Titel:
Keine für eine Verwechslungsgefahr ausreichende Zeichenähnlichkeit zwischen „Aitava“ und „Artana“
Normenkette:
MarkenG § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 3, Abs. 5, § 15 Abs. 2, § 140 Abs. 3
Leitsatz:
Bei der Bewertung des Vorliegens von Verwechslungsgefahr kann zu berücksichtigen sein, dass der Grad der Aufmerksamkeit, mit dem der angesprochene Verkehr die beiderseitigen Kennzeichnungen wahrnimmt, von der Art des Produkts bzw. der Dienstleistungen mitbestimmt wird. Soweit die Parteien Dienstleistungen anbieten, bei denen es sich nicht um solche des täglichen Bedarfs handelt, und insbesondere (auch) Fachkreise angesprochen werden, kann die Annahme einer sorgfältigeren Prüfung geboten sein. Fachkreise sollen aufgrund größerer Aufmerksamkeit oder detaillierterer Kenntnisse als Endverbraucher im Hinblick auf die Kennzeichnungsgewohnheiten im jeweiligen Produktsektor die Unterschiede zwischen kollidierenden Marken besser in Erinnerung behalten können. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verwechslungsgefahr, Kennzeichnungskraft, Zeichenähnlichkeit, Schutzschrift, Verfügungsanspruch
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 39910
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Streitwert wird auf 150.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin macht einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend.
2
Sowohl bei der Antragstellerin als auch der Antragsgegnerin handelt es sich um bundesweit tätig Rechtsanwaltskanzleien. Die Antragstellerin hat sich auf den Bereich des Rechts der Informationstechnologie (IT-Recht) spezialisiert. Die Antragsgegnerin ist spezialisiert auf Unternehmen aus der Games-Branche, Medien, Markenhersteller und Start-Ups in den Bereichen Urheberrecht, IT-Recht, Datenschutzrecht und klassischem IP.
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Die Antragstellerin ist Inhaberin der deutschen Wortmarke „AITAVA“ (Registernummer: 302023211571), die am 23.03.2023 angemeldet und am 23.05.2023 für nachfolgende Waren und Dienstleistungen eingetragen wurde (Anlage ASt 4, 5):
„Klasse(n) 35: Unternehmensberatung; Hilfe in Geschäftsangelegenheiten, Geschäftsführung und administrative Dienstleistungen
Klasse(n) 42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen; IT-Dienstleis – tungen
Klasse(n) 45: Juristische Dienstleistungen.“
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Am 10.09.2024 stellte der Geschäftsführer der Antragstellerin, Dr. ... anlässlich eines LinkedIn-Beitrags, der einen Auszug der Wirtschaftswoche zum Thema „Die renommiertesten Kanzleien und Anwälte für Urheberrecht“ enthielt, sowie einer daraufhin sogleich mittels G. gefundenen JUVE-Meldung fest, dass die Antragsgegnerin für ihre Kanzlei die Kennzeichnung „ARTANA“ benutzt (Anlage ASt 10). Ferne stellte die Antragsstellerin fest, dass die Antragsgegnerin zudem für ihre Kanzlei am 9. April 2024 eine DE-Wortmarke „ARTANA“ (Registernummer 302024004194) u.a. für Rechtsberatung; Juristische Dienstleistungen; Juristische Beratungsdienstleistungen angemeldet hatte (Anlage ASt 11).
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Die Antragstellerin mahnte mit Schreiben vom 17.09.2024 die Antragsgegnerin unter Fristsetzung zum 23.09.2024 ab und forderte diese zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf (Anlage ASt 14). Die Antragsgegnerin wies dies mit Schreiben vom 20.09.2024 zurück (Anlage Ast15).
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Die Antragstellerin meint, sie könne von der Antragsgegnerin wegen vorliegender Verwechslungsgefahr gem. § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 5 S. 1 MarkenG sowie § 15 Abs. 2 MarkenG Unterlassung der Kennzeichnung ihrer anwaltlichen Dienstleistungen mit „ARTANA“ sowie ihrer Firmierung unter „ARTANA PartG mbB“ verlangen. Der Unterlassungsanspruch ergebe sich sowohl aus den Rechten aus der eingetragenen älteren Marke als auch aus dem Recht am Unternehmenskennzeichen. Es liege hochgradige Verwechslungsgefahr vor aufgrund der Identität der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen, der Identität bzw. zumindest hochgradigen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen, sowie der hier mindestens durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke „AITAVA“ als Fantasiebegriff. Die drei Vokale „A“ stimmten überein, und zwar sowohl am Wortanfang als auch am Wortende (wobei Wortanfang und -ende beim Zeichenvergleich mehr Gewicht entfalteten als die Wortmitte) sowie an vorvorletzter Stelle der beiden Worte, beide Marken hätten den Buchstaben T in der Mitte, beide Marken hätten die identische Buchstabenanzahl; zudem seien die Wortanfänge „AIT“ und „ART“ ähnlich, ebenso wie die Endungen „AVA“ und „ANA“, denn selbst die unterschiedlichen Buchstaben „I/R“ und „V/N“ seien schritfbildlich noch teilidentisch. Im Klangbild würden beide Marken dreisilbig betont. Bei beiden Marken beginne die zweite (betonte) Silbe mit dem Laut „TA“. Die ersten Silben „AI“ und „AR“ klängen ebenfalls ähnlich. Ebenso könnten die letzten Silben „AVA“ und „ANA“ insbesondere beim schnellen Sprechen verwechselt werden. Schließlich endeten beide Marken auf den Laut „A“. Selbst ein höherer Grad an Aufmerksamkeit eines Fachpublikums könne die Verwechslungsgefahr aufgrund der Identität der Dienstleistungen und der hochgradigen optischen und klanglichen Ähnlichkeit nicht eliminieren. Auf die jeweilige Wortlänge komme es nicht an. Der involvierte Verkehr habe in der Regel nicht beide Zeichen in der gleichen Schriftart vor sich auf Papier stehen. Ebenso wenig messe der Adressat mit dem Lineal die jeweilige Länge nach. Einen unterschiedlichen Bedeutungsgehalt messe der angesprochene Verkehr beiden Zeichen entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht bei. Insbesondere werde der Verkehr in dem Zeichen der Antragsgegnerin nicht den Bestandteil „AI“ (als Akronym für „Artificial Intelligence“) erkennen.
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Mit Antrag vom 26.09.2024 beantragt die Antragstellerin, es der Antragsgegnerin es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland (I.a.) das Zeichen „ARTANA“ zur Kennzeichnung juristischer Dienstleistungen – insbesondere Dienstleistungen einer Anwaltskanzlei – zu benutzen und/oder (I.b.) innerhalb der Rechtsbranche – insbesondere als Anwaltskanzlei – unter „ARTANA PartGmbB“ zu firmieren.
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Antrag I.a. ist primär auf § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG gestützt, hilfsweise auf § 15 Abs. 2 MarkenG. Antrag I.b. ist auf § 15 Abs. 2 MarkenG gestützt.
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Die Antragsgegnerin hat eine Schutzschrift vom 20.09.2024 eingereicht. Die Antragsgegnerin wurde mit Verfügung vom 27.09.2024 zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung angehört und beantragt bezugnehmend auf die Schutzschrift, den Antrag auf Erlass zurückzuweisen.
10
Sie meint, die Antragstellerin verkenne den besonders hohen Aufmerksamkeitsgrad des aus gewerblichen Kunden und Fachkreisen bestehenden betroffenen Verkehrskreises. Dieser professionelle Verkehrskreis sei überdurchschnittlich aufmerksam bei der Erfassung der sich gegenüberstehenden Zeichen, wodurch bereits kleinere Zeichenunterschiede besser wahrgenommen würden und in Erinnerung blieben. Hier bestehe ein großer Unterschied zum Aufmerksamkeitsgrad von Endverbrauchern, auf deren Aufmerksamkeitsgrad sich die Antragstellerin durchgehend beziehe. Weiterhin bestünden zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen „AITAVA“ und „ARTANA“ deutliche begriffliche Unterschiede, die etwaige Ähnlichkeiten neutralisierten. In klanglicher Hinsicht werde das Zeichen der Antragstellerin angesichts des feststehenden Begriffs „AI“ in vier Silben als „A – I – TA – VA” mit klarer Betonung auf den ersten beiden Silben „A + I“ ausgesprochen. Nicht unwahrscheinlich sei auch eine englische Aussprache des beschreibenden Wortanfangs als „Ey – Ei“ („Ey – Ei – TA – VA“). Das Klangbild sei durch den zusätzlichen Vokal „I“ und den Konsonanten „V“ zudem sehr weich. Demgegenüber werde das eigene Zeichen durch den feststehenden Begriff „ART“ in nur zwei Silben als „ART – ANA“ ausgesprochen. Es bestehe mithin ein deutlicher Unterschied bei der Anzahl der Silben. In schriftbildlicher Hinsicht wirke das Zeichen „AITAVA“ bei Verwendung verkehrsüblicher Schriftarten durch den schriftbildlich sehr schlanken Konsonanten „I“ deutlich kürzer als das Zeichen „ARTANA“ mit dem schriftbildlich sehr breiten Buchstaben „R“.
11
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet.
12
Es fehlt am Verfügungsanspruch. Der Antragstellerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht zu.
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1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Ein Verfügungsgrund ist gegeben. Dieser wird nach § 140 Abs. 3 MarkenG vermutet. Die Antragstellerin hat darüber hinaus die eine Dringlichkeit begründenden Umstände substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht. Insbesondere ist mit Einreichung des Antrags am 26.09.2024 bei Gericht die im Bezirk des OLG München maßgebliche Monatsfrist zwischen erstmaliger Kenntniserlangung am 10.09.20024 (vgl. Anlage AST 10) von dem streitgegenständlichen Verstoß und der Beantragung einer einstweiligen Verfügung gewahrt (vgl. zu der Monatsfrist OLG München, GRUR-RR 2017, 89, 94 m.w.N.).
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2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet, weil die Antragstellerin einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§§ 935, 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO). Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 bzw. aus § 15 Abs. 2 MarkenG nicht zu.
15
Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen „Aitava“ einerseits und „Artana“ andererseits besteht bei Annahme von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke bzw. des Unternehmenskennzeichens aufgrund nur geringer Zeichenähnlichkeit trotz Dienstleistungsidentität bei der gebotenen Gesamtabwägung keine Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne.
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a) Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn das angesprochene Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (grundlegend EuGH GRUR 1998, 922 Rn. 28 f. – Canon). Die Frage, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist dabei unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (stRspr; vgl. nur BGH GRUR 2020, 870 Rn. 25 – INJEKT/INJEX). Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-) Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (BGH GRUR 2016, 382 Rz. 37 – BioGourmet).
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Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (st. Rspr., vgl. nur BGH GRUR 2020, 870 Rn. 58 und 66 – INJEKT/INJEX). Beschreibende Aspekte der einheitlichen Zeichen dürfen bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit allerdings nicht von vornherein unberücksichtigt gelassen werden (vgl. BGH GRUR 2020, 870 Rn. 66 – INJEKT/INJEX). Nicht zulässig ist es mithin, einen Bestandteil einer zusammengesetzten Marke oder einen Teil eines einheitlichen Zeichens wegen seines beschreibenden Charakters oder wegen seiner fehlenden Unterscheidungskraft von der Prüfung der Zeichenähnlichkeit auszuschließen, denn ein solcher Ausschluss könnte dazu führen, dass sowohl die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen als auch die Unterscheidungskraft der älteren Marke unzutreffend beurteilt werden und dies zu einer veränderten Gesamtbeurteilung der Verwechslungsgefahr führt. Die bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigenden Faktoren stehen in einer Wechselbeziehung zueinander, die dazu führen soll, dass die gesamte Beurteilung der Verwechslungsgefahr so weit wie möglich mit der tatsächlichen Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise in Einklang gebracht wird. Würden bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit beschreibende Bestandteile von vornherein dem Vergleich entzogen, würde der Faktor der Ähnlichkeit der Marken zugunsten des Faktors der Unterscheidungskraft neutralisiert. Dadurch würde die originäre Kennzeichnungskraft einer Marke im Rahmen der Faktoren der Verwechslungsprüfung mehrfach berücksichtigt. Es kann daher nicht von vornherein und generell davon ausgegangen werden, dass die beschreibenden Bestandteile einander gegenüberstehender Zeichen von der Beurteilung ihrer Ähnlichkeit auszuschließen sind. Die beschreibenden, nicht unterscheidungskräftigen oder schwach unterscheidungskräftigen Bestandteile einer zusammengesetzten Marke haben zwar im Allgemeinen ein geringeres Gewicht bei der Prüfung der Ähnlichkeit zwischen Zeichen als die Bestandteile mit einer größeren Unterscheidungskraft, die auch den von dieser Marke hervorgerufenen Gesamteindruck eher dominieren können. Die Bestimmung des Gesamteindrucks jedes Zeichens ist jedoch nach Maßgabe der besonderen Umstände des konkreten Falls vorzunehmen. Dafür gelten keine allgemeinen Vermutungen. Stimmen die ältere Marke und das angegriffene Zeichen lediglich in einem schwach unterscheidungskräftigen oder für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Bestandteil überein, wird dies zwar häufig dazu führen, dass eine Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden kann. Jedoch kann die Feststellung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr wegen der Wechselwirkung der hierbei relevanten Faktoren nicht im Voraus und in jedem Fall ausgeschlossen werden (so ausdrücklich nunmehr BGH GRUR 2020, 870 Rn. 69 ff. – INJEKT/INJEX m.w.N. unter Aufgabe von BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 38 – pjur/pure). Selbst bei identischen Waren bzw. Dienstleistungen und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der älteren Marke kann eine Verwechslungsgefahr an zwar noch gegebener, aber im Wechselverhältnis aller Faktoren zu gering ausgeprägter Markenähnlichkeit scheitern (Hacker/Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Auflage, § 9 Rn. 45).
18
Bei der Bewertung kann zu berücksichtigen sein, dass der Grad der Aufmerksamkeit, mit dem der angesprochene Verkehr die beiderseitigen Kennzeichnungen wahrnimmt, von der Art des Produkts bzw. der Dienstleistungen mitbestimmt wird. Soweit die Parteien Dienstleistungen anbieten, bei denen es sich nicht um solche des täglichen Bedarfs handelt, und insbesondere (auch) Fachkreise angesprochen werden, kann – auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Verkehr seine Auffassung regelmäßig auf der Grundlage eines undeutlichen Erinnerungseindrucks gewinnt, der Übereinstimmungen stärker als die Unterschiede hervortreten lässt – die Annahme einer sorgfältigeren Prüfung geboten sein (vgl. OLG München, GRUR-RR 2002, 107, 108 m.w.Nachw. – MB& P). Fachkreise sollen aufgrund größerer Aufmerksamkeit oder detaillierterer Kenntnisse als Endverbraucher im Hinblick auf die Kennzeichnungsgewohnheiten im jeweiligen Produktsektor die Unterschiede zwischen kollidierenden Marken besser in Erinnerung behalten können (Ingerl/Rohnke/Nordemann/Nordemann-Schiffel, 4. Aufl. 2023, MarkenG § 14 Rn. 472).
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b) Die Verfügungsmarke „Aitava“ verfügt originär über durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
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Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen (BGH GRUR 2012, 930, 932 Rz. 27 – Bogner B/ Barbie B). Insoweit handelt es sich bei dem Zeichen „Aitava“ um ein Kunstwort, dem ein gewisser eigenschöpferischer Gehalt nicht abgesprochen werden kann.
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c) Die sich gegenüberstehenden Zeichen „Aitava“ einerseits und „Artana“ andererseits sind sich – trotz bestehender Gemeinsamkeiten – weder klanglich noch schriftbildlich hinreichend ähnlich, um vor dem Hintergrund der gesteigerten Aufmerksamkeit der Rechtsberatungssuchenden eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
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(i) Dabei kann die Kammer das Verständnis des angesprochenen Verkehrs – der an juristischer Beratung interessierten Personen und Unternehmen – selbst feststellen, weil deren Mitglieder jedenfalls auf Grund ihrer ständigen Befassung mit Kennzeichen- und Wettbewerbsstreitsachen in der Lage sind, das Verkehrsverständnis anhand ihrer Erfahrungen selbst zu beurteilen (st. Rspr., vgl. nur OLG München GRUR-RR 2016, 270 – Klosterseer). Der angesprochene Verkehr erkennt klanglich zwischen den kollidierenden Zeichen trotz der bestehenden Gemeinsamkeiten deutliche Unterschiede.
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(ii) Zwar ist der Antragstellerin darin zuzustimmen, dass die Vergleichszeichen klanglich durchaus Übereinstimmungen aufweisen. So werden beide Zeichen bei „deutscher“ Aussprache dreisilbig betont und weisen beide den Laut „TA“ als Beginn der zweiten Silbe auf. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin unterscheiden sich beide Zeichen aber sowohl in der ersten als auch im letzten Laut klanglich deutlich voneinander, was den klanglichen Gesamteindruck der Zeichen maßgeblich bestimmt. So kann die Kammer nicht der Annahme der Antragstellerin folgen, dass der Wortbeginn „AI“ und „AR“ sehr ähnlich klingen würde. Vielmehr für das nach dem Vokal „A“ stumm gesprochene „R“ dazu, dass der Wortanfang des beanstandeten Zeichens einen gänzlich anderen klanglichen Eindruck als der weich gesprochene Wortanfang der Vefügungsmarke „AI-“ hinterlässt. Dieser in der Verfügungsmarke dominierende weiche Klang wird auch durch das Wortende „-ava“ fortgesetzt und bestätigt, während in dem beanstandeten Zeichen der Verbindungskonsonant „n“ klanglich mitbestimmend ist.
24
Im Gesamteindruck unterscheiden sich die Vergleichszeichen damit sowohl am Wortanfang als auch am Wortende klanglich voneinander, was im Gesamteindruck ein unähnliches Klanggefüge ergibt, das der Annahme von Zeichenähnlichkeit entgegen steht.
25
(iii) Auch in schriftbildlicher Hinsicht besteht nur durchschnittliche Ähnlichkeit zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen.
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Sofern das Schriftbild von Marken maßgeblich ist, erlaubt es regelmäßig eine genauere, häufig auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung (Hacker in Ströbele/ Hacker, MarkenG, 14. Auflage, § 9 Rdn 310 m.w.Nachw.; Ingerl/Rohnke/Nordemann/Boddien MarkenG § 14 Rn. 897 m.w.Nachw.). Anfangs- und Schlusselemente bestimmen den Gesamteindruck häufig stärker als die Wortmitte (Hacker in Ströbele/ Hacker, MarkenG, 14. Auflage, § 9 Rdn 310 m.w.Nachw.). Als Einzelkriterien des schriftbildlichen Zeichenvergleichs können Wortlänge, Zahl und Stellung identischer Buchstaben, Übereinstimmung an sich unterschiedlicher Buchstaben in Ober- oder Unterlängen sowie Großbuchstaben und Kleinbuchstaben in Betracht kommen (Ingerl/Rohnke/Nordemann/Boddien MarkenG § 14 Rn. 908 m.w.Nachw.).
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Danach ist hier zu berücksichtigen, dass die kollidierenden Zeichen beide aus 6 Buchstaben bestehen, so dass sie – in Abhängigkeit von der verwendeten Schriftart – schriftbildlich gleich lang dargestellt werden können. Beide Zeichen verfügen an erster, vierter und sechster Stelle über ein „A“. An dritter Stelle befindet sich jeweils ein „T“.
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In der Anfangssilbe besteht ein Unterschied in dem „I“ einerseits und dem „R“ andererseits. In der Schlusssilbe besteht ein Unterschied in dem „V“ einerseits und dem „N“ andererseits. Die von der Antragstellerin herangezogenen Teilübereinstimmungen bewirken schriftbildlich keine Ähnlichkeit zwischen den sich unterscheidenden Buchstaben. Insoweit besteht allenfalls eine durchschnittliche Ähnlichkeit zwischen den maßgeblichen Zeichen.
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(iv) Bei einer Gesamtbetrachtung genügen die festgestellten Ähnlichkeiten nicht für die Annahme einer Verwechslungsgefahr. Denn mit dem Erwerb von geschäftlich oder sonst beruflich benötigten Waren/Dienstleistungen befasste Fachkreise prüfen im Allgemeinen sorgfältiger und sind zu unterscheiden gewohnt. Dies gilt auch für Verwechslungsgefahren im weiteren Sinne, wie oben bereits erläutert. Dies muss auch für Interessenten an einer Rechtsberatung gelten, die typischerweise von Unternehmen oder jedenfalls gewerblich Tätigen benötigt werde. Aber auch Verbraucher, die einer rechtlichen Beratung bedürfen, legen regelmäßig angesichts des nicht alltäglichen Bedarfs an solchen Dienstleistungen und der finanziellen und sonstigen Bedeutung solcher Leistungen eine erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag. Angesichts dieses festzustellenden Aufmerksamkeitsgrades genügen die festgestellten klanglichen und schriftbildlichen Unterschiede, um einen ausreichenden Abstand zwischen den kollidierenden Zeichen herzustellen.
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(v) Auf die Frage, ob aufgrund abweichender inhaltlicher Bedeutungen zwischen der Marke der Antragstellerin und dem verwendeten Zeichen der Antragsgegnerin eine Neutralisierung in Betracht kommt, kommt es angesichts dessen nicht an.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.