Titel:
Ansprüche nach Patentverletzung
Normenketten:
PatG § 139 Abs. 1 S. 3, § 140a Abs. 4, § 140b Abs. 1, Abs. 3
EPÜ Art. 64 Abs. 1, Abs. 3
ZPO § 148 Abs. 1
BGB § 242, § 259
AEUV Art. 102, Art. 267
Leitsätze:
1. Die Passivlegitimation einer Verkäuferin patentverletzender Produkte beschränkt sich nicht auf den Unterlassungsanspruch im Rahmen einer reinen Störerhaftung, wenn sie eine Tochtergesellschaft der Herstellerin ist. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Patentverletzer handelt treuwidrig, wenn er einerseits lizenzunwillig ist und sich andererseits auf den Unverhältnismäßigkeitseinwand beruft. (Rn. 93) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Anordnung einer Auskunftserteilung in elektronischer Form spielt es keine Rolle, ob die geschuldeten Auskünfte bei der auskunftspflichtigen Beklagten bereits in elektronischer Form vorliegen. (Rn. 106) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Darlegungs- und Beweislast für den Missbrauch der Marktmacht durch den Patentinhaber liegt bei dem beklagten Verletzter. (Rn. 121) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine deutlich über den Streitwert hinausgehende Sicherheitsleistung setzt einen substantiierten sowie durch belastbare Unterlagen belegten Vortrag voraus. (Rn. 213 und 214) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Patentverletzung, Lizenzverhandlungen, FRAND-Bedingungen, Unterlassungsanspruch, Vollstreckungssicherheit, Nichtigkeitsklage, Zwangslizenzeinwand
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 40789
Tenor
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
a) elektronische Vorrichtungen zum Decodieren einer Abfolge von codierten Bildern zu einer Abfolge von decodierten Bildern,
wobei sich die Abfolge von codierten Bildern auf derselben räumlichen Skalierbarkeitsschicht und auf derselben Qualitätsskalierbarkeitsschicht befindet, die Folgendes aufweist: einen Prozessor; und eine Speichereinheit, die betriebsfähig mit dem Prozessor verbunden ist und ein Computerprogrammprodukt enthält, das aufweist
einen Computercode zum Decodieren eines ersten codierten Bilds der Abfolge von codierten Bildern zu einem ersten decodierten Referenzbild der Abfolge von decodierten Bildern, wobei das erste codierte Bild einen ersten zeitlichen Lagewert zum Anzeigen einer zeitlichen Skalierbarkeit des ersten codierten Bilds aufweist,
einen Computercode zum Decodieren nach dem Decodieren des ersten codierten Bilds eines zweiten codierten Bilds der Abfolge von codierten Bildern zu einem zweiten decodierten Bild der Abfolge von decodierten Bildern, wobei das zweite codierte Bild einen zweiten zeitlichen Lagewert zum Anzeigen einer zeitlichen Skalierbarkeit des zweiten codierten Bilds aufweist, wobei das Decodieren eine Prädiktion aus dem ersten decodierten Referenzbild aufweist,
gekennzeichnet durch einen Computercode zum Decodieren einer Anzeige, wobei die Anzeige ein Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwert ist, wobei die Anzeige, die ein Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwert ist, anzeigt, dass das zweite codierte Bild und alle folgenden codierten Bilder in der Abfolge von codierten Bildern in einer Decodierungsreihenfolge, die den zweiten zeitlichen Lagewert aufweisen, ohne eine Interprädiktion aus irgendeinem codierten Bild mit demselben zweiten zeitlichen Lagewert in die Abfolge von codierten Bildern decodierbar sind, das in einer Decodierungsreihenfolge dem zweiten codierten Bild vorausgeht, und
wobei der zweite zeitliche Lagewert eine höhere zeitliche Skalierbarkeitsschicht anzeigt als der erste zeitliche Lagewert, und wobei der erste zeitliche Lagewert die nächst niedrigere zeitliche Skalierbarkeitsschicht im Vergleich zu der höheren zeitlichen Skalierbarkeitsschicht anzeigt, die durch den zweiten zeitlichen Lagewert angezeigt wird, und
wobei das Decodieren der Anzeige das Decodieren des Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwerts von dem zweiten codierten Bild umfasst,
- unmittelbare Verletzung von Anspruch 9 -
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
nämlich Endnutzergeräte der Beklagten, die fähig sind, die HEVC-Technologie zu nutzen,
insbesondere die folgenden Modelle der Beklagten
b) elektronische Vorrichtungen, die dazu geeignet und bestimmt sind, Verfahren zum Decodieren einer Abfolge von codierten Bildern zu einer Abfolge von decodierten Bildern durchzuführen,
wobei sich die Abfolge von codierten Bildern auf derselben räumlichen Skalierbarkeitsschicht und auf derselben Qualitätsskalierbarkeitsschicht befindet, wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:
Decodieren eines ersten codierten Bilds der Abfolge von codierten Bildern zu einem ersten decodierten Referenzbild der Abfolge von decodierten Bildern, wobei das erste codierte Bild einen ersten zeitlichen Lagewert zum Anzeigen einer zeitlichen Skalierbarkeit des ersten codierten Bilds aufweist,
nach dem Decodieren des ersten codierten Bilds Decodieren eines zweiten codierten Bilds der Abfolge von codierten Bildern zu einem zweiten decodierten Bild der Abfolge von decodierten Bildern, wobei das zweite codierte Bild einen zweiten zeitlichen Lagewert zum Anzeigen einer zeitlichen Skalierbarkeit des zweiten codierten Bilds aufweist, wobei das Decodieren eine Prädiktion des ersten decodierten Referenzbilds aufweist,
gekennzeichnet durch Decodieren einer Anzeige, wobei die Anzeige ein Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwert ist, wobei die Anzeige, die ein Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwert ist, anzeigt, dass das zweite codierte Bild und alle folgenden codierten Bilder in der Abfolge von codierten Bildern in einer Decodierungsreihenfolge, die den zweiten zeitlichen Lagewert aufweisen, ohne eine Interprädiktion aus irgendeinem codierten Bild mit demselben zweiten zeitlichen Lagewert in der Abfolge von codierten Bildern decodierbar sind, das in einer Decodierungsreihenfolge dem zweiten codierten Bild vorausgeht, und
wobei der zweite zeitliche Lagewert eine höhere zeitliche Skalierbarkeitsschicht anzeigt als der erste zeitliche Lagewert, und wobei der erste zeitliche Lagewert die nächst niedrigere zeitliche Skalierbarkeitsschicht im Vergleich zu der höheren zeitlichen Skalierbarkeitsschicht anzeigt, die durch den zweiten zeitlichen Lagewert angezeigt wird, und wobei das Decodieren der Anzeige das Decodieren des Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwerts von dem zweiten codierten Bild umfasst,
- mittelbare Verletzung von Anspruch 4 -
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zur Verwendung im Inland anzubieten und/oder an solche zu liefern
nämlich Endnutzergeräte der Beklagten, die fähig sind, die HEVC-Technologie zu nutzen,
insbesondere die folgenden Modelle der Beklagten
2. der Klägerin schriftlich und elektronisch darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie – die Beklagten – seit dem 1. Januar 2023 die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Mengen der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden; wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung schriftlich darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie – die Beklagten – die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 2023 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnung sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
wobei die gesamten Rechnungslegungsdaten zusätzlich in einer mittels EDV auswertbaren elektronischen Form zu übermitteln sind;
4. nur die Beklagte zu 2: die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer 1. a) bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 2 – Kosten herauszugeben;
5. die unter Ziffer 1. a) bezeichneten, in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den mit Urteil des Landgerichts München I vom 19.09.2024 festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die ihr durch die unter Ziffern 1. bezeichneten, seit dem 1. Januar 2023 begangenen Handlungen der Beklagten entstanden sind und noch entstehen werden.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 10 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch 90 %.
V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar:
- in Ziffer I.1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von …
- in den Ziffern I.2 und I.3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von …,
- in Ziffer I.4 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von …
- in Ziffer I.5 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von …,
- in Ziffer IV gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages
Hinsichtlich Ziffer I.1, I.4 und I.5 ist die Vollstreckung gegen einzelne angegriffene Produktgruppen möglich. Dabei gilt, dass auf Fernseher 10 %, … %, Tablets 35 % und … 70 % des oben angegebenen Sicherheitsleistungsbetrags entfallen.
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents 2 375 749 durch die von ihnen vertriebenen und den HEVC-Standard implementierenden Endgeräte in Anspruch.
2
Die Klägerin ist Teil des …-Konzerns, zu dessen Geschäftsfeldern die Erforschung und Entwicklung neuer Technologien, hauptsächlich im Bereich der Telekommunikation, zählen. Der …-Konzern ist Inhaber zahlreicher Schutzrechte auf dem Gebiet der Informations- und Telekommunikationstechnologien. Die Klägerin ist konzernintern verantwortlich für die Verwaltung und Lizenzierung des Patentportfolios.
3
Die Klägerin ist Inhaberin des am 11.10.2006 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 11.10.2005 angemeldeten Europäischen Patents 2 375 749. Der Erteilungshinweis wurde am 23.11.2016 veröffentlicht. Das Patent ist für die Bundesrepublik Deutschland validiert. Auf Antrag der Klägerin wurde das Klagepatent mit Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) vom 21.06.2022 beschränkt (DE 60 2006 051 050 C5). In diesem beschränkten Umfang steht das Patent in Kraft (im Folgenden: Klagepatent; Anlage … 8).
4
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Codierung und Decodierung von Videos, die skalierbare Schichten aufweisen. Die beiden hier maßgeblichen Ansprüche betreffend Verfahren und Vorrichtung zur Decodierung lauten:
„A method of decoding a sequence of coded pictures into a sequence of decoded pictures, the sequence of coded pictures being on the same spatial scalability layer and on the same quality scalability layer, the method comprising decoding a first coded picture of said sequence of coded pictures into a first decoded reference picture of the sequence of decoded pictures, the first coded picture comprising a first temporal level value for indicating temporal scalability of the first coded picture, decoding, after decoding the first coded picture, a second coded picture of said sequence of coded pictures into a second decoded picture of the sequence of decoded pictures, the second coded picture comprising a second temporal level value for indicating temporal scalability of the second coded picture, the decoding comprising prediction from the first decoded reference picture, characterised by decoding an indication, wherein the indication is a Network Abstraction Layer (NAL) unit type value, wherein the indication that is a Network Abstraction Layer (NAL) unit type value indicates that the second coded picture and all following coded pictures in the sequence of coded pictures in decoding order comprising the second temporal level value are decodable without inter prediction from any coded picture with the same second temporal level value in the sequence of coded pictures prior to, in decoding order, the second coded picture, and wherein the second temporal level value indicates a higher temporal scalability layer than the first temporal level value, and wherein the first temporal level value indicates the next lower temporal scalability layer compared to the higher temporal scalability layer indicated by the second temporal level value, and wherein decoding the indication comprises decoding the Network Abstraction Layer (NAL) unit type value from the second coded picture“.
„An electronic device for decoding a sequence of coded pictures into a sequence of decoded pictures, the sequence of coded pictures being on the same spatial scalability layer and on the same quality scalability layer, comprising: a processor; and a memory unit operatively connected to the processor and including a computer program product comprising computer code for decoding a first coded picture of said sequence of coded pictures into a first decoded reference picture of the sequence of decoded pictures, the first coded picture comprising a first temporal level value for indicating temporal scalability of the first coded picture, computer code for decoding, after decoding the first coded picture, a second coded picture of said sequence of coded pictures into a second decoded picture of the sequence of decoded pictures, the second coded picture comprising a second temporal level value for indicating temporal scalability of the second coded picture, the decoding comprising prediction from the first decoded reference picture, characterised by computer code decoding an indication, wherein the indication is a Network Abstraction Layer (NAL) unit type value, wherein the indication that is a Network Abstraction Layer (NAL) unit type value indicates that the second coded picture and all following coded pictures in the sequence of coded pictures in decoding order comprising the second temporal level value are decodable without inter prediction from any coded picture with the same second temporal level value in the sequence of coded pictures prior to, in decoding order, the second coded picture, and wherein the second temporal level value indicates a higher temporal scalability layer than the first temporal level value, and wherein the first temporal level value indicates the next lower temporal scalability layer compared to the higher temporal scalability layer indicated by the second temporal level value, and wherein decoding the indication comprises decoding the Network Abstraction Layer (NAL) unit type value from the second coded picture“.
5
Gegen das Klagepatent hat die Beklagte zu 2) am 19.02.2024 Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben (Az: 2 Ni 15/24 (EP)). Ein Hinweisbeschluss nach § 83 Abs. 1 PatG ist noch nicht ergangen.
6
Die Beklagten sind Teil des … Konzerns, zu dessen Geschäftsfeldern unter anderem der … und die Entwicklung von Multimediaprodukten gehören. Die Beklagte zu 1) ist für den technischen Betrieb der Internetseite … verantwortlich, über die Produkte von … nach Deutschland verkauft und versendet werden. Die Beklagte zu 2) ist Verkäuferin der Produkte, die auf der Internetseite … mit … in Deutschland angeboten werden. Die Beklagte zu 3) ist die Muttergesellschaft im …-Konzern. Sie hält mittelbar über eine weitere Gesellschaft aus dem …-Konzern 100 % der Anteile an der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) hält 100 % der Anteile an der Beklagten zu 2).
7
Weiter betreibt der Konzern ein Streamingangebot, welches in der Bundesrepublik Deutschland Teil des Angebots „…“ ist. Nutzer dieses Angebots können sich Filme und Serien auf dafür geeigneten Endgeräten anschauen.
8
Die Klägerin wendet sich mit der vorliegenden Klage gegen das Anbieten und das Inverkehrbringen der über die Intemetseite … vertriebenen Endgeräte der Beklagten („…“), welche Videodaten nach dem H.265/HEVC-Standard decodieren können. Dabei bezieht sich die Klägerin insbesondere auf die folgenden Endgeräte:
9
Die Parteien verhandeln seit … über eine Lizenz für die Videocodierungspatente der Klägerin. …. Auf Seiten der Beklagten wurden und werden die Verhandlungen dabei von der Beklagten zu 3) geführt.
10
Im Einzelnen wurden bislang folgende Angebote und Gegenangebote für die hier streitgegenständlichen Videocodierungspatente im Standard H.264/AVC und H.265/HEVC unterbreitet:
11
Am … bot die Klägerin eine Pauschallizenz in Höhe von … für ihre … an (Anlagen … 1-2). Mit E-Mail vom … übermittelte die Klägerin eine Liste ihrer Patente, die bei der Codierung und Decodierung im Standard H.264 und H.265 aus ihrer Sicht implementiert werden; darunter wird auch das Klagepatent aufgeführt (Anlage … 50). Mit E-Mail vom … übermittelte die Klägerin eine Präsentation und nochmals Listen ihrer im Standard H.264 und H.265 implementierten Patente (Anlage … 51).
12
Die Beklagte zu 3) nahm dieses Angebot nicht an und unterbreitete am … ein Gegenangebot, das eine Pauschallizenz in Höhe von … für … der Klägerin für … der Beklagten für die Jahre … vorsah (Anlagen … 4-6).
13
Die Klägerin nahm dieses Gegenangebot nicht an und bot am … eine Pauschallizenz in Höhe von … für ihre standardessenziellen Patente in den Bereichen … für die … der Beklagten – unter Ausnahme der … – für die Jahre … an (Anlage … 7).
14
Die Beklagte zu 3) nahm dieses Angebot nicht an und unterbreitete am … ein Gegenangebot, das eine Pauschallizenz in Höhe von … für standardessenzielle Patente in den Bereichen … für … der Beklagten, wie den …, unter Ausnahme … der Beklagten für die Jahre … vorsah (Anlagen … 8-9).
15
Die Klägerin nahm dieses Gegenangebot nicht an und bot am … eine Pauschallizenz in Höhe von … für ihre standardessenziellen Patente in den Bereichen … für … der Beklagten für die Jahre … an (Anlage … 10).
16
Die Beklagte zu 3) nahm dieses Angebot nicht an und unterbreitete am … ein Gegenangebot, das eine Pauschallizenz in Höhe von … für standardessentielle Patente in den Bereichen … für Produkte der Beklagten und … wie den …, unter Ausnahme … der Beklagten für die Jahre … vorsah (Anlagen … 11-12).
17
Die Klägerin nahm dieses Gegenangebot nicht an und bot am … eine Pauschallizenz in Höhe von … für ihre standardessenziellen Patente in den Bereichen … für … der Beklagten für die Jahre … an (Anlage …).
18
Die Beklagte zu 3) nahm dieses Angebot nicht an und unterbreitete am … ein Gegenangebot, das eine Pauschallizenz in Höhe von … für standardessentielle Patente in den Bereichen … für alle … der Beklagten, wie den …, – unter Ausnahme weiterer … der Beklagten – für die Jahre … vorsah (Anlagen …).
19
Die Klägerin nahm dieses Gegenangebot nicht an und bot am … eine Pauschallizenz in Höhe von … für standardessenzielle Patente in den Bereichen … für … der Beklagten für die Jahre … an (Anlage … 16).
20
Die Beklagte zu 3) nahm dieses Angebot nicht an.
21
Am … bot die Klägerin eine Pauschallizenz in Höhe von … für standardessenzielle Patente in den Bereichen … sowie die … in dem Standard für … der Beklagten für die Jahre … an (Anlagen … 17-18). Auf dieser Grundlage arbeitete die Klägerin im Folgenden einen Vertragsentwurf unter Einbindung der Beklagten zu 3) aus, den sie ihr schließlich am … zur Unterschrift übermittelte (vgl. Anlagen … 19-29).
22
Die Beklagte zu 3) unterschrieb den Vertragsentwurf nicht und teilte der Klägerin am … mit, zum Abschluss eines Vertrages mit dem entsprechenden Lizenzumfang nur zu einem Preis von … bereit zu sein (Anlage … 31).
23
Am … passte die Klägerin ihr bisheriges Vertragsangebot dahingehend an, dass sie die zuletzt angebotene Pauschallizenz auf … ermäßigte (Anlagen … 33-34). Am … übermittelte die Klägerin eine anonymisierte und abstrahierte Übersicht über Strukturen der von ihr abgeschlossenen Lizenzverträge (Anlagen … 35-36).
24
Die Beklagte zu 3) nahm dieses Angebot nicht an und unterbreitete am … ein Gegenangebot, das vorsah einerseits eine Pauschallizenz in Höhe von … für standardessentielle Patente der Klägerin in den Bereichen … für … der Beklagten für die Jahre … und andererseits eine … bei der Beklagten in Höhe von … zu … (Anlagen … 39-40).
25
Die Klägerin lehnte dieses Gegenangebot ab (Anlage … 39) und bot am … eine Stücklizenz für die … im … für … der Beklagten, …, an:
26
Zu der Stücklizenzgebühr von … für Decodierungs- und Encodierungspatente betreffend den Standard H.264 und H.265 übermittelte die Klägerin eine anonymisierte und abstrahierte Übersicht von Lizenzverträgen (Anlage … 42).
27
Am … bot die Klägerin auch eine Stücklizenz für … an (Anlagen … 18 und 19). Mit E-Mail vom … übermittelte die Klägerin eine aktualisierte Liste ihrer Patente betreffend den Standard H.264 und H.265, die aus ihrer Sicht bei … und … der Beklagten implementiert werden; dort wird auch das Klagepatent aufgeführt (Anlagen … 47 und 48).
28
Die Beklagte zu 3) nahm diese Angebote jeweils nicht an.
29
Am … reichte die Klägerin die Klageschrift in diesem Verfahren gegen die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) ein.
30
Am … unterbreitete die Beklagte zu 3) ein Gegenangebot, das eine Pauschallizenz in Höhe von … für alle standardessenziellen … der Klägerin für … und … der Beklagten, einschließlich …, für die Jahre … vorsah (Anlagen … 31-32). Mit E-Mail vom … übermittelte die Beklagte zu 3) auch Verkaufszahlen für HEVC- und AVC-fähige … für die Jahre … und entsprechende Schätzungen für die Jahre … (Anlage … 33). Am … übermittelte die Beklagte zu 3) für dieses Gegenangebot noch eine Bankgarantie in Höhe von … (Anlagen … 39 und 41).
31
Die Klägerin nahm dieses Gegenangebot nicht an.
32
Am … unterbreitete die Beklagte zu 3) ein weiteres Gegenangebot, in dem sie sich zur Zahlung der im Rahmen des von ihr im Wege der Widerklage vor dem UK High Court angestrengten Ratenfestsetzungsverfahren festzusetzenden Lizenzgebühr verpflichtete (Anlagen … 37-38).
33
Die Klägerin nahm dieses Gegenangebot nicht an und bot am … eine Pauschallizenz in Höhe von … für die … für … für die Jahre … an (Anlage … 42).
34
Die Beklagte zu 3) nahm dieses Angebot bis zur mündlichen Verhandlung am 19.09.2024 nicht an und unterbreitete ihrerseits auch kein weiteres Gegenangebot mehr.
35
Im Rahmen dieses Verfahrens legte die Klägerin mit Schriftsatz vom … (Replik II) eine von ihr getroffene Auswahl aus etwa … Lizenzverträgen vor, die sie mit unterschiedlichen Lizenznehmern abgeschlossen hat (Anlagen … 62-96). Die Beklagten bemängelten die Repräsentativität der Auswahl und forderten die Vorlage weiterer Verträge.
36
Die Klägerin macht geltend, dass die angegriffenen Ausführungsformen, nämlich alle von den Beklagten in Deutschland angebotenen und vertriebenen Endgeräte der Beklagten, die Videodaten nach dem HEVC-Standard decodieren können, Anspruch 4 des Klagepatents mittelbar und Anspruch 9 des Klagepatents unmittelbar verletzten. Alle drei Beklagten seien für die Verletzung verantwortlich und damit passivlegitimiert. Eine unzulässige Beschränkung des Klagepatents sei nicht erfolgt. Eine Aussetzung des Verfahrens mit Blick auf die beim Bundespatentgericht anhängige Nichtigkeitsklage sei nicht gerechtfertigt. Den von ihr geltend gemachten Unterlassungs-, Rückrufs- und Vernichtungsansprüchen könnten die Beklagten weder den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand noch den patentrechtlichen Unverhältnismäßigkeitseinwand entgegenhalten. Auskunft und Rechnungslegung hätten auch in elektronischer Form zu erfolgen. Die Sicherheitsleistungen für die vorläufige Vollstreckbarkeit seien für die einzelnen Beklagten und Ansprüche separat festzusetzen.
37
Bezüglich der auf Auskunft, Rechnungslegung und die Feststellung zur Verpflichtung zu Schadensersatz gerichteten Ansprüche für die Zeit vor dem 01.01.2023 wurde die Klage zurückgenommen.
38
Die Klägerin beantragt zuletzt:
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
a) elektronische Vorrichtungen zum Decodieren einer Abfolge von codierten Bildern zu einer Abfolge von decodierten Bildern, wobei sich die Abfolge von codierten Bildern auf derselben räumlichen Skalierbarkeitsschicht und auf derselben Qualitätsskalierbarkeitsschicht befindet, die Folgendes aufweist: einen Prozessor; und eine Speichereinheit, die betriebsfähig mit dem Prozessor verbunden ist und ein Computerprogrammprodukt enthält, das aufweist einen Computercode zum Decodieren eines ersten codierten Bilds der Abfolge von codierten Bildern zu einem ersten decodierten Referenzbild der Abfolge von decodierten Bildern, wobei das erste codierte Bild einen ersten zeitlichen Lagewert zum Anzeigen einer zeitlichen Skalierbarkeit des ersten codierten Bilds aufweist, einen Computercode zum Decodieren nach dem Decodieren des ersten codierten Bilds eines zweiten codierten Bilds der Abfolge von codierten Bildern zu einem zweiten decodierten Bild der Abfolge von decodierten Bildern, wobei das zweite codierte Bild einen zweiten zeitlichen Lagewert zum Anzeigen einer zeitlichen Skalierbarkeit des zweiten codierten Bilds aufweist, wobei das Decodieren eine Prädiktion aus dem ersten decodierten Referenzbild aufweist, gekennzeichnet durch einen Computercode zum Decodieren einer Anzeige, wobei die Anzeige ein Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwert ist, wobei die Anzeige, die ein Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwert ist, anzeigt, dass das zweite codierte Bild und alle folgenden codierten Bilder in der Abfolge von codierten Bildern in einer Decodierungsreihenfolge, die den zweiten zeitlichen Lagewert aufweisen, ohne eine Interprädiktion aus irgendeinem codierten Bild mit demselben zweiten zeitlichen Lagewert in die Abfolge von codierten Bildern decodierbar sind, das in einer Decodierungsreihenfolge dem zweiten codierten Bild vorausgeht, und wobei der zweite zeitliche Lagewert eine höhere zeitliche Skalierbarkeitsschicht anzeigt als der erste zeitliche Lagewert, und wobei der erste zeitliche Lagewert die nächst niedrigere zeitliche Skalierbarkeitsschicht im Vergleich zu der höheren zeitlichen Skalierbarkeitsschicht anzeigt, die durch den zweiten zeitlichen Lagewert angezeigt wird, und wobei das Decodieren der Anzeige das Decodieren des Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwerts von dem zweiten codierten Bild umfasst,
- unmittelbare Verletzung von Anspruch 9 -
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, nämlich Endnutzergeräte der Beklagten, die fähig sind, die HEVC-Technologie zu nutzen, insbesondere die folgenden Modelle der Beklagten
b) elektronische Vorrichtungen, die dazu geeignet und bestimmt sind, Verfahren zum Decodieren einer Abfolge von codierten Bildern zu einer Abfolge von decodierten Bildern durchzuführen, wobei sich die Abfolge von codierten Bildern auf derselben räumlichen Skalierbarkeitsschicht und auf derselben Qualitätsskalierbarkeitsschicht befindet, wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist: Decodieren eines ersten codierten Bilds der Abfolge von codierten Bildern zu einem ersten decodierten Referenzbild der Abfolge von decodierten Bildern, wobei das erste codierte Bild einen ersten zeitlichen Lagewert zum Anzeigen einer zeitlichen Skalierbarkeit des ersten codierten Bilds aufweist, nach dem Decodieren des ersten codierten Bilds Decodieren eines zweiten codierten Bilds der Abfolge von codierten Bildern zu einem zweiten decodierten Bild der Abfolge von decodierten Bildern, wobei das zweite codierte Bild einen zweiten zeitlichen Lagewert zum Anzeigen einer zeitlichen Skalierbarkeit des zweiten codierten Bilds aufweist, wobei das Decodieren eine Prädiktion des ersten decodierten Referenzbilds aufweist, gekennzeichnet durch Decodieren einer Anzeige, wobei die Anzeige ein Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwert ist, wobei die Anzeige, die ein Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwert ist, anzeigt, dass das zweite codierte Bild und alle folgenden codierten Bilder in der Abfolge von codierten Bildern in einer Decodierungsreihenfolge, die den zweiten zeitlichen Lagewert aufweisen, ohne eine Interprädiktion aus irgendeinem codierten Bild mit demselben zweiten zeitlichen Lagewert in der Abfolge von codierten Bildern decodierbar sind, das in einer Decodierungsreihenfolge dem zweiten codierten Bild vorausgeht, und wobei der zweite zeitliche Lagewert eine höhere zeitliche Skalierbarkeitsschicht anzeigt als der erste zeitliche Lagewert, und wobei der erste zeitliche Lagewert die nächst niedrigere zeitliche Skalierbarkeitsschicht im Vergleich zu der höheren zeitlichen Skalierbarkeitsschicht anzeigt, die durch den zweiten zeitlichen Lagewert angezeigt wird, und wobei das Decodieren der Anzeige das Decodieren des Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwerts von dem zweiten codierten Bild umfasst,
- mittelbare Verletzung von Anspruch 4 -
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zur Verwendung im Inland anzubieten und/oder an solche zu liefern nämlich Endnutzergeräte der Beklagten, die fähig sind, die HEVC-Technologie zu nutzen, insbesondere die folgenden Modelle der Beklagten
2. der Klägerin schriftlich und elektronisch darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie – die Beklagten – seit dem 1. Januar 2023 die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Mengen der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden; wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung schriftlich darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie – die Beklagten – die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 2023 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnung sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
wobei die gesamten Rechnungslegungsdaten zusätzlich in einer mittels EDV auswertbaren elektronischen Form zu übermitteln sind;
4. nur die Beklagte zu 2: die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer 1. a) bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 2 – Kosten herauszugeben;
5. die unter Ziffer 1. a) bezeichneten, in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die ihr durch die unter Ziffern 1. bezeichneten, seit dem 1. Januar 2023 begangenen Handlungen der Beklagten entstanden sind und noch entstehen werden.
39
Die Beklagten beantragen:
1. Die Klage wird abgewiesen.
4. Hilfsweise: Der Rechtsstreit wird gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 2) gegen den deutschen Teil des Patents EP 2 375 749 ausgesetzt.
5. Hilfsweise: Die Ansprüche der Klägerin auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf sind gegenüber den Beklagten ausgeschlossen, wobei die Beklagten an die Klägerin eine angemessene Entschädigung bis zum Ende der Laufzeit des Klagepatents zu zahlen haben.
6. Weiter hilfsweise zu 5.: Den Beklagten wird eine Umstellungsfrist von sechs (6) Monaten ab dem Datum eines etwaigen Urteils der Kammer mit einem Unterlassungs-, Vernichtungs- und/oder Rückruftenor gewährt. Innerhalb der Frist kann ein etwaiger Unterlassungs-, Vernichtungs- und/oder Rückruftenor nicht vollstreckt werden. Für die Dauer der Umstellungsfrist haben die Beklagten an die Klägerin eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
7. Höchst hilfsweise: Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.
8. Das Urteil ist für die Klägerin nur gegen Erbringung wenigstens der nachfolgenden Sicherheitsleistungen vorläufig vollstreckbar:
a) … für den Unterlassungsanspruch unter Ziff. I.1 der Anträge der Klägerin, den Vernichtungsanspruch unter Ziff. I.4 der Anträge der Klägerin und die Ansprüche und Rückruf und Entfernung unter Ziff. I.5 der Anträge der Klägerin;
b) … für die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung unter Ziff. I.2 und I.3 der Anträge der Klägerin.
40
Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.
41
Die Beklagten machen geltend, dass es hinsichtlich der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 3) bereits an der Passivlegitimation fehle. Die von der Klägerin angegriffenen Ausführungsformen seien nicht hinreichend bestimmt – insoweit sei die Klage bereits unzulässig – und verletzten die hier maßgeblichen Ansprüche 4 und 9 des Klagepatents nicht. Am Bestand des Klagepatents bestünden erhebliche Zweifel, die eine Aussetzung des Verfahrens mit Blick auf die beim Bundespatentgericht anhängige Nichtigkeitsklage rechtfertigten. Die Beschränkung des Klagepatents sei unzulässig gewesen; in der beschränkten Form sei die Erfindung nicht offenbart und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dem Unterlassungs-, Rückruf- und Vernichtungsanspruch stünden der patentrechtliche Unverhältnismäßigkeitseinwand sowie der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand entgegen. Hilfsweise sei den Beklagten eine Umstellungsfrist zu gewähren. Ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung in elektronischer Form stehe der Klägerin nicht zu. Die Sicherheitsleistung für eine vorläufige Vollstreckbarkeit sei einheitlich festzusetzen.
42
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
43
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Die Anträge sind hinreichend bestimmt gefasst (A.I). Hinsichtlich des Feststellungsantrages unter Ziffer II. liegt ein Feststellungsinteresse vor (A.II). Die Beklagten sind passivlegitimiert (B.I). Nach zutreffender Auslegung der hier maßgeblichen Merkmale des Klagepatents (B.II) machen die angegriffenen Ausführungsformen mit Ausnahme derjenigen Endgeräte, die … verwenden, von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch (B.III). Der patentrechtliche Unverhältnismäßigkeitseinwand nach §§ 139 Abs. 1 S. 3, 140a Abs. 4 PatG greift nicht durch (B. IV.). Daraus ergeben sich die tenorierten Ansprüche (B.V.). Der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand (C.) bleibt ohne Erfolg. Das Verfahren war ferner nicht gemäß § 148 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht auszusetzen (D). Die Nebenfolgen waren wie tenoriert festzusetzen (E).
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I. Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt gefasst (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die von den Klageanträgen erfassten Gegenstände lassen sich unter Rückgriff auf die beispielhafte Aufzählung („insbesondere“) der konkret bezeichneten Gegenstände und den klarstellenden Ausführungen der Klägerin, wonach HEVC-fähige Endgeräte aus dem …-Konzern angegriffen werden, die mit dem Hinweis „… durch … auf der Internetseite … angeboten werden, hinreichend konkret bestimmen.
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II. Das für den Ausspruch in Ziffer II des Tenors erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist zu bejahen. Mit der Entscheidung über das Vorliegen einer Patentverletzung kann bereits jetzt über das Bestehen einer Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz dem Grunde nach entschieden werden. Für eine Bezifferung ihres Schadenersatzanspruchs darf die Klägerin noch die Auskunft und Rechnungslegung durch die Beklagten abwarten.
46
I. Sämtliche Beklagte sind passivlegitimiert.
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1. Die Passivlegitimation der Beklagten zu 2), die als Verkäuferin der als patentverletzend angegriffenen Produkte auftritt, die auf der Internetseite … in Deutschland angeboten werden, wurde von den Beklagten zurecht nicht bestritten.
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2. Die Passivlegitimation der Beklagten zu 1) beschränkt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch im Rahmen einer reinen Störerhaftung. Bei den Beklagten zu 1) und 2) handelt es sich jeweils um Tochtergesellschaften aus dem …-Konzern, die den … in Europa und damit auch in Deutschland arbeitsteilig umsetzen. Der technische Betrieb der hier maßgeblichen Internetseite … durch die Beklagte zu 1) ist dabei für den … als zentrales Geschäftsmodell des …-Konzerns ebenso wesentlich wie die Abwicklung des Verkaufs der auf dieser Internetseite angebotenen Produkte aus dem …-Konzern durch die Beklagte zu 2). Vor diesem Hintergrund ist die Beklagte zu 1) nicht lediglich als Störerin, sondern als (Mit-)Täterin hinsichtlich des Anbietens der als patentverletzend angegriffenen Produkte einzuordnen.
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3. Auch die Beklagte zu 3) ist entgegen der Ansicht der Beklagten passivlegitimiert. Der … ist das zentrales Geschäftsmodell des … Konzerns, dessen Muttergesellschaft die Beklagte zu 3) ist, und dessen Abwicklung durch einzelne Tochtergesellschaften der üblichen Praxis großer multinationaler Konzerne entspricht. Dies zeigt sich auch in der Unternehmensstruktur. Mittelbar hält die Beklagte zu 3) 100 % der Gesellschaftsanteile an der Beklagten zu 1) und über diese wiederum mittelbar auch 100 % der Gesellschaftsanteile an der Beklagten zu 2). Der … in Europa und damit auch in Deutschland und der Vertrieb konzerneigener Produkte erfolgen im Interesse des … Konzern als Ganzes und nicht lediglich im Interesse der Beklagten zu 1) und 2). Weiter hat die Beklagte zu 3) im … Konzern die zentrale und lenkende Rolle, was sich u.a. daran zeigt, dass Verhandlungen von globalem Interesse, wie die hierlstreitgegenständlichen Lizenzierungsverhandlungen, nicht eigenständig durch die betroffene(n) Tochtergesellschaft(en), sondern zentral von der Beklagten zu 3) mit Wirkung für die Beklagten zu 1) und 2) geführt werden. Darin zeigt sich, dass die Beklagte zu 3) in einer übergeordnet lenkenden Weise auch in die Geschäftsbereiche der Beklagten zu 1) und zu 2) eingebunden ist, denn für die maßgebliche – auch preisliche – Ausgestaltung der Angebote der Beklagten zu 1) und 2) ist das sichere Wissen über die ggf. anfallenden Lizenzgebühren von wesentlicher Bedeutung. Damit kann sicher davon ausgegangen werden, dass die Beklagte zu 3) den erforderlichen Überblick über die von den weiteren Beklagten angebotenen Produkte und Dienstleistungen hat und bei Bedarf auch hierzu Vorgaben machen kann; das gilt insbesondere für die hier angegriffenen Eigenprodukte von ….
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II. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Codierung und Decodierung von Videos, die skalierbare Schichten aufweisen.
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Bei der Bild-/Videocodierung werden zur Reduzierung der zu übertragenden Datenmenge nicht immer nur die tatsächlichen Bild(roh-)daten übertragen, sondern vielmehr findet eine gemischte Übertragung von Bildinformationen und Bezugnahmeinformationen auf einmal übermittelte Bildinformationen statt. Einmal übermittelte Referenzbilder werden in Bezug genommen, so dass sich der Datenübertragungsaufwand reduziert, weil nicht mehr die vollständigen Bildinformationen, sondern lediglich Gleichwerte und Abweichungen übermittelt werden müssen. Wie viele Daten tatsächlich zu übertragen sind, bestimmt sich anhand dreier Faktoren:
- -
-
der zeitlichen Auflösung, also der Anzahl der pro Sekunde übertragenen Bilder
- -
-
der räumlichen Auflösung, also der Anzahl der übertragenen Bildpunkte
- -
-
der Bildqualität, also der Anzahl der möglichen Farben und Helligkeitsstufen
Abhängig von beispielsweise dem für die Übertragung jeweils zur Verfügung stehenden Datenvolumen können die entsprechenden Qualitätsanforderungen für die Decodierung und Wiedergabe angepasst werden, etwa indem ein Wechsel zwischen Schichten mit höheren und niedrigeren Auflösungswerten erfolgt.
52
Bei der Bezugnahme auf bereits übermittelte Daten wird unterschieden, ob lediglich auf Bezugspunkte innerhalb des gleichen Bildes Bezug genommen wird (sog. Intraprädiktion) oder ob auf andere Referenzbilder zurückgegriffen werden kann (sog. Interprädiktion). Wenn bei der Übertragung von Bilddaten einzelne Informationen verloren gehen, hat die Interprädiktion den Nachteil, dass sich Übertragungsfehler fortsetzen. Die Interprädiktion hat allerdings den Vorteil, dass der Datenübermittlungsaufwand im Vergleich zur Intraprädiktion deutlich geringer ist.
53
Das Klagepatent befasst sich mit dem Wechsel in der zeitlichen Auflösung der Übertragung durch einen Wechsel der zeitlichen Skalierbarkeitsschicht innerhalb eines Bitstroms, während die übrigen Skalierbarkeitsschichten hinsichtlich der räumlichen Auflösung des Bildes und der Bildqualität unverändert bleiben. Durch eine solche Anpassung kann schnell auf einen Wechsel in der Datenübertragungsrate reagiert werden.
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1. Die Klagepatentschrift erläutert den Stand der Technik wie folgt:
55
„Die für die Decodierung erforderlichen Informationen würden zu einem Bitstrom zusammengefasst. Bei skalierbarer Videocodierung werde ein skalierbarer Videobitstrom mit potenziell mehreren Skalierbarkeitsschichten betreffend die zeitliche Auflösung, betreffend die räumliche Auflösung und betreffend die Bildqualität bereitgestellt, zwischen denen während der Decodierung und Wiedergabe bei Bedarf gewechselt werden könne. Die verschiedenen Schichten (layer) eines skalierbaren Bitstroms würden nicht unabhängig voneinander (de)codiert, vielmehr biete jede weitere oder zusätzliche Schicht in Kombination mit den unteren Schichten eine zusätzliche Detailstufe. Die höheren Schichten (enhancement layer) würden mit der Basisschicht (base layer) kombiniert, um eine fortschreitende Verfeinerung der decpdierten Videosequenz zu erreichen. Innerhalb eines layer wiesen die Bildinformationen dieselbe zeitliche Auflösung, räumliche Auflösung und Bildqualität auf. (Abs. [0004], [0005], [0007], [0011]).“
56
Ein Bild, dessen Bildinformation bereits (de-)codiert worden sei, könne als sog. Referenzbild als Grundlage für ein nachfolgend zu (de-)codierendes Bild dienen (Abs. [0005], [0006], [0008], [0009]).
57
Der Wechsel von einem höheren layer zu einem niedrigeren layer sei stets möglich, weil in dieser Konstellation für die folgenden Bilder ein weniger an Informationen; erforderlich und damit eine Bezugnahme auf vorherige Bilder problemlos möglich sei. Das Umschalten auf einen höheren layer sei dagegen komplizierter, weil ein Bild in einem höheren layer oft durch Interprädiktion mit Bezug auf ein vorangehendes decodiertes Bild in dem höheren layer decodiert werde. (Abs. [0012]).
58
Die Klagepatentschrift nimmt insbesondere auf den H.264/AVC-Standard (Advanced Video Coding) und einen ersten, noch unvollständigen, Entwurf des H.264/SVC-Standards (Scalable Video Coding) Bezug, der den H.264/AVC-Standard erweitert, und nennt auch weitere bislang diskutierte Ansätze. (Abs. [0003], [0005], [0008] – [0010], [0013], [0014]).
59
Im Entwurf des SVC-Standards sei ein Umschalten von einem niedrigeren layer auf einen höheren layer mittels einer sog. instantaneous decoding refresh (IDR) access unit beschrieben. Allgemein enthalte eine access unit eine Anzahl von Network Abstraction Layer units (NAL units), die zusammen die codierten Videodaten für ein vollständiges Bild einer Videosequenz enthielten. Eine IDR access unit beinhalte ein unabhängig decodierbares Bild, das mittels Intracodierung codiert sei und nicht von anderen Bildern der codierten Videosequenz abhänge, also nicht aus diesen vorhergesagt werde. Eine hohe Häufigkeit von IDR access units in einer codierten Videosequenz verringere die Effizienz der Kodierung erheblich. Umgekehrt sei eine rechtzeitige Anpassung des Bitstroms unter Umständen nicht möglich, wenn die Rate der IDR access units gering sei. Beide Nachteile könnten sich negativ auf das Nutzererlebnis auswirken. (Abs. [0009], [0013]).
60
Daneben seien theoretisch weitere Techniken für den Wechsel in einen höheren layer bekannt. Diese Techniken seien aber für nicht skalierbare Codierung entwickelt worden und eine Anpassung dieser Techniken würde zu weiteren Beschränkungen für die Codierung und damit zu einer niedrigeren Codiereffizienz oder zu einer höheren Komplexität bei der Implementierung führen. (Abs. [0013]).
61
Die Veröffentlichung „A Scalable Codec for Internet Video Streaming“ von Girod und Horn offenbare nicht den Fall einer rein zeitlichen Skalierbarkeit mit schichtübergreifender Vorhersage (inter-layer prediction, Abs. [0014]).
62
2. Vor diesem Hintergrund definiert das Klagepatent die objektiv zu bestimmende Aufgabe, bei der skalierbaren Videocodierung einen verbesserten Wechsel von einem niedrigen zu einem höheren layer zu ermöglichen (vgl. Abs. [0015] der Klagepatentschrift).
63
3. Als Lösung stellt das Klagepatent den hier geltend gemachten Verfahrensanspruch 4 sowie den Vorrichtungsanspruch 9 vor, die sich in der gegenwärtigen Fassung im Zuge der erfolgten Beschränkung wie folgt gliedern lassen:
4. Verfahren zum Decodieren einer Abfolge von codierten Bildern zu einer Abfolge von decodierten Bildern,
4.1 wobei sich die Abfolge von codierten Bildern auf derselben räumlichen Skalierbarkeitsschicht und auf derselben Qualitätsskalierbarkeitsschicht befindet,
4.2 wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist: Decodieren eines ersten codierten Bilds der Abfolge von codierten Bildern zu einem ersten decodierten Referenzbild der Abfolge von decodierten Bildern,
4.2.1 wobei das erste codierte Bild einen ersten zeitlichen Lagewert zum Anzeigen einer zeitlichen Skalierbarkeit des ersten codierten Bilds aufweist
4.3 nach dem Decodieren des ersten codierten Bilds Decodieren eines zweiten codierten Bilds der Abfolge von codierten Bildern zu einem zweiten decodierten Bild der Abfolge von decodierten Bildern,
4.3.1 wobei das zweite codierte Bild einen zweiten zeitlichen Lagewert zum Anzeigen einer zeitlichen Skalierbarkeit des zweiten codierten Bilds aufweist,
4.3.2 wobei das Decodieren eine Prädiktion des ersten decodierten Referenzbilds aufweist,
4.4 Decodieren einer Anzeige, wobei die Anzeige ein Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwert ist,
4.4.1 wobei die Anzeige, die ein Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwert ist, anzeigt, dass das zweite codierte Bild und alle folgenden codierten Bilder in der Abfolge von codierten Bildern in einer Decodierungsreihenfolge, die den zweiten zeitlichen Lagewert aufweisen, ohne eine Interprädiktion aus irgendeinem codierten Bild mit demselben zweiten zeitlichen Lagewert in der Abfolge von codierten Bildern decodierbar sind, das in einer Decodierungsreihenfolge dem zweiten codierten Bild vorausgeht, und
4.5 wobei der zweite zeitliche Lagewert eine höhere zeitliche Skalierbarkeitsschicht anzeigt als der erste zeitliche Lagewert, und
4.6 wobei der erste zeitliche Lagewert die nächst niedrigere zeitliche Skalierbarkeitsschicht im Vergleich zu der höheren zeitlichen Skalierbarkeitsschicht anzeigt, die durch den zweiten zeitlichen Lagewert angezeigt wird, und
4.7 wobei das Decodieren der Anzeige das Decodieren des Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwerts von dem zweiten codierten Bild umfasst.
9. Elektronische Vorrichtung zum Decodieren einer Abfolge von codierten Bildern zu einer Abfolge von decodierten Bildern,
9.1 wobei sich die Abfolge von codierten Bildern auf derselben räumlichen Skalierbarkeitsschicht und auf derselben Qualitätsskalierbarkeitsschicht befindet, die Folgendes aufweist:
9.1.1 einen Prozessor; und
9.2 eine Speichereinheit, die betriebsfähig mit dem Prozessor verbunden ist und ein Computerprogrammprodukt enthält, das aufweist: einen Computercode zum Decodieren eines ersten codierten Bilds der Abfolge von codierten Bildern zu einem ersten decodierten Referenzbild der Abfolge von decodierten Bildern,
9.2.1 wobei das erste codierte Bild einen ersten zeitlichen Lagewert zum Anzeigen einer zeitlichen Skalierbarkeit des ersten codierten Bilds aufweist,
9.3 einen Computercode zum Decodieren nach dem Decodieren des ersten codierten Bilds eines zweiten codierten Bilds der Abfolge von codierten Bildern zu einem zweiten decodierten Bild der Abfolge von decodierten Bildern,
9.3.1 wobei das zweite codierte Bild einen zweiten zeitlichen Lagewert zum Anzeigen einer zeitlichen Skalierbarkeit des zweiten codierten Bilds aufweist,
9.3.2 wobei das Decodieren eine Prädiktion aus dem ersten decodierten Referenzbild aufweist,
9.4 einen Computercode zum Decodieren einer Anzeige, wobei die Anzeige ein Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwert ist,
9.4.1 wobei die Anzeige, die ein Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwert ist, anzeigt, dass das zweite codierte Bild und alle folgenden codierten Bilder in der Abfolge von codierten Bildern in einer Decodierungsreihenfolge, die den zweiten zeitlichen Lagewert aufweisen, ohne eine Interprädiktion aus irgendeinem codierten Bild mit demselben zweiten zeitlichen Lagewert in die Abfolge von codierten Bildern decodierbar sind, das in einer Decodierungsreihenfolge dem zweiten codierten Bild vorausgeht, und
9.5 wobei der zweite zeitliche Lagewert eine höhere zeitliche Skalierbarkeitsschicht anzeigt als der erste zeitliche Lagewert, und
9.6 wobei der erste zeitliche Lagewert die nächst niedrigere zeitliche Skalierbarkeitsschicht im Vergleich zu der höheren zeitlichen Skalierbarkeitsschicht anzeigt, die durch den zweiten zeitlichen Lagewert angezeigt wird, und
9.7 wobei das Decodieren der Anzeige das Decodieren des Netzwerkabstraktionsschicht (NAL) Einheit-Typwerts von dem zweiten codierten Bild umfasst.
Das Klagepatent sieht demnach ein Verfahren sowie eine Vorrichtung vor, die bei der Übertragung von Bildern in einem Bitstrom einen Wechsel von einer Schicht mit niedrigerer zeitlicher Auflösung zu einer Schicht mit höherer zeitlicher Auflösung ermöglichen. Dabei wird auch ein Rückgriff auf bereits codierte Referenzbilder zugelassen, allerdings erfolgt dieser Rückgriff bis zum Wechsel nur auf Referenzbilder der niedrigeren Schicht und erst nach dem Wechsel auch auf Referenzbilder der höheren Schicht. Hierfür werden im Bitstrom auch Informationen zu den möglichen Wechselpunkten übermittelt. Ein Wechsel auf die nächsthöhere Schicht kann demnach beim zweiten codierten Bild erfolgen, das für diesen Zweck einen neuen NAL-Einheit-Typwert aufweist.
64
4. Bei der Auslegung der Patentansprüche streiten die Parteien über die Frage, ob die Informationen zum zeitlichen Lagewert bei den Merkmalen 4.2.1 und 4.3.1 mittels NAL-Einheit-Typwerten (vgl. Merkmale 4.4 ff.) im codierten Bild selbst enthalten sein müssen – so die Ansicht der Beklagten – oder auch in einem sog. Header übermittelt werden könnten – so die Ansicht der Klägerin. Um diese Argumentation verstehen zu können ist der von der Beklagten zu Grunde gelegte Gedankengang im Folgenden zusammenfassend wiederzugeben: Diese argumentiert, dass bei der Übertragung von Datenpaketen (den NAL-Einheiten) die zu übermittelnden Informationen getrennt sind in einen Teil, der sich mit Informationen über die Behandlung des Datenpakets und anderen Systeminformationen befasst. Dieser Teil wird als Header bezeichnet. In einem weiteren Teil werden die Informationen (Daten) übermittelt, welche den Inhalt der Übertragung darstellen. Also bei der Übertragung von Bildern, die eigentlichen Bildinformationen. Nach Ansicht der Beklagten postuliert das Klagepatent die Forderung, dass die Daten zu der Behandlung der Bildinformationen (zum zeitlichen Lagewert) nicht im Header, sondern gemeinsam mit den eigentlichen Bilddaten in dem Teil des Datenpakets übertragen werden, welches dem Header nachgelagert ist.
65
Eine Einschränkung des Patentanspruchs im Sinne des Verständnisses der Beklagtenpartei ist jedoch den Patentansprüchen weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Wortsinn zu entnehmen. Die Ausführungen der Beklagten widersprechen vielmehr dem Verständnis des Fachmanns, der in Anlehnung an die Ausführungen der Beklagtenpartei als Team von Fachleuten zu sehen ist, welches mit der Weiterentwicklung des Standards für Codierung und Decodierung betraut ist und zumindest auch Informatiker mit einschlägiger Programmiererfahrung umfasst. Der so definierte Fachmann sieht die Datenpakete, welche aus einem Header und einem eigentlichen Datenblock mit Informationen bestehen als Einheit an. Die Anordnung von Bits, betreffend die Organisation der Datenbehandlung im Bereich der Nutzdaten, würde dieser Fachmann nicht als gefordert ansehen, zumal eine solche Anordnung auch technisch keinen Sinn machen würde.
66
Die Beklagten argumentieren insofern, dass der Begriff des Bildes mangels einer eigenen Definition in der Patentschrift unter Rückgriff auf die Verwendung der Begriffe im H.264-Standard (auszugsweise vorgelegt als Anlage … 5 zum Schriftsatz vom 02.08.2024) zu definieren sei, auf den auch die Klagepatentschrift Bezug nehme. Dort würden die Begriffe access unit (Punkt 3.1), coded picture (Punkt 3.27) und NAL unit (Punkt 3.87) unterschiedlich definiert und getrennt verwendet. Im Rahmen des Erteilungsverfahrens für das Klagepatent sei der ursprünglich verwendete Begriff access unit durch den Begriff picture ersetzt worden. Der Begriff picture I Bild sei deshalb dahingehend zu verstehen, dass dieser nur die Informationen zum Bild selbst wie die Farben beinhalte, nicht aber auch die Informationen, die sich in der NAL unit fänden.
67
Demgegenüber meint die Klägerin, dass der in den Patentansprüchen verwendete Begriff coded picture auch die NAL-Einheiten erfasse, da diese zur (De-)Codierung erforderlich seien. Der H.264-Standard stelle an anderer Stelle klar, dass die NAL unit Teil eines coded picture sei (Anlage … 19, Punkt 7.4.1.2.5).
68
Für eine strikte Differenzierung zwischen den NAL-Einheit-Typwerten einerseits und den reinen Bilddaten andererseits, die zu einem engen Verständnis des in der Klagepatentschrift verwendeten Begriffs des codierten Bildes (coded picture) im Sinne nur der bildbezogenen Daten und einer Einschränkung der Patentansprüche führen würde, sieht die Kammer keine Veranlassung. Der Wortlaut der Patentansprüche legt eine solche strikte Differenzierung nicht nahe. Für den Wortsinn ist zu berücksichtigen, dass es sich bei NAL-Einheit-Typwerten um typische Headerdaten handelt, so dass aus der objektiven Sicht einer Fachperson nicht davon auszugehen ist, dass diese nach den Merkmalen 4.2.1 und 4.3.1 zusammen mit den Informationen zum Bild selbst bei den rein bildbezogenen Daten enthalten sein müssten. Auch die Verwendung der einzelnen Begriffe im H.264-Standard lässt eine solche strikte Differenzierung nicht zwingend erscheinen. Zum einen werden die von den Beklagten aufgezeigten Definitionen an der von der Klägerin in Bezug genommenen Stelle ergänzt. Zum anderen richtet sich der Standard hauptsächlich an Techniker mit einem entsprechenden Vorverständnis, für die die technische Umsetzbarkeit und nicht die Frage nach einer engen oder weiten Auslegung der Begriffe entscheidend ist. Eine Änderung der Begriffe im Rahmen des Erteilungsverfahrens kann ebenfalls nicht als Grundlage für eine einschränkende Auslegung herangezogen werden, da Gegenstand der Auslegung nur die Patentansprüche in ihrer offengelegten – und später beschränkten – Form sind.
69
Weitere hinreichend substantiiert vorgetragene Diskussionen zur Auslegung der Ansprüche gibt es zwischen den Parteien nicht.
70
III. Mit dem Anbieten HEVC-fähiger Geräte, die den H.265/HEVC (High Efficiency Video Coding) – Standard implementieren, machen die Beklagten von der Lehre des Klagepatentanspruchs 9 wortsinngemäß und unmittelbar gemäß § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG und von der Lehre des Klagepatentanspruchs 4 mittelbar gemäß § 10 PatG Gebrauch.
71
1. Die Ausgestaltung der angegriffenen Vorrichtungen – mit Ausnahme solcher, die …-Chips verwenden, s. nachfolgend Ziffer B.III.2.b. und 3. – ist zwischen den Parteien insoweit unstreitig, dass sie mit dem H.265/HEVC-Standard kompatibel sind und den H.265/HEVC-Standard nutzen können.
72
2. Sämtliche Merkmale des Verfahrensanspruchs 4 sind durch den H.265/HEVC-Standard (Anlage … 13) verwirklicht.
73
a. Die unter Verwendung der im Standard vorgegebenen Parameter codierten Videodateien enthalten eine Sequenz codierter Bilder, die mithilfe der HEVC-Technologie in eine Sequenz decodierter Bilder decodiert werden. Merkmal 4 ist verwirklicht.
74
Im Standard weisen die codierten Bilder in der Basisschicht für die räumliche Auflösung und für die Bildqualität denselben nuh layer ID-Wert 0 auf, der in dem header einer NAL unit enthalten ist (Anlage … 13, Punkt 3.6 und 7.3.1.2). Merkmal 4.1 ist damit in seinem Wortsinn verwirklicht.
75
Der Standard sieht die Verwendung eines ersten decodierten Bildes als Referenzbild für die Decodierung nachfolgender Bilder mittels Interprädiktion vor (Anlage … 13, Punkt 3.122 und Anmerkung hierzu). Merkmal 4.2 ist damit verwirklicht.
76
Im Standard werden zur Bestimmung der zeitlichen Skalierbarkeitsschicht die temporal sublayer durch temporal ID-Werte angegeben, die in dem header einer NAL unit enthalten sind und mit nuh-temporal ID plus 1-Wert angegeben werden (Anlage … 13, Punkt 7.3.1.2). Merkmal 4.2.1 ist damit unter Zugrundelegung der oben dargestellten Auslegung entgegen der Ansicht der Beklagten verwirklicht.
77
Im Standard wird nicht nur ein erstes codiertes Bild decodiert, so dass auch hier ein zweites codiertes Bild decodiert wird. Merkmal 4.3 ist verwirklicht.
78
Auch dieses zweite codierte Bild enthält im header einer NAL unit eine Angabe zur zeitlichen Skalierbarkeitsschicht mit nuh temporal ID plus 1-Wert (Anlage … 13, Punkt 7.3.1.2). Merkmal 4.3.1 ist damit verwirklicht.
79
Im Standard steht ein erstes decodiertes Bild als Referenzbild für ein weiteres zu decodierendes Bild zur Verfügung, wobei das Referenzbild für die Decodierung nachfolgender Bilder desselben oder eines höheren sublayer verwendet werden kann (Anlage … 13, Punkt 3.122 und 3.149 sowie Anmerkung dazu). Merkmal 4.3.2 ist verwirklicht.
80
Im Standard sind im header einer NAL unit NAL unit-Typwerte enthalten, die ebenfalls decodiert werden. Merkmal 4.4 ist verwirklicht.
81
Im Standard wird der Wechsel von einem niedrigeren auf einen höheren layer durch STSA (step-wise temporal sub-layer access) – Bilder und TSA (temporal sub-layer access) – Bilder ermöglicht, die verschiedene NAL-Typwerte aufweisen und sicherstellen, dass für die Decodierung nicht auf ein vor dem Wechsel decodiertes Referenzbild des höheren layer zurückgegriffen wird (Anlage … 13, Punkt 3.1.4.3 und 3.1.5.7 und Anmerkungen dazu). Merkmal 4.4.1 ist damit in seinem Wortsinn verwirklicht.
82
Nach dem Standard weist das zweite Bild in der Form eines STSA/TSA-Bildes einen Temporal ID-Wert von mindestens 1 auf, während das erste Bild einen Temporal ID-Wert von 0 haben kann, so dass die Konstellation, dass sich das zweite Bild auf einer höheren zeitlichen Skalierbarkeitsschicht als die erste befindet, erfasst ist. Merkmal 4.5 ist verwirklicht.
83
Im Standard erfolgt bei einem STSA-Bild ein Wechsel von einem layer nur zum nächsthöheren layer, bei einem TSA-Bild ein Wechsel von einem layer zu irgendeinem höheren layer, einschließlich des nächsthöheren layer (Anlage … 13, Punkt 3.1.4.3 und 3.1.5.7 und Anmerkungen dazu). Merkmal 4.6 ist verwirklicht.
84
Im Standard bestehen STSA/TSA-Bilder aus NAL units mit den Typwerten, 2, 3, 4 oder 5, die für die Decodierung ebenfalls zu decodieren sind (Anlage … 13. Punkt 7.4.2.2, 3.1.4.3 und 3.1.5.7). Merkmal 4.7 ist verwirklicht.
85
Für das Verständnis der im Standard beschriebenen Vorgänge ist dabei aus Sicht der Kammer neben den eigentlichen Definitionen ergänzend auch auf die Anmerkungen (notes) zurückzugreifen. Die Kammer folgt dabei den Ausführungen der Klägerin, derzufolge diese die Begriffe im Definitionsteil, der von und für Techniker formuliert werde, ergänzend beschreiben und nicht lediglich als optionale Zusätze anzusehen seien.
86
b. Die HEVC-fähigen Endgeräte der Beklagten, die den H.265/HEVC-Standard implementieren und eine Decodierung nach diesem Standard ermöglichen, stellen Mittel dar, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG, hier das Verfahren gemäß Klagepatentanspruch 4, beziehen. Sie werden über die an deutsche Kunden gerichtete Internetseite … auch in Deutschland zur Verwendung in Deutschland angeboten und die Beklagten hatten hiervon auch Kenntnis.
87
Hinsichtlich der angegriffenen Endgeräte der Beklagten, welche die … Chips verwenden, hat die Klagepartei unter Berücksichtigung des tatsächlichen Vorbringens der Beklagten nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass alle Merkmale der Klagepatentansprüche erfüllt sind. Das betrifft die Endgeräte „…. Insoweit war die Klage als unbeg … ründet abzuweisen.
88
Den Vortrag der Beklagten, dass Geräte mit diesen Chips …, verwendeten, hat die Klägerin zwar mit Nichtwissen bestritten. Der sie treffenden Darlegungs- und Beweislast, dass auch diese Ausführungsformen die Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklichen, ist sie aber nicht nachgekommen. Die Klägerin hat zwar zum Verletzungsvortrag pauschal Beweis durch Sachverständigengutachten angeboten, hätte hierzu mit Blick auf den Vortrag der Beklagten zu den „… Chips aber zunächst näher zu der Verletzung auch durch diese Ausführungsformen vortragen müssen, um der sie treffenden Darlegungslast zu genügen.
89
3. Die HEVC-fähigen Endgeräte der Beklagten, die den H.265/HEVC-Standard implementieren und eine Decodierung nach diesem Standard ermöglichen, verwirklichen ebenfalls sämtliche Merkmale des Vorrichtungsanspruchs 9. Die Parteien sind sich in zutreffender Weise dahingehend einig, dass für die Verwirklichung der Merkmale des Vorrichtungsanspruchs keine Besonderheiten gegenüber dem Verfahrensanspruch gelten. Auch die Kammer sieht insoweit keine Besonderheiten für den Vorrichtungsanspruch.
90
Von dem Verletzungsvorwurf auszunehmen sind dabei wiederum die angegriffenen Endgeräte, die …-Chips verwenden, mithin die Endgeräte …. Insoweit ist die Klage unbegründet.
91
IV. 1. Der patentrechtliche Unverhältnismäßigkeitseinwand gemäß § 139 Abs. 1 Satz 3 PatG greift nicht durch.
92
a. Der Gesetzgeber hat in der Begründung des 2. PatModG klargestellt, dass eine Einschränkung des Unterlassungsanspruchs nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Der Unterlassungsanspruch ist die regelmäßige Sanktion der Patentrechtsordnung bei einer Patentverletzung. Darlegungs- und beweisbelastet für eine Unverhältnismäßigkeit ist die Beklagtenseite (BT-Drs. 19/25821, S. 53).
93
b. Nach der Rechtsprechung der Patentkammern des Landgerichts München I scheidet der allgemeine, mittlerweile in § 139 Abs. 1 Satz 3 PatG in Gesetzesform gegossene Unverhältnismäßigkeitseinwand in der Regel, das heißt bei Fehlen außergewöhnlicher Umstände aus, wenn gleichzeitig eine Situation gegeben ist, in der ein kartellrechtlicher Zwangslizenzeinwand dem Grunde nach erfolgreich erhoben werden kann (vgl. LG München I GRUR-RS 2022, 26267 Rn. 97; 7 O 4396/21, Urt. v. 21.07.2022, Seite 35 f.; 7 O 782/23, Urt. v. 26.10.2023, Rn. 109). Ein Patentverletzer handelt treuwidrig, wenn er einerseits lizenzunwillig ist und andererseits sich auf den Unverhältnismäßigkeitseinwand nach § 139 Abs. 1 Satz 3 PatG beruft. Dies ist hier, wie unten ausgeführt, der Fall. Da die Klägerin für das hier streitgegenständliche Patent mit Blick auf die Decodierung im H.264- und im H.265-Standard aus kartellrechtlichen Gründen gehalten ist, die Lizenzierung zu ermöglichen und hierzu in Lizenzverhandlungen einzutreten sowie diese zielgerichtet zu führen, darf ihr im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht entgegengehalten werden, dass sie eine Lizenzierung anstrebt und bei Scheitern von Lizenzverhandlungen im Übrigen ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen sucht.
94
c. Auch die seitens der Beklagten darüber hinaus angeführten Umstände begründen keine Unverhältnismäßigkeit nach § 139 Abs. 1 S. 3 PatG.
95
(1). Im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Gebotes von Treu und Glauben kann es ausnahmsweise darauf ankommen, ob der Verletzte selbst Produkte oder Komponenten herstellt, die mit dem patentverletzenden Produkt in Wettbewerb stehen, oder ob primär eine Monetarisierung seiner Rechte das Ziel des Patentinhabers ist (BT-Drs. 19/25821, S. 53). Im Übrigen können wirtschaftliche Auswirkungen der Unterlassungsverfügung, die Komplexität von Produkten, subjektive Gesichtspunkte auf beiden Seiten und Drittinteressen zu berücksichtigen sein (BT-Drs. 19/25821, S. 54).
96
Soweit die Beklagtenseite argumentiert, die Klägerin handele wie eine reine Patentverwerterin, kommt es hierauf für sich gesehen schon nicht an. Denn die Rechtsordnung hat keine Bedenken gegen arbeitsteiliges Vorgehen in der Form, dass Innovation und Entwicklung von der Verwertung getrennt werden. Vielmehr entspricht dies den Grundzügen wirtschaftlichen Handelns, dass Erfinder ihre Erfindung an Parteien veräußern können, die sich in spezialisierter Weise mit deren Verwertung befassen. Dadurch können schnellere und ggf. höhere Einnahmen für die Erfinder generiert werden, so dass weiterhin Zeit und Kapital für das Suchen nach weiteren Innovationen zur Verfügung steht. Dies wäre nicht gewährleistet, wenn man fordert, dass Erfinder, bzw. die entsprechenden Unternehmen ihre Erfindungen eigenständig verwerten, was faktisch der Fall wäre, wenn man Patentverwerter anders behandelt als Entwickler (wie auch in der Gesetzesbegründung auf Seite 53 ganz am Ende im Zusammenhang mit Universitäten und KMUs bemerkt ist).
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Unabhängig davon ist die Klägerin als Teil des …-Konzerns, zu dessen Geschäftsfeldern die Erforschung und Entwicklung neuer Technologien, hauptsächlich im Bereich der Telekommunikation, zählen, bereits nicht als Patentverwerterin zu betrachten.
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(2). Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Beklagtenseite führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Sie nutzt das Klagepatent der Klägerin seit mehreren Jahren ohne Zahlung eines Entgelts und hatte im Zuge der bisherigen Lizenzverhandlungen die Möglichkeit, einen Lizenzvertrag abzuschließen, der dem Unterlassungsanspruch entgegenstehen würde. Besondere Härten durch den Unterlassungsanspruch hat die Beklagte im Ergebnis nicht ausreichend dargelegt
99
(3). Die Gewährung einer Umstellungsfrist, wie sie die Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit für die Dauer von sechs Monaten ab den Erlass des Unterlassungsurteils fordern, ist ebenfalls abzulehnen. Eine aus der Vollstreckung des Unterlassungstenors resultierende unbillige Härte ist nicht ersichtlich. Zum einen sind von dem tenorierten Unterlassungsanspruch nur HEVCfähige Endnutzergeräte erfasst, die von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machen und von den Beklagten als eigene Produkte verkauft und versendet werden. Zum anderen hatten die Beklagten nach der Zustellung der Klageschrift und unter Einräumung eines angemessenen Zeitraums zur Prüfung der geltend gemachten Ansprüche ausreichend Zeit, um sich auf ein drohendes Unterlassungsurteil einzustellen und ggf. erforderliche Umstellungen vorzubereiten.
100
2. Der Unverhältnismäßigkeitseinwand gemäß § 140a Abs. 4 PatG greift gleichfalls nicht zugunsten der Beklagten. Auch er ist auf enge Ausnahmen beschränkt. Die Beklagten haben nicht substantiiert dargelegt, welche besonderen, über das übliche Maß eines Rückruf- und Vernichtungsanspruchs hinausgehenden Härten sie vorliegend unterworfen sein sollen.
101
V. Da die übrigen Voraussetzungen einer Patentverletzung zwischen den Parteien zu Recht nicht umstritten sind, stehen der Klägerin die ausgeurteilten Ansprüche zu.
102
1. Die Beklagten sind zur Unterlassung der patentverletzenden und rechtswidrigen Benutzungshandlungen verpflichtet, Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ i.V. mit § 139 Abs. 1 Satz 1 PatG.
103
a. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen besteht Wiederholungsgefahr mit Blick auf die unstreitig gegebenen Tathandlungen. Die Wiederholungsgefahr wird durch die rechtswidrigen Benutzungshandlungen (im tenorierten Umfang) indiziert. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung haben die Beklagten nicht abgegeben.
104
b. Auch ein Schlechthinverbot ist bei der mittelbaren Patentverletzung gerechtfertigt. Die angegriffenen Mittel können technisch und wirtschaftlich sinnvoll nur in patentverletzender Weise verwendet werden. Jedenfalls haben die Beklagten keine patentfreie Verwendung dargetan.
105
2. Der ausgesprochene Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1, Abs. 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.
106
Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs sieht die Kammer in Fortsetzung ihrer Rechtsprechung auch eine Auskunftserteilung in elektronischer Form als geschuldet an. Dabei spielt es keine Rolle, ob die geschuldeten Auskünfte bei der auskunftspflichtigen Beklagten bereits in elektronischer Form vorliegen. Ansonsten würde die erforderliche Überprüfbar- und Auswertbarkeit der geschuldeten Auskünfte übermäßig erschwert werden.
107
3. Die Ansprüche gegen die Beklagten auf Rückruf der Verletzungsformen und deren Vernichtung ergeben sich im tenorierten Umfang aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139, 140a Abs. 1 und 3 PatG.
108
4. Da die Beklagten die Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. 1. zumindest fahrlässig begangen haben, sind sie dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet, Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG.
109
Demzufolge waren die Beklagten wie tenoriert gemäß Art. 64 Abs. 1, Abs. 3 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 140a Abs. 1, Abs. 2, 140b Abs. 1, Abs. 3 PatG, §§ 242, 259 BGB, § 256 ZPO zu verurteilen, hinsichtlich der Verpflichtung zum Schadenersatz in der beantragten Form eines Feststellungsausspruchs.
110
Der von den Beklagten erhobene kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand greift mangels Lizenzwilligkeit der Beklagten nicht durch.
111
I. Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in der Entscheidung Huawei/ZTE (EuGH, Urteil vom 16.07.2015, C-170/13 – Huawei/ZTE) und der dazu ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 05.05.2020, KZR 36/17, GRUR 2020, 961 – FRAND-Einwand I; Urteil vom 24.11.2020, KZR 35/17, GRUR 2021, 585 – FRAND-Einwand II) gelten nach der Rechtsprechung der Kammer die nachfolgend dargelegten Grundsätze.
112
1. Ein marktbeherrschender Patentinhaber, der sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation verpflichtet hat, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, kann seine Marktmacht nicht nur dadurch missbräuchlich ausnutzen, dass er einem lizenzwilligen Verletzer den Abschluss eines entsprechenden Lizenzvertrages verweigert und ihn mit einer Klage auf Unterlassung, Rückruf und Entfernung von Produkten aus den Vertriebswegen oder auf Vernichtung patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch nimmt. Ein Missbrauch kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn dem Patentinhaber anzulasten ist, dass er sich nicht hinreichend bemüht hat, seiner mit der markbeherrschenden Stellung verbundenen besonderen Verantwortung gerecht zu werden, und einem grundsätzlich lizenzwilligen Verletzer den Abschluss eines Lizenzvertrages zu angemessenen Bedingungen möglich zu machen (BGH, Urteil vom 24.11.2020 – KZR 35/17 – FRAND-Einwand II, GRUR 2021, 585 Rn. 53 m.w.N.).
113
2. Aus der Verpflichtung, einen solchen Missbrauch zu unterlassen, und der besonderen Verantwortung des marktbeherrschenden Patentinhabers folgt, dass er den Patentverletzer zunächst auf die Verletzung des Klagepatents hinzuweisen hat, wenn dieser sich (möglicherweise) nicht bewusst ist, mit der Implementierung einer vom Standard geforderten technischen Lösung rechtswidrig von der Lehre des standardessenziellen Patents Gebrauch zu machen (BGH, a.a.O. Rn. 55; EuGH, WRP 2015, 1080 Rn. 60-62 – Huawei/ZTE).
114
3. Weitere Verhaltenspflichten des marktbeherrschenden Patentinhabers ergeben sich erst und nur dann, wenn der Nutzer der geschützten technischen Lehre seinen Willen zum Ausdruck bringt, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen schließen zu wollen (BGH, a.a.O., Rn. 56; EuGH, WRP 2015, 1080 Rn. 63 – Huawei/ZTE), indem er sich seinerseits klar und eindeutig bereit erklärt, mit dem Patentinhaber einen Lizenzvertrag zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen abschließen zu wollen und auch in der Folge zielgerichtet an den Lizenzverhandlungen mitwirkt (BGH, a.a.O., Rn. 57).
115
a. Hierzu muss sich der Verletzer seinerseits klar und eindeutig bereit erklären, mit dem Patentinhaber einen Lizenzvertrag zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen abschließen zu wollen, denn die Lizenzbereitschaft des Verletzers ist von grundlegender Bedeutung, weil der Patentinhaber eine FRAND-Lizenz nur an einen hierzu bereiten Nutzer der Erfindung vergeben muss und überhaupt nur vergeben kann (BGH, a.a.O., Rn. 59).
116
Unzureichend ist in diesem Zusammenhang, dass der Verletzer einmalig seine Lizenzbereitschaft bekundet, denn der Missbrauch von Marktmacht ergibt sich aus der Weigerung des Marktbeherrschers, den Anspruch eines Unternehmens der Marktgegenseite auf rechtmäßigen Zugang zu der Erfindung zu erfüllen, und hierzu eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erteilen. Ein missbräuchliches Verhalten des Patentinhabers liegt daher nur dann vor, wenn er dem fortdauernden Verlangen des Verletzers nach Abschluss eines Vertrages zu FRAND-Bedingungen nicht entspricht, denn die fortdauernde Lizenzbereitschaft ist unabdingbare Voraussetzung einer erfolgreichen Lizenzverhandlung und damit auch für den Vorwurf eines Missbrauchs von Marktmacht gegenüber dem Patentinhaber bei deren Scheitern (BGH, a.a.O., Rn. 66, 68).
117
b. Für die Beurteilung, ob ein Verhalten des Lizenzsuchers eine Lizenzwilligkeit zum Ausdruck bringt oder der Verzögerung des Abschlusses eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen dient, kommt es darauf an, ob der Verletzer zielgerichtet an den Lizenzverhandlungen mitwirkt. Diese Mitwirkung ist das unerlässliche Gegenstück dazu, dass dem Patentinhaber abverlangt wird, die Verletzung des Klagepatents so lange hinzunehmen, wie der Verletzer seinerseits die nach der gegebenen Sachlage gebotenen und ihm möglichen und zumutbaren Bemühungen unternimmt, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, um auf dieser Grundlage die patentgemäße Lehre weiterhin benutzen zu können. Wobei für die Beurteilung, ob die Partei die gebotenen, möglichen und zumutbaren Maßnahmen unternommen hat, maßgeblich ist, was eine vernünftige Partei, die an dem erfolgreichen, beiderseits interessengerechten Abschluss der Verhandlungen interessiert ist, zur aktiven Förderung dieses Ziels in einem bestimmten Verhandlungsstadium jeweils tun würde (BGH, a.a.O., Rn. 57). Dabei bauen die Verhandlungsschritte von an einem Vertragsschluss interessierten Parteien aufeinander auf. Eine Förderpflicht besteht deshalb stets, wenn und insoweit nach den geschäftlichen Gepflogenheiten und den Grundsätzen von Treu und Glauben mit dem nächsten Verhandlungsschritt zu rechnen ist (BGH, Urteil vom 24.11.2020 – KZR 35/17 – FRAND-Einwand II, Rn. 68).
118
Unter welchen Umständen eine fehlende Lizenzbereitschaft des Patentverletzers vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 24.11.2020 – KZR 35/17 – FRAND-Einwand II, Rn. 78). Die Bekundung eines Lizenzierungswunsches oder der Verhandlungsbereitschaft sagt noch nichts darüber aus, ob diese Erklärung ernst gemeint ist. Sie kann vielmehr auch Ausfluss einer Verzögerungstaktik des Patentbenutzers sein (vgl. BGH, Urteil vom 05.05.2020 – KZR 36/17 – FRAND-Einwand I, Rn. 82), die zum Schutz des Patentinhabers wie des Wettbewerbs zwischen den Patentbenutzern nicht hingenommen werden darf (BGH, Urteil vom 24.11.2020 – KZR 35/17 – FRAND-Einwand II, Rn. 77). Die „Verzögerungstaktik“ besteht typischerweise gerade darin, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen nicht schlichtweg abzulehnen, sondern ihn vorgeblich anzustreben, aber die Findung einer angemessenen Lösung im Einzelnen zu hintertreiben oder zumindest so lange wie möglich hinauszuschieben (BGH, Urteil vom 24.11.2020 – KZR 35/17 – FRAND-Einwand II, Rn. 67).
119
Die auf Grundlage objektiver Gesichtspunkte vorzunehmende Beurteilung, ob eine Verzögerungstaktik verfolgt wird, hat auch das weitere Verhalten des Verletzers auf eine Verletzungsanzeige oder ein Angebot des Patentinhabers in den Blick nehmen (BGH, Urteil vom 24.11.2020 – KZR 35/17 – FRAND-Einwand II, Rn. 77). Einem lizenzwilligen redlichen Lizenzsucher geht es nicht darum, eine Lizenznahme möglichst weit hinauszuschieben, um den Zeitraum bis zum Ablauf des Klagepatents zu überbrücken oder eine Belastung mit Lizenzgebühren möglichst lange zu vermeiden. Er hat vielmehr ein Interesse daran, möglichst zügig eine Lizenz zu erhalten, um den Zeitraum abzukürzen, in dem er das Klagepatent oder das Patentportfolio mit dem Klagepatent unberechtigt, jedenfalls aber ohne Zahlung einer Vergütung nutzt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 2. Februar 2022 – 6 U 149/20 –, juris). Die Lizenzbereitschaft des Verletzers ist auch dann weiterhin von Bedeutung, wenn der Patentinhaber dem Verletzer ein Lizenzangebot unterbreitet hat (BGH, a.a.O., Rn. 69), denn das Angebot des Patentinhabers stellt nicht den Endpunkt, sondern den Ausgangspunkt der Lizenzverhandlungen dar (BGH, a.a.O., Rn. 70).
120
Gänzlich entbunden von Reaktionspflichten und so auch von der Pflicht, alle offensichtlichen Einwände zugleich zu benennen, ist der Lizenzsucher nur in dem Fall, dass ein Angebot in einem Ausmaß FRAND-widrig ist, dass es sich bei objektiver Wertung als nicht ernst gemeint und damit als Weigerung darstellt, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.2020 – KZR 35/17 – FRAND-Einwand II, Rn. 71). Dafür ist aber noch nicht in allen Fällen hinreichend, dass bereits eine einzelne Klausel eines Angebotes offensichtlich FRAND-widrig ist, selbst wenn hierdurch das gesamte Angebot nicht FRAND erscheinen mag, sondern es kommt auf eine Gesamtwürdigung aller vorliegenden Umstände an (OLG Karlsruhe, Urteil vom 2. Februar 2022 – 6 U 149/20 –, juris).
121
4. Die Darlegungs- und Beweislast für den Missbrauch der Marktmacht durch den Patentinhaber liegt bei den Beklagten (vgl. BGH GRUR 2009, 694 (697) – Orange-Book-Standard (allgemein für die Voraussetzung des Lizenzierungsanspruchs); Mes, 5. Aufl. 2020, PatG § 139 Rn. 421; Bukow in Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, 2. Auflage 2020, Rn. 304).
122
II. Die Kammer hat den Amicus Curiae Brief der Europäischen Kommission, der im Rahmen des Verfahrens 6 U 3824/22 Kart vor dem Oberlandesgericht München vorgelegt und von der Beklagtenpartei zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht worden ist, zur Kenntnis genommen und sich mit dem Inhalt – unter Berücksichtigung des Vortrags der Parteien – auseinandergesetzt. Im Ergebnis widersprechen die dort enthaltenen Ausführungen der Europäischen Kommission dem zutreffenden Verständnis der Kammer. Die darin enthaltenen Argumente ergeben bei kritischer Betrachtung keinen Anlass, die Rechtsprechung zu ändern.
123
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es dem Amicus Curiae Brief an einer hinreichenden Legitimation fehlt. Zum einen liegen die in Artikel 15 Abs. 3 Satz der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 geforderten Voraussetzungen nicht vor. Danach kann die Kommission einem Gericht aus eigener Initiative eine Stellungnahme zukommen lassen, soweit eine kohärente Anwendung der Artikel 81 oder 82 des Vertrags dies erforderlich macht. Das Vorliegen des Eintrittsfalles der „nicht kohärenten“ Anwendung wird in dem Amicus Curiae Brief damit begründet, dass die Landgerichte München I und Mannheim auf derselben Tatsachengrundlage zu unterschiedlichen rechtlichen Bewertungen gekommen seien (Rn. 4). Daraus zieht der Verfasser des Amicus Curiae Briefs den Schluss, dass die divergierenden rechtlichen Bewertungen auf unterschiedliche Auslegungen einiger Gesichtspunkte des Huawei-Urteils des EuGH zurückzuführen sein könnten (Im Wortlaut: „Die divergierenden rechtlichen Bewertungen mögen dabei auf unterschiedliche Auslegungen einiger Gesichtspunkte des Huawei-Urteils zurückzuführen sein“). Dieses Verständnis stößt auf erhebliche Bedenken. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die beiden Gerichte tatsächlich unterschiedliche rechtliche Maßstäbe angewendet, und nicht nur etwa die vorgetragenen Tatsachen unterschiedlich bewertet haben. Zum anderen ist nicht ersichtlich, woher die Kommission die Erkenntnis erlangt hat, dass tatsächlich in beiden Verfahren die gleichen Tatsachen vorgetragen worden sind.
124
Vor diesem Hintergrund wirken die Ausführungen der Kommission, mit der sie das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung 1/2003 begründet, bemüht und lassen ernsthafte Bedenken aufkommen, ob die mit der Stellungnahme einhergehende versuchte Einflussnahme auf das Prinzip der Gewaltenteilung gerechtfertigt ist. Die Kommission ist der Exekutive zuzurechnen, und wenn von dieser Seite auf die Rechtsanwendung der Gerichte eingewirkt werden soll, dann dürfte ein deutlich höherer Begründungsaufwand erforderlich sein. Aus dem Amicus Curiae Brief ergibt sich jedenfalls nicht, welche vorgeschalteten Prozesse vor der Beauftragung des Verfassers des Briefs stattgefunden haben.
125
Der Amicus Curiae Brief erwähnt an keiner Stelle, dass sich der Bundesgerichtshof mit der in Bezug genommenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 16.07.2015, C-170/13 – Huawei/ZTE) bereits in zwei Entscheidungen befasst hat (BGH, GRUR 2020, 961 – FRAND-Einwand; GRUR 2021, 585 Rn. 57 – FRAND-Einwand II). Soweit ersichtlich, wenden alle mit Patentverletzungsverfahren befassten Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland die dort herausgearbeiteten Grundsätze einheitlich an. Divergenzen gibt es insofern nicht, und selbst wenn es Divergenzen geben sollte, so wären diese durch ein erneutes Anrufen des Bundesgerichtshofs zu klären.
126
Dass die Kommission ihren Amicus Curiae Brief an das OLG München richtet und nicht etwa an den Bundesgerichtshof in einem geeigneten Verfahren, und zudem die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vollständig unerwähnt lässt, erschließt sich der Kammer nicht, zumal das OLG München nicht in der Lage ist, eine etwaige Divergenz in Bezug auf die Anwendung der BGH-Grundsätze zwischen zwei Landgerichten, die sich in unterschiedlichen Bezirken befinden, zu beseitigen.
127
Auch inhaltlich überzeugt die Stellungnahme der Europäischen Kommission nicht.
128
Nach dem in dem Amicus Curiae Brief zum Ausdruck gebrachten Verständnis von der EuGH-Entscheidung Huawei/ZTE sind im Wesentlichen die nachfolgend behandelten Aspekte von Bedeutung, die bereits vollumfänglich Gegenstand der benannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs waren.
129
1. In ihrem Amicus Curiae Brief stellt die Kommission erhebliche Anforderungen an die vor Erhebung einer Unterlassungsklage zu übersendende Verletzungsanzeige auf (Rn. 59 ff.). Der Patentnutzer sei auf die Tatsache der Patentverletzung unter Nennung der Nummer des verletzten Patents und der konkreten Verletzungshandlung hinzuweisen. Dieser Hinweis dürfe nicht unterbleiben und sei auch nicht nachholbar. Die Kommission führt unter Hinweis auf das konkret betroffene Verfahren aus, dass es nicht ausreichend sei, wenn unter Verweis auf eine Internetseite auf Patente Bezug genommen werde.
130
Bei dieser Ansicht wird die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht berücksichtigt. Nach dem BGH reicht ein einfacher Hinweis, dass das jeweilige Klagepatent den Standard verletze. Für den Fall, dass der angebliche Verletzer den Hinweis als nicht ausreichend ansehe, würde eine Obliegenheit zur Nachfrage bestehen (BGH, GRUR 2020, 961 Rn. 87 – FRAND-Einwand). Zu diesem Ergebnis ist der Bundesgerichtshof unter umfassender Berücksichtigung der Huawei-Entscheidung gekommen.
131
Es erschließt sich nicht, weshalb die Kommission auf diese Rechtsprechung nicht eingeht, die insbesondere dem Umstand Rechnung trägt, dass sich in SEP-Verfahren zumeist zwei größere Konzerne gegenüberstehen, die über einen umfangreichen Stab an Mitarbeitern verfügen und hervorragend rechtlich und technisch beraten sind.
132
2. Weiter geht die Kommission davon aus, dass die Lizenzbereitschaft des Patentnutzers, welche den zweiten Verfahrensschritt nach dem vom EuGH vorgegebenen Prüfprogramm darstellt, allein auf Grundlage des Inhalts seiner Antwort zu bewerten sei, nicht aber auf Grundlage seines nachfolgenden Verhaltens (Rn. 84). Vorgaben, welcher Maßstab insofern anzuwenden ist, werden nicht gemacht. Die Kammer versteht das so, dass es sich um eine rein formelle Prüfung handeln dürfte, also der „innere Lizenzwille“ nicht überprüft werden dürfe.
133
Hinsichtlich dieses Prüfungspunktes räumt der Amicus Curiae Brief in den Rn. 84 ff. ein, dass sich dies nicht direkt aus der in Bezug genommenen Entscheidung ergibt, sondern ihrer eigenen Ansicht entspricht. Begründet wird diese Auffassung im Wesentlichen dadurch, dass es dem Gericht ansonsten ermöglicht werde, einen Unterlassungstitel zu erlassen, ohne zu prüfen, ob der SEP-Inhaber ein Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet habe (Rn. 87). Mit anderen Worten: Zur Begründung ihrer Meinung wird eine selbst gebildete Wertung (also im Ergebnis auch eine Meinung) herangezogen. Die Kammer ist der Ansicht, dass diese Argumentationsweise nicht dem üblichen juristischen Vorgehen entspricht. Vielmehr handelt es sich um eine Gesinnungsinterpretation der Huawei-Entscheidung.
134
Auch mit der Lizenzwilligkeit hat sich der Bundesgerichtshof bereits befasst. Es ist erforderlich, dass der Verletzer sich klar und eindeutig bereit erklärt einen Lizenzvertrag zu angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen abzuschließen und zudem muss er in der Folge zielgerichtet an den Lizenzverhandlungen mitwirken (BGH, GRUR 2020, 961 Rn. 83 – FRAND-Einwand; BGH, GRUR 2021, 585 Rn. 57 – FRAND-Einwand II).
135
3. Als dritten Verfahrensschritt habe der Patentinhaber ein Angebot zu unterbreiten, welches FRAND-Bedingungen entspreche. Welche Maßgaben hinsichtlich dieses Angebots gelten sollen, wird in dem Amicus Curiae Brief nicht ausgeführt. In Zusammenschau der geringen Anforderungen an die Lizenzbereitschaftserklärung und der Ansicht, dass die Verfahrensschritte zwingend in der vorgegebenen Reihenfolge zu erfüllen seien, würde nach diesem Verständnis der Schwerpunkt der Prüfung, ob der Kartellrechtseinwand eingreift, auf dem Angebot des Patentinhabers liegen. Dies widerspricht dem Verhandlungsgebot, welches der EuGH in der Huawei-Entscheidung (C-170/13 vom 16.07.2015) gefordert hat. In dieser Entscheidung wird die Vorgabe, dass Verhandlungen zwischen den Parteien stattzufinden haben, in den Rn. 63 und 66 konkretisiert. Dort lautet es:
Rn. 63: Zum anderen obliegt es dem Patentinhaber, dem angeblichen Verletzer, nachdem dieser seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, gemäß seiner gegenüber der Standardisierungsorganisation übernommenen Verpflichtung ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten und insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung anzugeben.
Rn. 66: Nimmt der angebliche Verletzer das ihm unterbreitete Angebot nicht an, kann er sich auf den missbräuchlichen Charakter einer Unterlassungs- oder Rückrufklage nur berufen, wenn er dem Inhaber des betreffenden SEP innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot macht, das den FRAND-Bedingungen entspricht.
136
Dadurch, dass in Rn. 66 der Entscheidung keine Einschränkung auf ein FRAND-Bedingungen entsprechendes Angebot enthalten ist, folgt, dass der angebliche Verletzer auf jedes Angebot reagieren muss. Als Grenze kann nur der Fall angesehen werden, dass der Patentinhaber erkennbar keine Lizenz schließen möchte, beispielsweise um sich ein Monopol zu sichern.
137
Auch mit dieser Fragestellung hat sich der Bundesgerichtshof bereits befasst und zum Ausdruck gebracht, dass die Huawei-Entscheidung beiderseitige Verpflichtungen zu einem konstruktiven Austausch fordert und die Annahme einer missbräuchlichen Verweigerung durch den marktbeherrschenden Patentinhaber zwingend ein fortdauerndes Verlangen des Verletzers nach Abschluss eines Vertrages zu FRAND-Bedingungen und die Bereitschaft zur Mitwirkung am Zustandekommen eines solchen Vertrages voraussetzt (BGH, GRUR 2021, 585 Rn. 65, 66 – FRAND-Einwand II).
138
Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer entgegen den Ausführungen der Beklagten, die sich auf den Amicus Curiae Brief stützen, vorliegend auch keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof weitere Fragen zur Auslegung des Art. 102 AEUV mit Blick auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand vorzulegen. Als erstinstanzliches Gericht ist sie auch nicht zu einer Vorlage nach Art. 267 AEUV verpflichtet.
139
III. Unter Anwendung der dargelegten Grundsätze und auch unter Berücksichtigung der von der Kommission in den Raum gestellten Interpretationen der einzelnen Rechtsfragen, kann sich die Beklagte nicht auf den Kartellrechtseinwand berufen.
140
1. Der Anwendungsbereich von Art. 102 AEUV ist eröffnet, da der Klägerin bezüglich des standardessenziellen Klagepatents eine beherrschende Stellung auf dem Lizenzmarkt zukommt.
141
Diese Stellung folgt daraus, dass die Benutzung der patentgeschützten Lehre für die Umsetzung des von der jeweiligen Standardisierungsorganisation normierten Standards notwendig ist und es technisch unmöglich ist, die dem Klagepatent zugrunde liegende technische Erfindung durch eine andere zu ersetzen. Anhaltspunkt dafür, dass die technische Lehre des Klagepatents durch eine andere – gleichwertige – Gestaltung substituierbar ist, liegen nicht vor.
142
2. Die Beklagte wurde vor Klageerhebung auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung auf die Verletzung des Klagepatents hingewiesen.
143
Der Hinweis auf das Klagepatent erfolgte bereits mit E-Mail vom … zu Beginn der Verhandlungen und später noch einmal mit E-Mail vom … vor Klageerhebung. In beiden E-Mails hat die Klägerin der Beklagten zu 3) jeweils eine Liste ihrer Patente übermittelt, die aus ihrer Sicht bei der Encodierung und Decodierung im H.264- und H.265-Standard implementiert werden und darunter auch das Klagepatent aufgeführt.
144
Durch den Hinwels auf den H.264- und H.265-Standard war für die Beklagte zu 3) klar, dass von ihr vertriebene Endgeräte, die eine Videocodierung in diesem Standard ermöglichen, von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machen und dieses ohne einen Lizenzvertrag verletzen. In der E-Mail vom … hat die Klägerin in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich auf eine Nutzung durch … der Beklagten hingewiesen. Eine Bitte auf Konkretisierung des Verletzungshinweises wurde von der Beklagtenseite nicht an die Klägerin herangetragen.
145
3. Die Beklagtenseite, vertreten durch die Beklagte zu 3), hat in der Folgezeit durch die Aufnahme von Verhandlungen zu erkennen gegeben, dass sie zumindest in formeller Hinsicht an dem Abschluss eines Lizenzvertrags Interesse hat. Inwieweit diese Bereitschaft von dem ernsten Willen getragen ist, tatsächlich eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erhalten, kann nach dem Verständnis der Kammer offen bleiben.
146
4. Die Klägerin hat verschiedene Angebote abgegeben, die nach Ansicht der Kammer insgesamt jeweils geeignet waren, den nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs erforderlichen Diskussionsraum um eine angemessene FRAND-Lizenz zu eröffnen. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei einer FRAND-Lizenzrate nicht um einen feststehenden Betrag. Vielmehr handelt es sich um das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses, der bei unterschiedlichen Lizenznehmern unterschiedlich ausfallen kann. Maßgeblich ist allein, dass Unterschiede in der Lizenzrate nicht zu einer Diskriminierung einzelner Lizenznehmer führen. Insofern gilt, dass unterschiedliche Konstellationen zu unterschiedlichen Lizenzraten führen können.
147
Weil die FRAND-Lizenzrate das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses ist, handelt es sich nicht um eine Tatsache, die dem Sachverständigenbeweis zugänglich ist.
148
a. Bei der Beurteilung, wann ein Angebot FRAND-Bedingungen entspricht, sind die Besonderheiten der eine Einigung suchenden Parteien zu berücksichtigen.
149
b. Ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Bemessung ist der Zeitpunkt, zu dem sich der Patentinhaber und der Lizenzsuchende über die Lizenz einigen. Gerade bei sehr frühen Abschlüssen von Lizenzverträgen ist mitunter eine Unsicherheit gegeben, inwieweit sich bestimmte Standards tatsächlich durchsetzen. Aber selbst bei etablierten Standards spielt der Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine bedeutende Rolle für die Bestimmung einer FRAND-Rate. Begründet ist dies insbesondere deshalb, weil Patentinhaber für die Bildung eines Patentportfolios mit einem erheblichen Investitionsaufwand (entweder für Forschung, Anmeldung und Pflege der Patente oder aber für den Erwerb) in Vorleistung treten müssen. Frühe Abschlüsse ermöglichen es, dass das erhaltene Geld für neue Forschungs- und Innovationsprojekte eingesetzt wird. Der guten Ordnung halber sei angemerkt, dass diese Erwägungen auch für NPEs gelten. Denn es obliegt den Erfindern, ob sie ihre Schutzrechte selbst verwerten oder die Verwertung an Dritte übertragen. Die Frage, wie die Verwertung stattfinden kann, beeinflusst aber wieder die Preisbildung der Schutzrechte im Verhältnis Erfinder zum Verwerter.
150
c. Berücksichtig werden muss das vorhandene Patentportfolio des Patentinhabers und das Produktsortiment des Lizenzsuchers.
151
Vorliegend ist insofern von Bedeutung, dass die Parteien auf der Klägerseite über ein umfassendes Patentportfolio verfügen, welches mehrere Standards umfasst, und dass die Beklagten über ihre Verkaufsplattform eine Vielzahl von Eigenprodukten verkaufen. Bei objektiver Betrachtung könnte es deshalb grundsätzlich im Interesse der Parteien liegen, dass ein einheitlicher Lizenzvertrag für alle oder mehrere Standards geschlossen wird. Allein dadurch würde das Erfordernis weiterer Lizenzverhandlungen zwischen den Parteien beendet.
152
Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Parteien …. In einer derart komplexen Gemengelage kann auch ein abgeschichtetes Lizenzieren Vorteile haben. Insgesamt lässt sich insofern nur feststellen, dass sich pauschalierte Betrachtungen verbieten. Vielmehr ist es in einer solchen Konstellation Aufgabe der Parteien Tatsachen vorzutragen, die es dem Gericht ermöglichen, das Verhalten der Parteien im Hinblick auf ihr ernsthaftes Interesse am Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen beurteilen zu können.
153
d. Berücksichtigt werden muss auch die vorhandene Lizenzierungspraxis. Im vorliegenden Fall ist dies von Bedeutung, weil hinsichtlich des HEVC-Standards zu unterscheiden ist zwischen der Lizenzierung von einzelnen Produkten und der Lizenzierung von Streamingdiensten.
154
Zwischen den Parteien sind die Details streitig. Festzustellen ist aber, dass es hinsichtlich der Lizenzierung von einzelnen Produkten (Endgeräten) eine Vielzahl an Erfahrungswerten gibt. Diese Lizenzierung ist Gegenstand von Lizenzverträgen, die von der Klägerin vorgelegt worden sind. Weiter ist die Lizenzierung des HEVC-Standards für Endgeräte auch über Patentpools möglich und üblich.
155
Hinsichtlich der Lizenzierung von Streamingdienstleistungen gibt es hingegen noch keine etablierte Praxis. Ob Streamingdienstleistungen – so wie es die Beklagten vortragen – mit der Lizenzierung von Einzelgeräten mitabgegolten sein sollen, erscheint zumindest sehr fraglich, weil bei der Lizenzierung von Streamingdiensten ein konkretes Angebot im Mittelpunkt steht, welches auf Grund einer effizienten Bilddatenübertragung überhaupt erst existent werden konnte. Die Lizenzierung von Endgeräten deckt hingegen das weitere Nutzungsspektrum der Endgeräte ab. In tatsächlicher Hinsicht ist noch nicht geklärt, auf Grund welcher Werte (Nutzerzahl oder tatsächliche Nutzung) eine etwaige Lizenzgebühr bestimmt werden soll.
156
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Patentinhaber beim Vorliegen einer Situation, bei der es hinsichtlich einer bestimmten Produktgruppe eine feste Lizenzierungspraxis gibt und hinsichtlich einer anderen nicht, so vorgehen kann, dass er zuerst lediglich die etablierte Produktgruppe lizenziert. Der Patentsuchende hat keinen Anspruch darauf, von Anfang an eine umfassende Lizenz zu erhalten, weil ansonsten eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Anbietern bestehen würde, die lediglich die etablierte Produktgruppe in ihrem Portfolio haben.
157
e. Bei der Beurteilung, ob ein Pauschalangebot des Patentinhabers FRAND-Bedingungen entspricht, ist zu berücksichtigen, dass der Patentinhaber bei Beginn der Verhandlung in aller Regel etwaig anfallende Kosten für die Rechtsdurchsetzung einpreisen muss. Diese Kosten können insbesondere bei international geführten Streitigkeiten erheblich ins Gewicht fallen.
158
f. Weiter ist bei der Beurteilung, ob die Angebote des Patentinhabers – und insbesondere das erste Angebot – FRAND-Bedingungen entsprechen zu berücksichtigen, dass typischerweise die angemessene Lizenzgebühr im Wege von Verhandlungen zu ermitteln ist, so dass der Ansatz eines Betrages, der über dem tatsächlich erwarteten liegt, nicht per se zum Erfolg des FRAND-Einwandes führt.
159
g. Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte ist davon auszugehen, dass bereits das erste Angebot der Klägerin vom … die Anforderungen, welche an ein FRAND-Angebot zu stellen sind, erfüllt hat. Die dort geforderte Pauschallizenz in Höhe von …. Die konkrete Bemessung … hält sich aber in aem Kanmen, der für ein erstes Angebot im Rahmen von Preisverhandlungen zulässig ist.
160
Bei der Beurteilung der Frage, wie dieser Angebotsrahmen zu bestimmen ist, darf auf die Erkenntnisse der weiteren Verhandlungen zurückgegriffen werden. Denn der Fortgang der Verhandlungen und die in diesem Zusammenhang offengelegten Zahlen und Vergleichsverträge sind tatsächliche Ereignisse, die für die Beurteilung des zeitlich früher liegenden Angebots herangezogen werden können. Insbesondere sind für die Beurteilung eines auf Pauschalzahlung gerichteten Angebots die zu Grunde liegenden Stückzahlen und die in Ansatz gebrachten Beträge für die einzelnen Stücke zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Stückzahlen ist der Patentinhaber naturgemäß auf öffentlich zugängliche Zahlen angewiesen, wohingegen der Lizenzsuchende seine Zahlen kennt oder zumindest kennen müsste. Für die konkrete Höhe sind in der Regel die Lizenzverträge, die von dem Patentinhaber mit anderen Lizenznehmern geschlossen worden sind, maßgeblich. Gerade zum Anfang der Verhandlungen hat der Patentinhaber ein berechtigtes Interesse den Inhalt dieser Verträge nicht offenzulegen.
161
Vorliegend ist insofern zu berücksichtigen, dass die Klägerin am … erstmalig eine Stücklizenz angeboten und in diesem Zusammenhang auch konkrete Preise ausgewiesen hat. Nach dem Verständnis der Kammer stellen die Preise, die für eine Stücklizenz geboten werden, einen maßgeblichen Beurteilungsmaßstab dar, ob eine Pauschallizenz angemessen ist. Wobei bei der Bestimmung einer Pauschallizenz verschiedene Aspekte zu berücksichtigen sind, wie die Vereinfachung der Abwicklung, aber auch ein Prognoserisiko, wie sich die Verkaufszahlen des Lizenzsuchenden in der Zukunft entwickeln werden (soweit die Lizenzdauer auch eine in die Zukunft gerichtete Komponente hat).
162
Die Klägerin hat insofern eine … Lizenz gefordert: …. Zudem wurde unter Bezugnahme auf ca. … Lizenzverträge vorgetragen, dass die tatsächlichen Vertragsschlüsse sich auch in dieser Größenordnung bewegen. Dabei ist es nicht per se schädlich für den Patentinhaber, ob diese Verträge mit großen oder kleineren Marktteilnehmern geschlossen worden sind, weil die Produkte der Beklagten zumindest auch mit diesen Marktteilnehmern in Konkurrenz stehen.
163
Weiter ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten, dass sie in der Zeit von … eine … veräußert hat oder veräußern wird (Prognose). Konkret sind die Zahlen laut Anlage … 33 wie folgt:
… (Dabei wird davon ausgegangen, dass …)
164
Dies ist für die Beurteilung des Angebots vom … zumindest insoweit von Bedeutung, als dass eine etwaige Größenordnung angegeben ist. Es wird nicht verkannt, dass das erste Angebot vom … en Zeitraum von … umfasst. Allerdings war auch die … Gegenstand dieses Angebots.
165
Ohne dies auf Grund der vorliegenden Daten genau berechnen zu können wird deutlich, dass sich das Angebot der Klägerin – in Bezug auf die betroffenen Stückzahlen – … Bereich befindet, was bei wertender Betrachtung innerhalb der zulässigen Preisspanne liegt, um einen Verhandlungsprozess mit der Beklagten zu beginnen. Mithin hat die Klägerin bereits mit dem ersten Angebot, welches … betraf, den Anforderungen des Huawei-Urteils Genüge getan hat. Für die Beklagtenpartei war deutlich, dass die Klägerin am Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen interessiert war.
166
Für die Beurteilung des Verhaltens der Klägerin ist unbeachtlich, dass weitere Angebote teilweise andere Zeiträume und einen anderen Zuschnitt des angebotenen Lizenzumfangs betroffen haben. Denn der konkrete Zuschnitt der Lizenzangebote ist Gegenstand der zwischen den Parteien geführten Verhandlungen. Bei wertender Betrachtung ist gerade die Tatsache, dass die Klägerin Lizenzangebote unterschiedlichen Zuschnitts unterbreitet hat, ein Zeichen dafür, dass sie auf der Suche nach einer Einigung Verhandlungsmöglichkeiten aufzeigen wollte.
167
Zudem hat die Klägerin durch die Tatsache, dass sie ihre Angebote im Laufe der Verhandlungen in absoluter Summe (aber mit unterschiedlichen Lizenzzeiträumen und unterschiedlichem Lizenzumfang, so dass sich der Umfang der Reduktion nicht ohne weiteres bestimmten lässt) stets angepasst hat, deutlich gemacht, dass Sie am Abschluss eines Lizenzvertrages zu angemessenen Bedingungen Interesse hat.
168
Selbst wenn man das erste Angebot noch nicht als ausreichend ansehen würde, so ist doch zu sehen, dass die Klägerin im Zuge der Verhandlungen von der anfangs von ihr geforderten Pauschallizenzsumme abgerückt ist und diese kontinuierlich reduziert hat. So belief sich etwa die Summe für eine Pauschallizenz in ihrem vor Klageerhebung unterbreiteten Angebot vom …, auf dessen Grundlage sie dann auch einen schriftlichen Vertragsentwurf ausarbeitete, auf … und in ihrem letzten Angebot vom … auf … Misst man diese Zahlen an den von der Klägerin mit dem Stücklizenzangebot vom … mitgeteilten Lizenzgebühren für … und die von der Beklagten zu 3) mit E-Mail vom … mitgeteilten Verkaufszahlen für …, ist die Klägerin ihrer Verpflichtung, den Beklagten den Abschluss eines Lizenzvertrages zu angemessenen Bedingungen zu ermöglichen, mit ihren Angeboten zumindest im Laufe der Lizenzverhandlungen (und auch vor Klageerhebung) gerecht geworden.
169
5. Den Beklagten fehlt es nach Überzeugung der Kammer an der erforderlichen Lizenzwilligkeit. Dabei hat die Kammer die Verhandlungsführung der Beklagtenpartei berücksichtigt und auch das Angebot vom … über …, betreffend alle standardessenziellen … der Beklagten, einschließlich ihrer …, für die Jahre …, für das die Beklagte zu 3) am … eine Bankgarantie in benannter Höhe als Sicherheit hinterlegt hat.
170
a. Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Beklagtenpartei sich einer Einigung zu FRAND-Bedingungen allein deshalb entgegenstellt, weil sie Lizenzschlüssen mit nicht-Pool-Patentinhabern grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, um so ein Zeichen gegenüber anderen Inhabern von standardessenziellen Patenten zu vermitteln, dass sie nur nach kostenintensiven Verfahren zum Abschluss einer Lizenz bereit ist.
171
b. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Beklagtenpartei den Abschluss eines Lizenzvertrages über die von ihr vertriebenen … zu FRAND-Bedingungen verweigert, weil sie das übergeordnete Interesse verfolgt, dass auch das von ihr betriebene … von der Klägerin lizenziert wird. Da die Klägerin insofern noch kein Angebot gemacht hat, betreibt die Beklagtenseite eine bewusste Verzögerungsstrategie, um so den Abschluss eines vorzeitigen Lizenzschlusses für nur einen Teilbereich zu verhindern.
172
c. Wie oben bereits ausgeführt, ist bei der Beurteilung der Lizenzwilligkeit der Beklagten neben ihrer Erklärung, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abschließen zu wollen, auch deren Verhalten im Rahmen der aufgenommenen Lizenzverhandlungen zu berücksichtigen.
173
(1). Die Verhandlungen waren maßgeblich dadurch geprägt, dass die Beklagtenpartei im Rahmen der Verhandlungen darauf gedrängt hat, dass auch ihr … lizenziert wird. Darauf hat die Beklagtenpartei jedoch keinen Anspruch, weil es dem Patentinhaber obliegt festzulegen, wie er seine Schutzrechte lizenzieren möchte. Es steht der Klagepartei deshalb frei, ihre Schutzrechte betreffend den HEVC-Standard zum einen gegenüber den Anbietern von … zu lizenzieren und zum anderen gegenüber den Anbietern von … eine weitere Lizenz zu fordern.
174
Entgegen der Ansicht der Beklagtenpartei sind … auch nicht mit der Lizenznahme der … abgegolten. Auch wenn es bislang so war, dass die Anbieter von … nicht oder kaum in Anspruch genommen worden sind, so kann daraus nicht gefolgert werden, dass entweder die Gerätelizenz das … mitumfasst oder aber eine Übung besteht, dass … keine Lizenz nehmen müssen.
175
… sind durch die Lizenz an den Geräten deshalb nicht abgegolten, weil es sich bei der … der Geräte und dem … um unterschiedliche Gegenstände handelt, die einen unterschiedlichen wirtschaftlichen Wert verkörpern und damit auch Gegenstand unterschiedlicher wirtschaftlicher Verwertungen sein können.
176
Dass bislang keine etablierte Praxis für die Lizenzierung von … vorhanden ist und bislang keine oder nur wenige Lizenzverträge abgeschlossen worden sind, begründet keinen Anspruch der Betreiber von … dass dies auch in der Zukunft so bleiben muss.
177
(2). Entgegen der Behauptung der Beklagten bietet sie kein Gesamtkonzept an, bestehend aus der … und … abgestimmt sind. Die Kammer versteht den entsprechenden Vortrag so, dass deshalb, weil es sich um ein Gesamtkonzept handeln solle, nur eine gemeinsame Lizenzierung möglich sei.
178
Diesem Verständnis kann aber nicht gefolgt werden. Es fehlt insofern – trotz der seitenmäßig sehr umfangreichen Einlassungen der Beklagtenpartei – an substantiierten Vortrag, weshalb ein Gesamtkonzept vorliegen soll. Dafür hätte vorgetragen werden müssen, welche Vorteile die Nutzung der … der Beklagten in Bezug auf das Angebot von … haben soll. Ausführungen dazu sind nicht vorhanden. Es ist aber auch nicht ersichtlich, dass es Vorteile geben könnte. Vielmehr stellt es sich so dar, dass die Beklagtenpartei zwei weitgehend unabhängige Angebote – nämlich den Vertrieb von … über die von der Beklagten betriebenen Handelsplattform und das … – anbietet. Die Verknüpfung besteht allein durch den gleichen Anbieter. Nicht ersichtlich ist, dass das Angebot von … nicht auch mit den … von anderen Anbietern im vollen Umfang genutzt werden kann. Genauso kann nicht erkannt werden, dass die … der Beklagten nicht auch für andere Nutzungen als die Verwendung von … genutzt werden können. Mit anderen Worten: Die Verbindung zwischen … und den angegriffenen … besteht nicht in technischer Hinsicht, sondern allein auf Grund des gleichen Anbieters. Deshalb ist kein Grund gegeben, warum die Beklagtenpartei einen Anspruch auf eine gemeinsame Lizenzierung der … und ihres … hat.
179
(3). Die Klagepartei hat ihr Lizenzangebot durch die Vorlage von Lizenzverträgen, die sie mit anderen Lizenznehmern geschlossen hat, begründet. Auf diese Angebote ist die Beklagtenpartei nicht mit der erforderlichen Sorgfalt eingegangen. Insofern ist zum einen zu sehen, dass die Beklagtenpartei versucht die Vergleichbarkeit der vorgelegten über … Lizenzverträge in Abrede zu stellen. Zum anderen lässt sie sich auf eine lizenzorientierte Diskussion zu den inhaltlichen Aspekten der vorgelegten Verträge nicht ein. Insbesondere in Hinblick auf den von der Klägerin mit dem Unternehmen … geschlossenen Lizenzvertrag stimmt der Vortrag der Beklagten mit dem von ihr unterbreiteten Angebot nicht überein.
180
aa. Die Klagepartei hat über … Lizenzverträge mit anderen Lizenznehmern über den streitgegenständlichen Standard vorgelegt. Der Vortrag der Beklagten setzt sich damit auseinander, dass nicht alle Verträge vergleichbar sind. Soweit diesem Vortrag zu folgen ist, fallen tatsächlich einige Verträge aus der Vergleichsgruppe. Nichtsdestotrotz verbleiben jedoch über … Verträge, die hinsichtlich des Standards und des Lizenzierungszeitraums vergleichbar sind. Deshalb ist davon auszugehen, dass diese Verträge deutlich zeigen, dass die Preisvorstellung der Klägerin – die auf dem bereits benannten Stückpreis in den genannten … – basiert, im Markt akzeptiert und anerkannt ist, …. Vor diesem Hintergrund wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, dies aufzugreifen, um dann ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Dies ist aber nicht geschehen.
181
bb. Soweit die Beklagten die Vorlage weiterer Lizenzverträge verlangen, ist diesem Begehren nicht nachzukommen. Nach dem Vortrag der Beklagten habe die Klägerin deshalb keine repräsentativen Verträge vorgelegt, weil es sich durchweg um Verträge mit kleinen Anbietern handelt, welche die Lizenzverträge allein deshalb unterzeichnet hätten, weil eine Rechtsverteidigung die Kosten der Lizenznahme übersteigen würden. Sie begehrt deshalb die Vorlage von Verträgen, welche die Klägerin mit anderen Anbietern vergleichbarer Größe geschlossen hat.
182
Mit diesem Begehren kann die Beklagtenseite nicht durchdringen. Nach der Rechtsprechung der Kammer kann die Patentinhaberin bestimmen, welche Verträge vorgelegt werden sollen, um die Angemessenheit der geforderten Lizenzforderung zu belegen. Bei der Vorlage ist lediglich darauf hinzuweisen, ob der jeweilige Vertrag unter dem Druck eines Unterlassungstitels geschlossen worden ist und ob es überhaupt noch andere Lizenzverträge gibt. Diese Rechtsprechung ist dadurch begründet, dass es dem typischen Vorgehen in einer „Hold-out“-Strategie entspricht, dass – unabhängig von der Zahl der vorgelegten Verträge – die Vorlage weiterer Lizenzverträge gefordert wird, um anschließend Klauseln aus einer Vielzahl der Verträge in einer für den Patentsucher günstigen Weise zu kombinieren.
183
cc. Statt sich mit den Lizenzverträgen, die von der Klägerin vorgelegt worden sind konstruktiv auseinanderzusetzen, hat die Beklagtenseite ihre Argumentation darauf aufgebaut, dass sie die beiden Patentpools … (für HEVC) und … (für AVC) als Vergleichsgröße heranzieht. Diese beiden Pools zeichnen sich dadurch aus, dass sie jeweils einen sehr hohen Anteil am Gesamtpatentumfang („Stack“) des Standards haben (jeweils 75 % oder mehr). Demgegenüber hat die Klagepartei einen deutlich geringeren Umfang (jeweils um 5 %). Indem die Beklagtenseite allein diese Anteile am Gesamtpatentumfang des Standards ins Verhältnis setzt, kommt sie auf sehr geringe Zahlenwerte, die sie als Grundlage für Ihre Angebote nimmt.
184
Insgesamt ist der diesbezügliche Vortrag der Beklagtenpartei nicht zielführend, weil die zutreffende Bezugsgröße für die Bestimmung einer angemessenen Lizenz in aller Regel die Lizenzverträge sind, die der Patentinhaber mit anderen Parteien geschlossen hat. Verträge, die von der Beklagtenpartei mit anderen Patentinhabern geschlossen worden sind, können allenfalls mittelbar herangezogen werden, um zu überprüfen, ob sich die von der Klagepartei geschlossenen Patentverträge nicht insgesamt auf einem zu hohen Niveau befinden. Dafür bedarf es aber eines sauberen Vortrags und einer genauen und detaillierten Auseinandersetzung. In der Regel unzulässig ist der Vergleich von Einzellizenzverträgen und Pool-Lizenzverträgen, weil diese beiden Arten von Lizenzverträgen nur eine eingeschränkte Vergleichbarkeit haben. Die Interessen der Inhaber von Patentportfolios, die sich einem Pool anschließen sind zu unterschiedlich, als dass sie für einen Vergleich verwendet werden können, wie die Kammer in früheren Entscheidungen schon entschieden hat.
185
dd. Die Beklagtenpartei hat selbst eingeräumt, dass der von der Klagepartei vorgelegte Lizenzvertrag mit … am ehesten vergleichbar ist. Insofern wird aber darauf hingewiesen, dass dieser Vertrag lediglich Fernseher umfassen würde, die dem hochpreisigen Segment zuzurechnen seien. Der von der Klägerin vorgetragene Ansatz von … sei überteuert, weil die Stückzahl tatsächlich viel höher sei, es sei allenfalls … dieses Betrages anzusetzen.
186
Selbst wenn man diese Einschätzung als zutreffend ansehen sollte und einen Stückpreis von … ansetzte, so versäumt es die Beklagte ausgehend von diesem Wert unter Berücksichtigung ihrer Stückzahl von über … ein angemessenes Angebot zu machen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass wahrscheinlich alle Produkte von … der höchsten Gruppe innerhalb des Lizenzierungsmodells der Klägerin zuzurechnen sind und gerade die zahlenmäßig erfolgreichsten Produkte der Beklagtenparten … vergleichsweise günstig sind. Dennoch würde bei der Stückzahl von … Endgeräten ausgehend von … eine Lizenzsumme von … herauskommen. Selbst wenn man diesen Betrag halbiert, um dem unterschiedlichen Angebot der Beklagtenpartei gerecht zu werden, ergibt sich ein Wert von …, der deutlich über dem letzten Angebot der Beklagtenpartei in Höhe von … liegt, für welches sie auch eine Bankgarantie geleistet hat. Dies zeigt, dass die Beklagtenpartei kein Angebot gemacht hat, welches FRAND-Anforderungen entspricht, zumal die Beklagte für den genannten Betrag auch die … haben möchte. Dies ist offensichtlich unzureichend, weil … einer der größten … ist.
187
ee. Ein deutliches Indiz, dass die Beklagten kein Interesse an dem Abschluss einer Lizenz haben, ist auch in dem Angebot vom … zu sehen. Nachdem zuvor stets von einer Zahlung … gesprochen worden war, wurde mit diesem Angebot nunmehr gefordert, dass die Klägerin im Ergebnis an die Beklagte eine … in Höhe von … leistet. Denn in diesem Angebot der Beklagten wird der Lizenzzahlung von … die … in Höhe von … in Anspruch zu nehmen, gegenübergestellt. Dass dieses Angebot der Beklagten allein das Ziel hatte, zielführende Einigungsgespräche zu boykottieren, zeigt sich darin, dass das Angebot der Beklagten vor dem Angebot bei … und nach dem Angebot bei … lag, mithin die von der Beklagten als angeblich von ihr zu leistende Lizenzsumme von … nicht ernst gemeint war.
188
ff. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht deshalb, weil die Beklagte am … ein Ratenfestsetzungsverfahren vor dem UK High Court als Widerklage in einem dort anhängigen Verletzungsverfahren eingeleitet hat. Vielmehr passt dieses – zu einem verhältnismäßig späten Zeitpunkt vorgenommene – prozessuale Vorgehen in die Verzögerungsstrategie der Beklagten. Eine andere Beurteilung wäre ggf. veranlasst, wenn sich ein Lizenzsuchender zu einem frühen Zeitpunkt bereit erklärt, entweder vor einem nationalen Gericht oder vor einem Schiedsgericht eine abschließende Regelung herbeizuführen und als Zeichen seiner Lizenzbereitschaft alle Stückzahlen offenlegt und sich bereit erklärt eine Sicherheitsleistung zu erbringen, bzw. hinsichtlich eines im Kern unstreitigen Sockelbetrages eine Vorabzahlung zu leisten. Dies alles ist vorliegend aber nicht geschehen.
189
Eine Aussetzung im Hinblick auf das Verfahren in UK kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil eine Entscheidung des dortigen Gerichts keine Bindungswirkung für die Kammer hätte. Zudem ist nicht ersichtlich, dass eine zeitnahe Entscheidung in der Sache ergehen wird.
190
(4). Deshalb ist die Kammer insgesamt davon überzeugt, dass die Beklagtenseite sich nicht lizenzwillig gezeigt hat. Sie hat in den Verhandlungen durchgehend versucht, den Verhandlungsrahmen zu verschieben und in Verfolgung dieses Ziels jede anderweitige Einigung abgelehnt. Sie handelt damit eindeutig unFRAND, weil sie ihre eigenen Interessen über das Interesse am Abschluss eines FRAND-Lizenzvertrages gesetzt hat.
191
6. Der guten Ordnung halber weist die Kammer darauf hin, dass selbst für den Fall, dass man den Grundsätzen folgen würde, die in dem Amicus Curiae Brief aufgestellt werden, ein Fall des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Beklagten vorliegen würde. Wie oben dargelegt, hat die Klägerin die Beklagtenseite hinreichend auf die Verletzung des Klagepatents hingewiesen, so dass der erste Schritt nach dem Huawei-Prüfungsschema erfüllt ist. Es fehlt aber am zweiten Schritt, denn die Beklagtenseite hatte von Anfang an den Vorbehalt, dass sie einen Lizenzvertrag nur dann schließen möchte, wenn auch die … von … umfasst sind. Die Beklagtenseite war damit von Anfang an nicht grundsätzlich lizenzwillig.
192
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob das Angebot der Klägerin FRAND-Bedingungen entsprochen hat. Dass dies gleichwohl der Fall ist, wurde oben bereits umfassend dargelegt.
193
Für eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO wegen der eingereichten Nichtigkeitsklage der Beklagtenpartei besteht vor dem Hintergrund des hierzu erfolgten Vortrags kein Anlass.
194
Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zugunsten einer Entscheidung des Rechtsstreits oder dessen Aussetzung sind einerseits die verbleibende Schutzdauer des Klagepatents und das Interesse der Klägerin an der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und andererseits die von den Beklagten für eine Nichtigkeit des Klagepatents ins Feld geführten Gründe zu bewerten, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Beklagten behaupten eine unzulässige Erweiterung (I.), neuheitsschädliche Vorwegnahme (II.) und eine fehlende erfinderische Tätigkeit (III.).
195
I. Der Gegenstand der Klagepatentansprüche ist ursprungsoffenbart. Die Beklagten machen geltend, dass das Klagepatent im Zuge des Beschränkungsverfahrens gegenüber der Anmeldung durch Aufnahme der Merkmale 4.4., 4.4.1 und 4.7 sowie 9.4, 9.4.1 und 9.7 unzulässig erweitert worden sei. Dieser Einwand verfängt nicht.
196
1. Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen (BGH GRUR 2010, 509 Rn. 25 – Hubgliedertor I). Dabei ist Gegenstand des Patents die durch die Patentansprüche definierte Lehre, zu deren Auslegung Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Demgegenüber ist der Inhalt der Patentanmeldung der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass den Patentansprüchen die gleiche hervorgehobene Stellung zukommt. Es kommt entscheidend darauf an, ob der Fachmann anhand der ursprünglichen Offenbarung erkennen konnte, dass der geänderte Lösungsvorschlag von Anfang an von dem Schutzbegehren mit umfasst sein soll (BGH, X ZR 104/06, BeckRS 2008, 00866, Rn. 14 – Unzulässige Erweiterung).
197
2. Die Beklagten führen aus, dass in der Anmeldung (Anlagenkonvolut … 1b zum Schriftsatz vom 28.03.2024 – Anlage … 3) der Hinweis auf NAL-Einheit-Typwerte in den Absätzen [0045] und [0046] enthalten gewesen sei, nicht aber in den Absätzen [0047] und [0048], die den Wechsel nur der zeitlichen Skalierbarkeitsschicht beträfen und hierfür auf ein EIDR (enhancement-layer instantaneous decoding refresh)-Bild mit SEI (supplemental enhancement information) message ohne NAL-Einheit-Typwerte abstellten. Die in den jeweiligen Absätzen beschriebenen alternativen Verfahren seien nicht kompatibel und das Verwenden von NAL-Einheit-Typwerten für den Wechsel nur der zeitlichen Skalierbarkeitsschicht damit nicht offenbart. Entsprechend sei auch bei der Prüfung durch das Europäische Patentamt (EPA) beanstandet worden, dass der in den Absätzen [0047] und [0048] adressierte Wechsel in der zeitlichen Skalierbarkeit eine Anzeige im NAL unit header ausschließe und dass die hieran geknüpften Ansprüche 2 und 3 deshalb zu streichen seien; diese Änderungen seien von der Klägerin damals angenommen worden (vgl. Anlagenkonvolut … 1b zum Schriftsatz vom 28.03.2024 – Anlage … 9). Im Zuge des Beschränkungsverfahrens sei die Anzeige mittels NAL-Einheit-Typwerten in den Merkmalen 4.4, 4.4.1 und 4.7 und entsprechend in den Merkmalen 9.4, 9.4.1 und 9.7 dann wieder zum Gegenstand der Patentansprüche gemacht worden. Umgekehrt fänden sich die aus Absatz [0046] ergebenden Merkmale eines NAL-Einheit-Typwerts von 22 für ein EIDR-Bild als zweites Bild nicht in den genannten Merkmalen des Klagepatentanspruchs wieder.
198
Tatsächlich lässt sich den Absätzen [0045], dort ab Zeile 43, und [0046], dort ab Zeile 50 ein Wechsel der zeitlichen Skalierbarkeitsschicht entnehmen, sodass die Verwendung von NAL-Einheit-Typwerten im Zusammenhang mit der zeitlichen Skalierbarkeit in der Anmeldung ursprungsoffenbart ist.
199
Ein Wechsel der zeitlichen Skalierbarkeitsschicht betrifft dabei auch Fälle, in denen nur die zeitliche Skalierbarkeitsschicht gewechselt wird und die übrigen Schichten gleichbleiben. Dabei stellt es keine unzulässige Erweiterung gegenüber der Offenbarung in der Anmeldung darin, dass in den Klagepatentansprüchen das zweite Bild nicht als EIDR-Bild bezeichnet wird, aber mit bestimmten Eigenschaften beschrieben wird, die denen eines EIDR-Bildes entsprechen, und dass in den Merkmalen 4.4, 4.4.1 und 4.7 und entsprechend in den Merkmalen 9.4, 9.4.1 und 9.7 allgemein eine Anzeige mittels NAL-Einheit-Typwerten statt eines bestimmten NAL-Einheit-Typwerts aufgeführt wird.
200
II. Die Entgegenhaltungen … 10, 10a und 11 nehmen den Gegenstand des Klagepatents nicht neuheitsschädlich vorweg.
201
Die Beklagten führen aus, dass der Standardisierungsvorschlag ISO/IEC JTC1/SC29/WG11 MPEG/M12370 (Anlage … 10) mit Anlage (…) (Anlage … 10a) während des 73. Treffens der ISO/IEC MPEG Gruppe in Poznan, Polen, im Juli 2005 der Arbeitsgruppe 11 (WG11) präsentiert worden sei und dass die Dokumente ab Juli 2005 allen von Normungsorganisationen akkreditierten Fachleuten offen gestanden seien, die an den Treffen teilnahmen, und damit öffentlich zugänglich gewesen seien. Sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 4 seien darin offenbart worden. Mit der Entgegenhaltung … 10a seien zwei neue NAL unit-Typen 20 und 21 eingeführt worden, wobei der NAL unit – Typ 21 den Fall des Klagepatents betreffe, dass ein IDR (instantaneous decoding refresh)-Bild in der Erweiterungsschicht auch auf Informationen aus der Basisschicht zugreife. Auch mit der Entgegenhaltung … 11 seien die Merkmale des Klagepatentanspruchs 4 – mit Ausnahme der wegen unzulässiger Erweiterung nicht zu berücksichtigenden Merkmale 4.4., 4.4.1 und 4.7 – offenbart worden.
202
Demgegenüber führt die Klägerin aus, dass die Klagepatentschrift auf den von den Beklagten ins Feld geführte Standardisierungsvorschlag Bezug genommen habe und dass die Erfindung des Klagepatents deshalb zwar in Kenntnis aber auch in Abgrenzung zu den Entgegenhaltungen … 10 und 10a erfolgt sei. Merkmal 4.4.1 des Klagepatents treffe Vorgaben für ein Hochschalten auf eine höhere zeitliche Skalierbarkeitsschicht und die Interprädiktion aus einer niedrigeren Schicht, insbesondere dieses Merkmal sei in den Entgegenhaltungen … 10 und 10a nicht offenbart. Die Entgegenhaltung … 10a und die darin definierten NAL unit-Typen sprächen nur von IDR-Bildern, dabei handele es sich definitionsgemäß nur um intracodierte Bilder, die nicht aus früheren Bildern vorhergesagt würden. Eine Interprädiktion aus früheren Bildern der niedrigeren Schicht sei weder ausdrücklich in der Entgegenhaltung genannt noch würde sie sich daraus für eine Fachperson ergeben. Anders als das Klagepatent zielten die Entgegenhaltungen … 10 und 10a auch darauf, den Multi-Layer-Videostrom auf Seiten des Senders (Servers) vor dem Versenden auf einen bestimmten Layer zu reduzieren, der auf die jeweiligen Fähigkeiten des Decodierers im Empfänger abgestimmt sei. Dies erlaube die Verwendung vereinfachter Decodierer, die nicht – wie im Falle des Klagepatents – bei der Decodierung und Videowiedergabe auf einen höheren zeitlichen Layer „hochschalten“ könnten. Die Entgegenhaltung … 11 schlage vor, ein Umschalten auf einen anderen temporal layer mithilfe einer Gruppierung von Bildern in subsequences und ohne Änderung der Syntax mittels NAL-Einheit-Typwerten zu ermöglichen, wähle damit einen anderen Weg als das Klagepatent und offenbare somit auch nicht dessen Merkmale, insbesondere dessen Merkmale 4.4, 4.4.1 und 4.7.
203
Die Kammer vermag den Entgegenhaltungen … 10 und 10a in Übereinstimmung mit den entsprechenden Ausführungen der Klägerin jedenfalls keine unmittelbare und eindeutige Offenlegung des Merkmals einer Interprädiktion aus einer niedrigeren Schicht (nach einem Wechsel in eine höhere Schicht) zu entnehmen. Der Entgegenhaltung … 11 vermag sie keine Offenbarung der Merkmale betreffend die Anzeige mittels NAL-Einheit-Typwerten (4.4, 4.4.1 und 4.7 und entsprechend 9.4, 9.4.1 und 9.7) zu entnehmen.
204
III. Der Gegenstand des Klagepatents ist nicht durch die Entgegenhaltungen … 10, 10a und 11 nahegelegt.
205
1. Um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum einen erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen muss der Fachmann Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH BeckRS 2018, 13279 Rn. 49 f.). Regelmäßig ist dafür erforderlich, dass entweder im Stand der Technik schon ein Hinweis auf die Lösung vorhanden war, oder dass die Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen der angesprochenen Fachperson gehört (BGH, GRUR 2014, 647, Rn. 26 – Farbversorgungssystem).
206
2. Nach diesem Maßstab ist der Gegenstand des Klagepatents nicht durch die Entgegenhaltungen … 10, 10a und 11 nahegelegt.
207
Die Beklagten führen weiter aus, dass sich aus den Entgegenhaltungen in den Anlagen … 10a und 11 für den Fachmann eine Anregung ergeben habe, die von … 11 geforderte Signalisierung, wie in … 10 auf Bild-Ebene mittels IDR-Bildern in der Form des beschränkten Klageanspruchs zu implementieren. Die Entgegenhaltung … 10a habe das Signalisieren von IDR-Bildern mittels NAL-Einheit-Typwert 21 offenbart oder – für den Fall, dass dieser nicht den Fall des Klagepatents betreffe – für den Fachmann die Entwicklung eines weiteren NAL-Einheit-Typwerts entsprechend dem Klagepatent nahegelegt.
208
Demgegenüber führt die Klägerin aus, dass für den Fachmann keine Veranlassung bestanden habe, die Informationen aus den Entgegenhaltungen … 10a und 11 miteinander zu kombinieren, da beide unterschiedliche Codierstandards beträfen und unterschiedliche, miteinander nicht kompatible Lösungsansätze vorsähen, nämlich einmal über neue NAL-Einheit-Typwerte und einmal ohne Änderung der Syntaxstruktur und damit ohne neue NAL-Einheit-Typwerte.
209
Das Anknüpfen an unterschiedlichen Standards und die unterschiedlichen Lösungsansätze in den Entgegenhaltungen in den Anlagen … 10a und 11 sprechen aus Sicht der Kammer gegen die Annahme, dass sich die Lehre des Klagepatents für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben hätte.
210
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
211
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO. § 712 ZPO ist nicht anzuwenden, weil die Beklagtenseite einen über die üblichen Nachteile einer Vollstreckung hinausgehenden, nicht zu ersetzenden Nachteil durch die Vollstreckung nicht dargetan hat.
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Da die Sicherungsleistung den Anspruch des Vollstreckungsschuldners aus § 717 Abs. 2 ZPO sichern soll, ist ihre Höhe entsprechend zu bemessen (Ulrici, BeckOK ZPO, Stand 01.03.2024, § 709, Rn. 3). Trotz eines umfangreichen Vortrags der Beklagten war die Sicherheitsleistung in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe festzusetzen. Ein darüberhinausgehendes Sicherungsbedürfnis – insbesondere in der geltend gemachten Höhe von … für den Unterlassungsanspruch, den Vernichtungsanspruch und die Ansprüche auf Rückruf und Entfernung – hat die Beklagtenseite nicht substantiiert dargelegt. Auch der von den Beklagten vorgebrachte Ansatz, dass die Auskunftserteilung mit Pauschalkosten von … pro veräußerten Stück einhergeht, ist nicht hinreichend dargelegt und ist auch ansonsten nicht plausibel.
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I. Sofern die Beklagten einen deutlich über den Streitwert hinausgehenden möglichen Gegenanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO behaupten, müssen sie hierzu substantiiert vortragen und diesen Vortrag durch belastbare Unterlagen belegen. In aller Regel wird es dabei nicht ausreichen, wenn pauschal behauptet wird, dass der mögliche Schaden einen bestimmten Prozentsatz vom Umsatz darstellt. Solche Behauptungen sind vielmehr in aller Regel durch Steuerunterlagen (Steuererklärungen und Steuerbescheide) zu belegen. Denn bei diesen Unterlagen gibt es die Vermutung, dass keine beschönigenden Angaben gemacht werden (weil ansonsten die Steuerlast steigen würde). Für international tätige Unternehmungen sind deshalb in aller Regel sämtliche Steuerunterlagen für die Bundesrepublik Deutschland, zudem für alle Länder hinsichtlich derer steuerrelevante Abflüsse (Lizenzzahlungen oder konzernbedingte Ausgleichszahlungen) geltend gemacht werden und für alle Produktionsstandorte vorzulegen. Um Jahresschwankungen hinreichend berücksichtigen zu können, wird es in der Regel erforderlich sein, dass die entsprechenden Unterlagen für mindestens die letzten drei Jahre vorgelegt werden.
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Die Kammer ist sich dessen bewusst, dass damit eine erhebliche Vortragslast einhergeht. Da das Festsetzen einer hohen Sicherheitsleistung aber den Unterlassungsanspruch erheblich schwächt, ist dies hinzunehmen, zumal durch das Geheimnisschutzgesetz hinreichende Sicherungsmechanismen im Erkenntnisverfahren vorgesehen sind, um die Interessen der Beklagten auch insofern zu schützen.
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II. Diesen Anforderungen sind die Beklagten nicht nachgekommen. Insbesondere sind in der eidesstattlichen Versicherung von …, Anlage … 13a) nicht die erforderlichen Daten dargelegt, die den von der Beklagtenpartei als Sicherheitsleistung geforderten Betrag in Höhe von … zu rechtfertigen.
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In der eidesstattlichen Versicherung sind zwar die geschätzten Zahlen angegeben, wie viele Geräte die Beklagtenpartei von den angegriffenen Verletzungsgegenständen in der Zeit vom 01.11.2024 bis zum 31.05.2026 in Deutschland verkaufen wird. Dabei ist – der Rechtsprechung des OLG Münchens folgend – von einer Dauer bis zur berufungsgerichtlichen Entscheidung von 18 Monaten ausgegangen worden. Nicht hinreichend nachvollziehbar dargelegt ist jedoch der von der Beklagtenpartei in Ansatz gebrachte „…. Nach dem Verständnis der Kammer hat die Beklagtenpartei nicht nur den Gewinn pro Produkt, sondern auch vermutete Folgegewinne in Ansatz gebracht. In der eidesstattlichen Versicherung lautet es insofern:
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Dieser Vortrag ist nicht ausreichend, dass sich die Kammer ein hinreichend konkretes Bild von dem möglichen Vollstreckungsschaden machen kann. Abgesehen davon, dass der Vortrag zu dem Ansatz … unsubstantiiert ist, stellt sich auch die Frage, inwieweit der Verkauf von … bedingt wurde. Es gibt deshalb keinen Grund dem Vortrag der Beklagtenpartei zu folgen, der es ohne weiteres möglich gewesen wäre, vorzutragen, wie hoch die Gewinnmarge bei den einzelnen Produkten unter Berücksichtigung der üblichen Rabatte ist.
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III. Die Kammer verkennt nicht, dass der Beklagtenpartei durch die Vollstreckung des Unterlassungsgebots erhebliche Schäden entstehen können, die deutlich über dem Streitwert liegen können. Deshalb hat die Kammer den Streitwert in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe festgesetzt. Dabei wurde auch die Überlegung berücksichtigt, dass ein Großteil der Produkte der Beklagten wahrscheinlich durch Erwerbsvorgänge auf der … der Beklagtenpartei substituiert werden dürften, so dass dadurch zumindest ein gewisser Kompensationseffekt eintritt.
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Entgegen dem Vorbringen der Klagepartei konnte der Vollstreckungswert für die Beklagten nicht getrennt festgesetzt werden. Die Beklagten sind – weil vorliegend auch die Muttergesellschaft verklagt worden ist – in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht nicht zu trennen. Es ist innerhalb der Konzernstrukturen nicht möglich, dass die Produkte über andere Vertriebswege vertrieben werden.
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Als weiterer Aspekt bei der Bemessung der Sicherheitsleistung ist zu berücksichtigen, dass die Beklagten bislang keine Lizenzzahlungen an die Klagepartei geleistet haben. Da bei vernünftiger Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, dass nicht das vollständige Patentportfolio der Klagepartei entfallen wird, besteht eine zumindest sekundäre Sicherung eines eventuellen Anspruchs über ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich etwaiger Lizenzzahlungen.
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IV. Dem Antrag der Klagepartei folgend waren Teilsicherheiten für die einzelnen Produktgruppen festzusetzen. Die Möglichkeit der gesonderten Festsetzung ist aus zivilprozessualen Gesichtspunkten zwingend erforderlich. Denn es steht einem Patentinhaber frei, welche Produktgruppen er mit seiner Klage angreifen möchte. Auch wenn die streitgegenständliche Technologie in mehreren Produktgruppen verwirklich wird, so kann er sich auf eine oder mehrere dieser Produktgruppen beschränken. Durch ein solches Vorgehen könnte der Streitwert, aber auch der Wert einer Vollstreckungssicherheit gesenkt werden. Dem Rechtsgedanken des § 145 PatG (analog) folgend, wäre es aber unzulässig, wenn gegen den gleichen Beklagten mehrere Klagen aus dem gleichen Schutzrecht gegen verschiedene Produktgruppen erhoben werden würden. Durch die ausschließlich einheitliche Festsetzung der Vollstreckungssicherheit für alle Produktgruppen würde einem Patentinhaber die Möglichkeit der Vollstreckung gegenüber den Anbietern verschiedener Produktgruppen erschwert werden.
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Vor diesem Hintergrund muss es die Möglichkeit geben, dass die Vollstreckungssicherheiten für einzelne Produktgruppen separat festgesetzt werden, um die Rechtsverfolgung auch gegenüber Anbietern größerer Produktpaletten in einer effizienten Weise zu ermöglichen. Allerdings ist bei einer solchen Aufteilung zu berücksichtigen, dass die Vollstreckung gegen eine Produktgruppe Ausstrahlungswirkung auch auf andere Produktgruppen hat, so dass die einzelnen Teilsicherheiten höher anzusetzen sind, als es ihrem Anteil an dem Gesamtaufkommen entspricht. Dafür ist ein etwa hälftiger Aufschlag angemessen. Mit anderen Worten: wenn lediglich hinsichtlich einer Produktgruppe – die 20 Prozent des Umsatzes darstellt – vollstreckt werden soll, müssen ca. 30 Prozent der Gesamtsicherheit geleistet werden, um den beidseitigen Interessen der Parteien gerecht zu werden.
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Die konkrete Festsetzung der Quoten orientiert sich an den Angaben der Parteien in der Verhandlung.
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V. Die Höhe der Sicherheitsleistung für die Auskunftserteilung und Rechnungslegung bestimmt sich nach dem tatsächlichen Aufwand. Dem von den Beklagten vorgebrachten Ansatz eines Pauschalbetrags von … ir jedes Endgerät kann nicht gefolgt werden. Es wurden auch keine Anhaltspunkte vorgetragen, weshalb bei der Auskunftserteilung ein besonders hoher Aufwand erforderlich ist. Die Kammer hat deshalb den Aufwand geschätzt.
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Der Betrag von … beruht auf der Annahme, dass … Beschäftigte der Beklagten mit der Auskunftserteilung … Monate beschäftigt sind. Dabei wurde eine monatliche Arbeitszeit von … Stunden und ein Kostensatz von … Euro pro Stunde veranschlagt. Da die Informationen elektronisch übermittelt werden können, waren dafür keine gesonderten Kosten anzusetzen.