Inhalt

AG Augsburg, Endurteil v. 23.10.2024 – 14 C 352/24
Titel:

Kein Schadensersatzanspruch aufgrund Datennutzung nach Einwilligung

Normenkette:
VO (EU) 2016/679 Art. 17, 82 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine wirksame Einwilligung in die Nutzung von personenbezogenen Daten für Werbezwecke liegt vor, wenn anstelle des Abschlusses eines kostenpflichtigen Abonnements eine Einwilligung in die Datennutzung erteilt wird. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Schadensersatzanspruch wegen der Nutzung personenbezogener Daten für Werbezwecke besteht nicht, wenn der Nutzer bewusst in die Datennutzung anstelle der Zahlung eines Entgelts eingewilligt hat. (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Internationale Zuständigkeit, Zivilsache, Verbraucherklage, Schadensersatzanspruch, Schmerzensgeld, Löschungsanspruch, Vorläufige Vollstreckbarkeit
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 40014

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über verschiedene Ansprüche aufgrund behaupteter unzulässiger Datenverarbeitungsvorgänge.
2
Die Beklagte betreibt in der Europäischen Union im Internet die Plattformen F. und I. , welche der Kläger nutzt. Bei seiner Registrierung für diese Plattformen musste er unter anderem seinen Vor- und Nachnamen und seine E-Mail-Adresse angeben.
3
Am 25.05.2018 wurden im Zuge des Inkrafttretens der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) die Nutzungsbedingungen durch die Beklagte grundlegend angepasst; hierbei erklärten sich die Nutzer im Gegenzug für die weitere kostenfreie Nutzung mit der Schaltung von Werbeanzeigen einverstanden.
4
Ab 07.11.2023 holte die Beklagte für die Verwendung von Daten im beschriebenen Sinne eine Einwilligung von den Platformnutzer ein. So auch von dem Kläger. Alternativ können die Nutzer ein kostenpflichtiges Abonnement abschließen.
5
Am 08.11.2023 stimmte der Kläger unter anderem zu, „weiterhin Informationen aus deinen Konten in dieser Kontenübersicht zu verwenden, um dir Werbung zu zeigen“.
6
Mit vorgerichtlichem Schreiben vom 07.12.2023 wurde die Beklagte unter Darlegung der Sach- und Rechtslage zur Zahlung von 1.500 EUR Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen der Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers zu Zwecken zielgerichteter Werbung aufgefordert, ferner zur Löschung bzw. Einschränkung der Nutzung der personenbezogenen Daten aufgefordert.
7
Der Kläger trägt vor, mit der Speicherung und Weiterverarbeitung seiner personenbezogenen Daten habe er sich der Kläger vor der Änderung der Nutzungsbedingungen im November 2023 zu keinem Zeitpunkt einverstanden erklärt. Insbesondere im Zusammenhang mit der Änderung der Nutzungsbedingungen im Jahre 2018 habe er nicht die Möglichkeit eines Widerspruchs erhalten. In der Folge habe die Beklagte offensichtlich solche Daten des Klägers verwendet, um sie auf dem Werbemarkt gewinnbringend zu verkaufen. Die dahingehende Erkenntnis sei für den Kläger derart aufwühlend und enttäuschend gewesen, dass ihm ein Schmerzensgeld von 1.500,00 € zustehe. Darüber hinaus seien auch die vor seiner Einwilligung gesammelten Daten zu löschen bzw. in der Verwendung einzuschränken und nicht für Werbezwecke zu verwenden.
8
Hinsichtlich des weiteren klägerischen Vortrags wird auf die sämtliche Schriftsätze der Klagepartei samt Anlagen Bezug genommen.
9
Der Kläger beantragt zuletzt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 1.500,00 € aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, die im Zeitraum zwischen dem 25.05.2018 und dem 2.11.2023 zum Nutzungsverhalten der klagenden Partei erfassten personenbezogenen Daten
3.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 540,50 € zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerseite freizustellen,
10
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
11
Die Beklagte trägt vor, mit den personenbezogenen Daten des Klägers auf F. sei sie in der Vergangenheit, vor der ausdrücklichen Einwilligung des Klägers in die Verwendung zu Werbezwecken, lediglich insoweit umgegangen, als dies gemäß Art. 6 Abs. 1 b) bzw. f) erlaubt gewesen sei.
12
Entgegen der klägerischen Behauptung betreibe die Beklagte den Wh.-A.-Dienst nicht. In Bezug auf F. und I. beruhen die klägerischen Ansprüche auf einer falschen Darstellung des Geschäftsmodells der Beklagten. Der Schadensersatzanspruch der Klagepartei müssescheitern, da die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht vorliegen würden. Weder habe der Kläger einen erlittenen Schaden, einen Verstoß gegen die DSGVO noch einen Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß und dem Schaden dargelegt.
13
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf sämtliche Schriftsätze der Beklagten samt Anlagen Bezug genommen.
14
Eine mündliche Verhandlung hat am 25.09.2024 stattgefunden. Hierbei konnte eine gütliche Einigung der Parteien nicht erreicht werden. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
Die Klage ist zulässig.
16
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 6 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 2. AltEuGVVO (Brüssel la VO). Gemäß Art. 1 Abs. 1 EuGVVO ist die EuGVVO sachlich anwendbarauf Zivil- und Handelssachen. Vorliegend handelt es sich um eine Zivilsache. Die deutsche Gerichtsbarkeit folgt aus Art. 6 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 2. Alt EuGVVO. Ein ausschließlicher Gerichtstand gemäß Art. 24 EuGVVO ist nicht ersichtlich. Gemäß Art. 18 Abs. 1 2. Alt EuGVVO kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Die Klagepartei ist gemäß Art. 17 Abs. 1 EuGVVO Verbraucher und hat ihren Wohnsitz im Bezirk des angerufenen Gerichts, woraus sich zugleich die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Augsburg ergibt. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich ferner aus Art. 79 Abs. 2 DSGVO. Danach können Klagen gegen einen Verantwortlichen oder gegen einen Auftragsverarbeiter bei den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dem die betroffene Person ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, es sei denn, es handelt sich bei dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter um eine Behörde eines Mitgliedstaats, die in Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse tätig geworden ist.
17
Das Amtsgericht Augsburg ist auch gemäß § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig.
18
Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Schmerzensgeld-, Einschränkungs- und Löschungsansprüche nicht zu.
19
Soweit der Kläger glaubt einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu haben, liegen die Voraussetzungen dieser Norm nicht vor. Art. 82 Abs. 1 DSGVO gesteht jeder Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter zu. Grundsätzliche Voraussetzungen eines entsprechenden Schadensersatzes sind ein Verstoß gegen die DSGVO und der Eintritt eines Schadens bei der betroffenen Person kausal durch diesen Verstoß. Diesen Beweis konnte der Kläger jedoch nicht erbringen. Bloße pauschale Behauptungen und Mutmaßungen zu dem Geschäftsgebahren der Beklagten, ohne Beweise, dass die Beklagte tatsächlich konkrete Daten des Klägers unter Verstoß gegen die DGVO in unzulässiger Weise verwendet hätte, genügen nicht.
20
Die Behauptung der Klagepartei an, wegen des vermeintlichen Geschäftsgebahrens der Beklagten ein schwieriges Gefühl, vielleicht eine leichte Überforderung empfunden zu haben und daher einen Schmerzensgeldanspruch zu haben, ist absolut nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat sich bewusst für die kostenlose Nutzungsvariante entschieden und somit – ab dem Zeitpunkt der geänderten Nutzungsbedingungen – sich mit der Verwendung der Daten zu Werbezwecken entsprechend des Geschäftsmodells er Beklagten ausdrücklich und unstreitig einverstanden erklärt.
21
Niemand hat den Kläger gezwungen, bereits seit 15 Jahren die Dienste der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Wäre er derart belastet – physisch und psychisch – durch die Verwendung der Daten zu Werbezwecken, ist nicht nachvollziehbar, weshalb er nicht die kostenpflichtige Nutzungsvariante gewählt hat, um diesem angeblich so belastenden Zustand abzuhelfen bzw. die Nutzung ganz beendet.
22
Schließlich steht dem Kläger auch kein Löschungs- bzw. Änderungsanspruch aus Art. 17 DGVO zu. Auch insoweit ist der klägerische Vortrag bereits nicht hinreichend substantiiert. Darüber hinaus gilt auch hier, dass der Kläger zwischenzeitlich eingewilligt hat, dass seine personenbezogenen Daten zu Werbezwecken verwendet werden dürfen.
23
Mangels begründeter Hauptforderung hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Freistellung von außergerichtlich angefallenen Anwaltskosten.
24
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 ZPO.
25
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.