §§ 54, 54 b, 54 f UrhG zur Zahlung der Vergütung grds. verpflichtet.
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2. Der Vergütungsanspruch besteht grundsätzlich sowohl hinsichtlich in Verkehr gebrachter Verbraucher-PCs als auch hinsichtlich veräußerter Business-Geräte, wobei die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte schon nicht dargetan hat, dass ein Teil der von ihr veräußerten Geräte von Endabnehmer erworben wurden, bei denen es sich um juristische Personen oder Gewerbetreibende handelt:
70
a) Unter Berücksichtigung der praktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung des privaten Zwecks der Nutzung von zur Vervielfältigung geeigneten Geräten oder Trägermaterial besteht für den Fall, dass diese Geräte oder Trägermaterialien nicht eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten sind, eine Vermutung für eine vergütungspflichtige Nutzung gemäß § 53 Abs. 1 und 2 UrhG aF. Sie gilt, wenn diese Geräte und Medien natürlichen Personen überlassen werden (BGH Urt. v. 14.12.2017 – I ZR 54/15, BeckRS 2017, 140852 Rn. 32, beckonline).
71
Diese Vermutungsregel ist entgegen der Auffassung der Beklagten mit dem Unionsrecht vereinbar. Sie gestattet insbesondere auch eine „typenspezifische“ Betrachtungsweise. Danach reicht bereits die technische Fähigkeit eines Geräts, Kopien zu fertigen, aus, um die Anwendung der Abgabe für Privatkopien zu rechtfertigen, sofern diese Anlagen oder Geräte natürlichen Personen als privaten Nutzen überlassen worden sind. Bei diesen natürlichen Personen wird nämlich rechtmäßig vermutet, dass sie diese Überlassung vollständig ausschöpfen, d.h., es wird davon ausgegangen, dass sie sämtliche mit diesen Anlagen verbundenen Funktionen, einschließlich der Vervielfältigungsfunktion, nutzen. Diese Auslegung wird durch den Wortlaut des 35. Erwägungsgrundes der RL 2001/29/EG gestützt. Dieser nennt nämlich als brauchbares Kriterium für die Festlegung der Höhe des gerechten Ausgleichs nicht einfach den „Schaden” als solchen, sondern den „etwaigen” Schaden. Die Vergütungspflicht knüpft nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs daran an, dass Anlagen oder Geräte, die die Anfertigung von Kopien ermöglichen, einer natürlichen Person überlassen werden, wobei auf die Überlassung nicht notwendigerweise die tatsächliche Anfertigung von Privatkopien folgen muss (EuGH, Urteil vom 21.10.2010 – C-467/08 Padawan/SGAE, GRUR 2011, 50, Rn. 54, 56, 57 beck-online).
72
b) Dass die Beklagte an juristische Personen bzw. Gewerbetreibende ein Teil der streitgegenständlichen Geräte überlassen hat, ist nicht dargetan, so dass der Rechtsvortrag der Beklagten zur Vergütungspflicht von „BusinessGeräten“ nicht entscheidungserheblich ist.
73
Im Übrigen besteht aber auch eine widerlegbare Vermutung i.S.v. § 292 ZPO für eine vergütungspflichtige Nutzung bei einer unmittelbaren Überlassung an (gewerblich handelnde) natürliche Personen (BGH, U. v. 30.11.2011, I ZR 59/10 – PC als Bild- und Tonaufzeichnungsgerät, Rn. 33 – 35, v. 03.07.2014, I ZR 30/11 – PC III, Rn. 53 f., v. 21.07.2016, I ZR 255/14 – Musik-Handy, Rn. 94, v. 16.03.2017, I ZR 36/15 – Gesamtvertrag PC, Rn. 36 u. I ZR 39/15 – PC mit Festplatte I, Rn. 52 f., 56 ff., v. 18.05.2017, I ZR 266/15 – USB-Stick, Rn. 19 f., v. 14.12.2017, I ZR 53/15, Rn. 3, u. I ZR 54/15, Rn. 32; EuGH, U. v. 11.07.2013, C-521/11 – Amazon.com. /Austro-Mechana, Rn. 43 – 45) sowie bei einer unmittelbaren Überlassung der Vervielfältigungsgeräte durch den In-Anspruch-Genommenen an eine nichtnatürliche Person (BGH, U. v. 30.11.2011, I ZR 59/10 – PC als Bild- und Tonaufzeichnungsgerät, Rn. 33 – 35, 42 f., v. 03.07.2014, I ZR 30/11 – PC III, Rn. 53 f., v. 21.07.2016, I ZR 255/14 – Musik-Handy, Rn. 94, v. 16.03.2017, I ZR 36/15 – Gesamtvertrag PC, Rn. 36 u. I ZR 39/15 – PC mit Festplatte I, Rn. 52 f., 56 ff., v. 18.05.2017, I ZR 266/15 – USB-Stick, Rn. 19 f., v. 14.12.2017, I ZR 53/15, Rn. 3, u. I ZR 54/15, Rn. 32, v. 09.09.2021, I ZR 118/20 – Eigennutzung, Rn. 32 f.; in Bezug auf gewerbliche Abnehmer allgemein: EuGH, U. v. 11.07.2013, C-521/11 – Amazon.com. /Austro-Mechana, Rn. 15, 28 – 36, v. 05.03.2015, explizit in Bezug auf Zwischenhändler: EuGH, U. v. 05.03.2015, C-463/12 – Copydan, Rn. 16, 42 – 50).
74
Auch hinsichtlich der Geräte, die an gewerbliche Endabnehmer veräußert werden, ist nämlich zu erwarten, dass mit diesen Geräten zulässige Privatkopien hergestellt werden. Dies gilt zunächst im Blick auf solche gewerblichen Abnehmer wie Freiberufler, die die von der Beklagten vertriebenen PCs für den Eigengebrauch erwerben und die keinen Regeln unterworfen sind, die einer Nutzung der Geräte zum Zwecke der Anfertigung von Privatkopien entgegenstehen könnten. Die Annahme, dass im beruflichen Umfeld und am Arbeitsplatz genutzte Geräte allenfalls in einem zu vernachlässigenden Umfang zur Anfertigung von Vervielfältigungen zum Privatgebrauch verwendet werden können, ist selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn es Mitarbeitern der betreffenden juristischen Personen untersagt sein sollte, firmeneigene Computer zu privaten Zwecken zu nutzen und Unternehmen technische Vorkehrungen treffen, um derartige Nutzungen zu unterbinden. Es ist nicht dargetan, dass solche Vorkehrungen überhaupt getroffen wurden. Darüber hinaus besagt ein Verbot der privaten Nutzung der am Arbeitsplatz zur Verfügung gestellten PCs für sich genommen noch nichts darüber, ob es auch tatsächlich umgesetzt wird (BGH, Urteil vom 16.03.2017, I ZR 39/15, GRUR 2017, 702).
75
Nur wenn der Hersteller nachweist, dass er die Speichermedien an jemand anderen als natürliche Personen zu eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien abgegeben hat, scheidet eine Vergütungsplicht aus (EuGH, Urteil vom 05.03.2015 – C-463/12, Copydan Bändkopi/Nokia Danmark A/S, GRUR 2015, 478, Rn. 47) bzw. besteht eine Rückvergütungspflicht. Bei einer Überlassung von Speichermedien an einen gewerblichen Abnehmer besteht deswegen eine widerlegliche Vermutung für eine vergütungspflichtige Nutzung (BGH, Urteil vom 14.12.2017, – I ZR 54/15 Rn. 33). Diese Vermutung kann nur durch den Nachweis entkräftet werden, dass mit Hilfe dieser Geräte allenfalls in geringem Umfang tatsächlich Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 und 2 UrhG aF angefertigt worden sind oder nach dem normalen Gang der Dinge angefertigt werden (BGH, Urteil vom 14.12.2017 – I ZR 54/15, BeckRS 2017, 140852 Rn. 34, beck-online).
76
Vorliegend ist die Vermutung der Vergütungspflicht von der Beklagte nicht widerlegt worden. Sie hat nicht vorgetragen, an wen sie die Geräte im Inland überlassen hat. Soweit die Klagepartei einen Teil der Geräte als Businessgeräte eingestuft hat und mit einem abgesenkten Betrag von 4 EUR pro Gerät bepreisen möchte, handelt es sich um eine reine Zugunstenbetrachtung, die an der grundsätzlichen Vermutung der Vergütungspflichtigkeit nichts ändert.
77
Die Beklagte ist im Übrigen bei gesetzeskonformem Vorgehen nicht in Beweisnot, weil sie verpflichtet ist, in ihren Rechnungen auf die auf das Gerät oder Speichermedium entfallende Urhebervergütung hinzuweisen, soweit sie einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, § 54 d UrhG i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG. Der Beklagten muss daher bekannt sein, für welche Geräte und in welcher Höhe sie mit dem Verkaufspreis eine Gerätevergütung erhoben hat, in welchen Fällen eine Vergütung unterblieben ist und in welchen Fällen Erwerber nachträglich eine Rückvergütung eingefordert haben.
78
c) Ungeachtet des Umstands, dass in dem vorliegenden Rechtsstreit eine Veräußerung an Gewerbetreibende/juristische Personen nicht dargetan ist, steht diese Beurteilung – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht in einem für die Auslegung des Unionsrechts relevanten Widerspruch mit der Rechtsprechung des österreichischen Obersten Gerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2017 – I ZR 266/15, juris Rn. 20, BGH, Urteil vom 14.12.2017 – I ZR 54/15, BeckRS 2017, 140852 Rn. 35, beck-online). Dieser geht gleichfalls davon aus, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bei einer Überlassung von Geräten oder Medien an gewerbliche Zwischenhändler ein gerechter Ausgleich zu entrichten sein kann (vgl. OGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – 4 OB 62/16, MMR 2017, 388 Rn. 46 und 59). Aus der von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Unionsgerichtshofs vom 09.06.2016, C-470/14 ergibt sich vielmehr, dass die Geräteabgabe auch bei einem gewerblichen Abnehmer erhoben werden darf, wenn dieser nicht daran gehindert ist, den Betrag der Abgabe für Privatkopien in den Preis für die Überlassung der betreffenden Anlagen, Geräte oder Medien zur Vervielfältigung oder in den Preis für die Erbringung der Vervielfältigungsleistung einfließen zu lassen (Urteil vom 09.06.2016, C470/14 GRUR 2016, 687 Rn. 34, beck-online). Es ist letztlich Sache eines gewerblichen Abnehmers entweder dafür Sorge zu tragen, dass Privatkopien tatsächlich nicht erstellt werden und dies entsprechend nachzuweisen oder für die private Nutzung die Abgabe von den Mitarbeitern einzufordern.
79
Soweit der österreichische Oberste Gerichtshof annimmt, bei einer Lieferung von Geräten oder Medien an juristische Personen als Endnutzer liege der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom Anwendungsbereich der Vergütung ausgenommene Fall einer Lieferung an andere als natürliche Personen zu eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien vor (vgl. OGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – 4 OB 62/16, MMR 2017, 388 Rn. 51), stimmt dies mit der Annahme des Bundesgerichtshofs überein, dass keine Vergütung geschuldet ist, wenn Geräte oder Medien an gewerbliche Abnehmer geliefert werden und der Nachweis erbracht wird, dass diese die Geräte oder Medien nach dem normalen Gang der Dinge allenfalls in geringem Umfang zum Zwecke der Anfertigung von Kopien zum Privatgebrauch nutzen. (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2017 – I ZR 266/15, juris Rn. 20, BGH, Urteil vom 14.12.2017 – I ZR 54/15, BeckRS 2017, 140852 Rn. 35, beck-online).
80
d) Der Umstand, dass es der österreichische Oberste Gerichtshof für das Entfallen der Vergütungspflicht von Speichermedien bereits ausreichen lässt, dass an eine juristische Person oder an eine natürliche Person zu kommerziellen Zwecken veräußert wird, betrifft nicht die Auslegung von Art. 5 II Buchst. b der RL 2001/29, sondern die im Bereich tatrichterlicher Würdigung liegende konkrete Anwendung der vom Unionsgerichtshof aufgestellten Rechtsgrundsätze im Einzelfall. Die konkrete Auslegung der Richtlinie ist durch den Unionsgerichtshof im Übrigen bereits geklärt worden. Ein Entfallen der Vergütungspflicht ist – wie bereits ausgeführt – nach dem von der InfoSoc-Richtlinie gezogenen Rahmen anzunehmen, wenn Speichermedien an jemand anderen als natürliche Personen zu eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien abgegeben werden. Der Unionsgerichtshof hat das Entfallen der Vergütungspflicht damit nicht allein an den Umstand geknüpft, dass ein Speichermedium an eine nicht natürliche Person abgegeben wird. Vielmehr erlaubt es das Unionsrecht nach der verbindlichen Auslegung des Unionsgerichtshofs, dass die Vergütungspflicht bei einer Abgabe an jemand anderen als eine natürliche Person nur entfällt, wenn dies zu eindeutig zu anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien abgegeben wird.
81
e) Nachdem der Bundesgerichtshof das Erfordernis einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zuletzt mit Urteil vom 14.12.2017 (I ZR 54/15) abgelehnt hat, sieht der Senat keine Veranlassung, die Rechtsfrage – wie beantragt – nach Art. 267 Abs. 2 AEUV direkt dem Unionsgerichtshof vorzulegen.
82
Eine Vorlagepflicht ergibt sich auch nicht aus der Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.05.2022, Gz.: 1 BvR 2342/17. Zwar äußert die Zweite Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts angesichts der Rechtsprechung des österreichischen Obersten Gerichtshofs Zweifel daran, dass hinsichtlich einer grundsätzlichen Erstreckung der Vergütungspflicht auf gewerbliche Geräteabnehmer von einer unionsrechtlichen Rechtslage auszugehen ist, die eindeutig oder in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt (AP GG § 101 Nr. 70 Rn. 15, beck-online). Die Entscheidung darüber aber, ob in einer konkreten Rechtsfrage die Auslegung des Unionsrechts als nicht geklärt angesehen werden muss, obliegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Fachgerichten, die bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung haben, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der deutschen Rechtsordnung entspricht. Das BVerfG, das nur über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums wacht, wird seinerseits nicht zum „obersten Vorlagenkontrollgericht” (BVerfG, Beschluss vom 06.07.2010, 2 BvR 2661/06 NZA 2010, 995, beck-online).
83
f) Nicht zu überzeugen vermag in diesem Zusammenhang auch der Hinweis der Beklagten darauf, dass der Rechtsausschuss des europäischen Parlaments am 07.12.2014 den Entwurf einer Entschließung zu Abgaben für Privatkopien angenommen habe, in der eine Abgabe von Freiberuflern u.a. ausgeschlossen werden soll. Die Entschließung ist kein für Mitgliedsstaaten verbindlicher Rechtsetzungsakt der Europäischen Union (Ulrich Haltern, Europarecht, Dogmatik im Kontext, 3. Auflage 2017, Bd. I, Rn. 905).
84
g) Im Übrigen liegen die Ausführungen der Beklagten zu einer Vergütungspflicht von Geräten, die an juristische Personen veräußert werden, in diesem Verfahren insgesamt neben der Sache. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass die von ihr hergestellten Geräte an Endabnehmer veräußert wurden, die juristische Personen Gewerbetreibende oder Behörden sind. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt indes die Beklagte.
85
3. Anders als die Beklagte einwendet, stehen die nationalen Vorschriften in Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben.
86
a) Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Beklagten, es fehle an einer Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Forderung, weil die §§ 54 ff. UrhG unheilbar gegen höherrangiges EU-Recht – Art. 5 Abs. 2 Buchst. b InfoSoc-Richtlinie – verstießen und damit nicht angewendet werden dürften.
87
Unzutreffend sind die breiten Ausführungen der Beklagten dazu, dass nach dem Unionsrecht die Vergütung eine pauschalierende Bepreisung von Leerspeichermedien unzulässig und eine Berechnung der Vergütung auf Grundlage des durch die Privatkopie tatsächlich entstandenen Schadens geboten sei. Der Unionsgerichtshof hat hierzu wiederholt festgestellt, dass es gerade nicht erforderlich ist, nachzuweisen, dass mit Hilfe der Geräte tatsächlich Privatkopien angefertigt und somit dem Urheber des geschützten Werks tatsächlich einen Nachteil zugefügt wird. Es wird vielmehr nämlich rechtmäßig vermutet, dass sämtliche mit diesen Anlagen verbundenen Funktionen, einschließlich der Vervielfältigungsfunktion, genutzt werden (EuGH, Urt. v. 21.10.2010, EuZW 2010, 951, Rn. 55 beck-online). Aus diesem Grund ist die Klagepartei – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht zur Darlegung eines konkret eingetretenen Nachteils und einer Schadensfeststellung im Wege der Differenzhypothese verpflichtet.
88
b) Zu dem Einwand, §§ 54 ff. UrhG verstießen wegen einer unterschiedslosen Anwendung auf alle Endabnehmer (natürliche Person oder Unternehmen/Behörde zu privaten oder zu gewerblichen/hoheitlichen Zwecken) gegen Art. Art. 5 Abs. 2 Buchst. b InfoSoc-Richtlinie wird Bezug genommen auf die vorstehenden Ausführungen einschließlich der dort zitierten ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Unionsgerichtshofs.
89
Gegen das von der Beklagten reklamierte Verständnis der europarechtlichen Vorgaben in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der RL 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.05.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (InfoSoc-Richtlinie) spricht darüber hinaus insbesondere der Umstand, dass der Unionsgerichtshof dem Antrag des Generalanwalts nicht gefolgt ist, dass bereits eine Lieferung von Vervielfältigungsgeräten an „Geschäftskunden und staatliche Stellen“ bzw. der Erwerb solcher Geräte „zur beruflichen Nutzung“ eine Anwendung der Vorschriften über die Vergütung für Privatkopien ausschließt (Schlussanträge des Generalanwalts Wahl vom 04.05.2016, C-110/15, Rn. 33, 45 f., EuGH, U. v. 22.09.2016, C-110/15).
90
c) Die nationale Regelung der Gerätevergütung ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch durch praktische Schwierigkeiten gerechtfertigt. Der nationale Gesetzgeber hat mit der letzten Gesetzesnovelle zu den § 54 ff. UrhG das System der pauschalen Vergütung für private Vervielfältigungen grundlegend überdacht und in diesem Zusammenhang erwogen, die Vergütung über die Geräte- und Leerträgerpauschale vollständig entfallen zu lassen, weil den Urhebern wirksame technische Maßnahmen zur Verfügung stünden, die die Individuallizenzierung ermöglichten. Letztlich hat der Gesetzgeber aber von dieser Art der Erhebung abgesehen, weil es nach seiner Einschätzung viele Jahre dauern wird, bis sämtliche geschützten Werke und Leistungen in kopiergeschützter Form verwertet werden und damit die Rechtfertigung für das Pauschalvergütungssystem insgesamt entfallen sein wird. Zudem ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass es auch in Zukunft Urheber und Rechtsinhaber – so etwa die Universal-MusicGroup D. – geben werde, die ihre Werke ohne Einsatz von technischen Maßnahmen in Verkehr bringen wollen. Zudem hat der Gesetzgeber bei der Neufassung der §§ 54 ff UrhG berücksichtigt, dass noch viele Jahre lang Werkstücke mit geschützten Inhalten im Umlauf sein werden, die nicht mit Kopierschutz ausgestattet sind und bei denen daher die Möglichkeit der Schrankennutzung gegeben ist. Für diese Werke bleibt nach Einschätzung des Gesetzgebers die pauschale Vergütung weiterhin geboten, da eine vergütungsfrei zulässige Privatkopie als Eingriff in das Eigentumsrecht des Urhebers verfassungswidrig wäre (vgl. Bt.-Drs. 16/1828, Seite 15 „DRM- Systeme und Pauschalvergütung“).
91
Unsubstantiiert ist der Vortrag der Klagepartei, dass die Identifizierung der Endnutzer von Geräten problemlos möglich sei. Soweit der Gesetzgeber für einzelne Verbrauchsgüter (z.B. Arzneien) oder Dienstleistungen (z.B. Flugreisen) ein Verfahren eingeführt hat, das die Identifizierung des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers vorsieht, ist dies zum Schutz der öffentlichen Sicherheit erfolgt. Eine derartige Rechtfertigung besteht für den Vertrieb von Speichermedien und Geräten, die Vervielfältigungen ermöglichen, nicht. Im Übrigen kann durch ein derartiges System nur der gewerbliche Vertrieb von Geräten und Speichermedien erfasst werden. Die Weitergabe im Rahmen eines Zweiterwerbs unter Privaten ist dagegen rein praktisch nicht möglich.
92
Im Übrigen ist die Erhebung der Geräteabgabe bereits an der ersten Marktstufe eine Entscheidung des Bundesgesetzgebers. Nach ständiger Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs verfügen die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des gerechten Ausgleichs über ein weites Ermessen. Insbesondere bestimmen diese, welche Personen diesen Ausgleich zu zahlen haben (EuGH, Urteil vom 24.03.2022, C-433/20 Austro-Mechana ./. S. AG, GRUR 2022, 558, Rn. 41). Der Unionsgerichtshof hat ferner bereits entschieden, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs eine Abgabe für Privatkopien einzuführen, die nicht die betreffenden Privatpersonen, sondern diejenigen belastet, die Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung tatsächlich zur Verfügung stellen (EuGH aaO. Rn. 44).
93
Soweit sich die Beklagte auf die Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache C-110/15 (dort Rn. 55, 56) beruft, nach dessen Ansicht bei einem Vertrieb von Geräten an Geschäftskunden und staatliche Stellen, keine praktischen Schwierigkeiten bestünden, ist festzuhalten, dass der Unionsgerichtshof der Ansicht des Generalanwalts nicht gefolgt ist.
94
d) Auch genügt das deutsche Recht mit Blick auf das bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsregime der §§ 812 ff. BGB den Vorgaben an das Bestehen eines wirksamen und effektiven Rückerstattungssystems; der Senat nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, U. v. 16.03.2017, I ZR 39/15 – PC mit Festplatte I, Rn. 64 ff., I ZR 42/15 – PC mit Festplatte II, Rn. 66 ff.) einschließlich der dortigen Hinweise auf die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs. Überdies richtet sich der Anspruch der Klagepartei vorliegend auf die nachträgliche Entrichtung der Vergütungsabgabe, so dass er von vornherein solche Geräte nicht erfasst, die nachweislich nicht zur Anfertigung von Privatkopien verwendet wurden, so dass die Frage einer – wirksamen/effektiven – Rückerstattung schon nicht entscheidungserheblich ist (BGH, U. v. 21.07.2016, I ZR 255/14 – MusikHandy, Rn. 102, v. 16.03.2017, I 35/15 – externe Festplatten, Rn. 42, ZR, v. 18.05.2017, I ZR 266/15 – USB-Stick, Rn. 22).
95
Auf die Rückabwicklungspraxis der Klagepartei kommt es dagegen nicht an. Die unionsrechtlichen Vorgaben verlangen eine Regelung der Mitgliedsstaaten, in denen eine Rückabwicklung vorgesehen ist. Das Unionsrecht verlangt dagegen nicht, dass eine derartige Regelung im Gesetz zur Privatkopieabgabe geregelt wird. Vielmehr haben die Nationalstaaten bei der Umsetzung einen breiten Ermessensspielraum.
96
e) Nicht zu überzeugen vermag der Einwand, §§ 54 ff. UrhG verstießen gegen Art. 5 Abs. 2 Buchst. b InfoSoc-Richtlinie wegen der Kompensation von illegalen Raubkopien. Die Anwendung von §§ 54 ff. UrhG durch die nationalen Gerichte folgt insoweit den Vorgaben des Unionsgerichtshofs. Der Senat nimmt Bezug auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, U. v. 19.11.2015, I ZR 151/13 – Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik, Rn 62 ff., v. 16.03.2017, I ZR 36/15 – Gesamtvertrag PCs, Rn. 51 ff.) einschließlich der dortigen Hinweise auf die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs; eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ist nicht veranlasst.
97
f) Die nationale Regelung der Vergütungsvorschriften für Privatkopien verstößt auch nicht deswegen gegen Unionrecht, weil im nationalen Recht keine Bagatellgrenze bzw. ein Schwellenwert eingeführt wurde. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs keine Pflicht zur Einführung einer Bagatellgrenze, sondern nur eine in das Ermessen der Nationalstaaten gestellte Möglichkeit besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 05.03.2015, EuZW 2015, 351 Rn. 59, beck-online). Das auf den streitgegenständlichen Zeitraum anwendbare nationale Recht enthält keine Regelung, mit der eine Bagatellgrenze festgelegt wird. Der nationale Gesetzgeber hat in Rahmen der letzten Novelle davon abgesehen, eine im Gesetzesentwurf vorgeschlagene Bagatellklausel (vgl. Bt-Drs. 16/1828, Seite 29) in die endgültige Gesetzesfassung zu übernehmen. Hierauf weist bereits zutreffend die Schiedsstelle in ihrem Einigungsvorschlag vom 24.06.2021 (Anlage K1; dort unter Ziffer II 2 c) (2) b.) hin.
98
III. Die von der Klägerin geltend gemachte Vergütung ist – entgegen der Ansicht der Beklagten der Höhe nach angemessen i.S.v. § 54a UrhG aF.
99
1. Hinsichtlich der Zahl der Geräte, wegen derer eine Vergütung begehrt wird, hat die Klagepartei ihrer Berechnung die von der Beklagten erteilte Auskunft zugrunde gelegt.
100
2. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist eine gesetzliche Haftung; vorliegend sind – mangels vertraglicher Vereinbarungen – auch für die Höhe des Anspruchs allein die gesetzlichen Bestimmungen maßgebend (BGH, U. v. 18.05.2017, I ZR 266/15 – USB-Stick, Rn. 38 ff.). Die geltend gemachte Vergütung ist vorliegend angemessen i.S.v. §§ 54 Abs. 1 a.E., 54a UrhG, § 40 Abs. 1 S. 1 VGG.
101
3. Die Höhe der angemessenen Vergütung ist gem. § 54 a UrhG aF nach dem Maß der tatsächlichen Nutzung der Geräte und Speichermedien für vergütungspflichtige Vervielfältigungen zu bemessen. Die nach § 54 Abs. 1 UrhG aF geschuldete Vergütung entspricht nach der bindenden Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs zu Art. 5 Abs. 2 lit. b InfoSoc-RL (2001/29/EG) (EuGH, Urteil vom 21.10.2010 – Rs. C-467/08 Padawan, MMR 2010, 828, Rn. 39) der Höhe des „Schadens“, den Urheber und Leistungsschutzberechtigte dadurch erleiden, dass das jeweilige Gerät oder Speichermedium als Typ ohne ihre Erlaubnis tatsächlich für nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG zulässige Vervielfältigungen genutzt wird.
102
Zum Ausgleich dieses Schadens ist grundsätzlich die angemessene Vergütung zu zahlen, die die Nutzer hätten entrichten müssen, wenn sie die Erlaubnis für die Vervielfältigungen eingeholt hätten (st. Rspr. BGH, U. v. 19.11.2015, I ZR 151/13 – Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik, Rn. 30 ff., v. 21.07.2016, I ZR 255/14 – Musik-Handy, Rn. 49, 53 f., v. 16.07.2017, I ZR 36/15 – Gesamtvertrag PCs, Rn. 40 f., v. 01.04.2021, I ZR 45/20 – Gesamtvertrag USB-Sticks und Speicherkarten, Rn. 42).
103
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG ist maßgebend für die Vergütungshöhe, in welchem Maß die Geräte und Speichermedien als Typen tatsächlich für Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG genutzt werden. Dabei ist nach § 54a Abs. 1 Satz 2 UrhG zu berücksichtigen, inwieweit technische Schutzmaßnahmen nach § 95a UrhG auf die betreffenden Werke angewendet werden. Nach § 54a Abs. 4 UrhG darf die Vergütung Hersteller von Geräten und Speichermedien nicht unzumutbar beeinträchtigen; sie muss in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts oder des Speichermediums stehen.
104
4. Für den Fall einer pauschalen – im Vorhinein erhobenen – Gebühr macht der Unionsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung keine konkreteren Vorgaben, wie die Schadensermittlung zu erfolgen hat. Aufgrund des Umstands, dass die Gebühr nach § 54 UrhG zu erheben ist, noch ehe ein Endnutzer in der Lage ist, zulässige Privatkopien anzufertigen, können – entgegen der Ansicht der Beklagten – für die Ermittlung des „Schadens“ im Vorhinein nicht die zu § 249 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze der Schadenermittlung zur Anwendung kommen. Der Unionsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die Höhe einer solchen im Vorhinein festgelegten Gebühr nicht auf der Grundlage des Kriteriums des tatsächlichen Nachteils, dessen Umfang im Stadium des Inverkehrbringens der betreffenden Geräte im Inland noch nicht bekannt ist, ermittelt werden kann. Diese Gebühr muss daher zwangsläufig pauschalen Charakter haben (EuGH, Urteil vom 12.11.2015, C-572/13, NJW 2016, 39 Rn. 71, beck-online).
105
Nachdem die Gebühr von den Endverbrauchern über den Kaufpreis getragen werden soll (EuGH, Urteil vom 21.10.2010, C-467/08, Padawan MMR 2010, 828, Rn. 48), kommt für die Ermittlung der Schadenshöhe nur ein System der Schadensermittlung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie in Betracht (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2016, 792 Rn. 30 bis 41 – Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik; BGH GRUR 2017, 161 Rn. 38 bis 48 – Gesamtvertrag Speichermedien; siehe auch EuGH GRUR Int. 2016, 1066 Rn. 26 – Microsoftu.a./MIBAC u.a.).
106
a) Für die Bestimmung der Vergütungshöhe ist maßgeblich, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom privilegierten Nutzer vorgenommene Benutzungshandlung vereinbart hätten (vgl. Loewenheim UrhR-HdB, § 91 Vergütung für Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch Rn. 26, m.w.Nachw., beck-online). Der „Schaden“ („harm“) i.S.d. Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs entspricht der Vergütungshöhe, die Urheber (nach den Marktverhältnissen) als Lizenzgebühr erhalten würden (BGH, Urteil vom 10.09.2020, I ZR 66/19, GRUR 2021, 604 Rn. 18, beck-online).
107
b) Die konkrete Höhe der angemessenen Vergütung richtet sich deswegen nach den Vergütungssätzen, die die Klägerin, die VG WORT und die VG BILDKUNST mit dem B. e. V. in dem „Gesamtvertrag zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht gemäß §§ 54 ff. UrhG für PCs Zeit ab dem 01.01.2011“ vereinbart haben.
108
Den gesamtvertraglich vereinbarten Vergütungssätzen kommt nämlich – entgegen der Ansicht der Beklagtenpartei für die Angemessenheit der von vertraglich nicht Gebundenen zu zahlenden Vergütung eine besondere Indizwirkung zu (vgl. Urteil vom 14.03.2019, 6 Sch 10/15 VVG, GRUR-RS 2019, 37848 Rn. 70 bis 77; Urt. vom 10.07.2020, 6 Sch 44/18 VVG, GRUR-RR 2021, 101 Rn. 20 ff. – Tablets; Urt. vom 13.02.2020, 6 Sch 1/18 VVG, Seite 212/213). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gesamtvertrag zwischen den Parteien oder unter Beteiligung einer der Parteien – hier der Klägerin – geschlossen worden ist (vgl. BGH Beschluss vom 04.11.2021 – I ZR 138/20, GRUR-RS 2021, 45655 Rn. 22; BGH GRUR 2021, 604 Rn. 20 ff. – Gesamtvertragsnachlass; BGH Urt. v. 01.04.2021 – I ZR 45/20, GRUR-RS 2021, 17750 Rn. 36 – Gesamtvertrag USB-Sticks und Speicherkarten; BGH Urt. v. 16.03.2017 – I ZR 152/15, IBRRS 2018, 0619 Rn. 38; BGH GRUR 2013, 1220 Rn. 20 – Gesamtvertrag Hochschul-Intranet; BGH GRUR 2017, 694 Rn. 58 – Gesamtvertrag PCs).
109
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht die Vermutung, dass eine gesamtvertraglich vereinbarte Vergütung eher der angemessenen Vergütung iSv § 54a UrhG entspricht als eine Vergütungsberechnung auf Basis empirischer Studien (BGH Urt. v. 16.03.2017 – I ZR 152/15 a.a.O. Rn. 40; BGH a.a.O. Rn. 60 – Gesamtvertrag PCs). Diese Indizwirkung kann auch im hier vorliegenden Fall einer als „Außenseiterin“ nicht an dem Gesamtvertragsverfahren beteiligten Beklagtenpartei angenommen werden (BGH GRUR 2021, 604 Rn. 20 ff. – Gesamtvertragsnachlass).
110
Die indizielle Wirkung vereinbarter Gesamtverträge knüpft an den Umstand an, dass ein im Wege privatautonomer Verhandlungen zwischen sachkundigen Verhandlungspartnern erzieltes Vertragsergebnis ein angemessenes Abbild des den Urheberrechtsinhabern durch die in § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG genannten Nutzungen tatsächlich entstehenden Schadens darstellt (BGH a.a.O. Rn. 22 – Gesamtvertragsnachlass). Aus diesem Grund geht auch der Einwand der Beklagten fehl, dass die „Schadenshöhe“ nicht verhandelt werden könne.
111
c) Sowohl die Verhandlungsführer der Klägerin als auch die Verhandlungsführer der Gesamtvertragspartner verfügen zur Überzeugung des Senats über die erforderliche Sachkunde. Die Interessen der Urheber an einem gerechten Ausgleich für zulässige Privatkopien werden ausschließlich von der Klägerin bzw. von ihren Gesellschaftern vertreten (§ 54h UrhG). Das System der Interessenwahrnehmung durch die Verwertungsgesellschaften besteht seit 1965 (Loewenheim/Stieper in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Auflage 2020, § 54h Rn. 1). Damit verfügen die Verhandlungsführer der Klägerin über eine jahrzehntelange Erfahrung und Kenntnisse der am Markt üblichen Vergütungshöhen und über den urheberrechtlichen Rahmen. Das Bestreiten der Sachkunde der Verhandlungsführer der Klägerin durch die Beklagte ist unzureichend. Hieran ändert auch nichts der Verweis der Beklagten darauf, dass die Klägerin, die von ihr vereinnahmten Gelder nicht ausschließlich an die Urheber auskehre.
112
d) Zur Überzeugung des Senats verfügen auch die Verhandlungsführer der Gesamtvertragspartner der Klägerin über die erforderliche Sachkunde. Es handelt sich beim B. und beim BCH jeweils um Branchenverbände der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche. Die Mitgliedsunternehmen verfügen über besondere Kenntnisse zu den technischen Möglichkeiten der von ihnen vertriebenen Geräte und zu den jeweiligen Marktverhältnissen. Das einfache Bestreiten dieser besonderen Kenntnisse ist unzureichend, weil insbesondere die in den Verbänden organisierten Hersteller im Rahmen ihrer unternehmerischen Entscheidungen die Spezifikationen der von ihnen hergestellten Geräte bestimmen und die Marktpreise wesentlich mitbestimmen.
113
e) Aufgrund der gesamtvertraglichen Grundlage des geltend gemachten Tarifs und damit der begehrten Vergütung wird ihre Angemessenheit vorliegend auch gegenüber der Beklagten als Außenseiterin indiziert. Denn die Gesamtverträge zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht gemäß §§ 54 ff. UrhG für PCs für die Zeit ab dem 01.01.2011 betreffen zeitlich und gegenständlich die auch im Streitfall betroffenen Produkte und sind damit eine vergleichbare Regelung. Sie wurden unter Beteiligung einer der Parteien, nämlich der Klägerin, abgeschlossen. Bei den Parteien des Gesamtvertrags handelt es sich um branchen- und sachkundige marktübergreifende Akteure, so dass unterstellt werden kann, dass die widerstreitenden Belange der Urheber einerseits und der Nutzer andererseits in das gewonnene Ergebnis umfassend Eingang gefunden haben. Bestätigt wurde die dort gefundene Regelung durch den Abschluss eines eigenen gleichlautenden Gesamtvertrags mit dem Verband VERE im Jahr 2017. Schließlich hat auch das DPMA als Aufsichtsbehörde (§ 75 VGG) den ihm vorgelegten Tarif unbeanstandet gelassen, was – selbst, wenn die Angemessenheitskontrolle der Aufsichtsbehörde auf Fälle grober Unangemessenheit beschränkt ist (jedenfalls keine bloße Evidenzkontrolle BVerwG, U. v. 17.06.2020, 8 C 7/19, NVwZ 2020, 1600, Rn. 18) – bei der Bestimmung der angemessenen Vergütungshöhe im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ebenfalls Berücksichtigung finden kann (BGH, B. v. 04.11.2021, I ZR 138/20, Rn. 27).
114
5. Gegen die Ermittlung der angemessenen Vergütung im Wege der Lizenzanalogie sprechen keine unionsrechtlichen Erwägungen, wie die Beklagte meint.
115
a) Gegen die Ermittlung der angemessenen Vergütungshöhe kann auch nicht eingewandt werden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Satz lit b Durchsetzungsrichtlinie 2004/38 eröffnete Möglichkeit der Schadensermittlung im Bereich der Privatkopievergütung Geltung hat. Die Genannte Richtlinie enthält einen eigenen Regelungsbereich, der die Nationalstaaten zur Umsetzung verpflichtet. Wie sich aus der Entscheidung des Unionsgerichtshofs vom 10.04.2014, C-435/12 ergibt, findet diese Richtlinie nicht auf Sachverhalte Anwendung, die durch die InfoSoc-Richtlinie geregelt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die in Art. 13 Abs. 1 Satz 2 lit. b Durchsetzungsrichtlinie dargestellte Art der Schadensermittlung nicht herangezogen werden könnte, um den am Schaden des Urhebers auszurichtenden gerechten Ausgleich zu ermitteln, wie dies der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat (Urteil vom 16.03.2016, I ZR 36/15, Rn. 40, 41). Die Berechnung der angemessenen Vergütung im Wege der Lizenzanalogie ist insgesamt nicht unionsrechtswidrig, wie die Beklagte meint.
116
b) Gegen die Ermittlung der angemessenen Vergütung im Wege der Lizenzanalogie sprechen auch keine systematischen Erwägungen, wie die Beklagte meint. Im Ansatz zutreffend verweist die Beklagtenpartei zwar darauf, dass das Inverkehrbringen Speichermedien – wie in § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG vorausgesetzt – keine Rechtsverletzung darstellt. Der Vergütungsanspruch hat aber Entschädigungscharakter, so dass die in § 97 UrhG niedergelegten Grundsätze herangezogen werden können. Die Vorschriften der §§ 54 ff UrhG aF sind nämlich unionrechtskonform auszulegen. Der Unionsgerichtshof hat – worauf die Beklagte mehrfach zutreffend hinweist – entschieden, dass der den Urhebern durch Privatkopien entstehende Schaden das maßgebliche Kriterium für die Ermittlung der Vergütungshöhe ist (EuGH, Urteil vom 21.12.2010, C-467/08, EuZW 2010, 951, beck-online). Der Rückgriff auf die in § 97 UrhG niedergelegten Grundsätze für die Ermittlung von Ansprüchen aus Rechtsverletzungen entspricht damit der Intention des Unionsrechts.
117
c) Die Annahme einer indiziellen Wirkung führt – anders als die Beklagte einwendet – nicht zu einer nicht mehr gegebenen gerichtlichen Überprüfbarkeit mit Verstoß gegen Art. 6 EMRK, das Rechtsstaatsgebot, das Gebot der Waffengleichheit, den Justizgewährungsanspruch und einer Geltung des Gesamtvertrags als Vertrag zu Lasten Dritter bzw. einer „ewigen“ Geltung der Tarife; es bleibt der am Gesamtvertragsverfahren nicht beteiligten Partei wie der Beklagten unbenommen, die Angemessenheit der verlangten Vergütung zu bestreiten (BGH, U. v. 10.09.2020, I ZR 66/19 – Gesamtvertragsnachlass, Rn. 24).
118
6. Die Klägerin ist damit der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit der geltend gemachten Vergütung durch die Bezugnahme auf den Gesamtvertrag hinreichend nachgekommen. Damit trifft die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für Umstände, die für die Unangemessenheit der Vergütungshöhe sprechen (BGH, B.v. 04.11.2021, I ZR 138/20, Rn. 39). Solche Umstände hat die Beklagte weder dargetan noch sind sie sonst ersichtlich. Auf die weiteren Ausführungen der Klägerin zur Angemessenheit auf der Grundlage von eigenständigen Berechnungen und die Einwände der Beklagten insoweit kommt es nicht mehr an.
119
a) Gegen die Indizwirkung des Gesamtvertrags spricht nicht, dass die gegenständlichen Vergütungshöhen erstmals im Gesamtvertrag von 2011 niedergelegt wurden. Vorliegend werden Vergütungsansprüche für das Jahr 2016 geltend gemacht. Die vereinbarten Vergütungssätze wurden mit dem Änderungsvertrag im Jahr 2016 und dem mit der VE. geschlossenen Vertrag von 2017 erneut bestätigt. Fehl geht deswegen das Bestreiten der Beklagten, dass eine Veränderung des Nutzerverhaltens dazu geführt hat, dass die von den Gesamtvertragsparteien vereinbarten Vergütungssätze nicht mehr angemessen seien. Eine Halbierung der Verkaufszahlen des Jahres 2011 für physische Datenträger bis in das Jahr 2016 ist im Übrigen nicht dargetan. Auf die weitere Entwicklung nach dem Jahr 2016 kommt es indes nicht an. Unsubstantiiert ist der Sachvortrag, dass Privatkopien „rapide“ abnähmen. Die Beklagte trägt indes nicht vor auf welche Zeiträume sie ihren diesbezüglichen Vortrag bezieht. Im Übrigen halten die Gesamtvertragsparteien bislang an den Gesamtverträgen fest.
120
b) Gleiches gilt, soweit die Beklagte behauptet, dass die mit dem Gesamtvertrag vereinbarten Vergütungssätze unangemessen hoch seien, weil im Internet Dienste die Herstellung von Privatkopien gegen Entgelt ermöglichen (z.B. im Rahmen von Tethered-Downloads, bezahltes Streaming etc). Die Existenz derartiger Dienste ist noch kein Beleg dafür, dass der Umfang an zulässigen Privatkopien, die von Werken von Datenträgern oder über das Internet kostenfrei angefertigt werden, abgenommen hat. Es ist deswegen auch nicht entscheidungserheblich, ob und unter welchen Voraussetzungen Urheber, deren Werke über solche Dienste gegen Bezahlung Nutzern zugänglich gemacht werden, einen Anspruch haben, über die Privatkopieabgabe entschädigt zu werden. Dass Urheber doppelt für dieselbe Vervielfältigung vergütet werden, ist im Übrigen nicht dargetan. Der Schuldner des Vergütungsanspruchs kann aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Verwertungsgesellschaft und den Berechtigten im Übrigen keine Rechte für sich herleiten (BGH, Urteil vom 16.03.2017 – I ZR 35/15, GRUR 2017, 684, Rz. 45 ff. – externe Festplatte). Im Übrigen sind die Gesamtverträge nicht gekündigt worden, was zwischen den Parteien unstreitig ist.
121
c) Die Vervielfältigungen von Werken, die online gegen Entgelt zugänglich gemacht werden, sind von der Vergütungspflicht nicht generell ausgenommen, wenn ein Kopierschutz besteht. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der gerechte Ausgleich für Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch gem. Art. 5 II Buchst. b RL 2001/29/EG – und damit auch die angemessene Vergütung gem. § 54 Abs. 1 UrhG aF für Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 und 2 UrhG aF – nicht für Vervielfältigungen zu zahlen, die auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle angefertigt werden (EuGH, Urt. v. 10.4.2014 – C-435/12, GRUR 2014, 546 Rn. 41 – ACI Adam ua/Thuiskopie und SONT). Unrechtmäßige Quellen – und damit rechtswidrige Vorlagen iSv § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG aF – sind aber nur geschützte Werke, die der Öffentlichkeit ohne Erlaubnis der Rechtsinhaber zur Verfügung gestellt werden (EuGH, Urt. v. 5.3.2015 – C-463/12, GRUR 2015, 478 Rn. 79 – Copydan/Nokia). Dateien mit geschützten Werken, die mit Zustimmung des Rechtsinhabers hergestellt worden sind, sind daher auch dann keinen unrechtmäßigen Quellen oder rechtswidrige Vorlagen, wenn sie mit einem Kopierschutz versehen sind (BGH, Urt. v. 19.11.2015 – I ZR 151/13 GRUR 2016, 792 Rn. 62 – Gesamtvertrag
122
Unterhaltungselektronik, BGH, Urteil, vom 21.07.2016, I ZR 255/14, GRUR 2017, 172 Rn. 60, beck-online)
123
d) Unzureichend ist der Vortrag, es werde bestritten, dass während der Verhandlungen über die Gesamtverträge aufgrund des Ausgleichs der jeweiligen Interessenlage der Parteien die gesetzlichen Vorgaben des § 54a UrhG beachtet worden seien. Gleiches gilt für die weiteren – unter Beweis gestellten – Ausführungen, die Verhandlungen seien kaufmännischen Gesichtspunkten gefolgt bzw. hätten die Vergütungshöhe durch „Armdrücken“ ermittelt. Die Behauptung einer nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Verhandlungsführung ist schon insoweit in sich widersprüchlich, als die Beklagte einräumt, Ausgangspunkt der Verhandlungen sei die Umsetzung der einschlägigen Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs gewesen. Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass die Verhandlung der angemessenen Vergütung i.S.v. §§ 54, 54a UrhG einer Berechnung auf Basis empirischer Untersuchungen folgen müsse, ist dem entgegenzuhalten, dass die Indizwirkung von Gesamtverträgen dem aus dem allgemeinen Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz bekannten Gedanken der Schadensberechnung im Wege der Lizenzanalogie entspricht.
124
Nach dem Grundsatz der Lizenzanalogie kommt maßgebliche Bedeutung für die Bemessung der fiktiven Lizenzgebühr der am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu. Entscheidend ist, was vernünftige Vertragsparteien in einem vergleichbaren Fall zum Gegenstand einer wirtschaftlichen Einigung betreffend die Nutzung des jeweils relevanten immateriellen Gutes gemacht haben. So kann auch vorliegend davon ausgegangen werden, dass die Vergütungshöhe, welche die Klägerin sowie die VG Wort und die VG Bild-Kunst gegenüber B., BCH und V. schließlich durchsetzen konnten, dem den Urhebern durch die Privatkopieschranke entgangenen Lizenzschaden und damit der angemessenen Vergütung im Sinne von § 54a UrhG entspricht. Unschädlich ist es, wenn dabei kaufmännische Erwägungen in die Abwägung eingehen; dies findet zudem seine Grundlage in § 54a Abs. 4 UrhG. Auch der Einwand, empirische Untersuchungen zur Nutzung seien unbeachtet geblieben, greift nicht durch. Denn es genügt, dass die Parteien Kenntnis entsprechender Untersuchungen hatten und diese so in den Interessenausgleich eingeflossen sind (vgl. BGH, B. v. 04.11.2021, I ZR 138/20, Rn. 26). Dem substantiierten Vortrag der Klagepartei, dass im Vorfeld der Gesamtvertragsverhandlungen Nutzungsstudien erstellt wurden, deren Ergebnisse in die Gesamtvertragsverhandlungen zum Gesamtvertrag des Jahres 2014 besprochen wurden (Schriftsatz vom 05.04.2023, Seiten 104 – 106), ist die Beklagte nicht hinreichend entgegengetreten und stellt sie letztlich nicht in Abrede. Unerheblich ist, ob die Studien von der Klagepartei „erläutert“ wurden, was die Beklagte bestreitet (Schriftsatz vom 21.08.2023, Seite 14). Die Berücksichtigung des Maßes der Nutzung i.S.v. § 54a Abs. 1 UrhG ergibt sich im Übrigen schon aus der erfolgten Differenzierung zwischen Verbraucher- und Business-PCs ungeachtet der Beanstandungen der Beklagten zur Ermittlung dieser Differenzierung. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Vorgaben des Gesetzgebers zur Bestimmung der Vergütungshöhe (§ 54a UrhG) auch bei der Bemessung der Vergütung in den hier zugrundeliegenden Gesamtverträgen bereits zu beachten waren (BGH, U. v. 16.03.2017, I ZR 36/15 – Gesamtvertrag PCs, Rn. 60).
125
Nicht entscheidungserheblich ist der Vortrag der Beklagten, dass bei den Gesamtvertragsverhandlungen für Tablets unangemessene Vergütungssätze gefordert worden seien. Die Parteien streiten um die angemessene Vergütung von PCs.
126
e) Eine die Lizenzanalogie infrage stellende Berechnungsmethode ist – entgegen der Ansicht der Beklagten (Schriftsatz vom 08.12.2022, Seite 124) – auch nicht dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom 26.09.2017 (Sch-Urh 90/12) zu entnehmen. In dieser Entscheidung hat die Schiedsstelle klargestellt, dass es aus ihrer Sicht kein Vergütungsmodell gibt, „das mit mathematischer Sicherheit eine korrekte Vergütung ausgibt“. Es könne ein solches Modell auch nicht geben. Man könne nur anhand mathematischer Abschätzungen plausibilisieren, dass eine Vergütung angemessen ist. Die Schiedsstelle vertrat in dem Einigungsvorschlag die Auffassung, dass eine überschlägige prozentuale Berechnung anhand der Studienergebnisse auch „ein annähernd realistisches Bild der Gesamtvergütung zeichnen“ könne (aaO. Seite 88 f.). Hinsichtlich des für die Berechnung zu ermittelnden Nutzungsverhaltens der Nutzer von Speichermedien bezog sich die Schiedsstelle auf ältere empirische Untersuchungen (aaO., Seite 88). Um die für die Berechnung erforderliche Referenzvergütung zu ermitteln, zog die Schiedsstelle sämtliche Vervielfältigungen im Bereich Audio, Audio/Video sowie im Bereich stehendem Text und stehendem Bild zur Gesamtvergütung heran. In Ermangelung einer Alternative“ für eine Referenzvergütung stellte die Schiedsstelle im Bereich Audio allerdings nicht auf empirische Untersuchungen, sondern direkt auf die Anlage zu § 54d UrhG a.F. (mit Geltung bis 31. Dezember 2007) ab. Für den Bereich Video stellte die Schiedsstelle auf eine Werterelation zwischen Audio und Audio/Video aus den Vergütungssätzen der Anlage zu § 54d UrhG aF ab. Für den Bereich des „stehenden Wortes“ und des „stehenden Bildes“ legte die Schiedsstelle „in Ermangelung anderer Möglichkeiten“ die Speicherkapazität in GB zugrunde.
127
Im Kern fußt die Bestimmung der Referenzvergütung für Audio/Video-Kopien auf den außer Kraft getretenen Vergütungssätzen. Sie bilden damit nicht den monetären Verlust ab, der durch die Geräteabgabe ausgeglichen werden soll.
128
f) Soweit die Beklagte vorträgt, die Klägerin habe durch ihr Prozessverhalten die Beweisführung der Beklagten vereitelt, lässt der Vortrag der Beklagten jegliche Substanz vermissen.
129
Zudem setzt die von der Beklagten erstrebte Umkehr der Beweislast nicht nur voraus, dass eine Prozesspartei dem beweisbelasteten Gegner die Beweisführung erschwert oder unmöglich macht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015- I ZR 226/13, GRUR 2016, 88 Rn. 44 = WRP 2016, 35 – Deltamethrin I; Urteil vom 19. September 2019 – I ZR 64/18, BGHZ 223, 139 Rn. 27).
130
In subjektiver Hinsicht ist vielmehr ein doppelter Schuldvorwurf erforderlich: Das Verschulden muss sich sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung der Beweisfunktion beziehen, also darauf, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 23. September 2003 – XI ZR 380/00, NJW 2004, 222 [juris Rn. 14]; BGH, GRUR 2016, 88 Rn. 29 – Deltamethrin I).
131
Das objektiv beweisvereitelnde und schuldhafte Verhalten muss außerdem unberechtigt und missbilligenswert sein (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 – I ZR 118/07, GRUR 2009, 519 Rn. 14 = WRP 2009, 634 – Hohlfasermembranspinnanlage I, mwN; BGH, GRUR 2016, 88 Rn. 29 – Deltamethrin I).
132
Die Beklagte hat zu diesen Voraussetzungen indes nichts vorgetragen. Die Klagepartei hat ihren Zahlungsanspruch auf der Basis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Berufung auf den Gesamtvertrag berechnet. Hierin ist kein unberechtigtes und zudem missbilligenswertes Verhalten zu erkennen.
133
7. Die Erhebung einer Vergütung verletzt die Beklagte nicht in ihrer unternehmerischen Freiheit, Art. 16 GrCh.
134
a) Geschützt ist nach Art. 16 GrCh die Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit (Unternehmensgründung) und deren Beendigung sowie alle unternehmensbezogenen Aktivitäten wie auch die Preisgestaltung (BeckOK MigR/Sigg, 17. Ed. 15.10.2023, GRCh Art. 16 Rn. 5).
135
b) Die Erhebung einer Geräteabgabe stellt einen Eingriff in die Preisgestaltung dar, weil nach den nationalen Vorschriften bereits die erste Marktstufe, also der Hersteller von Geräten und Speichermedien die Geräteabgabe zu entrichten hat und nach der Vorstellung des Unionsrechts diese über den Gerätepreis an den Endverwender weiterzureichen hat. Die Höhe der Abgabe kann dabei Auswirkungen auf die Kaufentscheidung der Kunden haben, wovon auch der nationale Gesetzgeber ausgeht. Dies ergibt sich aus § 54a Abs. 4 UrhG.
136
c) Die Beklagte ist durch die Regelung in den § 54 ff UrhG als Herstellerin von Geräten und Speichermedien i.S.v. § 54 UrhG persönlich unmittelbar betroffen. Art. 16 GrCh schützt juristische Personen des Privatrechts (Calliess/Ruffert/Ruffert, 6. Aufl. 2022, EU-GRCharta Art. 16 Rn. 4).
137
d) Der Eingriff in die unternehmerische Freiheit ist nach Art. 52 Abs. 1 GrCh zulässig. Die Vergütungspflicht wurde in § 54 UrhG gesetzlich geregelt. Der Wesensgehalt der in Art. 16 GrCh niedergelegten Freiheit wird durch die Regelung nicht angetastet.
138
e) Die nationalen Vorschriften sind verhältnismäßig. Sie dienen der Umsetzung der Info-Soc-Richtlinie. Der Unionsgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass es angesichts der praktischen Schwierigkeiten, die privaten Nutzer zu identifizieren und sie zu verpflichten, den Inhabern eines ausschließlichen Vervielfältigungsrechts den ihnen entstandenen Schaden zu ersetzen, den Mitgliedstaaten freisteht, zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs eine „Abgabe für Privatkopien“ einzuführen, die nicht die betroffenen Privatpersonen, sondern diejenigen belastet, die über Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung verfügen und diese Privatpersonen rechtlich oder tatsächlich zur Verfügung stellen oder ihnen eine Vervielfältigungsdienstleistung erbringen (EuGH, Urt. v. 11. 7. 2013 – C521/11, GRUR 2013, 1025 Rn. 24, beck-online). Dies wird nach den nationalen Vorschriften dadurch erreicht, dass eine angemessene Vergütung zu entrichten ist, die in unionsrechtskonformer Auslegung den Schaden ausgleicht, der den Urhebern durch eine Privatkopie entsteht. Wie bereits dargelegt kommt in einem solchen System als mildestes Mittel nur eine Vergütung in Betracht, die sich in Anwendung der Lizenzanalogie an den marktüblichen Preisen orientiert. Die Regelung ist damit auch angemessen. Dass es zu einer Überkompensation der Urheber kommt, hat die Beklagte nicht dargetan.
139
Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten ist mit der Erhebung der Geräteabgabe im Übrigen nicht verbunden. Die Geräteabgabe wird von allen Marktteilnehmern (Herstellern, Importeuren und Händlern) erhoben. Die Endverwender der Geräte haben diese – wie ausgeführt – zu tragen. Soweit eine Vergütungspflicht bei Exporten oder der Verwendung der Geräte zu eindeutig anderen Zwecken, kann eine Rückabwicklung der geleisteten Beträge erfolgen. Aus diesem Grund ist ein Vorabentscheidungsverfahren nicht veranlasst.
140
8. Im Übrigen kommt es auf den Sach- und Rechtsvortrag der Parteien nicht an, soweit im Wege eines alternativen Berechnungsmodells das Nutzungsverhalten von PCNutzern anhand verschiedener Nutzungsformen (Nutzung von Streamingdiensten, Fertigung von Sicherungskopien lizenzierter Werke etc.) betrachtet wird, nachdem sich die angemessene Vergütung vorliegend bereits aus der Lizenzanalogie ergibt.
141
IV. Der Vergütungsanspruch ist in der geltend gemachten Höhe begründet.
142
1. Die Beklagte hat 12.859 PCs im Jahr 2016, 11.662 PCs hergestellt bzw. importiert und in Verkehr gebracht.
143
2. Die von der Klägerin verlangte Vergütung für Verbraucher-PCs in Höhe von EUR 13.875 ist nicht zu beanstanden
144
Die Klägerin hat in einer Zugunstenbetrachtung einen Teil der veräußerten Geräte auch ohne Erbringung eines entsprechenden Nachweises als Businessgeräte mit dem niedrigeren Satz von 4 EUR in Ansatz gebracht.
145
Die klägerische Forderung ist unter Zugrundelegung der mitgeteilten Zahlen und den im Gesamtvertrag vereinbarten Vergütungssätzen in voller Höhe begründet. Auf die Berechnung in Anlage K 54 wird Bezug genommen.
146
3. Die Beklagte hat die geltend gemacht Forderung – wie beantragt – ab dem 27.05.2017 zu verzinsen, §§ 286 Abs. 1 S. 1, 187 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Das Schreiben vom 28.04.2017 (Anlage K 55) erfüllt insoweit die notwendigen Voraussetzungen an eine verzugsbegründende Mahnung i.S.v. § 286 Abs. 1 S. 1 BGB.
147
Eine Mahnung ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete Leistung zu erbringen; die mit der Mahnung enthaltene Aufforderung zur Leistung muss eindeutig sein, wobei es genügt, dass der Gläubiger zum Ausdruck bringt, die geschuldete Leistung zu verlangen. Es handelt sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 286, Rn. 16 f.).
148
Diesen Anforderungen genügt vorliegend das klägerische Schreiben. Dort ist explizit die Rede von einer „Mahnung wegen offener Forderungen“. Ferner wird die Beklagte aufgefordert, „die gemäß § 54 Abs. 1 UrhG geschuldete Vergütung zu bezahlen“, überdies sogar unter Fristsetzung und Angabe der Rechtsfolge des Verzugs.
149
Zwar hat die Klägerin in dem Mahnschreiben ihre Ansprüche noch nicht beziffert. Bei betragsmäßig unbestimmten Ansprüchen reicht es aber aus, wenn die Mahnung anstelle einer Bezifferung hinreichend konkrete Tatsachen zur Höhe des Anspruchs enthält (HK-BGB/Reiner Schulze, 11. Aufl. 2021, BGB § 286 Rn. 9). Es greift zu ihren Gunsten der allgemeine Grundsatz, dass der auskunftspflichtige Schuldner durch eine unbezifferte, einem zulässigen Antrag in einer Stufenklage entsprechende Mahnung in Verzug kommt (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2017, XI ZR 467/15, Rn. 24). Sonst hätte es der Schuldner in der Hand, mit dem Zeitpunkt der Auskunftserteilung den Zeitpunkt des Verzugsbeginns zu bestimmen. Dem Mahnschreiben war eine Anlage beigegeben, auf der die Vergütungssätze aufgeführt waren. Damit konnte die Beklagte durch eine einfache Rechenoperation den geschuldeten Betrag selbst ermitteln, was der Klägerin vor Auskunftserteilung dagegen nicht möglich gewesen ist.
C.
Nebenentscheidungen
150
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens auch zu tragen.
D.
151
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 129 Abs. 3 VGG, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO), sondern lediglich die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen auf den vorliegenden Einzelfall erfordert, und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Senat hat seiner Entscheidung die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt und ist von diesen nicht abgewichen.