Titel:
Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs
Normenkette:
DSGVO Art. 15, Art. 17, Art. 82 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO bezieht sich ausschließlich auf personenbezogene Daten. Eine hinreichende Auskunft liegt vor, wenn der Verantwortliche substantiiert darlegt, dass personenbezogene Daten nicht an Dritte weitergegeben werden, sofern keine Einwilligung vorliegt. (Rn. 11 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO setzt einen substantiierten Vortrag zu einem erlittenen immateriellen Schaden voraus. Ein bloßes „ungutes Gefühl“ oder Verärgerung über Datenverarbeitungsvorgänge erfüllt diese Voraussetzung nicht. (Rn. 17 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Anspruch auf Löschung oder Einschränkung der Datenverarbeitung nach Art. 17 DSGVO besteht nicht, wenn der Betroffene nachträglich ausdrücklich in die Verarbeitung eingewilligt hat. Eine solche Einwilligung kann sich auch auf bereits verarbeitete Daten beziehen. (Rn. 21 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zulässigkeit der Klage, Unbegründetheit der Klage, Auskunftsanspruch, Schadensersatzanspruch, Löschungsanspruch, Kostenentscheidung, Vorläufige Vollstreckbarkeit
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 40071
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 3.500,00 € (1.000,00 € für den Antrag zu 1 und zu 3 und 1.500,00 € für den Antrag zu 2) festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Auskunfts-, Löschungs- und Schadensersatzansprüche in Zusammenhang mit behaupteten Datenschutzverstößen auf SocialMedia-Plattformen.
2
Die Beklagte betreibt die SocialMedia-Plattformen F. und I. . F. ist eine Plattform, die insbesondere der Vernetzung von Menschen, dem Austausch von Ideen und Interessen und der gegenseitigen Unterstützung dient. Die Plattform I. dient insbesondere dem Teilen von Inhalten und dem Aufbau einer Gemeinschaft unter den Nutzern. Die Plattformen werden den Nutzern grundsätzlich unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Um den Nutzern die kostenfreie Nutzung von F. und I. alternativ zu einem Abo-Modell auf Bezahlbasis ermöglichen zu können, finanziert die Beklagte die Plattformen dadurch, dass Werbetreibenden die Möglichkeit gegeben wird, ihre Werbung einem maßgeschneiderten Publikum auf den Plattformen präsentieren zu können. Der Kläger ist bei diesen Plattformen mit der Account-Email … angemeldet. Bei der Registrierung hat der Kläger die für die Registrierung notwendigen Daten wie Vor- und Nachname, E-Mailadresse, Geburtsdatum und Geschlecht angegeben. Die Beklagte verarbeitet im Rahmen des Nutzungsvertrages die personenbezogenen Daten des Klägers. Mit dem Inkrafttreten der DSGVO änderte die Beklagte ihre jeweiligen Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien sowie die Informationen zur Rechtsgrundlage der Datennutzung auf die Erforderlichkeit zur Vertragsdurchführung und später auf überwiegend berechtigte Interessen. Jedenfalls seit dem 07.11.2023 holt die Beklagte auch Einwilligungen für die Datenverarbeitung in Zusammenhang mit personalisierter Werbung ein. Der ursprünglich auf Unterlassung der Datenverarbeitung gerichtete Antrag zu 3 wurde daraufhin übereinstimmend für erledigt erklärt. Am 25.03.2024 hat der Kläger eingewilligt, dass die Beklagte weiterhin Informationen aus den Konten des Klägers zu Werbezwecken verwendet.
3
Der Kläger behauptet, die Beklagte würde neben F. und I. auch den Wh.a.-Messengerdienst betreiben. Der Kläger behauptet weiter, die Beklagte würde personenbezogene Daten des Klägers von Wh.A., F. und I. rechtswidrig an Werbetreibende verkaufen ohne dass dies durch die DSGVO gerechtfertigt wäre. Dass die Beklagte die Nutzungsbedingungen hinsichtlich der „Leistung Werbung“ geändert habe, stelle eine Umgehung der DSGVO dar. Der Kläger behauptet, ihm sei durch die rechtswidrige Weitergabe von personenbezogenen Daten ein immaterieller Schaden entstanden. Die Weitergabe der Daten für den Zweck zielgerichteter Werbung habe beim Kläger das ungute Gefühl permanenter Überwachung ausgelöst. Zudem sei der Kläger über das Verhalten der Beklagten verärgert gewesen. Außerdem liege ein immaterieller Schaden auch darin, dass die Auskunft über die Datenverarbeitung unzureichend erteilt worden sei. Nachdem Einwilligungen erst seit November 2023 eingeholt werden würden, hätte der Kläger zudem einen Anspruch auf Löschung aller Daten, die vor Erteilung der Einwilligung erhoben und zu Zwecken der personalisierten Werbung verarbeitet worden seien.
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Der Kläger beantragt zuletzt:
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über die die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten zu erteilen, die die Beklagte in Zusammenhang mit der individualisierten Werbung verarbeitet, namentlich:
- 2.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite als Ausgleich für Datenschutzverstöße einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 1.500 EUR aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 3.
-
Die Beklagte wird verurteilt, die im Zeitraum zwischen dem 25.05.2018 und dem 6.11.2023 zum Nutzungsverhalten der Klägerseite erfassten personen-bezogenen Daten
5
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
6
Die Beklagte behauptet, sämtliche Auskunftsansprüche seien jedenfalls dadurch erfüllt worden, dass die Beklagte außergerichtlich alle relevanten Informationen zur Verfügung gestellt und sie unter anderem darüber informiert hat, dass die Beklagte, sofern Nutzer hierzu nicht ihre Einwilligung erteilt haben, keine Informationen, mit denen einzelne Nutzer identifiziert werden können, an Werbetreibende weitergibt. Der Schmerzensgeldanspruch würde bereits deshalb scheitern, weil der Kläger keinen Schaden erlitten und jedenfalls nicht substantiiert dargelegt habe, ein Verstoß gegen die DSGVO nicht vorliegen würde und jedenfalls kein Kausalzusammenhang zwischen einem Schaden und einem Verstoß bestehen würde. Der Unterlassungsanspruch würde jedenfalls deshalb scheitern, weil die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig erfolgt sei. Die Beklagte könne sich – auch vor der Einholung von Einwilligungen ab November 2023 – auf die Rechtsgrundlage der Erforderlichkeit zur Vertragserfüllung und auf überwiegend berechtigte Interessen stützen. Zudem beziehe sich die Einwilligung des Klägers aus März 2024 auch auf in der Vergangenheit verarbeitete Daten.
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Eine Beweisaufnahme fand nicht statt. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Ansbach ist international gemäß Art. 79 Abs. 2 DSGVO, örtlich gemäß § 44 Abs. 1 BDSG und sachlich jedenfalls deshalb, weil die Beklagte sich rügelos eingelassen hat, zuständig.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat weder Anspruch auf (weitergehende) Auskunftserteilung, noch auf Schadensersatz oder Löschung bereits erhobener Daten.
11
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitergehende Auskunftserteilung gemäß Art. 15 DSGVO. Mit außergerichtlichem Schreiben vom 10.05.2023 hat die Beklagte den Auskunftsanspruch des Klägers weitgehend negativ verbeschieden. Dabei hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass keine personenbeziehbaren Daten, das heißt solche Daten, die die Identifizierung einer Person ermöglichen, an Werbetreibende weitergegeben werden, es sei denn, es liegt eine Einwilligung vor. Im Weiteren folgt eine Erläuterung der personenbezogenen Daten i.S.d. DSGVO. Damit ist das Auskunftsverlangen des Klägers umfassend erfüllt.
12
Der Begriff der personenbezogenen Daten ist in Art. 4 DSGVO legaldefiniert. Die Personenbezogenheit eines Datums besteht (nur) dann, wenn es sich um eine Information über eine identifizierte, d.h. konkret benannte Person handelt. Ist die Person nicht benannt, besteht Personenbezogenheit dann, wenn die Person zumindest identifizierbar ist, z.B. durch Zuordnung einer Kennung.
13
Die Beklagte hat substantiiert unter Hinweis auf die Meta-Datenrichtlinie vorgetragen, dass die Beklagte Werbetreibenden keine Informationen zur Verfügung stellt, die für sich genommen dazu verwendet werden können, den Nutzer zu identifizieren, es sei denn, es liegt eine Einwilligung dazu vor. Vielmehr werden den Werbetreibenden Berichte über die Anzahl und Arten von Personen bereitgestellt, die sich ihre Werbeanzeigen ansehen. Diese enthalten Informationen u.a. zu Werbeanzeigen, mit denen Personen interagiert haben, wann Personen mit Werbeanzeigen interagiert haben und wo die Werbeanzeige gezeigt wurde. Daten, die die Identifizierung einer Person ermöglichen würden, würden jedoch nicht verarbeitet werden. Dem konnte der Kläger nicht substantiiert entgegentreten.
14
Der Auskunftsanspruch des Art. 15 DSGVO, insbesondere der gegenüber externen Werbetreibenden einschlägige Art. 15 Abs. 1 c) DSGVO bezieht sich ausschließlich auf personenbezogene Daten. Die Auskunft, dass solche nicht an Werbetreibende weitergegeben werden, ist daher ausreichend zur Beantwortung der Frage 1c). Unerheblich ist daher auch, dass das Antwortschreiben der Beklagten (so wie offenkundig auch die Klageschrift selbst) nicht personalisiert ist, da die Antwort für sämtliche Nutzer gleich zutreffend ist.
15
Die Fragen 1d) bis 1f) sind nicht zu beantworten, nachdem Frage 1c) negativ beantwortet wurde. Die Frage 1g) ist von der DSGVO nicht gedeckt, der Kläger hat keinen Anspruch auf entsprechende Auskunft. Die Frage 1h) ist deshalb unbegründet, weil die Beklagte bestritten hat, Anbieterin von Wh.A. zu sein, der Kläger ist dem nicht entgegengetreten.
16
Die allgemein gehaltene Frage 1a) wurde durch einen allgemeinen Verweis auf die entsprechend öffentlich einsehbaren Informationen der Beklagten in der Datenschutzrichtlinie unter der Überschrift „Welche Informationen erheben wir?“ (Anlage B12) beantwortet. Die Frage 1b) ist von der DSGVO nicht umfasst.
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II.Ein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO besteht bereits deshalb nicht, weil der Kläger einen immateriellen Schaden nicht ausreichend dargelegt hat.
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Soweit der Kläger vorträgt, er habe einen immateriellen Schaden durch den Kontrollverlust über seine Daten erlitten, kann dies bereits deshalb nicht zum Erfolg führen, weil die Beklagte ausreichend substantiiert dargelegt hat, dass personenbezogene Daten zu keinem Zeitpunkt an Werbetreibende weitergegeben wurden, wenn hierfür keine Einwilligung vorlag. Die Beklagte hat insbesondere auch vorgetragen, wie „personalisierte“ Werbung zustande kommen kann und dass dies insbesondere über gebündelte Berichte und entsprechende Mitteilung an Werbetreibende erfolgt. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegen getreten. Es ist daher schon nicht ausreichend dargelegt, dass überhaupt personenbezogene Daten herausgegeben wurden, sodass auch ein kausal hierauf zurückzuführender Kontrollverlust über diese Daten (wie z.B. mutmaßlich in den Scraping-Fällen) nicht möglich ist.
19
Dem Kläger ist im Übrigen zuzugestehen, dass der Begriff des Schadens i.S.d. Art. 82 DSGVO grundsätzlich weit auszulegen ist. Dass der Kläger ein „ungutes Gefühl“ wegen einer permanenten Überwachung gehabt haben will und zudem über das Vorgehen der Beklagten verärgert gewesen sein will, kann das Gericht aber auch bei weitestmöglicher Auslegung des Begriffs nicht als immateriellen Schaden auffassen. Auch wenn der Begriff des immateriellen Schadens weit auszulegen ist, ist dennoch zu berücksichtigen, dass es sich um einen „erlittenen“, das heißt im Wesentlichen spürbaren Schaden handelt, um bloße Unannehmlichkeiten oder Bagatellschäden auszuschließen (vgl. Frenzel, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Rn. 10). Der Kläger selbst spricht nur von einem unguten Gefühl und einem Gefühl des Ärgers. Dabei handelt es sich um Alltäglichkeiten, die schlichtweg hinzunehmen sind.
20
Selbst wenn der bloße Ärger und ein ungutes Gefühl der Überwachung einen Schaden darstellen könnten, wäre der Kläger seiner Beweispflicht nicht nachgekommen. Der Vortrag des Klägers ist in keiner Weise personalisiert. Die Klageschrift beruht offenkundig auf Textbausteinen. Individueller Vortrag dazu, wie oft der Kläger personalisierte Werbung gesehen hat, zu welchen Themen sich diese Werbung verhielt, in welchem Kontext diese Werbung gezeigt wurde, zusammengefasst, wie und warum sich für den Kläger im konkreten Fall ein Gefühl der Überwachung ergeben hat, fehlt vollständig. Insbesondere aber hat der Kläger – wie von der Beklagten vorgetragen und durch Einreichung eines Screenshots unter Beweis gestellt – am 25.03.2024 ausdrücklich darin eingewilligt, dass die Beklagte weiterhin Informationen aus den Konten des Klägers zu Werbezwecken verwendet. Die Alternative wäre gewesen, die Plattformen zu verlassen, oder für diese im Abo-Modell zu zahlen. Es stellt einen nicht erklärlichen Widerspruch dar, wenn der Kläger einerseits behauptet, ein ungutes Gefühl der permanenten Überwachung zu haben, andererseits aber ausdrücklich der Verwendung seiner Daten zu Zwecken der personalisierten Werbung zustimmt – offenkundig um keine Abo-Gebühr entrichten zu müssen. Die Behauptung des Klägers zu einem vermeintlich immateriellen Schaden ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar und völlig unglaubhaft.
21
III. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Löschung von Daten, die im Zeitraum zwischen dem 25.05.2018 und dem 06.11.2023 ausschließlich zu Werbezwecken verarbeitet wurden und Einschränkung der Datennutzung auf andere Zwecke als Werbezwecke.
22
Der Kläger hat im März 2024 ausdrücklich seine Einwilligung dahingehend erteilt, dass die Beklagte „alle Informationen aus ihren Konten weiterhin“ für Werbezwecke verwendet. Die Einwilligung richtet sich bereits dem Wortlaut nach eindeutig auch für die Vergangenheit, sodass kein Löschungs- bzw. Einschränkungsanspruch mehr bestehen kann.
23
IV.Mangels Anspruch in der Hauptsache besteht kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.
24
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO.
25
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, auch soweit die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Der Unterlassungsanspruch war auch vor Umstellung auf das Einwilligungsmodell vollständig unbegründet. Dem Kläger stand kein Unterlassungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO analog oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1004 BGB analog zu. Da Art. 17 DS-GVO lediglich ein Löschungsrecht bezüglich personenbezogener Daten einräumt, jedoch keine weitergehenden Rechte bezüglich der Datenverarbeitungsvorgänge an sich normiert wurden, können keine Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, die im Ergebnis die Verarbeitungsvorgänge des Verantwortlichen reglementieren können. Wegen des abschließend vereinheitlichen Datenschutzrechts nach der DSGVO kann auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts zurückgegriffen werden.
26
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.