Titel:
Unterlassungsanspruch, spezifische gesundheitsbezogene Angaben, „Fatburner“, Produktaufmachung, Claim, Botanicals, irreführende Informationen, vorläufige Vollstreckbarkeit
Bewerbung eines Nahrungsergänzungsmittels mit spezifischen gesundheitsbezogenen Angaben zur Gewichtsreduktion
Normenketten:
UKlaG § 2 Abs. 2 Nr. 39
UKlaG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
UKlaG § 4 Abs. 1
HCVO Art. 2 Abs. 2 Nr. 5
HCVO Art. 10 Abs. 1
HCVO Art. 13 Abs. 3
LMIV Art. 7 Abs. 1a
UWG § 3 Abs. 1
UWG § 3a
UWG § 8 Abs. 1
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 3
UWG § 13 Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Angabe „Figura Fatburner“ auf einer Produktverpackung eines Nahrungsergänzungsmittels ist eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 10 Abs. 1 HCVO. Sie suggeriert, das gegenständliche Produkt erhöhe die Fettverbrennung und trage so unmittelbar zur Gewichtsreduktion bei.
2. Die Angabe „Fatburner“ ist unzulässig, weil sie weder in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 Abs. 3 HCVO i. V. m. Verordnung (EU) 432/2012 aufgenommen worden noch nach anderen Regelungen erlaubt ist. Der Begriff „Fettverbrenner“ findet im allgemeinen Sprachgebrauch Verwendung im Sinne einer Substanz, die durch unmittelbare Einwirkung auf den Fettstoffwechsel die körpereigene Fettverbrennung fördert.
3. Die gebotene Gesamtbetrachtung der Produktverpackung kann zu einer Relativierung auf der Rückseite wiedergegebener zugelassener Claims führen.
4. Wenn gegen eine erstinstanzliche Entscheidung eines Oberlandesgerichts in UKlaGVerfahren kein Rechtsmittel zulässig ist (§§ 543 Abs. 2, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 6 Abs. 2 UKlaG), ist von der an sich nach § 709 S. 1 ZPO notwendigen Sicherheitsleistung entsprechend dem Rechtsgedanken des § 713 ZPO abzusehen (Anschluss an OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.05.2024 – 20 UKl 6/23, BeckRS 2024, 10956, Rn. 24).
Schlagworte:
Unterlassungsanspruch, spezifische gesundheitsbezogene Angaben, „Fatburner“, Produktaufmachung, Claim, Botanicals, irreführende Informationen, vorläufige Vollstreckbarkeit, Fatburner
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 42094
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern das Nahrungsergänzungsmittel „Figura Fatburner" unter der Produktbezeichnung
zu bewerben bzw. bewerben zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen bzw. in den Verkehr bringen zu lassen, wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben:
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Aufwendungsersatz in Höhe von 299,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.10.2023 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger ist ein in der Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein. Die Beklagte produziert und vertreibt Reform- und Diätwaren, kosmetische Mittel und Arzneimittel aller Art.
2
Auf ihrer Website … bewarb die Beklagte das Produkt „Figura Fatburner“.
3
Dabei waren auf der Schauseite der Verpackung die Produktbezeichnung „Figura Fatburner“ sowie der Zusatz „Mit Cholin und Chrom für den Fettstoffwechsel“ festgehalten. Zudem wurde auf den „Zitrus-Guarana-Komplex“ verwiesen. Auf der Rückseite der Produktverpackung hieß es: „Der Fettstoffwechsel ist ein hochkomplexes System, zu dem auch die Fettverbrennung gehört. Jeder weiß, dass körperliche Betätigung und eine kalorienreduzierte Diät dabei eine wichtige Rolle spielen. Doch man kann noch mehr tun.
4
… Figura Fatburner Kapseln enthalten Wirkstoffe*, die den Fettstoffwechsel unterstützen.
* Cholin trägt zu einem normalen Fettstoffwechsel bei. Chrom trägt zu einem normalen Stoffwechsel von Makronährstoffen (Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate) bei. Zudem ist die bewährte Kombination aus Zitrusfrüchten plus Guayana enthalten“.
5
Zur Produktaufmachung im Einzelnen wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
6
Mit Schreiben vom 25.09.2023 mahnte der Kläger die Beklagte wegen unzulässigen gesundheitsbezogenen Angaben im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-Verordnung, im Folgenden: HCVO) und wegen irreführenden Informationen über Lebensmittel im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Lebensmittelinformations-VO, im Folgenden: LMIV) ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unter Fristsetzung bis zum 09.10.2023 und zur Zahlung eines Betrags von 299,60 € als Aufwendungsersatz bis zum 23.10.2023 auf (Anlage K 2).
7
Dem trat die Beklagte mit Schreiben vom 09.10.2023 entgegen (Anlage K 3). Es folgte weiterer Schriftwechsel zwischen den Parteien (Anlagen K 4 – K 6), in dem der Kläger der Beklagten unter anderem eine letztmalige Frist zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bis zum 27.10.2023 setzte. Eine entsprechende Erklärung und eine Erstattung des Aufwendungsersatzes durch die Beklagte erfolgten nicht.
8
Der Kläger stützt seinen Unterlassungsanspruch auf § 2 Abs. 1 S. 1 UKIaG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 HCVO, Art. 7 Abs. la) LMIV und § 8 Abs. 1, 3 Nr. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 HCVO, Art. 7 Abs. 1a) LMIV.
9
Er hält die Bezeichnung „Fatburner“ für eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO. Dieser Begriff werde dahingehend verstanden, dass die Einnahme des Produkts unmittelbar zur Gewichtsreduktion beitrage. Die weiter bezeichneten Zutaten Zitrus- und Guarana-Komplex, Cholin und Chrom stünden dazu separat und würden vom verständigen Verbraucher nicht als im Zusammenhang mit der einschlägigen Produktbezeichnung „Fatburner“ stehend aufgefasst.
10
Die gesundheitsbezogene Angabe sei spezifischer Natur gem. Art. 10 Abs. 1 HCVO. Ihr liege ein unmittelbarer, wissenschaftlich überprüfbarer Wirkungszusammenhang zugrunde. Spezifische gesundheitsbezogene Angaben seien indes nach Art. 10 Abs. 1 HCVO nur dann nicht verboten, wenn sie den allgemeinen Anforderungen gem. Art. 3 bis Art. 7 HCVO und den speziellen Anforderungen der Art. 10 bis 19 HCVO genügten und in die Liste der zugelassenen Angaben gem. Art. 13, 14 HCVO aufgenommen worden seien. Da die streitgegenständliche Angabe in der Liste der zugelassenen Angaben [Verordnung (EU) 432/2012] nicht enthalten sei, sei sie unzulässig.
11
Die Verwendung der zugelassenen Claims „Cholin trägt zu einem normalen Fettstoffwechsel bei“ sowie „Chrom trägt zu einem normalen Stoffwechsel von Makronährstoffen bei“ auf der Verpackungsrückseite führe nicht zur Zulässigkeit der gegenständlichen Bezeichnung „Fatburner“, denn diese beziehe sich auf das Gesamtprodukt und nicht die einzelnen Stoffe Cholin und Chrom. Der Durchschnittsverbraucher verstehe unter einem „normalen Fettstoffwechsel“ keine beschleunigte oder verstärkte Fettverbrennung. Das Wort „normal“ beschreibe lediglich eine reguläre Funktion im Körper, die keine außergewöhnliche Wirkung wie die eines „Fatburners“ impliziere. Daher sei der Begriff „Fatburner“ nicht gleichbedeutend mit den zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben zu Cholin und Chrom, die lediglich die Unterstützung eines normalen Stoffwechsels beschrieben. Der durch den Begriff „Fatburner“ erweckte Eindruck einer spezifischen und beschleunigten Fettverbrennung sei wissenschaftlich nicht nachgewiesen und werde durch die zugelassenen Claims nicht gedeckt.
12
Selbst wenn es sich bei der streitgegenständlichen Angabe um keine spezifische, sondern nur um eine allgemeine gesundheitsbezogene Angabe i. S. d. Art. 10 Abs. 3 HCVO handelte, sei sie unzulässig. Es fehle nämlich am gem. Art. 10 Abs. 3 HCVO erforderlichen Beifügung einer spezifischen gesundheitsbezogenen Angabe. Der Sternchenverweis auf der Vorderseite sei insoweit nicht ausreichend.
13
Eine Verfahrensaussetzung im Hinblick auf die ausstehende Entscheidung des EuGH zur generellen Zulässigkeit der gesundheitsbezogenen Claims für Botanicals sieht der Kläger nicht als geboten.
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Weiter meint der Kläger, die Bezeichnung „Figura Fatburner“ sei eine irreführende Information über Lebensmittel und verstoße damit gegen Art. 7 Abs. 1a) LMIV. Sie erwecke den Eindruck, der Konsum bewirke einen verstärkten Fettstoffwechsel und den Abbau von überschüssigem Körperfett, was von der Beklagten nicht bewiesen worden und tatsächlich nicht der Fall sei. Soweit sich die Beklagte auf eine Stellungnahme der bei ihr angestellten Diplom-Ernährungswissenschaftlerin … berufe, sei diese unsubstantiiert und unbeachtlich. Erforderlich sei der Nachweis durch Studien unabhängiger Forscher.
15
Die Wiederholungsgefahr werde aufgrund der eingetretenen Rechtsverletzung vermutet. Da die Beklagte trotz Aufforderung keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben habe, sei die Vermutung nicht ausgeräumt.
16
Den mit Ziff. 2 der Klage geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Aufwendungen in Höhe von 299,60 € (brutto) stützt der Kläger auf § 13 Abs. 3 UWG und § 5 UKIaG i.V.m. § 13 Abs. 3 UWG.
17
Mit Klageschrift vom 21.11.2023 hat der Kläger Klage zum OLG München erhoben. Dieses hat mit Verfügung vom 18.01.2024 auf Antrag der Klägerseite das Verfahren an das OLG Bamberg abgegeben.
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern das Nahrungsergänzungsmittel „Figura Fatburner“ unter der Produktbezeichnung
zu bewerben bzw. bewerben zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen bzw. in den Verkehr bringen zu lassen, wenn dies geschieht wie in Anlage K 1 wiedergegeben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Aufwendungsersatz in Höhe von € 299,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.10.2023 zu zahlen.
19
Die Beklagte beantragt,
20
Sie vertritt die Auffassung, die Bezeichnung „Figura fatburner“ sei von den zugelassenen Health Claims über die Wirkweise von Cholin und Chrom erfasst. Der Begriff dürfe nicht isoliert betrachtet werden. Dies entspreche der Rechtsprechung des BGH, nach der bei der Frage der Irreführung und damit auch der Zweckbestimmung aus Sicht des Verbrauchers die Produktaufmachung insgesamt, also einschließlich der Rückseite, zu berücksichtigen sei. Durch den Zusatz „Mit Cholin und Chrom für den Fettstoffwechsel“ mit einem Sternchenhinweis, der auf die Rückseite führt, auf der die Sätze „Cholin trägt zu einem normalen Fettstoffwechsel bei … Chrom trägt zu einem normalen Stoffwechsel von Makronährstoffen (Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate) bei“ abgedruckt sind, sei für den aufmerksamen, verständigen Durchschnittsverbraucher erkennbar, wie der Begriff „Fatburner“ zu verstehen sei. Es werde ausdrücklich Bezug genommen auf die Wirkstoffe Cholin und Chrom und deren Effekte auf den Fettstoffwechsel und den Makrostoffwechsel, der neben Eiweiß und Kohlenhydraten auch Fette umfasse. Auch die Erläuterung zum Fettstoffwechsel auf der Rückseite dürfe nicht außer Acht gelassen werden.
21
Durch den Sternchenzusatz sei das Erfordernis eines visuellen Zusammenhangs erfüllt, nach dem der aufmerksame verständige Durchschnittsverbraucher den Begriff „Fatburner“ mit dem Zusatz „mit Cholin und Chrom für den Fettstoffwechsel“ verbinde und die damit zusammenhängenden Hinweise auf der Rückseite zur Kenntnis nehme. Gerade im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel sei der Verbraucher üblicherweise an den gesundheitsrelevanten Zusatzinformationen interessiert. Deshalb sei die Annahme des Klägers unrealistisch, die mit einem Sternchen verknüpften Hinweise zum Fettstoffwechsel würden nicht wahrgenommen, zumal der Begriff „Fatburner“ völlig unspezifisch sei. Der durchschnittliche Verbraucher setze die Wirkweise des Produkts daher zutreffenderweise mit derjenigen der Substanzen Cholin und Chrom gleich.
22
Die Erläuterung zum Fettstoffwechsel sei zutreffend, weil Cholin tatsächlich für den Transport von Fett aus der Leber zu anderen Organen und Geweben (u. a. der Muskulatur) benötigt werde, wo es dann in Energie umgesetzt, also „verbrannt“ werde. Funktionsbeeinträchtigungen dieses Transports führten langfristig zu einer nicht alkoholbedingten Fettleber. Cholinmangel bewirke nämlich, dass das Fett aus der Leber nicht zu anderen Geweben transportiert werden könne, wo es verbrannt werde. Die im Nahrungsergänzungsmittel … Figura Fatburner enthaltenen Wirkstoffe Chrom und Cholin unterstützen erwiesenermaßen einen gesunden Fettstoffwechsel. Zum Beweis beantragt die Beklagte die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Zeugenvernehmung der in ihrer Forschungs- und Entwicklungsabteilung tätigen Mitarbeiterin … Die Beklagte bringt vor, eine normale Fettverbrennung sei zwingende Voraussetzung für einen normalen Stoffwechsel von Makronährstoffen und damit auch von Fett. Nichts anderes besage der Begriff „fatburner“. Von einer beschleunigten oder verstärkten Fettverbrennung sei in der Werbung keine Rede.
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Sie stützt sich auf die Entscheidung des BGH „Lernstark“ vom 10.12.2015 (Az. I ZR 222/13), nach der die Bezeichnung eines Saftes als „Lernstark“ akzeptabel sei, basierend auf dem zugelassenen Health Claim „Eisen trägt zur normalen kognitiven Entwicklung von Kindern bei.“ Dabei wurde auf dem Produkt nicht dieser Claim im Wortlaut verwendet, sondern die Angabe „Mit Eisen zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit.“ Vor diesem Hintergrund sei die Bezeichnung als „Fatburner“ in Kombination mit der wörtlichen Wiedergabe der spezifisch zugelassenen Claims zum Fettstoffwechsel erst recht wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.
24
Das vom Kläger in Bezug genommene Urteil des OLG Hamburg vom 12.05.2021 (3 U 194/18) hält die Beklagte für mit der hiesigen Fallgestaltung nicht vergleichbar. Das OLG Hamburg habe nicht den Begriff „Fatburner“ generell beanstandet. Es habe vielmehr auf die konkrete abgebildete Produktverpackung rekurriert, die sich von der hier streitgegenständlichen deutlich unterscheide. Zwar habe das OLG Hamburg keinen ausreichenden Zusammenhang des Claims für Cholin mit dem Produktnamen gesehen, allerdings sei im dort entschiedenen Fall der Claim in englischer Sprache auf der Produktverpackung abgebildet gewesen. Außerdem habe sich das OLG Hamburg maßgeblich auf die fehlenden Pflichtangaben nach Art. 10 Abs. 2 HCVO bezogen, die vorliegend nicht in Rede stünden.
25
Auch der Beschluss des OLG Hamburg vom 22.12.2021 (3 U 50/21), nach dem ein zugelassener Claim für Botanicals nicht vorliege, stütze die klägerische Position nicht. Nach aktueller Rechtsprechung bedürfe es der Zulassung eines Claims für Botanicals nicht, weil die EU-Kommission deren Bewertung zunächst zurückgestellt habe. Mit Beschluss vom 01.06.2023 (I ZR 109/22) habe der BGH die Frage des Erfordernisses einer Antragstellung für Claims zu Botanicals daher dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Die Beklagte hält es für sachgerecht, das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH gem. § 148 ZPO auszusetzen, ohne dies allerdings ausdrücklich zu beantragen.
26
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
27
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
28
1. Die Klage ist zulässig.
29
a. Der Kläger ist gem. § 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKIaG sowie § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt.
30
b. Die Zuständigkeit des OLG Bamberg folgt aus § 6 Abs. 1 S. 1 UKlaG i.V.m. § 13a Abs. 1 GVG, § 2 der gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz – GZVJu Bayern.
31
2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht sowohl der unter Ziff. 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch als auch der unter Ziff. 2 geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten im beantragten Umfang zu.
32
a. Unterlassungsantrag zu Ziff. 1 aa. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Inhalt gem. §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 Nr. 39 UKIaG i. V. m. Art. 10 Abs. 1 HCVO.
33
Nach Art. 10 HCVO sind gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln verboten, wenn sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II sowie den speziellen Anforderungen in Kapitel IV der HCVO entsprechen, nach ihr zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 und 14 HCVO aufgenommen sind. Dieses Verbot greift vorliegend ein.
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(1) Die Produktbezeichnung „Fatburner“ stellt eine Angabe dar. Nach der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO ist dieser Begriff weit zu verstehen. Er erfasst alle Aussagen oder Darstellungen, die beim normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorrufen können, ein bestimmtes Lebensmittel besitze besondere Eigenschaften (BGH, GRUR 2015, 498, 500 Rn. 19 – Combiotik; GRUR 2014, 1013, 1016 Rn. 22 – Original Bach-Blüten). Dies ist vorliegend der Fall. Der Begriff „Fatburner“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch als Substanz verstanden, die unmittelbar die körpereigene Fettverbrennung fördert (vgl. den Eintrag bei „de.wikipedia.org/wiki/Fatburner“, Abruf am 18.11.2024). Dabei handelt es sich um eine besondere Eigenschaft, die nicht Nahrungsergänzungsmitteln insgesamt innewohnt, und mithin um eine Angabe gem. Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO (OLG Hamburg, LMuR 2022, 321, 322; OLG Koblenz, GRUR-RS 2021, 34618 Rn. 49).
35
Entgegen der Ansicht der Beklagten beschreibt die Bezeichnung „Fatburner“ nicht lediglich die im normalen Stoffwechsel ohnehin stattfindende Fettverbrennung. Zwar hat die Beklagte mit einer beschleunigten oder verstärkten Fettverbrennung nicht ausdrücklich geworben; ein Produkt ist aber völlig wertlos, wenn es sich darauf beschränkt, eine ohnehin vorhandene Körperfunktion von seiner Einnahme unabhängig unverändert fortdauern zu lassen. Dies unterlegt die Beklagte selbst, wenn sie auf der Rückseite der Produktverpackung schreibt: „Jeder weiß, dass körperliche Betätigung und eine kalorienreduzierte Diät dabei [= beim Fettstoffwechsel, Anm. des Senats] eine wichtige Rolle spielen. Doch man kann noch mehr tun.“ (Anlage K 1, S. 5). Bei verständiger Betrachtung erwartet der durchschnittliche Verbraucher daher zumindest eine fördernde Wirkung des Produkts auf die Fettverbrennung.
36
(2) Die Angabe „Fatburner“ ist gesundheitsbezogen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO (OLG Hamburg, Beschluss vom 22.12.2021 – 3 U 50/21, LMuR 2022, 321, 323; Beschluss vom 22.12.2020 – 3 U 194/18, GRUR-RS 2020, 55534 Rn. 19; OLG Koblenz, Urteil vom 30.06.2021 – 9 U 1268/20, GRUR-RS 2021, 34618 Rn. 69; LG Berlin, Urteil vom 30.05.2022 – 101 O 43/22 –, Rn. 27 f., juris; LG Itzehoe, Urteil vom 13.04.2023 – 8 HK O 16/22 –, Rn. 36, juris). Eine Angabe ist gesundheitsbezogen, wenn mit ihr erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, es bestehe ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits. Der Begriff Zusammenhang ist dabei weit zu verstehen. Er erfasst jeden Zusammenhang, der die Verbesserung eines Gesundheitszustandes dank des Verzehrs eines Lebensmittels impliziert (EuGH, GRUR 2012, 1161, 1162 Rn. 35 ff. – Deutsches Weintor; BGH, GRUR 2013, 189, Rn. 9 – Monsterbacke; BGH, GRUR 2013, 958, Rn. 10 – Vitalpilze). Maßgeblich ist dabei nach Erwägungsgrund 16 zur HCVO, wie Angaben über Lebensmittel von Verbraucherinnen und Verbrauchern verstanden werden, wobei auf das Verständnis des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist, welches naturgemäß auch durch Vorerwartungen und Kenntnisse geprägt wird (BGH, GRUR 2014, 500, 501 Rn. 18 – Praebiotik; OLG Hamburg, Beschluss vom 22.12.2020 – 3 U 194/18, GRUR-RS 2020, 55534 Rn. 20).
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Nach diesen Maßstäben ist die Bezeichnung „Fatburner“ gesundheitsbezogen. Sie suggeriert, das gegenständliche Produkt erhöhe die Fettverbrennung und trage so unmittelbar zur Gewichtsreduktion bei. Dass Übergewicht gesundheitsschädlich, seine Reduktion mithin gesundheitsförderlich, ist, ist allgemein bekannt.
38
Ob es sich bei Angaben über schlankmachende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften des Lebensmittels begrifflich um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der Definition des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO handelt, kann letztlich allerdings dahinstehen, weil der Gesetzgeber mit der Bezugnahme des Art. 10 HCVO auf Art. 13 HCVO positiv entschieden hat, dass solche Angaben dem Verbot des Art. 10 in jedem Fall unterworfen sind. Art. 13 Abs. 1 lit. c HCVO bezieht sich ausdrücklich auf schlankmachende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften eines Lebensmittels [Sosnitza/Meisterernst/Rathke/Hahn, Lebensmittelrecht, 174. EL Juli 2019, VO (EG) 1924/2006, Art. 10 Rn. 5].
39
(3) Die Angabe „Figura Fatburner“ ist eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 10 Abs. 1 HCVO.
40
Für eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 10 Abs. 1 HCVO in Abgrenzung zur allgemeinen gesundheitsbezogenen Angabe nach Art. 10 Abs. 3 HCVO ist ein qualifizierter Funktionszusammenhang erforderlich. Es kommt darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung in einem Zulassungsverfahren überprüft werden kann (BGH, GRUR 2020, 1007, 1009 Rn. 23 – B-Vitamine II; GRUR 2016, 1200, 1201 f. Rn. 24 – Repair-Kapseln; Meisterernst, Lebensmittelrecht, 2. Aufl. 2024, § 11 Rn. 85).
41
Die Produktbezeichnung „Fatburner“ stellt einen unmittelbaren Zusammenhang seiner Einnahme mit einer Gewichtsreduktion durch Abbau überflüssigen Körperfetts her. Es handelt sich um einfache englische Begriffe, die in ihrer Zusammensetzung vom durchschnittlichen Verbraucher als „Fettverbrenner“ verstanden werden. Kern der Aussage ist, dass bei Einnahme des Produkts eine erhöhte Fettverbrennung durch Beschleunigung des Fett- und Energiestoffwechsels erzielt werden könne. Dies stellt einen unmittelbaren Wirkungszusammenhang zwischen der Einnahme des Lebensmittels und einer Funktion des menschlichen Organismus, nämlich des Fettstoffwechsels, her, dessen wissenschaftliche Absicherung der Überprüfung in einem Zulassungsverfahren nach Art. 13 Abs. 3 HCVO zugänglich ist (OLG Hamburg, Beschluss vom 22.12.2020 – 3 U 194/18, GRUR-RS 2020, 55534 Rn. 26; OLG Frankfurt, Urteil vom 29.05.2019 – 6 U 38/18 –, Rn. 29, juris).
42
(4) Die Angabe ist unzulässig, weil sie weder in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 Abs. 3 HCVO i. V. m. Verordnung (EU) 432/2012 aufgenommen worden noch nach anderen Regelungen erlaubt ist.
43
Es reicht nicht aus, dass auf der Verpackungsrückseite die unstreitig zugelassenen Claims für Cholin und Chrom „Cholin trägt zu einem normalen Fettstoffwechsel bei“ bzw. „Chrom trägt zu einem normalen Stoffwechsel von Makronährstoffen bei“ abgedruckt sind, da – wie oben aufgezeigt – die der Bezeichnung Figura Fatburner zugeschriebene Bedeutung über diejenige der einzelnen Stoffe Cholin und Chrom hinausgeht.
44
Zu Recht weist die Beklagte zwar darauf hin, dass für die Auslegung von gesundheitsbezogenen Angaben die maßgeblichen Begriffe nicht isoliert betrachtet, sondern in den Kontext der gesamten Produktaufmachung gestellt werden müssen (BGH, GRUR 2016, 412, 416 Rn. 49 – Lernstark; OLG München, Urteil vom 11.04.2024 – 29 U 3902/20, GRUR-RS 2024, 23216 Rn. 38 – 7 x mehr). Der Begriff des Fatburners erhält aber auch im Kontext der Gesamtaufmachung des Produkts keine andere Bedeutung. Insbesondere ist er nicht so zu verstehen, seine Funktionsweise beschränke sich auf die Wirkungen von Cholin und Chrom, die auf der Verpackungsrückseite mittels eines zugelassenen Claims abgedruckt sind.
45
Unstreitig besteht das Produkt „Figura Fatburner“ nicht nur aus diesen beiden Stoffen, sondern enthält weitere Bestandteile, u. a. den „Zitrus-Guarana-Komplex“. Bei diesem kann es sich nicht um bloße Füll- oder Trägerstoffe handeln, sondern ihm wird eine eigenständige förderliche Wirkung zugeschrieben. Das legt bereits die deutliche Hervorhebung auf der Vorderseite nahe und wird erst recht durch die auf der Rückseite verwendete Formulierung „Zudem“ – also über Cholin und Chrom hinaus – „ist die bewährte Kombination aus Zitrusfrüchten und Guarana enthalten“ suggeriert. Wenn dieser Kombination keine selbständige positive Wirkung zugeschrieben würde, wäre sie nicht als „bewährt“ bezeichnet worden. Der durchschnittliche Verbraucher erwartet daher, dass das Produkt „Figura Fatburner“ neben den Wirkungen von Cholin und Chrom auch auf den Wirkungen des Zitrus-Guarana-Komplexes basiert.
46
Dem steht die von der Beklagten zitierte Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 12.11.2014 (6 U 123/14; BeckRS 2015, 3326) nicht entgegen. Dieser Entscheidung lag ein Produkt zugrunde, das den schlichten Namen „Nahrungsergänzungsmittel mit Ginkgo Ginseng + B-Vitamine“ trug. Eine besondere Wirkung ließ sich aus diesem Namen isoliert betrachtet nicht ableiten. Es unterscheidet sich damit wesentlich von dem hier gegenständlichen Produkt „fatburner“. Gleiches gilt für das Urteil des LG Düsseldorf vom 28.08.2014, Az. 14c O 138/13 (LMuR 2014, 250), das ein Produkt mit der Bezeichnung „Doppelherz aktiv Ginkgo + B-Vitamine + Cholin“ zum Gegenstand hatte.
47
Außerdem weist der auf der Produktvorderseite abgebildete flache Bauch und der mit dem Begriff „Fatburner“ verbundene Name „Figura“ auf eine unmittelbar fettabbauende Wirkung im Bauchbereich hin, also zur Reduktion von Bauchfett. Die Abbildung einer schlanken Taille allein wäre bereits eine Angabe im Sinne des Art. 2 Nr. 1 HCVO, auch wenn eine schlankmachende Wirkung nicht textlich behauptet wird (Holle/Hüttebräuker/Conte-Salinas, HCVO, 1. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 57). Realistischerweise wird eine sichtbare Reduktion von Körperfett auch das Ziel der meisten Kaufinteressenten sein.
48
Diese Wirkung hat der „Figura Fatburner“ nicht, auch wenn es mangels zugelassenen Claims hierauf nicht streitentscheidend ankommt. Die Beklagte trägt selbst vor, Chrom spiele eine essenzielle Rolle im Fettstoffwechsel für die Wirksamkeit des Insulins bei der Regulierung des Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsels. Die Mechanismen für diese Funktionen seien aber noch nicht abschließend geklärt. Cholin spiele eine herausragende Rolle beim Transport und Stoffwechsel von Lipiden und Cholesterin. Es könne zwar vom Menschen gebildet werden, jedoch reiche die Biosynthese nicht aus, um den Bedarf vollständig zu decken. Daher sei eine adäquate Versorgung über die Nahrung notwendig, damit es nicht zu Mangelzuständen kommt. Ein symptomatischer Cholinmangel beim Menschen sei selten. Mögliche Folge eines Cholinmangels sei eine nicht-alkoholabhängige Fettleber. Das bedeute, dass die Fette mit Hilfe von Lipoproteinen nicht aus der Leber heraus zu den extrahepatischen Geweben transportiert werden könnten, wo sie u. a. im Rahmen der zum Fettstoffwechsel gehörenden Fettverbrennung zur Energiegewinnung abgebaut werden können.
49
Da der Kreis an Cholinmangel leidender Personen mithin gering ist und selbst diesen als typische Folge eine äußerlich nicht sichtbare Fettleber droht, aber kein erhöhtes Bauchfett, ist ein Zusammenhang mit der landläufigen Vorstellung des „Abnehmens“ höchstens marginal vorhanden.
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Ob dies bei isolierter Betrachtung nur der Rückseite als ausreichend dargelegt anzusehen wäre, kann dahinstehen. Die Suggestion der Abnehmwirkung durch die Gestaltung der Vorderseite und den Produktnamen „Figura Fatburner“ relativiert die Hinweise auf der Packungsrückseite zur Funktion von Cholin und Chrom nämlich wieder. Das Gebot einer Gesambetrachtung der Verpackung verbietet eine isolierte Würdigung der Rückseite ebenso wie der Vorderseite.
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Das Urteil des BGH „Lernstark“ vom 10.12.2015 (I ZR 222/13 – GRUR 2016, 412) steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Eine Vergleichbarkeit verbietet sich schon deshalb, weil der Begriff „Fatburner“ eine spezifische, der Begriff „Lernstark“ aber eine unspezifische gesundheitsbezogene Angabe gem. Art. 10 Abs. 3 HCVO darstellt (BGH a. a. O.,S. 414 Rn. 24, 27 ff.). Ein zugelassener Claim für die Funktion „Lernstark“, der über die Wirkweise ihrer Inhaltsstoffe hinausginge, war daher nach Art. 10 Abs. 3 HCVO nicht erforderlich. Für den durchschnittlichen Verbraucher ist klar ersichtlich, dass eine als „lernstark“ bezeichnete Substanz selbst nicht lernt, sondern allenfalls das Lernvermögen des Konsumenten unterstützt. Lernvermögen wiederum kann mit Konzentrationsvermögen gleichgesetzt werden. Dass Eisen die Konzentrationsfähigkeit unterstützt, ist indes ein zugelassener Claim, worauf der BGH seine Entscheidung gestützt hat.
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Der „Fettverbrenner“ dagegen findet im allgemeinen Sprachgebrauch Verwendung, und zwar im Sinne einer Substanz mit unmittelbar fettverbrennender Wirkung. Die Wirkung wird der Substanz selbst zugeschrieben, weshalb der Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. 1 HCVO eröffnet und ein zugelassener Claim erforderlich ist. Der von der Beklagten gezogene „Erst-recht-Schluss“ (Klageerwiderung S. 3 = Bl. 20 d. A.) trägt damit nicht.
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(5) Da es auf die Wirkweise von Chrom und Cholin nicht streitentscheidend ankommt, ist auch die beantragte Einholung eines diesbezüglichen Sachverständigengutachtens und Durchführung einer Zeugenvernehmung der … entbehrlich. Auch soweit die eidesstattliche Versicherung der … dahin geht, dass die Angabe „Der Fettstoffwechsel ist ein hochkomplexes System, zu dem auch die Fettverbrennung gehört.“ korrekt sei und als Lehrbuchwissen in der Ernährungswissenschaft und Medizin beschrieben werde (Anlage B 1, S. 7), ist eine Beweisaufnahme nicht erforderlich. Dieser auf der Rückseite der Produktverpackung aufgedruckte Satz mag für sich genommen zutreffend sein, ist aber nicht geeignet, den aus der Produktbezeichnung „Fatburner“ entstehenden Eindruck zu relativieren.
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(6) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Zulassung eines Claims auch nicht entbehrlich, weil die EU-Kommission bzw. die European Food Safety Authority (EFSA) die Bewertung von Claims für Botanicals zunächst zurückgestellt hat. Dies folgt schon daraus, dass der Fatburner kein Botanical darstellt. Als „Botanicals“ werden Pflanzen und Pflanzenstoffe bezeichnet, die eine funktionelle Wirkung haben sollen (Meisterernst, Möglichkeiten der Vermarktung von Botanicals aus Sicht des Lebensmittelrechts, GRUR 2018, 482). Das trifft auf den Fatburner nicht zu, der erkennbar keine Pflanze und kein Pflanzenstoff ist. Selbst wenn mit der Beklagten allein auf die Wirkstoffe Chrom und Cholin abgestellt wird, gilt nichts anderes. Chrom ist offenkundig nicht pflanzlicher Natur. Dass Cholin ebenfalls kein Botanical darstellt, folgt schon daraus, dass für diese Substanz unstreitig ein zugelassener Claim existiert.
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Unabhängig davon kann die von der Beklagten umfangreich zitierte (Schriftsatz vom 11.04.2024, S. 13 ff. = Bl. 30 ff. d. A.) im einzelnen umstrittene Rechtsprechung, dass für Botanicals die Aufnahme in die Gemeinschaftsliste oder auch nur ein entsprechender Antrag keine Voraussetzung für die Zulässigkeit entsprechender gesundheitsbezogener Angaben sei bzw. die Frage durch Vorlage an den EuGH geklärt werden müsse (BGH, Beschluss vom 01.06.2023, Az. I ZR 109/22), allenfalls für Zusammenhänge gelten, deren Vorhandensein behauptet und deren Eintragung zumindest beabsichtigt ist. Die Beklagte behauptet jedoch selbst nicht, dass die Eintragung eines Claims für den Fatburner im Sinne einer unmittelbar körperfettreduzierenden Wirkung beantragt werden soll. Wenn aber die Zulassung eines entsprechenden Claims nicht angestrebt wird, weil ein Wirkungszusammenhang gar nicht behauptet und ein Antrag damit nicht als erfolgversprechend angesehen wird, dann spielt die Zurückstellung durch die EU-Kommission bzw. die EFSA keine Rolle.
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Deshalb bedarf es vorliegend auch keiner Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH gem. § 148 ZPO.
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bb. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger auch aus § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 39 UKIaG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 a) LMIV zu.
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Gemäß Art. 7 Abs. 1a) LMIV dürfen Informationen über die Eigenschaften eines Lebensmittels nicht irreführend sein. Entsprechend Art. 2 lit. b RL 2006/114/EG (Werbe-RL) ist jede Aussage irreführend, die in irgendeiner Weise die Personen, an die sie sich richtet oder die von ihr erreicht werden, täuscht oder zu täuschen geeignet ist. Daraus ergibt sich, dass eine Information über Lebensmittel i. S. d. Art. 7 LMIV irreführend ist, wenn sie den Endverbraucher zu täuschen geeignet ist, d. h. die Gefahr einer Diskrepanz der Fehlvorstellung des Endverbrauchers gegenüber der Realität besteht (BGH, GRUR 2022, 1347, 1349 Rn. 21 – 7 x mehr; Sosnitza/Meisterernst/Sosnitza, Lebensmittelrecht, 189. EL April 2024, LMIV Art. 7 Rn. 48; Voit/Grube/Grube, LMIV, 2. Aufl. 2016, Art. 7 Rn. 46). Vorliegend vermittelt die Bezeichnung „Fatburner“ den Eindruck, dass der Konsum den Fettstoffwechsel und den Abbau von überschüssigem Körperfett über die natürliche Funktionsweise hinaus fördert. Da dies tatsächlich nicht der Fall ist (s. oben), ist die Information zur Täuschung geeignet und damit irreführend gem. Art. 7 Abs. 1a) LMIV.
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cc. Schließlich kann der Kläger seinen Unterlassungsantrag mit Erfolg auch auf § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 HCVO, Art. 7 Abs. 1a) LMIV stützen.
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(1) Art. 10 Abs. 1 HCVO und Art. 7 Abs. 1a) LMIV stellen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG dar, deren Missachtung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern und Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen (BGH, GRUR 2019, 1299, 1300 Rn. 12 – Gelenknahrung III; GRUR 2015, 498, 500 Rn. 15 – Combiotik; OLG Celle, GRUR-RR 2019, 95 Rn. 12 – probiotischer Magermilchjoghurt).
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(2) In der Bezeichnung „Fatburner“ liegt ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO und Art. 7 Abs. 1a) LMIV (siehe oben).
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(3) Da die Beklagte die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben hat, streitet eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der gem. § 8 Abs. 1 UWG für einen Unterlassungsanspruch konstitutiven Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, UWG, 42. Aufl. 2024, § 8 Rn. 1.43). Gründe, die eine Wiederholungsgefahr ausnahmsweise auch ohne Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausreichen ließen, sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Insbesondere wäre eine Änderung des Produktnamens nicht ausreichend, da die Beklagte auch in diesem Fall jederzeit die Verwendung der Bezeichnung „Fatburner“ wieder aufnehmen könnte.
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b. Da der Unterlassungsanspruch begründet ist, steht dem Kläger auch ein Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Aufwendungen gemäß § 13 Abs. 3 UWG und § 5 UKIaG i.V.m. § 13 Abs. 3 UWG zu.
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aa. Der Höhe nach ist der geltend gemachte Betrag von 299,60 € nicht zu beanstanden und wird von der Beklagten auch nicht angegriffen.
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bb. Zinsbeginn ist nach dem Abmahnschreiben vom 25.09.2023 und den dort enthaltenen Fristsetzungen wie beantragt der 24.10.2023.
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Wenn der Kostenerstattungsanspruch gem. § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG bereits in der Abmahnung geltend gemacht wird und der Abgemahnte die Abmahnung insgesamt zurückweist, tritt nach § 286 Abs. 1 und 2 Nr. 3 BGB auch ohne Mahnung Verzug ein, sodass vom Folgetag an Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB anfallen. Durch die Zurückweisung gibt der Abgemahnte zu erkennen, dass er auch die Zahlung der Abmahnpauschale verweigern wird. Darin liegt eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung, weshalb eine gesonderte Mahnung gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich ist (OLG Frankfurt, WRP 1991, 326, 327; Russlies, Die Abmahnung im gewerblichen Rechtsschutz, 1. Aufl. 2021, Rn. 458).
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Diese Voraussetzung liegt vor. Der Kläger hat im Abmahnschreiben vom 25.09.2023 die Abmahnkosten in der mit der Klage beantragten Höhe geltend gemacht. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 09.10.2023 die Abgabe der Unterlassungserklärung verweigert, da sie die Beanstandung für unbegründet hielt (Anlage K 3, S. 4). Daher wirkte der Ablauf der vom Kläger gesetzten Zahlungsfrist ausnahmsweise ohne Mahnung verzugsbegründend.
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1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709, 713, 543 Abs. 2, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 6 Abs. 2 UKlaG. Von der an sich nach § 709 S. 1 ZPO notwendigen Sicherheitsleistung ist entsprechend dem Rechtsgedanken des § 713 ZPO abzusehen, weil ein Rechtsmittel nicht zulässig ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.05.2024 – 20 UKl 6/23, BeckRS 2024, 10956, Rn. 24).
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 6 Abs. 2 UKlaG i. V. m. §§ 542, 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die grundlegenden Rechtsfragen sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, von der der Senat nicht abweicht.