Inhalt

OLG München, Endurteil v. 07.03.2024 – 6 U 7047/22e
Titel:

Keine Ansprüche gegen Gestaltung einer Getränke-Glasflasche

Normenketten:
ZPO § 524
GGV Art. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1, Art. 85 Abs. 1, Art. 88 Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 lit. a
DesignG § 42 Abs. 2, § 43, § 46, § 62a Nr. 1,
UWG § 4 Nr. 3, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1,
Leitsätze:
1. Da das Klagemuster eine Flasche ohne jegliches Etikett betrifft, die dem Endverbraucher in dieser Form üblicherweise nicht angeboten wird, kommt allein der Flascheneinkäufer von Abfüllbetrieben als (konkreter) informierter Benutzer in Betracht, weil nur er in der Lage ist, den Gesamteindruck der jeweiligen Flaschen in „unverfälschtem“ Zustand zu beurteilen. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Voraussetzung für eine wettbewerbswidrige Nachahmung, wonach dem Hersteller im Zeitpunkt der Schaffung des beanstandeten Produkts das Vorbild bekannt sein muss, ist allein dahingehend zu verstehen, dass im Fall des Fehlens einer entsprechenden Kenntnis denknotwendig eine selbständige Zweitentwicklung vorgelegen haben muss. Daraus lässt sich aber nicht umgekehrt der Schluss ziehen, dass bei Vorliegen der Kenntnis vom Original stets davon auszugehen ist, dass dieses auch als Vorbild gedient hat, und eine selbständige Zweitentwicklung in diesen Fällen stets ausgeschlossen ist. (Rn. 121) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wenn nur die Einkäufer von Flaschen bei Getränkeabfüllern wie Brauereien mit dem klägerischen Produkt eine Herkunftsvorstellung verbinden, nicht jedoch die Endverbraucher, kann es für eine vermeidbare Herkunftstäuschung nicht auf die Vorstellung der Endabnehmer ankommen, sondern allein auf das Verständnis der professionellen Flascheneinkäufer, also der Fachkreise. (Rn. 133) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gemeinschaftsgeschmacksmuster, Unterlassungsanspruch, Wettbewerbsrecht, Nachahmung, Herkunftstäuschung, Rufausnutzung, Berufung
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 07.11.2022 – 42 O 8618/21
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 40608

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 07.11.2022, Az. 42 O 8618/21, wird zurückgewiesen.
II. Die Drittwiderbeklagte wird ihrer Berufung für verlustig erklärt.
III. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens der Beklagten trägt der Kläger die Hälfte, die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens der Drittwiderbeklagten trägt die Beklagte; im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren selbst.
IV. Dieses Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Sowie folgenden Beschluss
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 200.000 Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe

A.
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte Unterlassungs- und Folgeansprüche wegen behaupteter Verletzung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters EU 002205666-001 (Klagemuster), hilfsweise auf Grundlage des UWG, geltend. Die Beklagte begehrt im Wege der Drittwiderklage die Nichtigerklärung des Klagemusters.
2
Der Kläger betreibt ein Unternehmen mit Sitz in M.. Er entwickelt, produziert und vertreibt Verpackungen aus Glas, insbesondere Getränkeflaschen (vgl. Internetauszug, K 1).
3
Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist ebenfalls die Herstellung und der Vertrieb von Getränke- und Glasflaschen (vgl. Internetauszug, K 2).
4
Die Drittwiderbeklagte ist Inhaberin des am 20.03.2013 angemeldeten Klagemusters, das in der einzigen Abbildung in der Anmeldung wie folgt dargestellt ist (vgl. Registerauszug, K 3):
5
Dem Kläger ist von der Drittwiderbeklagten eine räumlich unbeschränkte, ausschließliche Lizenz zur Nutzung der durch das Klagemuster geschützten Bierflaschenform eingeräumt worden. Die Drittwiderbeklagte hat in die Erhebung der vorliegenden Klage eingewilligt und den Kläger zur Geltendmachung und Durchsetzung der Rechte und Ansprüche aus dem Klagemuster gegenüber der Beklagten ermächtigt und aus dessen Verletzung entstandene Ansprüche an diesen abgetreten (vgl. Vereinbarung, K 4).
6
Lange Jahre erfolgte die Abfüllung von Bier in Deutschland überwiegend in 0,5 Liter-Pfandflaschen. Dabei wurden hauptsächlich zwei Standardtypen solcher Flaschen verwendet, nämlich die „Euro-Flasche“ (vgl. Asservat K 22) und die sog. „NRW-Flasche“:
7
Seit einiger Zeit werden Getränke, insbesondere Bier, vermehrt auch in kleineren Gebinden, insbesondere 0,33 Liter-Flaschen, abgefüllt. Für diese Volumengröße waren zunächst im Wesentlichen die sog. „Vichy-Flasche“, die sog. „Longneck-Flasche“ und die sog. „kleine Steinie-Flasche“ auf dem Markt verfügbar:
8
In Zusammenarbeit mit der Drittwiderbeklagten entwickelte der Kläger die durch das Klagemuster geschützte Form der oben dargestellten Bierflasche (sog. „kleine Euro“ bzw. „kleine Euro-Flasche“).
9
Eine nach dem Klagemuster geformte Bierflasche ist die vom Kläger seit dem Jahr 2014 vertriebene 0,33 Liter-Bierflasche „kleine Euro“ (vgl. Internetauszug, K 1; Asservat, K 21).
10
Seit dem Jahr 2020 vertreibt auch die Beklagte eine 0,33 Liter-Bierflasche. Es handelt sich um die nachfolgend wiedergegebene und mit hiesiger Klage angegriffene 0,33 Liter-Bierflasche („SUD-Flasche“, vgl. Internetauszug, Anlage K 12; Asservat, K 23):
11
Mit Schreiben vom 07.02.2020 ließ der Kläger die Beklagte im Namen der Drittwiderbeklagten wegen drohender Verletzung des Klagemusters abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auffordern (vgl. Schreiben, K 17). Die Beklagte ließ die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 21.02.2020 zurückweisen (vgl. Schreiben, K 18).
12
Der Kläger ist der Auffassung, die „SUD-Flasche“ der Beklagten verletze das Klagemuster, da beide Muster beim informierten Benutzer denselben Gesamteindruck erweckten. Hilfsweise ergäben sich die Unterlassungs- und Folgeansprüche aus § 4 Nr. 3 Buchst. a und b UWG (wettbewerbswidrige Nachahmung).
13
Der Kläger hat in erster Instanz im Wege eines auf Geschmacksmusterrecht gestützten Hauptantrags und eines auf Lauterkeitsrecht gestützten Hilfsantrags beantragt, die Beklagte zur Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen und die Schadenersatzpflicht festzustellen (vgl. die gleichlautenden Berufungsanträge des Klägers unten).
14
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
15
Die Beklagte ist der Auffassung, eine Verletzung des Klagemusters durch die von ihr vertriebene SUD-Flasche liege nicht vor, da beide Flaschen einen unterschiedlichen Gesamteindruck erweckten. Sofern man dies anders sähe, wäre das Klagemuster aber jedenfalls nicht rechtsbeständig, da dieses dann auch den gleichen Gesamteindruck wie die im Formenschatz vorbekannte Euro-Flasche (0,5 l) sowie weiterer Entgegenhaltungen, nämlich der „DDR-Flasche“ sowie der „Löwenbräu-Flasche“, erwecke, so dass es an der notwendigen Eigenart des Klagemusters fehle.
16
Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wege der Drittwiderklage beantragt, das Gemeinschaftsgeschmacksmuster EU 002205666-0001 (Anlage K 3) der Drittwiderbeklagten für nichtig zu erklären.
17
Der Kläger bzw. die Drittwiderbeklagte sind dem entgegengetreten und der Auffassung, das Klagemuster sei rechtsbeständig. Ein wesentlicher Unterschied des Klagemusters gegenüber der vorbekannten „Euro-Flasche“ (0,5 l) ergebe sich insbesondere (auch) daraus, dass das Mundstück beider Flaschen – bedingt dadurch, dass der Kronkorken genormt sei – „gleich groß“ sei. Zwar sei die Abbildung des Klagemusters nicht bemaßt. Da dem informierten Benutzer die Normgröße des Kronkorkens bzw. des dazu passenden Mundstücks bekannt sei, erkenne er jedoch die unterschiedlichen Größenverhältnisse des Mundstücks zur übrigen Flasche und er erkenne dadurch, dass es sich beim Klagemuster um eine kleinere, nämlich eine 0,33 l-Flasche handeln müsse.
18
Das Landgericht hat mit Urteil vom 07.11.2022, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat es gegeneinander aufgehoben.
19
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Widerbeklagten haben mit Schriftsatz vom 05.12.2022 (Bl. 3/4 OLG-Akte) mitgeteilt, dass sie „Kläger und (Dritt-)Widerbeklagte auch in der Berufungsinstanz vertreten“ und „in deren Namen“ Berufung gegen das den Prozessbevollmächtigten am 08.11.2022 zugestellte Urteil eingelegt und diese nach erfolgter Fristverlängerung bis 09.03.2023 (Bl. 13 OLG-Akte) mit Schriftsatz vom 08.03.2023, eingegangen am selben Tag, begründet.
20
Die Beklagte hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 08.11.2022 zugestellte Urteil am 05.12.2022 Berufung eingelegt. Die Frist zur Berufungsbegründung wurde antragsgemäß verlängert bis 09.03.2023 (Bl. 14 OLG-Akte). Ein weiteres Fristverlängerungsgesuch bis 11.04.2023 vom 08.03.2023 (Bl. 15 OLG-Akte) wurde vom Vorsitzenden mangels Einwilligung des Gegners zurückgewiesen (Bl. 59/60 OLG-Akte). Eine Berufungsbegründung ist erst am 20.03.2023 beim Berufungsgericht eingegangen (Bl. 44/52 OLG-Akte). Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumnis der Berufungsbegründungsfrist wurde vom Senat mit Beschluss vom 28.04.2023 zurückgewiesen (Bl. 61/64 OLG-Akte). Mit Schriftsatz vom 17.05.2023, eingegangen am selben Tag, hat die Beklagte Anschlussberufung eingelegt bzw. ausgeführt, ihre ggf. unzulässige Berufung solle in eine Anschlussberufung umgedeutet werden, und diese zugleich begründet (Bl. 65/90 OLG-Akte).
21
Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung unter Vertiefung und Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein ursprüngliches Klageziel weiter. Die Drittwiderbeklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2024 ihre Berufung zurückgenommen.
22
Der Kläger beantragt:
Das Urteil des Landgerichts München I vom 07.11.2022, Az. 42 O 8618/21, wird in Ziff. I des Tenors abgeändert und
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1.1.1.1.1.
es bei Meidung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden
Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €- ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist,
zu unterlassen,
Getränke-Glasflaschen im Gebiet der Europäischen Union, anzubieten, in Verkehr zu bringen, einzuführen, auszuführen oder zu den vorgenannten Zwecken zu besitzen, wenn diese wie nachfolgend abgebildet gestaltet sind:
2.2.
dem Kläger Auskunft über den Vertriebsweg der unter vorstehend zu Ziff. I.1. abgebildeten Erzeugnisse zu erteilen, und zwar unter Angabe
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3.
dem Kläger über den Umfang der vorstehend zu Ziff. 1.1. bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses mit Angaben über
4.
die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder ihrem Eigentum befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziff. 1.1. an einen von dem Kläger zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;
5.
die in Ziff. 1.1. abgebildeten, in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den durch das Urteil der Kammer [sic!] gerichtlich festgestellten verletzenden Zustand der Sache zurückzurufen, gegebenenfalls bereits gezahlte Kaufpreise bzw. sonstige Äquivalente zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten und mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlasst.
II.Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der dieser [sic!] aus Handlungen gemäß Ziff. 1.1. entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtlich entstandene Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von € 2.502,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Hilfsweise:
I.Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist,
zu unterlassen,
Getränke-Glasflaschen im geschäftlichen Verkehr im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, anzubieten, zu bewerben und/oder zu vertreiben, wenn diese wie nachfolgend abgebildet gestaltet sind:
2. dem Kläger über den Umfang der vorstehend zu Ziff. 1.1. bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses mit Angaben über
a)
Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreise sowie Namen und Anschriften der Abnehmer, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen und Artikel-Nummern,
b)
Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreise sowie Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen und Artikel-Nummern,
c)
einzelne Werbeträger, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d)
Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren sowie des erzielten Gewinns.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der dieser [sic!] aus Handlungen gemäß Ziff. 1.1. entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtlich entstandene Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von € 2.502,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
23
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
24
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, soweit mit diesem die Klage abgewiesen wurde. Sollte man entgegen des nach Auffassung des Landgericht bestehenden geringen Schutzumfangs des Klagemusters die Verletzungsfrage durch die angegriffene „SUD-Flasche“ bejahen, wäre es nicht vertretbar anzunehmen, dass sich das Klagemuster gegenüber dem vorbekannten Formenschatz im Gesamteindruck noch in einem solchen Maß unterscheide, was es rechtfertigte, dem Klagemuster einen Schutz zuzubilligen. Für diesen Fall erweise sich die gegen die Abweisung der (Dritt-)Widerklage gerichtete – aus Sicht der Beklagten zulässige – Anschlussberufung als begründet und das Klagemuster sei auf diese hin für nichtig zu erklären.
25
Die Beklagte beantragt im Wege der Anschlussberufung,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes München 42 O 8618/21 vom 7.11.2022 das Gemeinschaftsgeschmacksmuster EU 002205666-0001 (Anlage K 3) für nichtig zu erklären.
26
Die Drittwiderbeklagte beantragt,
die Anschlussberufung und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
27
Sie vertieft in Bezug auf die Rechtsgültigkeit des Klagemusters im Berufungsverfahren im Wesentlichen ihr bereits in erster Instanz vorgebrachtes Argument, wonach der informierte Benutzer aufgrund der ihm bekannten Größe des genormten Mundstücks (bzw. den sich daran unmittelbar anschließenden „Halsbereich“) im Verhältnis zur Höhe der Flasche und dem Durchmesser des Hauptkörpers der Flasche das abweichende Füllvolumen der durch das Klagemuster geschützten Flasche gegenüber der vorbekannten „Euro-Flasche (0,5 l)“ erkenne, was zu einem unterschiedlichen Gesamteindruck beider Flaschenmuster führe.
28
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2024 Bezug genommen.
B.
29
Über die Anschlussberufung der Beklagten, mit welcher sie sich gegen die Abweisung der Drittwiderklage auf Nichtigerklärung des Klagemusters wendet, war nicht mehr zu befinden, da die Anschließung durch die Berufungsrücknahme der Drittwiderbeklagten ihre Wirkung verloren hat (dazu I.). Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet (dazu II.).
30
I. Die Anschlussberufung der Beklagten war zunächst zulässig, hat jedoch durch die im Termin erklärte Rücknahme der Berufung der Drittwiderbeklagten ihre Wirkung verloren, § 524 Abs. 4 ZPO.
31
1. Die ursprünglich von der Beklagten und Drittwiderklägerin eingelegte Berufung vom 05.12.2022 (Bl. 1/2 OLG-Akte) war in eine Anschlussberufung umzudeuten.
32
a) Die ursprüngliche Berufung war unzulässig, da diese nicht innerhalb der Frist nach § 520 Abs. 2 ZPO begründet wurde. Die Frist zur Berufungsbegründung wurde zunächst antragsgemäß verlängert bis 09.03.2023 (Bl. 14 OLG-Akte). Ein weiteres Fristverlängerungsgesuch bis 11.04.2023 vom 08.03.2023 (Bl. 15 OLG-Akte) wurde vom Vorsitzenden mangels Einwilligung des Gegners in die Fristverlängerung zurückgewiesen (Bl. 59/60 OLG-Akte). Die Berufungsbegründungsfrist lief mithin am 09.03.2023 ab. Eine Berufungsbegründung der Beklagten ist erst am 20.03.2023 – und damit nach Ablauf der Frist – beim Berufungsgericht eingegangen (Bl. 44/52 OLG-Akte).
33
Auch der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumnis der Berufungsbegründungsfrist wurde vom Senat mit Beschluss vom 28.04.2023 zurückgewiesen (Bl. 61/64 OLG-Akte).
34
b) Die damit unzulässige Berufung war jedoch in eine – zunächst zulässige – Anschlussberufung umzudeuten.
35
aa) Auch im Verfahrensrecht kann der Gedanke des § 140 BGB (Umdeutung) herangezogen werden. Für die Umdeutung genügt es, wenn diese von dem mutmaßlichen Parteiwillen gedeckt wird. In aller Regel wird eine Partei eine unzulässige Hauptberufung als zulässige Anschlussberufung retten wollen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, NJW-RR 2016, 445 Rn. 7). Vorliegend hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.05.2023, eingegangen am selben Tag, sogar ausdrücklich Anschlussberufung eingelegt bzw. ausgeführt, ihre gegebenenfalls unzulässige Berufung solle in eine Anschlussberufung umgedeutet werden (Bl. 65/90 OLG-Akte).
36
bb) Eine derartige Umdeutung setzt allerdings voraus, dass die Anschlussberufung ihrerseits zulässig ist (vgl. BGH, NJW-RR 2016, 445, Ls.; Heßler in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 524 Rn. 6). Dies war hier zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes vom 17.05.2023 der Fall.
37
(1) Die formellen Voraussetzungen des § 524 ZPO sind gewahrt. Insbesondere wurde die Anschlussberufung innerhalb der Berufungserwiderungsfrist eingelegt und ordnungsgemäß begründet (§ 524 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 ZPO).
38
(2) Nach § 524 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt die Abschlussberufung ferner ein anschließungsfähiges Hauptrechtsmittel voraus, also eine bereits vorhandene und noch existierende Berufung (Wulf, in: BeckOK ZPO, Stand: 01.12.2023, § 524 Rn. 3). Auf die Zulässigkeit der Hauptberufung kommt es für die Zulässigkeit der Anschlussberufung nicht an. Vielmehr verliert die Anschlussberufung gegebenenfalls erst mit der Verwerfung der Hauptberufung als unzulässig ihre Wirkung, § 524 Abs. 4 ZPO (vgl. Göertz, in: Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl., § 524 Rn. 16).
39
(a) Vorliegend lag zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes der Beklagten vom 17.05.2023 eine – wenngleich unzulässige – Berufung der Drittwiderbeklagten als Gegnerin der Widerklage vor. Die Berufung vom 05.12.2022 (Bl. 3/4 OLG-Akte) wurde mit dem Satz eingeleitet, dass die Prozessbevollmächtigten „Kläger und Dritt-Widerbeklagte auch in der Berufungsinstanz vertreten“. In dem darauffolgenden Satz wurde sodann „[in] deren Namen und Auftrag“ Berufung eingelegt. Die Berufungseinlegung erfolgte mithin ausdrücklich auch im Namen der Drittwiderbeklagten.
40
(b) Am ursprünglichen Vorliegen einer Berufung der Drittwiderbeklagten ändert auch nichts, dass in der Berufungsbegründung vom 08.03.2023 (Bl. 18/41 OLG-Akte) allein Berufungsanträge „für den Kläger“ gestellt wurden. Denn für die Beurteilung der Frage, wer Rechtsmittelführer ist, kann nur auf die Berufungsschrift bzw. weitere Unterlagen, die bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingegangen sind, abgestellt werden (vgl. Wulf, in: BeckOK ZPO, Stand: 01.12.2023, § 519 Rn. 14).
41
(c) Auch der Umstand, dass die Drittwiderbeklagte aufgrund der Abweisung der Widerklage durch das landgerichtliche Urteil in der Hauptsache nicht beschwert war, steht der Annahme einer anschließungsfähigen Hauptberufung der Drittwiderbeklagten nicht entgegen. Insbesondere ließ dies für einen objektiven Empfänger nicht den Schluss zu, dass die Drittwiderbeklagte – entgegen der ausdrücklichen Einlegung der Berufung auch in ihrem Namen – tatsächlich nicht ebenfalls Berufungsführerin sein sollte, zumal die Drittwiderbeklagte zumindest durch die in Ziffer III. des landgerichtlichen Urteils ausgesprochene Kostenaufhebung trotz vollständigen Obsiegens hinsichtlich der Widerklage beschwert war. Zwar war die Berufung der Drittwiderbeklagten bezüglich der Hauptsacheentscheidung mangels Beschwer unzulässig und die Kostenentscheidung konnte die Drittwiderbeklagte in diesem Fall wegen der Rechtsmittelsperre nach § 99 Abs. 1 ZPO auch nicht isoliert angreifen (vgl. Schulz, in: MüKoZPO, 6. Aufl., § 99 Rn. 14). Daraus konnte indes weder geschlossen werden, dass die Drittwiderbeklagte überhaupt keine Berufung eingelegt hat, noch stand – wie oben ausgeführt – die Unzulässigkeit der Hauptberufung der Drittwiderbeklagten der Zulässigkeit der Anschlussberufung der Beklagten entgegen.
42
2. Die somit in eine zunächst zulässige Anschlussberufung umzudeutende Berufung der Beklagten hat jedoch durch die im Termin vor dem Senat am 11.01.2024 erfolgte Rücknahme der Berufung der Drittwiderbeklagten (Bl. 166 OLG-Akte) gemäß § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verloren.
43
a) Daran vermag auch die nach wie vor anhängige Berufung des Klägers nichts zu ändern. Eine Berufung kann sich grundsätzlich nur gegen den Berufungskläger im jeweiligen Prozessrechtsverhältnis richten (vgl. BGH NJW 1991, 2569). Hinsichtlich der Widerklage ist der Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt Prozessbeteiligter gewesen, da die Beklagte diese nur gegen die Drittwiderbeklagte gerichtet hat. Folgerichtig richtet sich auch die Berufung des Klägers allein gegen die Abweisung der Klage. Bezüglich der Widerklage ist er indes nicht Berufungskläger, so dass die Berufung des Klägers als anschließungsfähige Hauptberufung für die Anschlussberufung der Beklagten ausscheidet.
44
b) Die Beklagte wendet ferner ohne Erfolg ein, die Anschlussberufung bleibe gleichwohl wirksam, weil die Drittwiderbeklagte und der Kläger in Bezug auf die Widerklage notwendige Streitgenossen seien. Zwar kann in dem Fall, dass von mehreren notwendigen Streitgenossen nur einer Berufung eingelegt hat, auch gegen die übrigen notwendigen Streitgenossen wirksam Anschlussberufung eingelegt werden, selbst wenn es in deren Person an der Einlegung einer Hauptberufung fehlt. Allein in diesem Sinne sind die entsprechenden Kommentarstellen (vgl. Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 43. Aufl., § 524 Rn. 8; Wulf, in: BeckOK ZPO, Stand: 01.12.2023, § 524 Rn. 4) zu verstehen. Vorliegend sind der Kläger und die Drittwiderbeklagte hinsichtlich der Widerklage jedoch keine notwendigen Streitgenossen. Ungeachtet dessen entzieht auch bei Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft die Zurücknahme der – einzigen – Hauptberufung eines Streitgenossen der Anschlussberufung des Gegners gegen die übrigen Streitgenossen den Boden, weil es dann insgesamt an einer Hauptberufung fehlt. So ist auch im vorliegenden Fall, nachdem die Drittwiderbeklagte ihre Berufung zurückgenommen hat, in Bezug auf die Widerklage keine anschlussfähige Hauptberufung mehr vorhanden, so dass § 524 Abs. 4 ZPO eingreift.
45
c) Der Wirkungsverlust der Anschließung nach § 524 Abs. 4 ZPO tritt kraft Gesetzes ein, ohne dass es hierzu eines Ausspruchs durch das Gericht bedarf (vgl. Wulf, in: BeckOK ZPO, Stand: 01.12.2023, § 524 Rn. 30, m.w.N.).
46
II. Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
47
Das Landgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger die mit dem Hauptantrag geltend gemachten geschmacksmusterrechtlichen Ansprüche nicht zustehen (dazu 1.). Auch die mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Ansprüche, gestützt auf Lauterkeitsrecht, hat das Landgericht zu Recht verneint (dazu 2.).
48
1. Die mit dem Hauptantrag geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht stehen dem Kläger nicht aus Art. 89 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 19 Abs. 1 GGV, Art. 88 Abs. 2 GGV i.V.m. § 62 a Nr. 1, § 43, § 46, § 42 Abs. 2 DesignG, §§ 242, 259 BGB zu.
49
a) Zwar ist im vorliegenden Berufungsverfahren nach Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GGV von der Rechtsgültigkeit des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters und damit vom Vorliegen der Schutzvoraussetzungen (Art. 4 Abs. 1 GGV) der Neuheit (Art. 5 GGV) und der Eigenart (Art. 6 GGV) sowie vom Fehlen von Schutzausschließungsgründen (Art. 8, 9 GGV) auszugehen. Der Rechtsbestand eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters kann im Verletzungsverfahren nur mit einer Widerklage angegriffen werden, Art. 85 Abs. 1 Satz 2 GGV. Die vorliegend von der Beklagten erhobene (Dritt-)Widerklage hat das Landgericht jedoch abgewiesen. Da die dagegen gerichtete Anschlussberufung – wie unter I. aufgezeigt – ihre Wirkung verloren hat, ist über die Widerklage und damit die Rechtsgültigkeit des Klagemusters im Berufungsverfahren nicht mehr zu befinden.
50
b) Ebenso ist das Landgericht zutreffend von der Aktivlegitimation des Klägers ausgegangen, was die Beklagte mit ihrer Berufungserwiderung auch nicht beanstandet.
51
c) Das Landgericht hat jedoch weiter mit Recht angenommen, dass die angegriffene SUD-Bierflasche das Klagemuster nicht verletzt, weil die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 GGV nicht vorliegen.
52
aa) Nach Art. 10 Abs. 1 GGV erstreckt sich der Umfang des Schutzes aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt. Die Prüfung, ob ein Muster in den Schutzbereich eines geschützten Geschmacksmusters eingreift, erfordert, dass der Schutzumfang des Geschmacksmusters bestimmt sowie sein Gesamteindruck und derjenige des angegriffenen Musters ermittelt und verglichen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2018, 832 Rn. 19 – Ballerinaschuh; BGH, GRUR 2019, 398 Rn. 12 – Meda Gate).
53
bb) Im Ergebnis ohne Erfolg wendet die Berufung ein, das Landgericht habe es versäumt, den informierten Benutzer im vorliegenden Fall konkret zu benennen, der hier der Endverbraucher und nicht etwa der „zu fachkundige“ Einkäufer von Bierflaschen von Brauereien sei.
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(1) Als „informiert“ wird ein Benutzer bezeichnet, der verschiedene Geschmacksmuster kennt, die es in dem betreffenden Wirtschaftsbereich gibt, gewisse Kenntnisse über die Elemente besitzt, die die Geschmacksmuster regelmäßig aufweisen, und die Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit verwendet. Seine Kenntnisse und der Grad seiner Aufmerksamkeit sind zwischen denen eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers und denen eines Fachmanns anzusiedeln (vgl. BGH, GRUR 2016, 803 Rn. 34 – Armbanduhr; BGH, GRUR 2018, 832 Rn. 33 – Ballerinaschuh; EuGH, GRUR 2012, 506 Rn. 53 u. 59 – PepsiCo/Grupo Promer).
55
(2) Von dieser Definition ist auch das Landgericht ausgegangen (LGU, S. 32, 40). Ob darüber hinaus – wie die Berufung meint – eine konkrete Benennung, wer im Streitfall als informierter Benutzer in diesem Sinne anzusehen ist, erforderlich ist, hält der Senat für zweifelhaft.
56
Bei dem informierten Benutzer gemäß vorstehender Definition handelt es sich eben gerade nicht um den Durchschnittsverbraucher oder den Fachmann, sondern um eine dazwischen angesiedelte fiktive Person, die bestimmte Eigenschaften und Kenntnisse aufweist. Es dürfte daher nicht zielführend sein, ausgehend hiervon eine konkrete tatsächliche Person zu ermitteln, auf die diese Merkmale zutreffen. Auch der BGH nimmt in Geschmacksmustersachen regelmäßig keine konkrete Ermittlung des informierten Benutzers vor, sondern beschränkt sich – wie das Landgericht – auf die Wiedergabe der oben genannten Definition. Der EuGH hat in der Entscheidung „PepsiCo/Grupo Promer“ (GRUR 2012, 506 Rn. 54) ebenfalls nur davon gesprochen, dass durch die Schlussfolgerung des dortigen nationalen Gerichts, dass der informierte Benutzer im dort vorliegenden Fall ein etwa 5- bis 10-jähriges Kind oder ein Marketingleiter einer Gesellschaft sein „könne“, die entsprechende Erzeugnisse herstelle, der Begriff des informierten Benutzers gemäß der Definition in Rn. 53 der Entscheidung „veranschaulicht“ werde. Dass im Einzelfall stets eine konkrete Benennung des informierten Benutzers erforderlich wäre, lässt sich diesen Ausführungen somit gerade nicht entnehmen, wenngleich der Senat nicht verkennt, dass das EuG eine solche häufig vornimmt, wie die vom Kläger in der Berufungsbegründung (S. 8) und Berufungsreplik (S. 7 f.) zitierten Entscheidungen zeigen.
57
(3) Die Frage kann vorliegend aber offenbleiben. Denn selbst wenn man eine konkrete Benennung des informierten Benutzers für erforderlich hielte, müsste vorliegend allein auf die Gruppe der Flascheneinkäufer und nicht auch die Endverbraucher abgestellt werden.
58
Denn das Klagemuster betrifft eine Flasche ohne jegliches Etikett, die dem Endverbraucher in dieser Form üblicherweise nicht angeboten wird (vgl. HABM, Entscheidung v. 11.06.2014 – R 2229/2012-3, BeckRS 2014, 122743 Rn. 20). Durch das Versehen der Flaschen mit mindestens einem Etikett vor dem Vertrieb gegenüber dem Endkunden wird der Gesamteindruck der Flaschen aber „verfälscht“ oder zumindest teilweise durch dieses bzw. dessen gestalterische Elemente „überlagert“. Die Flasche in „nacktem“ Zustand, wie sie Gegenstand des Klagemusters ist, tritt hingegen allein dem Flascheneinkäufer von Abfüllbetrieben gegenüber, so dass nur dieser in der Lage ist, den Gesamteindruck der jeweiligen Flaschen in „unverfälschtem“ Zustand zu beurteilen und mithin nur dieser als (konkreter) informierter Benutzer in Betracht kommt.
59
Der gewerbliche Flascheneinkäufer kann – anders als die Berufung meint – auch nicht als „zu fachkundig“ angesehen werden, denn der Flascheneinkäufer ist nicht Entwerfer oder technischer Sachverständiger (vgl. EuGH, GRUR 2012, 506 Rn. 59 – PepsiCo/Grupo Promer), sondern mit seinen Kenntnissen unterhalb dieser Gruppen, aber oberhalb des Endverbrauchers angesiedelt. Auch dass der Flascheneinkäufer sich bei seiner Kaufentscheidung gegebenenfalls zur Beurteilung des voraussichtlichen Markterfolgs in die Sicht des Endverbrauchers hineinversetzt, wie die Berufung geltend macht, ändert nichts an seinen vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnissen und führt nicht dazu, dass er diese bei der Beurteilung des Gesamteindrucks eines Musters oder dem Vergleich verschiedener Muster ausblenden wird.
60
Doch selbst wenn man den gewerblichen Flascheneinkäufer von Brauereien als „zu fachkundig“ ansehen wollte, muss sich der Kläger umgekehrt entgegenhalten lassen, dass der Endverbraucher, auf den der Kläger als Person des informierten Benutzers abstellen möchte, in jedem Fall „zu wenig fachkundig“ wäre. Denn beim informierten Benutzer handelt es sich gerade um eine Person, die „oberhalb“ des durchschnittlichen Verbrauchers angesiedelt ist. Die besonderen Kenntnisse des informierten Benutzers und dessen erhöhter Aufmerksamkeitsgrad müssten dem Durchschnittsverbraucher daher jedenfalls fiktiv hinzugedacht werden. Dies bestätigt letztlich nur erneut, dass es bereits im Ansatz nicht zielführend erscheint, nach einer tatsächlichen Personengruppe zu „suchen“, auf die die Merkmale der fiktiven Figur des informierten Benutzers zutreffen.
61
cc) Die Angriffe der Berufung gegen die Ermittlung des Gesamteindruck des Klagemusters durch das Landgericht greifen nicht durch. Allerdings sind die vom Landgericht herausgearbeiteten Merkmale um weitere Merkmale zu ergänzen, die den Gesamteindruck des Klagemusters aus Sicht des informierten Benutzers ebenfalls maßgeblich – und sogar vorrangig – prägen.
62
(1) Der Gegenstand des Geschmacksmusterschutzes wird durch diejenigen Merkmale der Erscheinungsform eines Erzeugnisses begründet, die anhand seiner Wiedergabe in der Anmeldung eindeutig erkennbar sind. Die dem Geschmacksmuster entsprechenden tatsächlich vertriebenen Erzeugnisse können zur Veranschaulichung verwendet werden, um die anhand der Beschreibung und der Darstellung in der Anmeldung bereits getroffenen Schlussfolgerungen zu bestätigen. Die Bestimmung des Gesamteindrucks des eingetragenen Geschmacksmusters hat ausgehend von dem in der Anmeldung wiedergegebenen Schutzgegenstand auf der Grundlage einer wertenden Gesamtschau der für das Muster charakteristischen Einzelmerkmale zu erfolgen. Dabei ist eine Gewichtung der einzelnen Merkmale danach vorzunehmen, ob sie aus Sicht des informierten Benutzers für den Gesamteindruck von vorrangiger Bedeutung sind oder in den Hintergrund treten. Der informierte Benutzer nimmt dabei, soweit möglich, einen direkten Vergleich der betreffenden Geschmacksmuster vor (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2018, 832 Rn. 33 – Ballerinaschuh; BGH, GRUR 2016, 803 Rn. 34 – Armbanduhr).
63
(2) Das Landgericht hat angenommen, das Klagemuster werde durch die folgenden vier Merkmale geprägt:
-
eine kurze, zylindrische, als solche wahrnehmbare „Halspartie“, welche sich an ein Mundstück anschließt und deren Durchmesser etwas mehr als ein Drittel des Durchmessers des Hauptkörpers beträgt,
-
eine „Schulterpartie“, welche am Halsstück in einer leicht konvexen Krümmung beginnt, um nach einer kurzen Geraden in einer starken konkaven Krümmung in den Hauptkörper überzugehen und welche etwa 1/5 der Gesamthöhe der Flasche misst,
-
einen zylindrischen Hauptkörper, welcher etwa 2/3 der Gesamthöhe der Flasche ausmacht,
-
ein Verhältnis des Durchmessers des zylindrischen Hauptkörpers zur Gesamthöhe der Flasche von etwa 1:3.
64
Die Kombination der maßgeblichen Merkmale, insbesondere der Proportionen von „Halspartie“, „Schulterbereich“ und Hauptkörper sowie die Ausgestaltung der „Schulterpartie“ vermittelten dem Klagemuster einen ihm eigentümlichen Gesamteindruck, nämlich den einer gedrungenen, rundlichen („knuffigen“) Flasche. Die Form werde dabei besonders durch den markanten Schulterbereich geprägt.
65
(3) Die Berufung wendet hiergegen ein, das Landgericht habe im Rahmen des erstgenannten Merkmals des Klagemusters das Verhältnis des Durchmessers der „Halspartie“, an welche sich das Mundstück anschließt, zum Durchmesser des Hauptkörpers fälschlicherweise mit „etwas mehr als ein Drittel“ bemessen. Tatsächlich betrage das Verhältnis etwa 40 %.
66
Zudem hätte das Landgericht folgende prägende Merkmale des Klagemusters berücksichtigen müssen:
-
ein Verhältnis der Gesamthöhe der Flasche zum Durchmesser an der Mündung (Flaschenhals) von 7,6:1,
-
ein Verhältnis des Durchmesser des zylindrischen Flaschenhauptkörpers zum Durchmesser an der Mündung von 2,48:1.
67
Da dem informierten Benutzer bekannt und bewusst sei, dass die Kronkorkenverschluss-Mundstücke bei verschieden dimensionierten Flaschen immer die gleiche Größe aufweisen, erlaube dies dem informierten Benutzer, das Füllvolumen der Flaschengestaltung des Klagemusters, obwohl dieses keine Abmessungen enthalte, von anderen Füllvolumen zu unterscheiden. Auch wenn der informierte Benutzer das genaue Volumen nicht erkennen könne, könne er aber zumindest eine 0,5-Liter-Flasche von einer 0,33-Liter-Flasche unterscheiden.
68
(4) Entgegen der Auffassung der Berufung kann das vorgenannte „Zusammenspiel“ der Dimensionierung des Mundstücks mit der Dimensionierung des restlichen Flaschenkörpers nicht als den Gesamteindruck (mit-)prägend angesehen werden.
69
(a) Zunächst ist zu den Ausführungen des Klägers anzumerken, dass es sich bei dem vom Kläger genannten zweiten Merkmal „Verhältnis des Durchmessers des zylindrischen Flaschenhauptkörpers zum Durchmesser an der Mündung“ um dasselbe Merkmal wie beim ersten Merkmal gemäß der Gliederung des Landgerichts (Durchmesser der Halspartie im Verhältnis zum Hauptkörper) handelt. Weiter ist festzuhalten, dass dieses Merkmal und das vom Kläger angeführte weitere Merkmal „Verhältnis der Gesamthöhe der Flasche zum Durchmesser an der Mündung (Flaschenhals)“ nicht jeweils für sich der freien Gestaltung des Entwerfers unterliegen, sondern in einem zwingenden Zusammenhang stehen und daher nicht beide Merkmale isoliert voneinander betrachtet werden können. Denn wenn sowohl die Größe des Mundstücks als auch das Füllvolumen (0,33 l oder 0,5 l) vorgegeben sind, muss eine Verringerung des Durchmessers des Hauptkörpers zwangsläufig zu einer Vergrößerung der Flaschenhöhe führen und umgekehrt. Der Kläger möchte mit den zusätzlich angeführten Merkmalen nämlich letztlich auf eine Berücksichtigung des Verhältnisses der Größe des – genormten – Mundstücks zur durch das – vorgegebene – Füllvolumen bedingten Dimensionierung der Flasche im Übrigen hinaus.
70
(b) Es spricht Einiges dafür, dass es sich bei diesem „Zusammenspiel“ um ein Erscheinungsmerkmal des Erzeugnisses handelt, das ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt ist und dem somit nach Art. 8 Abs. 1 GGV für die Bestimmung des Gesamteindrucks eines Geschmacksmusters bereits kraft Gesetzes keine entscheidende Bedeutung zukommen kann. Für die Beurteilung, ob Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind, ist zu ermitteln, ob diese Funktion der einzige diese Merkmale bestimmende Faktor ist. Die Vorschrift schließt den geschmacksmusterrechtlichen Schutz für Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses aus, wenn Erwägungen anderer Art als das Erfordernis, dass dieses Erzeugnis seine technische Funktion erfüllt, insbesondere solche, die mit der visuellen Erscheinung zusammenhängen, bei der Entscheidung für diese Merkmale keine Rolle gespielt haben, und zwar auch dann, wenn es andere Geschmacksmuster gibt, mit denen sich dieselbe Funktion erfüllen lässt (BGH, GRUR 2023, 887 Rn. 17 – Tellerschleifgerät). Vorliegend dürfte für die Wahl des konkreten Verhältnisses der Flaschenhöhe und des Durchmessers des Hauptkörpers, durch die gemeinsam maßgeblich das Füllvolumen bestimmt wird, zu dem Durchmesser an der Mündung, der durch die Größe des Mundstücks bestimmt wird, aber der einzig bestimmende Faktor gewesen sein, dass sowohl das Füllvolumen als auch die Größe des Mundstücks bei der Entwicklung der Flasche des Klagemusters technisch vorgegeben waren.
71
(c) Dies kann indessen offenbleiben. Denn selbst wenn man nicht von einer technischen Bedingtheit der vom Kläger vorgebrachten Merkmale (bzw. richtigerweise des einen Merkmals) im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GGV ausgeht, wird durch diese(s) der Gesamteindruck des Klagemusters aus Sicht des informierten Benutzers nicht vorrangig geprägt. Unterstellt man – wie vom Kläger vorgetragen –, dass der informierte Benutzer erkennt, dass es sich beim Klagemuster aufgrund der Größenverhältnisse des Mundstücks zu Flaschenhöhe und Durchmesser des Hauptkörpers um eine 0,33 l-Flasche handelt bzw. handeln muss, wird er diesem Umstand für die Beurteilung des Gesamteindrucks gerade keine oder allenfalls eine sehr geringe Bedeutung beimessen. Denn Merkmale, die erkennbar allein durch das Füllvolumen der Flasche bedingt sind, nimmt der informierte Benutzer nicht als besondere gestalterische Elemente wahr, so dass diese für ihn in den Hintergrund treten und er verstärkt auf die übrigen gestalterischen Merkmale der Flasche achtet.
72
(5) Allerdings sind, wie der Senat bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die vom Landgericht herausgearbeiteten prägenden Merkmale des Klagemusters um folgende Merkmale zu ergänzen:
-
der untere Rand des Mundstücks ist als nahezu eckige Kante ausgeprägt und ragt deutlich über die sich unterhalb der Kante unmittelbar anschließende „Halspartie“ hinaus,
-
im unteren Bereich der Flasche ist oberhalb des Flaschenbodens am Übergang zum zylindrischen Hauptkörper eine außen kreisrund um die Flasche verlaufende sichtbare Kante ausgeprägt.
73
Diese Merkmale sind anhand der – allein maßgeblichen – Wiedergabe des Flaschenmusters in der Anmeldung eindeutig erkennbar. Dass diese bei der tatsächlichen „kleinen Euro-Flasche“ des Klägers weniger stark ausgeprägt sein mögen, ist unbeachtlich, da die dem eingetragenen Geschmacksmuster entsprechenden tatsächlich vertriebenen Erzeugnisse lediglich zur Veranschaulichung verwendet werden können, um die anhand der Beschreibung und der Darstellung in der Anmeldung bereits getroffenen Schlussfolgerungen zu bestätigen. Die tatsächlichen Erzeugnisse können jedoch nicht dazu dienen, ein anhand der Wiedergabe in der Anmeldung eindeutig erkennbares Merkmal, das bei dem tatsächlichen Erzeugnis nicht oder nur deutlich schwächer erkennbar ist, zu eliminieren oder zu relativieren.
74
Auch soweit die Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf verwiesen haben, das deutliche Hervortreten der unteren Kante sei lediglich auf die Art und Weise der Ablichtung und zudem darauf zurückzuführen, dass es sich bei der abgelichteten Flasche nicht um ein Modell aus Glas, sondern aus Acryl gehandelt habe, ist dies aus den vorgenannten Gründen unbeachtlich, zumal es der Anmelder selbst in der Hand hat, welche Abbildungen und Fotografien des Musters, für welches er Schutz begehrt, er zum Gegenstand seiner Anmeldung macht.
75
(6) In der Gesamtschau der charakteristischen Merkmale wird das Klagemuster nach alledem einerseits durch die Kombination der Proportionen von „Halspartie“, „Schulterbereich“ und Hauptkörper sowie die gegenüber dem Hauptkörper leicht hervortretende „Schulterpartie“ geprägt, die der geschützten Flasche aus Sicht des informierten Benutzers einen leicht gedrungenen und rundlichen Gesamteindruck verleiht. Zusätzlich wird der Gesamteindruck aber vor allem durch die kantige Ausgestaltung des unteren Rands des Mundstücks sowie des unteren Rands der Flasche oberhalb des Flaschenbodens geprägt, die im Gegensatz zu den betont rundlichen Formen im übrigen mittleren Bereich der Flasche, insbesondere im „Schulter- und Halsbereich“, steht, so dass das Klagemuster insgesamt durch ein Spannungsverhältnis zwischen Kantigkeit und runder Form geprägt wird.
76
dd) Ausgehend von diesem Gesamteindruck des Klagemusters ist das Landgericht – jedenfalls im Ergebnis – zutreffend von einem geringen Schutzumfang des Klagemusters ausgegangen.
77
(1) Bei der Beurteilung des Schutzumfangs ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen (Art. 10 Abs. 1 GGV). Eine geringere Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum können zu einem weiten Schutzumfang des Geschmacksmusters führen. Der Schutzumfang hängt demnach vom Abstand des Klagemusters zum vorbekannten Formenschatz ab. Dieser Abstand ist durch einen Vergleich des Gesamteindrucks des Klagemusters und der vorbekannten Formgestaltungen zu ermitteln. Je größer der Abstand ist, desto größer ist der Schutzumfang des Klagemusters zu bemessen. Der anerkannte Grundsatz, dass der Schutzumfang eines Geschmacksmusters von dessen Abstand zum vorbekannten Formenschatz abhängt, gilt auch für die Bestimmung des Schutzumfangs eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach Art. 10 Abs. 2 GGV (vgl. BGH, GRUR 2023, 887 Rn. 16 – Tellerschleifgerät; BGH GRUR 2019, 398 Rn. 14 – Meda Gate).
78
(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht vorliegend im Hinblick auf die Entgegenhaltung „Euro Flasche (0,5 l)“, die unstreitig zum im Streitfall zu berücksichtigenden vorbekannten Formenschatz zählt, zu Recht einen geringen Schutzumfang des Klagemusters angenommen.
79
(a) Das Landgericht hat angenommen die Entgegenhaltung „Euro-Flasche (0,5 l)“ weise folgende für den Gesamteindruck maßgeblichen Merkmale auf:
-
eine kurze, zylindrische, als solche wahrnehmbare „Halspartie“, welche sich an ein Mundstück anschließt und deren Durchmesser etwas mehr als ein Drittel des Durchmessers des Hauptkörpers beträgt,
-
eine „Schulterpartie“, welche am Halsstück in einer leicht konvexen Krümmung beginnt, um nach einer Geraden in einer konkaven Krümmung in den Hauptkörper überzugehen und welche etwa 1/4 der Gesamthöhe der Flasche ausmacht,
-
einen zylindrischen Hauptkörper, welcher etwas weniger als 2/3 der Gesamthöhe der Flasche misst,
-
ein Verhältnis des Durchmessers des zylindrischen Hauptkörpers zur Gesamthöhe der Flasche von etwas weniger als 1:3.
80
Der Gesamteindruck der „Euro-Flasche“ werde durch das Verhältnis von „Halspartie“, „Schulterpartie“ und Hauptkörper sowie die Ausgestaltung der „Schulterpartie“ geprägt.
81
Das Verhältnis des Hauptkörpers zur Gesamthöhe der Flasche sowie das Verhältnis des Durchmessers des zylindrischen Hauptkörpers zur Gesamthöhe der Flasche unterschieden sich dabei nur geringfügig vom Klagemuster, wie es sich aus der Anmeldung ergebe. Gleichwohl weiche die „Euro-Flasche“ im Gesamteindruck vom Klagemuster ab. Die „Euro-Flasche“ weise eine – im Verhältnis zur Gesamthöhe der Flasche – längere „Schulterpartie“ auf. Damit einher gehe eine gegenüber dem Klagemuster schwächere konkave Krümmung im Übergang von der „Schulterpartie“ zum Hauptkörper. Insgesamt wirke die „Euro-Flasche“ trotz der im Übrigen ähnlichen Proportionen deshalb schlanker und langgezogener als das Klagemuster. Die dem Klagemuster eigentümliche Gedrungenheit und Rundlichkeit fehle.
82
Unter Berücksichtigung einer bestehenden hohen Musterdichte im Bereich der Bierflaschen (vgl. Anlagen K 6, K 7 und K 8a) riefen bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervor. Der Schutzumfang des Klagemusters sei angesichts der gestalterischen Nähe zur vorbekannten „Euro-Flasche“ jedoch gering.
83
(b) Die Berufung wendet hiergegen ein, das Landgericht habe zwar das Verhältnis des Durchmessers der „Halspartie“ zum Durchmesser des Hauptkörpers bei der Entgegenhaltung zutreffend mit „etwas mehr als ein Drittel“ angenommen, beim Klagemuster betrage dieses Verhältnis jedoch etwa 40 %. Das Verhältnis des Durchmessers des zylindrischen Flaschenhauptkörpers zum Durchmesser an der Mündung betrage bei der „Euro-Flasche (0,5 I)“ 2,8:1, beim Klagemuster hingegen 2,48:1. Zudem weise die Entgegenhaltung ein Verhältnis der Gesamthöhe der Flasche zum Durchmesser an der Mündung (Flaschenhals) von 9,1:1 auf, das Klagemuster dagegen von 7,6:1. Unter Berücksichtigung dieser gestalterischen Unterschiede sei kein geringer, sondern zumindest ein durchschnittlicher Schutzumfang des Klagemusters anzunehmen.
84
(c) Dieses Vorbringen der Berufung ist nicht geeignet, einen weiteren Schutzbereich des Klagemusters zu begründen.
85
Wie bereits oben ausgeführt, misst der informierte Benutzer den vorgenannten Merkmalen, sofern man diese in Anbetracht der genormten Größe des Mundstücks und eines vorgegebenen Füllvolumens der Flasche nicht bereits als technisch bedingt im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GGV ansieht, keine vorrangige Bedeutung bei der Beurteilung des Gesamteindrucks eines Flaschenmusters bei. Vielmehr blendet der informierte Benutzer die unterschiedlichen Größenverhältnisse, die für ihn erkennbar auf dem (unterschiedlichen) Füllvolumen beruhen, gerade weitgehend aus und achtet verstärkt auf andere gestalterische Merkmale. Er stellt sich mithin im vorliegenden Fall die Frage, ob und inwieweit die für ihn als 0,33 l-Flasche erkennbare Flasche des Klagemusters und die vorbekannte 0,5 l-Euro-Flasche in den übrigen Gestaltungsmerkmalen, die nicht rein volumenbedingt sind, übereinstimmen.
86
(d) Das Landgericht ist grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass sich das Klagemuster und die Entgegenhaltung „Euro-Flasche“ bei sehr ähnlichem Verhältnis des Hauptkörpers zur Gesamthöhe der Flasche sowie des Durchmessers des zylindrischen Hauptkörpers zur Gesamthöhe der Flasche in ihrem Gesamteindruck nur geringfügig dadurch unterschieden, dass die „Euro-Flasche“ eine – im Verhältnis zur Gesamthöhe der Flasche – längere „Schulterpartie“ und eine damit einhergehende gegenüber dem Klagemuster schwächere konkave Krümmung im Übergang von der „Schulterpartie“ zum Hauptkörper aufweist, wodurch die „Euro-Flasche“ trotz der im Übrigen ähnlichen Proportionen schlanker und langgezogener und weniger gedrungen und rundlich als das Klagemuster wirkt.
87
Allerdings tritt der „Schulterbereich“ in der Wiedergabe in der Anmeldung, auf die maßgeblich abzustellen ist, nach dem Eindruck des informierten Betrachters weniger markant hervor, als dies bei dem vorgelegten tatsächlichen Erzeugnis einer klägerischen „kleinen Euro-Flasche“ der Fall ist.
88
Bei dem Vergleich des Klagemusters mit der Entgegenhaltung ist jedoch zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Gesamteindruck des Klagemusters vor allem durch das Spannungsverhältnis der Kantigkeit des Mundstücks und des unteren Übergangs der Flasche zum Hauptkörper gegenüber den rundlichen Formen im mittleren Bereich der Flasche geprägt wird. Derartige Kanten sind bei der „Euro-Flasche“ nicht erkennbar, so dass diese insgesamt glatt und rund wirkt. Dieser Unterschied im Gesamteindruck und damit der Abstand zwischen beiden Mustern ist indes ebenfalls nicht so groß, dass im Ergebnis nicht dennoch nur ein geringer Schutzumfang des Klagemusters angenommen werden kann.
89
(3) Es kann im Streitfall dahinstehen, ob die weiteren Entgegenhaltungen „DDR-Flasche“ und „Löwenbräu-Flasche“ ebenfalls zum zu berücksichtigenden vorbekannten Formenschatz zählen. Denn deren Berücksichtigung könnte jedenfalls nicht zu Gunsten des Klägers zu einem weiteren, sondern allenfalls zu einem (noch) engeren Schutzumfang führen.
90
ee) Unter Berücksichtigung des geringen Schutzumfangs ist das Landgericht im Ergebnis mit Recht davon ausgegangen, dass die angegriffene SUD-Flasche beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster erweckt.
91
(1) Bei der Prüfung, ob der Gesamteindruck des angegriffenen Musters beim informierten Benutzer den gleichen Gesamteindruck wie das Klagemuster erweckt, sind sowohl die Übereinstimmungen als auch die Unterschiede der Muster zu berücksichtigen. Dabei ist eine Gewichtung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen Merkmalen danach vorzunehmen, ob sie aus der Sicht des informierten Benutzers für den Gesamteindruck von vorrangiger Bedeutung sind oder in den Hintergrund treten (vgl. BGH, GRUR 2019, 398 Rn. 31 – Meda Gate; BGH, GRUR 2016, 803 Rn. 35 – Armbanduhr, m.w.N.).
92
(2) Das Landgericht hat die prägenden Merkmale der angegriffenen „SUD-Flasche“ wie folgt bestimmt:
-
eine kurze, zylindrische, als solche wahrnehmbare „Halspartie“, welche sich an ein Mundstück anschließt und deren Durchmesser etwas mehr als ein Drittel des Durchmessers des Hauptkörpers beträgt,
-
eine „Schulterpartie“, welche am Halsstück in einer leicht konvexen Krümmung beginnt, um nach einer Geraden in einer leicht konkaven Krümmung in den Hauptkörper überzugehen und welche etwa 1/4 der Gesamthöhe der Flasche misst,
-
einen zylindrischen Hauptkörper, welcher etwa 2/3 der Gesamthöhe der Flasche ausmacht,
-
ein Verhältnis der Breite des zylindrischen Hauptkörpers zur Gesamthöhe der Flasche von etwas weniger als 1:3.
93
Weiter ist das Landgericht davon ausgegangen, in den Proportionen von „Halspartie“, „Schulterbereich“ und Hauptkörper stimmten die angegriffene „SUD-Flasche“ und das Klagemuster weitgehend überein. Beide Muster erweckten Assoziationen an die vorbekannte „EURO-Flasche“. Abweichungen ergäben sich jedoch in der „Schulterpartie“ der „SUD-Flasche“. Die „SUD-Flasche“ weise eine – im Verhältnis zur Gesamthöhe der Flasche – längere „Schulterpartie“ auf als das Klagemuster. Die konkave Krümmung im Übergang von der „Schulterpartie“ zum Hauptkörper erscheine deutlich schwächer. In der Folge erwecke das angegriffene Muster einen schlankeren und eleganteren Gesamteindruck als das Klagemuster und weise – trotz der ähnlichen Proportionen – gerade nicht die dem Klagemuster eigentümliche Gedrungenheit und Rundlichkeit auf. Angesichts des nur geringen Schutzbereichs des Klagemusters schlössen die genannten Abweichungen im Gesamteindruck eine Schutzrechtsverletzung aus.
94
(3) Soweit die Berufung dagegen einwendet, das Landgericht hätte neben den aufgezeigten Gemeinsamkeiten zudem das bei beiden Flaschen nahezu identische Verhältnis des Durchmessers des zylindrischen Flaschenhauptkörpers zum Durchmesser an der Mündung (2,48:1 beim Klagemuster und 2,44:1 bei der angegriffenen Flasche) sowie der Gesamthöhe der Flasche zum Durchmesser an der Mündung bzw. dem Flaschenhals (7,6:1 beim Klagemuster und 7,76:1 bei der angegriffenen Flasche) als weitere, den Gesamteindruck beider Muster wesentlich prägende Gemeinsamkeit berücksichtigen müssen, kann erneut auf die obigen Ausführungen verweisen werden. Wenn man nicht bereits von der technischen Bedingtheit dieser Übereinstimmungen nach Art. 8 Abs. 1 GGV ausgeht, nimmt der informierte Benutzer diese – für ihn erkennbar nur volumenbedingten – Merkmale jedenfalls nicht als vorrangig prägend für den Gesamteindruck wahr, sondern diese treten für ihn (weitgehend) in den Hintergrund.
95
(4) Es kann offenbleiben, ob sich ein abweichender Gesamteindruck, der aus dem Schutzbereich des Klagemusters herausführt, aus den vom Landgericht dargelegten Unterschieden ergibt. Die vom Landgericht aufgezeigten Unterschiede im Gesamteindruck sind nachvollziehbar, wenn man die angegriffene „SUD-Flasche“ der Beklagten der tatsächlichen „kleinen Euro-Flasche“ des Klägers gegenüberstellt. Für den Vergleich ist jedoch das mit der Anmeldung hinterlegte Muster maßgeblich. Wie bereits ausgeführt, wirkt bei diesem die Ausprägung der „Schulterpartie“ des Klagemusters jedoch weniger markant, als dies bei dem tatsächlichen Erzeugnis der Fall ist. Es erscheint daher zweifelhaft, ob der informierte Benutzer anhand der Wiedergabe in der Anmeldung im Gesamteindruck das Klagemuster tatsächlich als deutlich rundlicher und gedrungener bzw. weniger schlank und elegant als die angegriffene „SUD-Flasche“ wahrnimmt, wie es das Landgericht angenommen hat.
96
(5) Dies kann jedoch dahinstehen, da bei der angegriffenen Flasche der Beklagten der untere Rand des Mundstücks betont rund ausgestaltet ist und auch der Übergang vom Flaschenboden zum Hauptkörper keine – jedenfalls keine den Gesamteindruck prägende – Kante aufweist. Der angegriffenen Flasche fehlt daher die beim Klagemuster vorhandene teilweise Kantigkeit und das daraus resultierende, den Gesamteindruck prägende Spannungsverhältnis. Die „SUD-Flasche“ ist vielmehr insgesamt rund, geschwungen und mit fließenden Übergängen ausgestaltet, was ihr einen entsprechenden auf Harmonie bedachten Gesamteindruck verleiht.
97
Die sich hieraus ergebenden Unterschiede im Gesamteindruck reichen jedenfalls im Hinblick auf den geringen Schutzbereich aus, um aus diesem herauszuführen.
98
d) Da somit eine Verletzung des Klagemusters durch die angegriffene „SUD-Flasche“ nicht vorliegt, stehen dem Kläger die mit dem Hauptantrag geltend gemachten Unterlassungs- und Folgeansprüche nicht zu, so dass das Landgericht die Klage insoweit zu Recht als unbegründet abgewiesen hat.
99
2. Das Landgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage auch im Hilfsantrag unbegründet ist. Der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, § 4 Nr. 3 Buchst. a oder b UWG zu. Die diesbezüglichen auf Rechnungslegung, Ersatz der Abmahnkosten und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung gerichteten Folgeansprüche bestehen damit ebenfalls nicht.
100
a) Der Vertrieb einer Nachahmung kann nach § 4 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände – wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft (Buchst. a) oder eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (Buchst. b) – hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2022, 160 Rn. 12 – Flying V).
101
b) Sowohl für die Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart als auch für die Frage einer vermeidbaren Herkunftstäuschung kommt es auf die Verkehrsauffassung an (vgl. Ohly, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 4.3 Rn. 3/34 und 3/52, 3/54).
102
aa) Zu den angesprochen Verkehrskreisen gehören vorliegend jedenfalls die Einkäufer von Bierflaschen bei Abfüllbetrieben, wie insbesondere Brauereien und sonstigen Getränkeherstellern. Denn an diese ist das Angebot der SUD-Bierflaschen durch die Beklagte unmittelbar gerichtet.
103
Der Senat kann insoweit das Verkehrsverständnis aufgrund seiner ständigen Befassung mit Wettbewerbssachen selbst beurteilen, zumal in diesem Zusammenhang im Streitfall nur Erwägungen anzustellen sind, für die die Zugehörigkeit zur potenziellen Kundschaft nicht erforderlich sind (vgl. BGH GRUR 2006, 79 Rn. 27 – Jeans I). Denn für die Beurteilung kommt es vorliegend nicht auf besondere Fachkenntnisse der Flascheneinkäufer an. Vielmehr kann vorliegend eine teilweise eine bestimmte Verkehrsauffassung zugunsten des Klägers unterstellt werden (bezüglich der wettbewerblichen Eigenart) und im Übrigen allein aufgrund der gegebenen äußeren Umstände auf das Verkehrsverständnis geschlossen werden (bezüglich einer vermeidbaren Herkunftstäuschung, vgl. dazu jeweils unten).
104
bb) Ob das Landgericht daneben – wie die Berufung meint – auch auf das Bier konsumierende allgemeine Publikum, mithin den durchschnittlichen Verbraucher (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UWG) abstellen hätte müssen, erscheint zweifelhaft.
105
Zwar dürften sich die fachkundigen Flascheneinkäufer und der allgemeine Verkehr vorliegend objektiv voneinander abgrenzen lassen, so dass im Streitfall eine gespaltene Verkehrsauffassung ausnahmsweise in Betracht kommt (vgl. BGH, GRUR 2022, 160 Rn. 16 – Flying V). Gegen die Einbeziehung der Endverbraucher in die angesprochenen Verkehrskreise spricht jedoch, dass sich das Anbieten der Flaschen durch die Beklagte, welches die Tathandlung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG darstellt, nicht unmittelbar an die Endkunden richtet. Selbst wenn man diesen Umstand im Hinblick auf die Ausführungen des BGH in der Entscheidung „Exzenterzähne“ (GRUR 2015, 909 Rn. 14) für sich genommen als unbeachtlich ansehen wollte, ist vorliegend zu berücksichtigen, dass dem Endverbraucher das Produkt der Beklagten ausschließlich in einem deutlich veränderten Zustand, nämlich versehen mit mindestens einem Etikett, welches die die wettbewerbliche Eigenart begründenden gestalterischen Merkmale zumindest „überlagert“, begegnet. Darüber hinaus erwirbt der Endkunde nicht in erster Linie die Flasche, sondern das Getränk, also deren Inhalt. Selbst wenn man – wie vom Kläger vorgetragen – unterstellt, dass für die Kaufentscheidung dabei auch die Form der Flasche eine Rolle spielt, sind für den Endkunden für den Kauf des Produkts jedenfalls vorwiegend andere Faktoren entscheidend, wie die Aufmachung des Etiketts, der Hersteller bzw. die Marke des abgefüllten Getränks oder der dem Verbraucher ggf. bekannte oder durch Werbung angepriesene Geschmack des Getränks.
106
Nach alledem kann aus Sicht des Senats vorliegend nicht (auch) auf das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers abgestellt werden. Die Frage bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung, da es sich – wie die Ausführungen unten zeigen – im Ergebnis nicht auswirkt, wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass vorliegend – auch – auf die allgemeine Verkehrsauffassung, mithin die Sicht des Durchschnittsverbrauchers, abzustellen ist.
107
Der Senat kann insoweit das Verkehrsverständnis bereits deshalb aus eigener Sachkunde beurteilen, weil seine Mitglieder potenziell zu dem angesprochenen Verkehrskreis gehören.
108
c) Es kann unterstellt werden, dass der vom Kläger vertriebenen Flasche „kleine Euro“ grundsätzlich eine wettbewerbliche Eigenart zukommt.
109
aa) Wettbewerbliche Eigenart setzt voraus, dass die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale eines Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2015, 909 Rn. 10 – Exzenterzähne; BGH GRUR 2018, 311 Rn. 14 – Handfugenpistole; BGH GRUR 2021, 1544 Rn. 20 – Kaffeebereiter; BGH GRUR 2022, 160 Rn. 21 – Flying V).
110
bb) Vorliegend kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Flascheneinkäufer von Getränkeabfüllbetrieben als maßgebliche Verkehrskreise in der konkreten Ausgestaltung der „kleinen Euro-Flasche“ des Klägers – wobei insoweit auf das tatsächliche Erzeugnis und nicht auf das angemeldete Gemeinschaftsgeschmacksmuster abzustellen ist – einen Hinweis auf die Herkunft aus dem Betrieb des Klägers sehen.
111
Weiter kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Produkts nicht durch das Auftreten ähnlicher Erzeugnisse auf dem Markt, wie beispielsweise die „Wiegand-Flasche“, nachträglich wieder entfallen ist.
112
cc) Soweit man (zugunsten des Klägers) zudem auf die Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers als angesprochener Verkehr abstellt, lässt sich eine wettbewerbliche Eigenart im Sinne eines Herkunftshinweises hingegen von vornherein nicht feststellen. Denn der Endverbraucher nimmt nicht an, dass eine Flasche, welche die prägenden Merkmale der „kleinen Euro-Flasche“ des Klägers aufweist, von einem ganz bestimmten Unternehmen stammt. Dem Durchschnittverbraucher ist nicht bekannt, ob es nur einen (Original-)Hersteller oder mehrere Hersteller von derartigen Flaschen gibt. Er macht sich hierüber bei seiner Kaufentscheidung auch keinerlei Gedanken, da ihm die Herkunft der Flasche als solcher, selbst wenn deren Form seine Kaufentscheidung (mit) beeinflussen sollte, gleichgültig ist.
113
dd) Sonstige Besonderheiten, die ungeachtet eines Hinweises auf die Herkunft des Erzeugnisses eine wettbewerbliche Eigenart der klägerischen Flasche begründen könnten, wie beispielsweise eine im ästhetischen Bereich liegende überdurchschnittlich individuelle schöpferische Gestaltung (vgl. Köhler/Alexander, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 4 Rn. 3.32), sind weder aus der Sicht gewerblicher Flascheneinkäufer noch aus der Sicht des Endverbrauchers als Verkehrskreise ersichtlich.
114
d) Soweit das Landgericht eine hohe wettbewerbliche Eigenart angenommen bzw. eine solche unterstellt hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Es kann im Ergebnis allenfalls von einer durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart ausgegangen werden.
115
(1) Der Flasche des Klägers kommt originär keine durchschnittliche, sondern allenfalls eine geringe wettbewerbliche Eigenart zu.
116
Bei der Flasche des Klägers handelt es sich ihrerseits um eine Nachbildung der 0,5 l-Euro-Flasche. Von dieser unterscheidet sich die klägerische Flasche zunächst durch das kleinere Füllvolumen von 0,33 l, was insgesamt zu einer kleineren Dimensionierung der Flasche sowie zu einem unterschiedlichen Größenverhältnis des genormten Mundstücks und des sich daran unmittelbar anschließenden „Halsbereichs“ im Vergleich zur Gesamthöhe und zum Durchmesser der Flasche führt. Im Übrigen unterscheidet sich die klägerische Flasche – bei ansonsten jeweils sehr ähnlichem Verhältnis des „Schulterbereichs“ zur Gesamthöhe der Flasche, des zylindrischen Hauptkörpers zur Gesamthöhe der Flasche, sowie des Durchmessers des zylindrischen Hauptkörpers zur Gesamthöhe der Flasche – lediglich durch die etwas unterschiedliche Kurvenführung im „Schulterbereich“ und insbesondere die etwas markantere Ausbildung der „Schulter“ der Flasche des Klägers gegenüber der vorbekannten 0,5 l-Euro-Flasche.
117
Diese nur geringfügigen Unterschiede sind Ausfluss eines nur engen Gestaltungsspielraums bei der Umsetzung der – als solcher nicht geschützten – Idee, die bekannte Euro-Flasche in eine „kleine Euro-Flasche“ umzuwandeln. Bei einem engen Gestaltungsspielraum dürfen einerseits an die wettbewerbliche Eigenart keine hohen Anforderungen gestellt werden, andererseits ist der Schutzbereich eng zu bemessen (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2014, 494 Rn. 28 – Freischwinger-Stuhl). Insoweit besteht eine Parallele zum Designrecht (Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 4.3 Rn. 3/40 a.E.), wobei sich der enge Schutzbereich im Rahmen von § 4 Nr. 3 UWG in einer originär geringen wettbewerblichen Eigenart niederschlägt.
118
(2) Selbst wenn man mit dem Landgericht zugunsten des Klägers unterstellt, dass dessen Vortrag zur Dauer der Marktpräsenz, den getätigten Werbeaufwendungen und Absatzzahlen der „kleinen Euro-Flasche“ die Annahme trägt, dass der Grad der ursprünglichen wettbewerblichen Eigenart durch eine erlangte Verkehrsbekanntheit gesteigert wurde, kann vorliegend ausgehend von einer originär unterdurchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart im Ergebnis allenfalls von einer durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart ausgegangen werden.
119
e) Der Senat folgt dem Landgericht andererseits nicht darin, dass die angegriffene „SUD-Flasche“ der Beklagten allenfalls eine nachschaffende Übernahme der „kleinen Euro-Flasche“ des Klägers darstellt. Sofern man grundsätzlich eine Nachahmung bejaht (dazu aa)), ist vielmehr von einer nahezu identischen Nachahmung auszugehen (dazu bb)).
120
aa) Vorliegend erscheint zweifelhaft, ob im Hinblick auf die angegriffene „SUD-Flasche“ überhaupt von einer Nachahmung gesprochen werden kann. Denn es liegt zumindest nahe, dass für diese nicht unmittelbar die klägerische „kleine Euro-Flasche“, sondern ebenfalls die 0,5 l-Euro-Flasche, welcher die klägerische Flasche nachgebildet ist, als Vorbild gedient hat. Insofern könnte es sich mithin weniger um eine Nachahmung der Flasche des Klägers, als vielmehr um eine eigenständige – weitere – Nachahmung der 0,5 l-Euro-Flasche und somit um eine selbständige Zweitentwicklung handeln, die nicht unter den Begriff der Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG fällt (vgl. BGH, GRUR 2017, 79 Rn. 64 – Segmentstruktur; BGH, GRUR 2008, 1115 Rn. 24 – ICON).
121
Soweit der BGH in den vorgenannten Entscheidungen ausgeführt hat, eine Nachahmung setze voraus, dass dem Hersteller im Zeitpunkt der Schaffung des beanstandeten Produkts das Vorbild bekannt war, versteht der Senat dies allein dahingehend, dass im Fall des Fehlens einer entsprechenden Kenntnis denknotwendig eine selbständige Zweitentwicklung vorgelegen haben muss. Daraus lässt sich aus Sicht des Senats aber nicht umgekehrt der Schluss ziehen, dass bei Vorliegen der Kenntnis vom Original stets davon auszugehen ist, dass dieses auch als Vorbild gedient hat, und eine selbständige Zweitentwicklung in diesen Fällen stets ausgeschlossen ist (a.A. wohl Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 4.3 Rn. 3/46).
122
Die Frage bedarf im Streitfall indes keiner abschließenden Entscheidung. Vielmehr kann das Vorliegen einer Nachahmung zugunsten des Klägers unterstellt werden.
123
bb) Geht man demnach von einer Nachahmung aus, muss allerdings eine nahezu identische Nachahmung angenommen werden.
124
(1) Da im Rahmen des § 4 Nr. 3 UWG auf das tatsächliche Erzeugnis des Klägers und nicht auf das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster abzustellen ist, können die oben aufgezeigte Kantigkeit des Klagemusters und das daraus resultierende Spannungsverhältnis, welches bei der angegriffenen Flasche der Beklagten nicht vorhanden ist, nicht zur Begründung einer lediglich nachschaffenden Übernahme herangezogen werden. Denn bei der vorgelegten tatsächlichen „kleinen Euro-Flasche“ des Klägers ist diese Kantigkeit weitaus weniger und nur in einem solchen Maße ausgeprägt, dass diese bei einer Gegenüberstellung der tatsächlichen Produkte nicht zu so großen Unterschieden führt, dass nur noch von einer nachschaffenden Übernahme ausgegangen werden könnte.
125
(2) Soweit das Landgericht als maßgebliche Unterschiede darauf abgestellt hat, dass die „Schulterpartie“ der angegriffenen „SUD-Flasche“ länger und weniger kurvig ausgestaltet sei und diese insgesamt einen schlankeren und eleganteren Gesamteindruck als die „kleine Euro-Flasche“ des Klägers erwecke, ist dem zwar beizupflichten, zumal bei dem tatsächlichen klägerischen Produkt die „Schulterpartie“ markanter wirkt als auf der Abbildung des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Diese Unterschiede genügen aus Sicht des Senats allerdings ebenfalls nicht, um in Anbetracht der vom Landgericht zutreffend herausgearbeiteten Gemeinsamkeiten (Gesamthöhe 19,5 cm bzw. 19 cm; Durchmesser des Hauptkörpers von jeweils 6 cm; Länge des zylindrischen Hauptkörpers jeweils von etwa 2/3 der Gesamthöhe der Flasche) eine nahezu identische Nachahmung verneinen zu können.
126
(3) Soweit das Landgericht bei der Bestimmung des Grads der Nachahmung ergänzend darauf abgestellt hat, dass es sich bei dem angesprochenen Verkehr um Fachkreise handele, die sich grundsätzlich genauer mit dem Angebot befassten, so dass ihnen Unterschiede eher auffielen, wendet die Berufung dagegen zu Recht ein, dass das Vorliegen einer Nachahmung und deren Grad objektiv zu bestimmen sind und es insoweit nicht auf das Verkehrsverständnis ankommt. Die Frage, inwieweit dem angesprochenen Verkehr Unterschiede auffallen, ist vielmehr nur im Rahmen der Frage, ob eine Herkunftstäuschung vorliegt, relevant. Auch die vom Landgericht auf S. 49 LGU zitierten Literaturfundstellen (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 4 Rn. 3.42; Wiebe, in: MüKoUWG, 3. Aufl., § 4 Abs. 3 Rn. 123) beziehen sich auf die Frage der Herkunftstäuschung und nicht die Art und Weise der Nachahmung.
127
(4) Ebenso kann eine lediglich nachschaffende Übernahme nicht deswegen angenommen werden, weil sowohl das Produkt des Klägers als auch der Beklagten an die 0,5 l-Euro-Flasche angelehnt sind und beide erhebliche Gemeinsamkeiten mit dieser aufweisen. Denn wenn man aus diesem Grund nicht bereits eine Nachahmung verneint (vgl. oben), ändert der Umstand eines gemeinsamen Vorbilds nichts daran, dass die jeweiligen Ausgestaltungen der „kleinen Euro-Flasche“ und der angegriffenen „SUD-Flasche“ – was gerade aus dem Umstand eines gemeinsamen Vorbilds resultiert – weitgehend identisch sind.
128
Vielmehr kann dieser Umstand nur dadurch berücksichtigt werden, dass die Anlehnung der klägerischen Flasche an die 0,51-Euro-Flasche zu einer unterdurchschnittlichen originären wettbewerblichen Eigenart führt (vgl. oben), was aufgrund der Wechselwirkung im Rahmen der Gesamtabwägung zu einer vollständigen oder teilweisen Neutralisierung der hohen Intensität der Nachahmung (nahezu identische Übernahme) führen kann.
129
f) Auch ausgehend von einer – unterstellt – durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart und einer nahezu identischen Nachahmung bestehen die vom Kläger hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus Lauterkeitsrecht gleichwohl nicht.
130
Da im Interesse der Wettbewerbsfreiheit vom Grundsatz der Nachahmungsfreiheit auszugehen ist, begründet das Vorliegen einer Nachahmung für sich genommen nicht die Unlauterkeit im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG. Erforderlich ist, dass darüber hinaus ein Unlauterkeitstatbestand erfüllt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2017, 79 Rn. 77 – Segmentstruktur; BGH, GRUR 2022, 160 Rn. 65 – Flying V). Daran fehlt es – wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – im vorliegenden Fall.
131
aa) Eine vermeidbare Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG liegt im Streitfall nicht vor.
132
(1) Nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Dabei ist zwischen einer unmittelbaren Herkunftstäuschung und einer mittelbaren Herkunftstäuschung (einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinne) zu unterscheiden. Eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, bei der Nachahmung handele es sich um das Originalprodukt. Eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen – wie lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen – Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht (BGH, GRUR 2022, 160 Rn. 46 – Flying V).
133
(2) Da wie oben ausgeführt nur die Einkäufer von Flaschen bei Getränkeabfüllern wie Brauereien mit dem klägerischen Produkt eine Herkunftsvorstellung verbinden, nicht jedoch die Endverbraucher, kann es für eine vermeidbare Herkunftstäuschung vorliegend nicht auf die Vorstellung der Endabnehmer ankommen, sondern allein auf das Verständnis der professionellen Flascheneinkäufer, also der Fachkreise (vgl. Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 4.3 Rn. 3/34).
134
(3) Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Tathandlung des § 4 Nr. 3 UWG nicht in der Nachahmung des Produkts als solcher besteht, sondern im Anbieten der nachgeahmten Ware. Folglich ist für die Frage, ob eine Herkunftstäuschung vorliegt, die konkrete Erwerbssituation maßgeblich (vgl. BGH, GRUR 2021, 1544 Rn. 52 – Kaffeebereiter; Köhler/Alexander, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 4 Rn. 3.44 a, m.w.N.; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 4.3 Rn. 3/54).
135
(4) Hinsichtlich des konkreten Anbietens der „SUD-Flasche“ durch die Beklagte hat der Kläger auf S. 11 der Klageschrift vorgetragen und hierzu einen Ausdruck der Internetseite der Beklagten (Anlage K 2), eine E-Mail vom 08.06.2020 an die Fa.S... GmbH (Anlage K 10), welcher eine technische Zeichnung der angegriffenen Bierflasche beigefügt war (Anlage K 11), sowie einen Auszug aus dem Online-Produktkatalog der Beklagten (Anlage K 12) vorgelegt.
136
(5) Anhand dieser Angebotshandlungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die hier maßgeblichen Fachkreise annehmen, bei der „SUD-Flasche“ der Beklagten handele es sich um die „kleine Euro-Flasche“ des Klägers (unmittelbare Herkunftstäuschung).
137
Dabei gilt es insbesondere zu beachten, dass Fachkreise regelmäßig über genauere Kenntnisse der im Markt vertretenen Produkte, ihrer Gestaltung und ihrer Herkunft verfügen als das allgemeine Publikum (BGH, GRUR 2015, 603 Rn. 36 – Keksstangen, m.w.N.).
138
Die Beklagte hat zudem erstinstanzlich vorgetragen, dass Bierflaschen im Umlaufsystem (Pfandflaschen) eine Lebensdauer von zehn Jahren und mehr erreichen sollen, weshalb die Verkehrskreise die Entscheidung über die Wahl der Bierflasche mit besonderer Sorgfalt treffen würden. Keine Brauerei kaufe eine Bierflasche oder stelle auf ein System mit neuen Bierflaschen um, ohne diese einer eingehenden Prüfung unterzogen zu haben. Vor einer Markteinführung würden Abfülltests vorgenommen. Für die Brauereien spiele zudem eine wesentliche Rolle, ob solche Bierflaschen in vorhandene Kästen oder Standardkästen aufgenommen werden könnten.
139
Diesen Vortrag hat der Kläger nicht bestritten. Er hat in Erwiderung auf diesen Vortrag lediglich ausgeführt, für unterschiedliche (0,33 l-)Flaschen bedürfe es vielfach unterschiedlich konstruierter bzw. unterteilter Kästen, die typischerweise vom Flaschenhersteller passend für die entsprechende Flasche mit angeboten (wenn auch typischerweise nicht von diesem hergestellt) würden. Darüber hinaus hat der Klägervertreter zuletzt in der mündlichen Berufungsverhandlung (um zu unterstreichen, dass die Form der Flasche für den Endkunden eine Rolle bei der Kaufentscheidung spiele) selbst vorgetragen, die Einführung einer neuen Flasche stelle für Brauereien einen langen Prozess dar und sei mit hohen Kosten verbunden.
140
Es ist daher als unstreitiger Sachverhalt zugrunde zu legen, dass die maßgeblichen Fachkreise sich bei einem Erwerb von Flaschen der streitgegenständlichen Art aufgrund der langfristigen unternehmerischen Entscheidung, den damit verbundenen nicht unerheblichen Kosten, sowie der notwendigen Kompatibilität mit vorhandenen oder ggf. neu anzuschaffenden Abfüllanlagen, aber auch der Getränke- bzw. Bierkästen – selbst wenn sie diese im Einzelfall ebenfalls vom Flaschenhersteller beziehen sollten, was nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht zwingend und stets der Fall ist –, intensiv mit dem zu erwerbenden Produkt befassen. Dabei spielt nicht nur die Form der Flasche eine maßgebliche Rolle, sondern auch deren Hersteller, zumal sich der Getränkeabfüller unter Umständen für einen längeren Zeitraum faktisch an den Flaschenhersteller bindet, wenn beispielsweise mangelhafte Flaschen ausgetauscht oder weitere Flaschen hinzuerworben werden sollen.
141
Unter diesen Umständen hält es der Senat für ausgeschlossen, dass die betreffenden Fachkreise aufgrund der vorgetragenen Angebotshandlungen der Beklagten annehmen könnten, bei den angebotenen „SUD-Flaschen“ handele es sich um die „kleine Euro-Flasche“ des Klägers.
142
Eine unmittelbare Herkunftstäuschung scheidet daher aus, ohne dass es noch auf die zwischen den Parteien streitige Frage ankommt, ob die jeweils am Flaschenboden beider Produkte angebrachten Punt Marks (zusätzlich) dazu führen, dass bei den betreffenden Fachkreisen ein Irrtum über die Herkunft der jeweiligen Flasche ausscheidet.
143
(6) Das Landgericht hat weiter mit zutreffender Begründung eine mittelbare Herkunftstäuschung verneint.
144
Für die Annahme, dass der Verkehr die „SUD-Flasche“ der Beklagten für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Klägers halten oder von geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten ausgehen könnte, fehlt es an konkreten Anhaltspunkten, wie etwa, dass in der Vergangenheit bereits lizenzvertragliche Beziehungen zwischen den Parteien bestanden hätten und dies dem Verkehr bekannt ist.
145
Soweit die Berufung ausführt, der fachkundige Käufer werde aufgrund der hochgradigen Ähnlichkeit beider Produkte zumindest von organisatorischen oder vertraglichen Beziehungen zwischen den Herstellern ausgehen, dringt sie damit nicht durch. Ließe man allein eine derartige hochgradige Ähnlichkeit für die Annahme einer mittelbaren Herkunftstäuschung ausreichen, hätte das Tatbestandsmerkmal einer Herkunftstäuschung bei Vorliegen einer identischen oder nahezu identischen Nachahmung keinen eigenständigen Bedeutungsgehalt mehr. Auch in diesen Fällen muss aber stets – zusätzlich – ein Unlauterkeitstatbestand erfüllt sein.
146
bb) Auch eine unlautere Rufausnutzung gemäß § 4 Nr. 3 Buchst. b UWG hat das Landgericht zu Recht verneint.
147
(1) Nach § 4 Nr. 3 Buchst. b UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt. Eine Ausnutzung der Wertschätzung (Rufausnutzung) liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise die Wertschätzung für das Original („guter Ruf“; „Image“), also die Vorstellung von der Güte oder Qualität, auf die Nachahmung übertragen (Köhler/Alexander, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 4 Rn. 3.53, m.w.N. aus der BGH-Rspr.).
148
(2) Ein derartiger Imagetransfer lässt sich im Streitfall nicht feststellen. Es ist nicht ersichtlich, welche besonderen Güte- oder Qualitätsvorstellungen die maßgeblichen Verkehrskreise, nämlich die Flascheneinkäufer von Abfüllbetrieben, gerade von der „kleinen Euro-Flasche“ des Klägers haben und auf die „SUD-Flasche“ der Beklagten übertragen sollen. Von der Beklagten ausgenutzt wird vielmehr der „Trend“, Getränke, insbesondere Bier in 0,33 l-Flaschen abzufüllen, die der traditionellen 0,5 l-Euro-Flasche nachgebildet sind („Retro-Design“). Auch wenn der Kläger bzw. die Drittwiderbeklagten diesen „Trend“ gesetzt haben sollten, liegt darin keine Ausnutzung der Wertschätzung des klägerischen Produkts, also des guten Rufs bzw. Images des „Originals“ (bzw. der „Original-Nachbildung“ der Euro-Flasche), sondern allenfalls eine Ausnutzung der Grundidee des Klägers bzw. der Drittwiderbeklagten, die als solche keinen Nachahmungsschutz genießt.
149
(3) Entgegen der Auffassung des Klägers ist vorliegend auch die Entscheidung „Handtaschen“ des BGH (GRUR 2007, 795) nicht (analog) einschlägig. Danach kommt eine Ausnutzung der Wertschätzung in Betracht, wenn die Gefahr einer Täuschung über die Herkunft zwar nicht bei den Abnehmern der nachgeahmten Produkte eintritt, wohl aber bei dem Publikum, das bei den Käufern die Nachahmungen sieht und zu irrigen Vorstellungen über die Echtheit verleitet wird. Diese Dritten seien, so der Kläger, im vorliegenden Fall die allgemeinen Verkehrskreise (Verbraucher) und diese würden in keiner Weise die nachgeahmte „SUD-Flasche“ vom Original der kleinen Euro-Flasche unterscheiden können.
150
Ungeachtet dessen, dass es der BGH zuletzt offengelassen hat, ob diese Fallgruppe im Anwendungsbereich von § 4 Nr. 3 Buchst. b UWG überhaupt noch Gültigkeit hat (vgl. BGH, GRUR 2022, 160 Rn. 63 – Flying V), liegen deren Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, unterliegt der Endverbraucher keiner irrigen Vorstellung über die „Echtheit“ der Flasche, weil er weder weiß, dass die „Original-Nachbildung“ der Euro-Flasche vom Kläger stammt, noch sich über die Herkunft der Flasche Gedanken macht, da die Herkunft der Flasche für seine Kaufentscheidung keine Rolle spielt. Selbst wenn – neben anderen Faktoren wie der Herkunft bzw. Marke des Getränks, dem Füllvolumen der Flasche oder der Gestaltung des Etiketts – auch die Form der Flasche die Kaufentscheidung des Endkunden mit beeinflussen sollte, kauft er das in „SUD-Flaschen“ der Beklagten abgefüllte Getränk nicht deswegen, weil er die Flasche für die „Original-kleine-Euro-Flasche“ des Klägers hält, sondern weil es sich überhaupt um eine „kleine Euro-Flasche“ – welchen Herstellers auch immer – handelt.
151
Damit ist auch der vom BGH in der Entscheidung „Flying V“ (GRUR 2022, 160) unter Rn. 62 erläuterte Grundgedanke der „Handtaschen“-Rechtsprechung nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Dass die Flascheneinkäufer von Brauereien aufgrund eines Prestigedenkens deswegen auf die „SUD-Flasche“ der Beklagten zurückgreifen, um beim Endverbraucher den irrigen Eindruck zu erwecken, es handele sich dabei um die „kleine Euro-Flasche“ des Klägers, und die Beklagte damit die Wertschätzung des Originalprodukts ausnutzt, erscheint vielmehr fernliegend, zumal nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte ihr Produkt am Markt deutlich billiger als der Kläger anbietet.
152
3. Da sich die Klage somit insgesamt als unbegründet erweist, hat das Landgericht diese zu Recht in vollem Umfang abgewiesen und die Berufung des Klägers war folglich zurückzuweisen.
C.
153
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 ZPO.
154
Im Hinblick auf die Berufung des Klägers (Teilstreitwert 100.000 Euro) hat der Kläger wegen Unterliegens die Kosten zu tragen, mithin bezogen auf den Gesamtstreitwert von 200.000 Euro die Hälfte der Gerichtskosten sowie die Hälfte der Kosten der Beklagten.
155
In Bezug auf die zurückgenommene Berufung der Drittwiderbeklagten hätte zwar grundsätzlich diese die Kosten einschließlich der Kosten der Anschlussberufung zu tragen. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – eine unzulässige Berufung des Anschließenden wegen verspätet eingegangener Begründung als unselbstständige Anschlussberufung zu behandeln war (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 786). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedoch zu machen, wenn sich der Berufungsbeklagte einer von vornherein unzulässigen Hauptberufung angeschlossen hatte (Heßler, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 524 Rn. 41; Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., § 524 Rn. 31 a; jew. m.w.N.). In diesem Fall sind die Kosten nach § 92 ZPO zu quoteln (vgl. Heßler, in: Zöller, a.a.O.). So liegt der Fall hier, da sich die Beklagte einer mangels Beschwer bzw. nach § 99 Abs. 1 ZPO von vornherein unzulässigen Berufung der Drittwiderbeklagten angeschlossen hat. Da hinsichtlich des die Widerklage betreffenden Teilstreitwerts von 100.000 Euro die Drittwiderbeklagte nicht beschwert, die Beklagte aufgrund der erstinstanzlich erfolgten Klageabweisung dagegen in voller Höhe beschwert war, erscheint es sachgerecht, den Teilstreitwert von 100.000 Euro für die Widerklage zur Gänze auf die Anschlussberufung „aufzuteilen“, so dass dementsprechend die auf die Beklagte entfallende „Quote“ 100 % beträgt. Diese hat daher die Hälfte der Gesamtgerichtskosten, die Kosten der Drittwiderbeklagten sowie die verbleibende Hälfte ihrer eigenen Kosten zu tragen.
156
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
157
III. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.
158
IV. Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 45 Abs. 1, 2, § 47 Abs. 1, 2, § 51 Abs. 1 GKG. Der Senat hat sich hierbei an der von den Parteien nicht angegriffenen Festsetzung des Streitwerts in erster Instanz orientiert.