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OLG München, Endurteil v. 09.04.2024 – 18 U 4603/22 Pre
Titel:

Zulässigkeit und Folgen der Kennzeichnung von Nutzerbeiträgen als Fehlinformation auf sozialen Plattformen

Normenketten:
BGB § 280 Abs. 1, § 249
GG Art. 3 Abs. 1
DSA Art. 34, Art. 35
Leitsätze:
1. Die zulässige Kennzeichnung von Beiträgen auf einer social media-Plattform durch diese als Falschinformation bedarf jedenfalls einer verbindlichen, für alle Nutzer im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes gleichermaßen geltenden, im Nutzungsvertrag verankerten Ermächtigung der Beklagten zur Kennzeichnung von Falschinformationen.
2. Die social media-Plattform ist auch nicht allein auf der Grundlage der Regeln des DSA befugt, die Kennzeichnung eines Beitrags als Fehlinformation vorzunehmen oder aufrechtzuerhalten. Die Verordnung ist zwar in der Union unmittelbar für die Anbieter von Vermittlungsdiensten geltendes Recht. Sie greift jedoch nicht unmittelbar in die Nutzervertragsverhältnisse ein.
1. Die Kennzeichnung eines Nutzerbeitrags auf einer sozialen Plattform mit dem Hinweis „Fehlinformationen“ stellt unabhängig vom Wahrheitsgehalt der betreffenden Information einen Eingriff in das vertragliche Nutzungsverhältnis dar, der eine schuldhafte Pflichtverletzung i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB begründen kann, wenn für eine solche Maßnahme keine vertragliche Ermächtigungsgrundlage besteht. Die Beseitigung des Schadens erfolgt im Wege der Naturalrestitution durch Entfernung der Kennzeichnung des Beitrags als Fehlinformation.  (Rn. 25 – 26, 34 – 38 und 57) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßnahmen zur Durchsetzung von Kommunikationsstandards, wie etwa die Kennzeichnung eines Beitrags als Fehlinformation, bedürfen ebenso wie Beitragssperren oder -löschungen einer ausdrücklichen und hinreichend bestimmten Ermächtigung in den Nutzungsbedingungen des Plattformbetreibers, um den Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG gerecht zu werden. Die bloße Verlinkung auf das sogenannte „Transparency Center“ reicht als eine vertraglich wirksame Grundlage für derartige Maßnahmen nicht aus.  (Rn. 31 – 33 und 46 – 50) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Regelungen des Digital Services Act (DSA) eröffnen für den Betreiber einer sozialen Plattform keine unmittelbare Ermächtigung zur nachträglichen Kennzeichnung eines einzelnen Beitrags als Fehlinformation, sofern keine systemische Risikoanalyse nach Art. 34 DSA durchgeführt wurde.  (Rn. 55 – 56) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Anspruch auf Unterlassung künftiger Kennzeichnungen eines Beitrags als „Fehlinformation“ folgt aus § 280 Abs. 1 BGB, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht und keine ordnungsgemäße Unterlassungserklärung abgegeben wurde. Dabei begründet eine wiederholte Kennzeichnung von Beiträgen als „Fehlinformationen“ durch den Verantwortlichen eine tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr.  (Rn. 58 – 59) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nutzungsbedingungen, Meinungsfreiheit, Faktencheck-Hinweis, Vertragsverletzung, Datenberichtigung, Unterlassungsanspruch, Auskunftsanspruch
Vorinstanz:
LG Deggendorf, Urteil vom 13.07.2022 – 23 O 263/21
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 38301

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 13.07.2022, Az. 23 O 263/21, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 25.08.2020 gelöschten Beitrag und den am 07.09.2020 als „Fehlinformationen“ eingestuften Beitrag des Klägers aus dem Datensatz gelöscht wird.
2. Der Beklagten wird aufgegeben, die für den nachfolgend wiedergegebenen Beitrag vorgenommene Kennzeichnung mit „Fehlinformationen“ zu beseitigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Beitrag des Klägers gem. Ziffer 2 mit „Fehlinformationen“ zu kennzeichnen, wenn dies geschieht wie am 07.09.2020.
Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, gegenüber welchem Unternehmen im Rahmen der Maßnahmen gem. Ziff. 1 (Löschung eines Beitrags am 25.08.2020 und Kennzeichnung eines Beitrags als „Fehlinformationen“ am 07.09.2020) personenbezogene Daten des Klägers offengelegt worden sind.
5. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. In diesem Umfang bleibt die Klage abgewiesen.
II. Von der Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt der Kläger 69% und die Beklagte trägt 31%.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 63% und die Beklagte trägt 37%.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar
- in den Ziffern 1 bis 4 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000 €
- im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit 2011 ein privates Nutzerkonto „http://www.f...com/…“. Den zum 19.04.2018 von der Beklagten aktualisierten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards stimmte er zu. Er erhebt gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit der Löschung eines von ihm am 24.08.2020 zu einem Beitrag eines Drittnutzers geposteten Kommentars (“Die Deutschen leiden an Bequemlichkeitsverblödung! (…)“) und einer damit einhergehenden kurzfristigen Sperre seines Kontos für einen Tag. Ferner erhebt der Kläger Ansprüche im Zusammenhang mit einem von ihm auf der von ihm administrierten Seite „B.p. .com“ am 04.09.2020 geteilten Beitrag eines Drittnutzers zum Thema Corona. Diesen Beitrag kennzeichnete die Beklagte am 07.09.2020 mit dem Hinweis „Fehlinformationen, überprüft von unabhängigen Faktenprüfern“ (Screenshot in Anlage B 6). In Bezug auf die vorgenannten Beiträge begehrt der Kläger die Entfernung der Kennzeichnung als Falschmeldung, die Unterlassung einer Wiederholung dieser Maßnahmen, sowie generell die Unterlassung künftiger Beschränkungen der Nutzung des F.-Kontos ohne vorherige Anhörung, darüber hinaus Datenberichtigung, Auskunft und vorgerichtliche Anwaltskosten.
2
Hinsichtlich der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Deggendorf vom 13.07.2022 – 23 O 263/21 (Bl. 230/252 d. A.) Bezug genommen.
3
Nachdem der Kläger in erster Instanz mit Schriftsatz vom 17.02.2022 (Bl. 168 d.A.) den mit der Klage ursprünglich unter Ziffer 1 gestellten Auskunftsantrag zurückgenommen und den unter Ziffer 6 gestellten Auskunftsantrag mit Zustimmung der Beklagten für erledigt erklärt hat, hat das Landgericht die zuletzt gestellten Anträge aus dem Schriftsatz vom 17.02.2022 (Bl. 168 Rs /170 Rs d.A.) abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 13.07.2022 (Bl. 243/252 d. A.) wird verwiesen.
4
Gegen dieses, dem Kläger am 14.07.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 02.08.2022 bei Gericht eingegangen Schriftsatz (Bl. 256/258 d.A.) Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 04.10.2022 (Bl. 260/336) begründet. Mit der Berufung hat er zunächst seine erstinstanzlich gestellten Ansprüche unter Reduzierung der in erster Instanz unter Ziffer 1 gestellten Datenberichtigungsanträge um die Zurücksetzung der Zähler sowie unter Aufgabe des Antrags auf Wiederfreischaltung des am 25.08.2020 gelöschten Beitrags (Klageantrag erste Instanz zu Ziffer 3) weiterverfolgt. Zusätzlich hat der Kläger mit seiner Berufung den unter Ziffer 5 gestellten Unterlassungsantrag um einen Hilfsantrag (Berufungsbegründung, S. 4 (Bl. 263 d.A.) und den Antrag zu Ziffer 2. (Datenlöschung) mit Schriftsatz vom 25.02.2024 (S. 4; Bl. 396 d.A) um einen weiteren Hilfsantrag.
5
Im Wesentlichen macht der Kläger geltend, dass die Löschung seines Beitrags vom 24.08.2020 rechtswidrig gewesen sei, weil die zu diesem Zeitpunkt geltenden Nutzungsbedingungen vom 19.04.2018 nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 zu Az. III ZR 179/20 und Az. III ZR 192/20 keine wirksame vertragliche Grundlage für Beitragslöschungen und Sperren enthalten hätten. Ziffer 3.2 der Bedingungen sei nach den BGH-Entscheidungen unwirksam. Auch für die Kennzeichnung des am 04.09.2020 geteilten Beitrags zum Thema Corona als „Falschmeldung“ stehe der Beklagten in ihren Nutzungsbedingungen keine wirksame Rechtsgrundlage zur Verfügung. Da auch die Kennzeichnung eines Beitrags mit „falsch“ oder „potentiell falsch“ durch die Beklagte u.a. einen schwerwiegenden Eingriff in die Meinungsfreiheit des betroffenen Nutzers gem. Art. 5 Abs. 1 GG darstelle, müssten in Anwendung der vom Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen ausgeführten Grundsätze die Nutzungsbedingungen auch hierfür eine klare Regelung, insbesondere auch ein Anhörungsverfahren vor der Kennzeichnung vorsehen. Zudem habe das Landgericht rechtsfehlerhaft, weil ohne Beweiserhebung den von der Klagepartei bestrittenen Vortrag der Beklagten, dass der Inhalt des Beitrags zu Corona falsch gewesen sei, als wahr unterstellt und damit die Kennzeichnung als Falschmeldung ungeprüft als gerechtfertigt angesehen (zu diesem Komplex: Berufungsbegründung, S. 14 ff. Bl. 273 ff. d.A.).
6
Seine Datenberichtigungsanträge stützt der Kläger im Wesentlichen auf § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB sowie auch auf Art. 17 Abs. 1 DSGVO (Berufungsbegründung S. 45 ff.; Bl. 304 ff. d.A.).
7
Hinsichtlich des weiteren Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 04.10.2022 (Bl. 260/336 d.A.) und den Schriftsatz vom 25.02.2022 mit dem neuen Hilfsantrag zu Ziffer 2 (Bl. 393/401 d.A.) verwiesen.
8
In der Sitzung vor dem Senat am 05.03.2024 hat der Kläger seine Berufung bezüglich der mit der Berufung (S. 1/6; Bl. 260/265) zunächst weiterhin verfolgten Feststellungsanträge zu Ziffer 3 und Ziffer 6 sowie den Hauptantrag zu Ziffer 5 zurückgenommen (Bl. 420/422 d.A.)
9
Der Kläger beantragt mit seiner Berufung zuletzt:
1. Das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 13.07.2022, Az. 23 O 263/21, wird abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass alle Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden.
Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht diesen Antrag für zu weitgehend erachten sollte:
Die Beklagte wird verurteilt, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass alle Lösch- und Sperrvermerke, die vom Zeitpunkt der Verkündung des Urteils aus gerechnet älter als ein Jahr sind, aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden.
Hoch [sic!] hilfsweise für den Fall, dass das Gericht diesen Antrag für zu weitgehend erachten sollte:
Die Beklagte wird verurteilt, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 25.08.2020 gelöschten Beitrag und den am 07.09.2020 als Falschmeldung eingestuften Beitrag des Klägers aus dem Datensatz gelöscht wird.
3. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Kläger für das Einstellen des nachfolgenden Textes auf www.f..com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen.
Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Kläger auf www.f..com für nicht rechtswidrige Inhalte zu sperren (insbesondere, ihm die Nutzung der Funktionen von www.f..com wie Posten von Beiträgen, Kommentieren fremder Beiträge und Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten), ohne vorab über die beabsichtigte Sperrung zu informieren und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen.
Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen.
5. Der Beklagten wird aufgegeben, die für den nachfolgend wiedergegebenen Beitrag vorgenommene Kennzeichnung als „potentiell falsch“ [sic!] zu beseitigen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Beitrag des Klägers gem. Ziff. 5 als „potentiell falsch“ zu kennzeichnen.
Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob die Maßnahmen gem. Ziff. 3 und Ziff. 5 durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgten und in letzterem Fall, durch welches.
8. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und ggf. welche.
9. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 597,74 € durch Zahlung an die Kanzlei R. freizustellen.
10
Der Kläger beantragt darüber hinaus,
die Revision zuzulassen.
11
Die Beklagte beantragt (Bl. 343 d.A.)
die Berufung zurückzuweisen.
12
Wegen des Erwiderungsvorbringens der Beklagten wird auf ihre Schriftsätze vom 28.11.2022 (Bl. 382/381 d.A.), vom 21.02.2024 (Bl. 402/407d.A.) und vom 26.03.2024 (Bl. 424/434 d.A.) verwiesen. In Bezug auf den Kommentar des Klägers vom 24.08.2020 zu einem Beitrag des Drittnutzers „J. “, den die Beklagte am 25.08.2020 gelöscht und nach Überprüfung am 25.02.2021 wieder eingestellt hatte, trägt die Beklagte vor, dass eine erneute Wiedereinstellung unmöglich sei, weil zwischenzeitlich der Hauptbeitrag des Drittnutzers „J. “ und damit auch der streitgegenständliche Beitrag dauerhaft, endgültig und unwiderruflich gelöscht sei (Berufungserwiderung, S. 2, Bl. 242 d.A.). Damit entfalle auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den Unterlassungsantrag, da mit der dauerhaften Löschung des Hauptbeitrags der gegenständliche Kommentar des Klägers in dem Kontext nicht wieder eingestellt werden könne (Berufungserwiderung, S. 9 f., Bl. 350 f. d.A.).
13
Zu dem Faktencheck-Hinweis auf dem vom Kläger am 04.09.2020 auf der von ihm administrierten Seite „B.plattform.com“ geteilten Corona-Beitrag des Drittnutzers H. hat der Senat mit der Ladungsverfügung vom 31.01.2024 (Bl. 386/388 d.A.) einen Hinweis zur Frage der vertraglichen Grundlage der Kennzeichnung von Beiträgen als Falschmeldung zum Zeitpunkt der Einstellung erteilt. Die Beklagte hat hierauf ihre diesbezüglichen Ausführungen aus der Berufungserwiderung auf S. 23 ff. (Bl. 364 ff d.A.) mit Schriftsatz vom 21.02.2024 (Bl. 402/407 d.A.) und im Schriftsatz vom 26.03.2024 S. 4 ff. (Bl. 427 ff. d.A.) ergänzt. Sie ist der Ansicht, bei Falschinformationen sei sie auch ohne besondere Rechtsgrundlage befugt, einen Faktencheck-Hinweis anzubringen. Anders als für die Beitragslöschung wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsstandards oder für Nutzungseinschränkungen oder Sperren, bedürfe es hierfür keiner, den in den beiden Urteilen vom 29.07.2021 (III ZR 179/20 und III ZR 192/20) vom Bundesgerichtshof entwickelten Vorgaben entsprechenden Regelung eines Anhörungs- und Überprüfungsverfahrens. Durch die Anbringung eines Faktencheck-Hinweises werde die vertraglich geschuldete Leistung nicht beeinträchtigt. Der Hinweis bedeute einen deutlich milderen Eingriff als z.B. eine Beitragsentfernung. Es werde lediglich ein neutral gehaltener Faktencheck-Hinweis angebracht, der von Lesern auch schlicht „weggeklickt“ und ignoriert werden könne. Der Kläger werde nicht in erheblicher Weise daran gehindert, sich auf der F.-Plattform auszudrücken. Zudem sei eine unwahre Tatsachenbehauptung ohne Informationswert und fiele nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Der Kläger habe insbesondere auch keinen vertraglichen Anspruch darauf, dass seine Beiträge nicht von Dritten kommentiert werden dürften. Es sei gerade das Wesen der sozialen Plattform, dass dort eine Interaktion mit Inhalten anderer Nutzer, insbesondere in Form der Kommentierung und Gegenrede stattfinde. Beim Faktencheck-Hinweis handele es sich auch nicht um eine Maßnahme der Beklagten, sondern um eine Prüfung und einen Hinweis eines unabhängigen Faktenprüfers, worüber die Nutzer sich auch im über einen entsprechenden Link abrufbaren „Transparency Center“ informieren könnten. Die Faktenprüfung sei auch in den Gemeinschaftsstandards geregelt. Zudem sei die Anbringung von Faktencheck-Hinweisen nach Art. 35 des Digital Services Act (DSA) zulässig. Es handele sich um eine Maßnahme zur Minderung von Risiken, die mit den systemischen Gefahren von falschen Informationen nach Art. 34 DSA einhergingen. Faktenchecks, wie sie die Beklagte verwende, seien zulässige Sensibilisierungs- bzw. Risikominimierungsmaßnahmen nach lit. i) des Artikel 35 Abs. 1 Satz 1 DSA. Die Vorschrift sei eine unmittelbar anwendbare Rechtsgrundlage für die Beklagte und bedürfe keiner weiteren Umsetzung etwa in allgemeinen Geschäftsbedingungen.
14
Gegen den vom Kläger mit der Berufung unter Ziffer 7 weiterverfolgten Antrag auf Auskunft, ob die streitgegenständlichen Maßnahmen durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgt seien und in letzterem Fall, durch welches, trägt die Beklagte vor, sie habe den Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Abs. 1 lit.c) DSGVO mit ihrem Schreiben vom 04.11.2022 (Anlage B 15) erfüllt. Dort habe sie unter Verweis auf ihre Datenschutzerklärung mitgeteilt, dass sie externe Dienstleister u.a. mit der Untersuchung verdächtiger Aktivitäten beauftragt habe. Eine Preisgabe der Identität der Dienstleister verweigert sie jedoch unter Berufung auf Art. 15 Abs. 4 DSGVO, weil durch die Offenlegung die Diensteanbieter für Cyberangriffe verwundbar, deren Mitarbeiter dem Risiko von Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt und die Fähigkeit der Beklagten, ihre Nutzungsbedingungen durchzusetzen und den F.-Dienst sicher zu betreiben, beeinträchtigt würden. Zudem wären sensible Geschäftsgeheimnisse gefährdet (Berufungserwiderung, S. 33 ff. Bl. 373 ff. d.A.).
15
Der Senat hat am 05.03.2024 mündlich verhandelt. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 05.03.2024 (Bl 429/422 d.A.) Bezug genommen.
II.
16
Die zulässige Berufung des Klägers ist, soweit über sie nach Rücknahme eines Teils der Berufungsanträge noch zu entscheiden war, teilweise begründet.
17
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Beseitigung der Kennzeichnung des am 04.09.2020 geteilten Corona-Beitrags sowie auf entsprechende Unterlassung (Berufungsanträge Ziffern 5 und 6) zu. Er kann auch die Löschung der in seinem Nutzerkonto gespeicherten Daten zur Löschung seines Kommentars vom 24.08.2020 samt eintägiger Sperre sowie zum Hinweis auf Falschinformationen an dem am 04.09.2020 geteilten Corona-Beitrag verlangen (zweiter Hilfsantrag zu Berufungsantrag Ziffer 2) und schließlich auch die Auskunft über beauftragte Unternehmen (Berufungsantrag Ziffer 7).
18
Unzulässig ist der allgemein auf Unterlassung von Kontosperren gerichtete Berufungsantrag Ziffer 4.
19
Unbegründet sind der pauschale Hauptantrag sowie der erste Hilfsantrag, beide gerichtet auf Datenlöschung im Berufungsantrag Ziffer 2. unbegründet sind auch der auf den gelöschten Kommentar vom 24.08.2020 bezogene Unterlassungsantrag im Berufungsantrag Ziffer 3, der Auskunftsantrag im Berufungsantrag Ziffer 8 und der Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten im Berufungsantrag Ziffer 9.
20
Im Einzelnen gilt Folgendes:
I.
21
Das Landgericht hat die – auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426, juris Rn. 9) – internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zutreffend bejaht. Diese folgt aus Art. 17 Abs. 1 lit. c, Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO) (vgl. auch BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, juris Rn. 24). Danach kann der Kläger als Verbraucher, der die Plattform der Beklagten privat und nicht beruflich oder gewerblich nutzt, gegen die Beklagte, die ihre gewerbliche Tätigkeit auch auf Deutschland ausgerichtet hat, vor dem Gericht seines Wohnsitzes und damit vor dem Landgericht Deggendorf Klage erheben.
II.
22
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Letzteres macht die Berufung nicht geltend. Eine Rechtsverletzung zeigt die Berufung in Bezug auf die im oben genannten Umfang zuzusprechenden Ansprüche auf Beseitigung der am vom Kläger geteilten Corona-Beitrag angebrachten Kennzeichnung als „Potentiell falsch“ (Antrag Ziffer 5) (richtig ist „Fehlinformationen“) und auf die entsprechende beitragsbezogene Unterlassung der erneuten Kennzeichnung (Antrag Ziffer 6.) sowie auf entsprechende Datenlöschung (Antrag Ziffer 2, 2. Hilfsantrag) auf.
23
1. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche sind nach deutschem Recht zu beurteilen. Aufgrund der Rechtswahlklausel in Nr. 4.4 der Nutzungsbedingungen der Beklagten (Anlage K 1) unterliegt der zwischen den Parteien geschlossene Nutzungsvertrag nach Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) dem deutschen Recht. Dessen Anwendbarkeit ergäbe sich im Übrigen auch ohne Rechtswahl der Parteien aus Art. 6 Abs. 1 lit. b Rom I-VO, weil ein Verbrauchervertrag vorliegt (vgl. auch BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 26).
24
2. Der Kläger kann von der Beklagten die Beseitigung des von dieser am 07.09.2020 auf dem vom Kläger auf der vom ihm verwalteten Seite „B.plattform.com“ geteilten Drittbeitrag zum Thema Corona angebrachten Hinweises „Fehlinformationen“ (nicht wie im Antrag als „potentiell falsch“ benannt) gemäß § 280 Abs. 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB verlangen (Berufungsantrag Ziffer 5).
25
Die Anbringung des Hinweises, dass der gegenständliche Corona-Beitrag Fehlinformationen enthält, sowie der damit verknüpfte Verweis auf die Darstellung eines dpa-Faktenprüfers stellt sich als schuldhafte Pflichtverletzung des zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrags dar. Die Beseitigung des Schadens erfolgt im Wege der Naturalrestitution durch Entfernung der Kennzeichnung des Beitrags als Fehlinformation.
26
Weder zum Zeitpunkt der Anbringung des Hinweises auf „Fehlinformationen“ am Beitrag am 07.09.2020 noch heute besteht eine vertragliche oder gesetzliche Grundlage, die die Beklagte zur Vornahme einer solchen Maßnahme ermächtigte. Eine solche war und ist jedoch notwendig.
27
a) Die Verbreitung von Falschinformationen ist nach Ziffer 3.2.1 der F.-Nutzungsbedingungen (Stand 19.04.2018 und Stand 26.07.2022) den Nutzern nicht erlaubt. Dort heißt es unter Ziffer 2 mit dem Titel „Was du in Meta Produkten teilen und tun kannst“ in Punkt 1: „Du darfst unsere Produkte nicht nutzen, um etwas zu tun oder zu teilen, auf das Folgendes zutrifft:
- Es verstößt gegen diese Nutzungsbedingungen, die Gemeinschaftsstandards oder sonstige Bedingungen oder Richtlinien, die für deine Nutzung unserer Produkte gelten
- Es ist rechtswidrig, irreführend, diskriminierend (…)
- (…)
28
Näheres zu Falschmeldungen findet sich in den Gemeinschaftsstandards unter Ziffer 18. „Falschmeldungen“ (Anlage K 3).
29
Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen vom 29.07.2021 ((III ZR 179/20 und III ZR 192/20), bei denen es um die Löschung von F.-Beiträgen mit sogenannten „Hassreden“ ging, herausgestellt, dass die Entscheidung der beklagten Plattformbetreiberin, in ihren Geschäftsbedingungen Verhaltensregeln zur Einhaltung eines bestimmten Diskussionsniveaus und einer am gegenseitigen Respekt geprägten Diskussionskultur sowohl im Interesse der anderen Nutzer als auch im eigenen wirtschaftlichen Interesse in Bezug auf ihre Werbepartner vorzugeben sowie auch Maßnahmen zu deren Einhaltung zu ergreifen, in den Schutzbereich der Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG fällt, die sie als juristische Person mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Art. 19 Abs. 3 GG mit Art. 26 Abs. 2 AEUV genießt (BGH Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, Rn. 70 ff.). Durch das Aufstellen von Kommunikationsregeln bringt sie zum Ausdruck, welche Formen der Äußerungen (jenseits gesetzlicher Verbote) sie nicht duldet und nimmt insoweit ihr eigenes Grundrecht der freien Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG wahr (BGH, a.a.O., Rn 74). Dem stehen auf Seiten der Nutzer ebenfalls das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG sowie der Schutz vor willkürlicher Ungleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG gegenüber (BGH, a.a.O., Rn. 61). Nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz sind die Grundrechte beider Seiten so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (BGH, a.a.O. Rn. 78).
30
Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob der vom Kläger geteilte Conona-Beitrag, den die Beklagte als Falschinformation bezeichnet, dem Schutz des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG unterliegt, oder für den Fall, dass es sich um eine bewußte oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung handelte, insoweit nicht geschützt wäre.
31
Denn jedenfalls gilt, dass wenn auf der einen Seite die von der Beklagten gestellten Nutzungsbedingungen bzw. Gemeinschaftsstandards dem Nutzer Beschränkungen auferlegen, z.B. die Verbreitung von irreführenden, falschen Informationen untersagen, auf der anderen Seite – zum Ausschluss willkürlicher Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) – geregelt sein muss, was der Nutzer im Falle des Verstoßes von der Beklagten zu erwarten hat. Dies geschieht durch eine entsprechende Regelung in den Nutzungsbedingungen.
32
Offen bleiben kann hier, ob die in den Nutzungsbedingungen zu treffenden Regelungen für Maßnahmen zum Zweck der Reduzierung der Verbreitung von falschen Informationen auf der Online-Plattform, insbesondere für die Kennzeichnung von Beiträgen als Falschinformation, auch ein verbindliches Anhörungs- und Abhilfeverfahren enthalten müssen, wie es in den genannten Entscheidungen vom 29.07.2021 (III ZR 179/20 und III ZR 192/20) vom Bundesgerichtshof für die Maßnahmen der Beitragsentfernung und der Verhängung von Sperren gefordert wird. Denn jedenfalls bedarf es einer verbindlichen, für alle Nutzer im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes gleichermaßen geltenden, im Nutzungsvertrag verankerten Ermächtigung der Beklagten zur Kennzeichnung von Falschinformationen. Dies ergibt sich bereits aus dem im zutreffenden Leitsatz b) der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 – III ZR 179/20 niedergelegten allgemeinen Grundsatz, dem sich der Senat anschließt. Dieser heißt: „Der Anbieter eines sozialen Netzwerks ist grundsätzlich berechtigt, den Nutzern seines Netzwerks in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Einhaltung objektiver, überprüfbarer Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Es darf sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Maßnahmen zu ergreifen, die eine Entfernung einzelner Beiträge und Sperrung des Netzwerkzugangs einschließen.“
33
Aus der allgemeinen Formulierung „Er darf sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Maßnahmen zu ergreifen“ folgt, dass nicht nur die im Urteil gegenständlichen Maßnahmen der Entfernung einzelner Beiträge und die Sperre des Netzwerkzugangs gemeint sind. Vielmehr sind diese als zwei mögliche Maßnahmen eingeschlossen in den Grundsatz, dass der Anbieter sich das Recht vorbehalten darf, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Maßnahmen zu ergreifen. Die Kennzeichnung eines Beitrags als „Fehlinformation“ oder als „potenziell falsch“ mit entsprechenden Verweisen auf Artikel von Faktenprüfern stellt eine solche Maßnahme dar, die sich die Beklagte ausdrücklich vorbehalten muss. Der Ansicht des Landgerichts, die beiden oben zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 seien auf den Fall der Kennzeichnung von Falschmeldungen nicht anwendbar (LGU B.I S. 18) ist daher in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen.
34
b) Eine verbindliche Regelung in den Nutzungsbedingungen der Beklagten für die Anbringung von Faktencheck-Hinweisen an Nutzerbeiträgen erscheint auch nicht aus sonstigen Gründen entbehrlich.
35
Auf das von der Beklagten angeführte Argument, dass die Kennzeichnung als Falschinformation eine wesentlich weniger einschneidende Maßnahme sei als die der Entfernung von Beiträgen und damit zusammenhängende etwaige Sanktionen wie Sperren und sonstige Nutzungseinschränkungen und deshalb kein entsprechendes Anhörungs- und Überprüfungsverfahren in Bezug auf die Kennzeichnung als Falschinformation gefordert werden könne, kommt es nach vorstehenden Ausführungen nicht an. Bei der Anbringung von Faktencheck-Hinweisen durch die Plattformbetreiberin handelt es sich um einen Eingriff in das privatvertragliche Nutzungsverhältnis der Parteien, um eine Beschränkung des dem Nutzer unter anderem zum Zweck des freien Meinungsaustauschs gewährten Zugangs zur Online-Plattform. So wie die Äußerungsfreiheit durch die mit dem Nutzungsvertrag vereinbarten Gemeinschaftsstandards beschränkt wird, ist auch die Art und Weise, wie die Beklagte diese Standards durchsetzt, in den Nutzungsbedingungen zu verankern. Ein Faktencheck-Hinweis kann den Nutzer, der in einem Beitrag ohne die Absicht der Irreführung seiner Leser eine falsche Tatsache behauptet, erheblich persönlich treffen, da er vor vielen Nutzern der Plattform bloßgestellt wird. Der Hinweis geschieht nicht etwa auf Augenhöhe zwischen den Nutzern, sondern hat Gewicht, kommt gleichsam „von oben herab“, aufgrund der durchaus als überlegen wahrgenommenen Position der Plattformbetreiberin F..
36
Daher trägt auch das Argument der Beklagten nicht, der Nutzer der Plattform habe keinen vertraglichen Anspruch darauf, dass seine Beiträge nicht von Dritten kommentiert werden dürften, weil es gerade das Wesen der sozialen Plattform sei, dass dort eine Interaktion mit Inhalten anderer Nutzer, insbesondere in Form der Kommentierung und Gegenrede stattfinde. Die Beklagte ist jedoch gerade nicht irgendein anderer Nutzer, der sich mit der Klagepartei in einen Meinungsaustausch über ein bestimmtes Thema begibt. Vielmehr korrigiert die Beklagte den Beitrag eines Nutzers inhaltlich.
37
Entgegen dem Vorbringen der Beklagten stellt sich die Kennzeichnung eines Beitrags mit dem Hinweis auf Falschinformation auch nicht als eine eigenständige Information eines unabhängigen Faktenprüfers, sondern als eigene Information der Beklagten dar, die sich schon durch die äußere Aufmachung des Faktencheck-Hinweises von Beiträgen anderer Nutzer unterscheidet.
38
Aus der hier maßgeblichen Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers stellt der im vorliegenden Fall oberhalb des Beitrags in einem grau unterlegten Kasten in der halben Größe des Beitrags angebrachte Faktencheck-Hinweis „Fehlinformationen, Überprüft von unabhängigen Faktenprüfern – Grund anzeigen – Foto ansehen“, sowie die unterhalb des Beitrags wenig auffällig mit „Mehr zum Thema dpa Faktencheck, Faktenprüfung. Die Zahlen lassen diese Aussage nicht zu“ angebrachten Verweis auf einen angehängten Artikel zum Thema des Posts (siehe Ausdrucke unter Anlagen B6 und B7) als eigene, von der Beklagten angebrachte Information dar. Dem Nutzer erschließt sich nicht, wie die Autorin des angehängten Artikels, die „dpa-factenchecking“, selbst technisch in der Lage gewesen sein könnte, den grau unterlegten Kasten anzubringen, der zudem zwei buttons zum Anklicken enthält. Es handelt sich dabei offensichtlich nicht um einen Beitrag eines Drittnutzers (in diesem Sinne auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.07.2021 – 6 W 8/21, Rn. 38/39). Zudem teilt die Beklagte im aktuell abrufbaren „Transparency-Center“ unter der Überschrift „Deutliche Kennzeichnung von Fehlinformationen und Informieren der Menschen darüber“ (Anlage B17) mit, dass sie selbst Inhalte (also Nutzerbeiträge) mit einem Hinweis versieht, wenn diese von Faktenprüfern bewertet wurden.
39
c) Die Nutzungsbedingungen der Beklagten samt Gemeinschaftsstandards enthalten keine verbindliche Regelung für die Maßnahme „Faktencheck – Hinweis“.
40
c. a) Die zum Zeitpunkt der Anbringung des Hinweises am 07.09.2020 zwischen den Parteien geltenden Nutzungsbedingungen der Beklagten (Stand 19.04.2018) enthalten keine Regelung zu Maßnahmen der Beklagten in Bezug auf Falschinformationen. Zwar ist – wie bereits oben ausgeführt – nach Ziffer 3.2 unter dem Titel „Was du auf F. teilen und tun kannst“ unter Punkt 1 untersagt, etwas zu tun oder zu teilen, was gegen die Nutzungsbedingungen, die Gemeinschaftsstandards oder – neben weiteren unzulässigen Veröffentlichungen – was irreführend ist. Darunter fallen auch Falschinformationen, die so in den Gemeinschaftsstandards in Teil IV. unter Ziffer 18 genannt und behandelt werden. Jedoch ist bei den im nachfolgenden Absatz benannten Maßnahmen, die die Beklagte bei Vorliegen der vorgenannten Verstöße ergreifen kann (Entfernung von Beiträgen, Sanktionen hinsichtlich der Nutzung), die Anbringung von Warn- oder Faktencheck-Hinweisen am betreffenden Beitrag nicht genannt.
41
Die von der Klagepartei unter Anlage K 3 vorgelegten Gemeinschaftsstandards nennen in Teil IV Ziffer 18 unter der Überschrift „Falschmeldungen“ zwar unter anderem das Ziel der Reduzierung der Verbreitung von Falschmeldungen und zeigt den Umgang hiermit wie folgt auf:
„Daher entfernen wir Falschmeldungen nicht von F., sondern reduzieren stattdessen ihre Verbreitung erheblich, indem wir sie weiter unten im News Feed anzeigen. Wir möchten eine besser informierte Gemeinschaft aufbauen und die Verbreitung von Falschmeldungen mithilfe verschiedener Methoden reduzieren, u.a. durch Folgendes:
Reduzierung wirtschaftlicher Anreize für Personen, Seiten und Domains, die Fehlinformationen verbreiten (…)
Reduzierung der Verbreitung von Inhalten, die von unabhängigen externen Faktenprüfern als falsch eingestuft wurden Befähigung der Nutzerinnen und Nutzer, selbst zu entscheiden, was sie lesen, glaubwürdig finden und teilen. Dies erreichen wir, indem wir mehr Kontext und Zusammenhänge bieten und die Nachrichtenkompetenz fördern.
(…)“
42
Wegen des weiteren Inhalts von Ziffer 18. in Teil IV der Gemeinschaftsstandards der Beklagten zum Umgang mit Falschmeldungen wird auf Anlage K 3 Bezug genommen.
43
Hier sind außer der Möglichkeit der Verschiebung einer von der Beklagten als falsch identifizierten Information nach weiter unten im „News Feed“ nur Ziele und Methoden zur Reduzierung von Falschmeldungen formuliert, jedoch keine konkreten, den betreffenden Beitrag des Nutzers betreffende Maßnahmen. Auch dem Passus zur Reduzierung der Verbreitung von Inhalten, die von unabhängigen externen Faktenprüfern als falsch eingestuft wurden, ist nicht zu entnehmen, wie die Beklagte mit von unabhängigen externen Faktenprüfern festgestellten Falschmeldungen umgehen darf. Der Senat stimmt insoweit nicht mit dem LG Augsburg (Urteil vom 27.04.2023, Az. 125 O 821/21 S. 42 ff.) überein, wonach die Beklagte aus den zitierten Regelungen der Gemeinschaftsstandards das Recht für sich herleiten können solle, ua. die Einstufung des externen Faktenprüfers an die Nachricht zu heften. Hier fehlt es an einer von allgemeinen Geschäftsbedingungen zu fordernder hinreichend klarer Regelung, konkret einer Abgrenzung zwischen dem von der Beklagten verfolgten Ziel der Reduzierung von Falschinformationen und der Einschaltung externer Faktenprüfer für die Identifizierung einerseits und der daraus folgenden Maßnahme andererseits.
44
c. b) Ob der Anspruch der Klagepartei auf Beseitigung des Hinweises auf Fehlinformationen im Beitrag entfallen würde, wenn zwischenzeitlich durch Anpassung der Nutzungsbedingungen mit Gemeinschaftsstandards für die Beklagte eine wirksame Ermächtigung zur Anbringung von Hinweisen auf Falschinformationen bestünde, kann offenbleiben. Denn zu diesem Punkt findet sich auch in aktuellen, mit Wirkung zum 26.07.2022 angepassten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards keine Regelung.
45
c. c) Soweit die Beklagte auf die von ihr am 22.11.2021 abgerufenen Nutzungsbedingungen (vorgelegt unter Anlage B10) und die zugehörigen Gemeinschaftsstandards (Anlage B11) verweist (Klageerwiderung vom 22.11.2021 S. 13/15, Bl. 133/156 d.A.), ergibt sich nichts Anderes. In den Gemeinschaftsstandards finden sich in der Rubrik „Falschmeldungen“ zwar in der textlichen Aufmachung und im Wortlaut von Anlage K3 abweichende, inhaltlich aber weitgehend übereinstimmende Regelungen über Grundgedanken und Methoden zur Reduzierung von Falschmeldungen wie zuvor zu Anlage B3 beschrieben.
46
Die Beklagte hat ihre Behauptung, dass weiterführende Informationen zum Thema Falschmeldungen in dem über einen direkten Link aus den Gemeinschaftsstandards zugänglichen sogenannten „Transparency Center“ vorgehalten würden (Schriftsatz vom 21.02.2024 S.5 (Bl. 406 d.A.) jedenfalls nicht für den Zeitpunkt der Anbringung des Hinweises „Fehlinfomation“ am 07.09.2020 am vom Kläger am 04.09.2020 auf der b.plattform.de geteilten Corona-Beitrag nachvollziehbar dargelegt. In dem von ihr unter Anlage B11 vorgelegten Ausdruck aus den Gemeinschaftsstandards vom 22.11.2022 gibt es ebenfalls keinen Hinweis auf einen solchen Link zu weiterführenden Informationen.
47
Es mag sein, dass eine solche Verlinkung zum „Transparency-Center“ in aktuelleren Gemeinschaftsstandards vorhanden ist, die unter anderem zu folgenden hier interessierenden Informationen unter dem Titel „So funktioniert die Faktenprüfung; aktualisiert oct 4.2022“ führt (Anlage B17):
„Die Faktenprüfer sind unabhängig von Meta und durch das unparteiische International Fact-Checking Network (FCN) zertifiziert. Wir arbeiten mit ihnen zusammen, um gegen Fehlinformationen auf F. und I. vorzugehen. Während sich Faktenprüfer mit der Legitimität und Richtigkeit von Informationen befassen, liegt unser Schwerpunkt darauf, entsprechend einzuschreiten und die Menschen darüber zu informieren, wenn Inhalte bewertet wurden. So funktioniert es.
(…)
„Wenn Inhalte von Faktenprüfern bewertet wurden, versehen wir diese Inhalte mit einem Hinweis, damit die Menschen zusätzlichen Kontext erhalten. Für Inhalte, die als falsch oder verfälscht eingestuft werden, vergeben wir die schärfsten Warnhinweise, für „Teilweise falsch“ und „Fehlender Kontext“ sind die Kennzeichnungen weniger streng. Inhalte, die als Satire oder wahr eingestuft werden, werden nicht gekennzeichnet. Stattdessen wird ein Artikel zur Faktenüberprüfung an den Beitrag auf F. angehängt. Wir informieren Menschen außerdem, bevor sie solche Inhalte teilen möchten oder wenn sie sie bereits geteilt haben.
(…)“
48
Wegen des Weiteren Inhalts der Informationen zur Faktenprüfung im „Transparency -Center“ wird auf Anlage B17 Bezug genommen.
49
Wäre dieser Passus Teil der Nutzungsbedingungen und durch Zustimmung durch die Klagepartei Bestandteil des Nutzungsvertrags geworden, könnte hier eine für den Nutzer durchaus verständlich geregelte Ermächtigung der Beklagten zur Anbringung von FaktencheckHinweisen an Nutzerbeiträgen zu sehen sein. Ob eine solche Klausel wirksam wäre, kann hier offenbleiben. Denn das „Transparency Center“ ist nicht Bestandteil der Nutzungsbedingungen der Beklagten – jedenfalls ist das nicht vorgetragen –, sondern ist soweit ersichtlich ein verlinkter Service-Bereich für die Nutzer, um zusätzliche, erläuternde Informationen zu erhalten. Es ist schon fraglich, ob die Nutzer damit rechnen müssen, dass sich das Nutzungsverhältnis gestaltende Regelungen für Maßnahmen wie Faktencheckhinweise im „Transparency-Center“ befinden, die erst über eine Verlinkung aus den Gemeinschaftsstandards zu erreichen sind, oder ob die Nutzer nicht vielmehr davon ausgehen dürfen, dass die Ermächtigung der Beklagten für einschränkende Maßnahmen, wie unter Ziffer 3.2 geschehen, in den Nutzungsbedingungen abschließend geregelt sind.
50
Jedenfalls hat die Beklagte nicht vorgetragen, seit wann diese unter Anlage B17 vorgelegten Regelungen im Transparency-Center eingeführt sind und wie diese in das Vertragsverhältnis mit dem Kläger einbezogen worden sind.
51
d) Mit ihrer Ansicht, eine Rechtsgrundlage für die Kennzeichnung des Beitrags als Fehlinformation fände sich in den Regelungen des Digital Services Act (DSA), der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste, insbesondere in Art. 35 Abs. 1 Satz 2 lit. i) (Schriftsatz vom 26.03.2024 S. 4 ff. Bl. 428 ff. d.A.) dringt die Beklagte nicht durch.
52
Zum einen ist der DSA erst mit Wirkung zum 17.02.2024 in Kraft getreten. Die gegenständliche Kennzeichnung des Corona-Beitrags als Fehlinformation durch die Beklagte datiert jedoch auf den 07.09.2020.
53
Zum anderen wäre die Beklagte auch nicht allein auf der Grundlage der nunmehr geltenden Regeln des DSA befugt, die Kennzeichnung des Beitrags als Fehlinformation aufrechtzuerhalten. Die Verordnung ist zwar in der Union unmittelbar für die Anbieter von Vermittlungsdiensten geltendes Recht. Sie greift jedoch nicht unmittelbar in die Nutzervertragsverhältnisse ein.
54
Die Beklagte bietet mit ihrer Online-Plattform den Begriffsbestimmungen in Art. 3 g) iii) und i) DSA entsprechend einen Hostingdienst an, der ein Unterfall eines Vermittlungsdienstes ist. Art. 14 DSA legt Mindeststandards für die von Vermittlungsdiensten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Hinblick auf die Beschränkung von Nutzerinhalten fest (s. Gerdemann/Spindler, Das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act) (Teil 1); GRUR 2033, 3 Rn. 88 ff.). Nach Art. 14 Abs. 1 DSA machen die Anbieter von Vermittlungsdiensten in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen Angaben zu etwaigen Beschränkungen in Bezug auf die von den Nutzern bereitgestellten Informationen, die sie im Zusammenhang mit der Nutzung ihres Dienstes auferlegen. Nach Satz 2 des Absatzes 1 enthalten diese Angaben Angaben zu allen Leitlinien, Verfahren, Maßnahmen und Werkzeuge, die zur Moderation von Inhalten eingesetzt werden, einschließlich der algorithmischen Entscheidungsfindung und der menschlichen Überprüfung sowie zu den Verfahrensregeln für ihr internes Beschwerdemanagementsystem. Nach Satz 3 sind diese in klarer, einfacher, verständlicher, benutzerfreundlicher und eindeutiger Sprache abzufassen und in leicht zugänglicher und maschinenlesbarer Form öffentlich zur Verfügung zu stellen. Aus Art. 14 DSA ergibt sich also das Prinzip der unternehmerischen Freiheit zur Gestaltung auch der Inhalte, die die Anbieterin auf ihrem Dienst zulassen möchte, und deren Grenzen (jenseits von Verstößen z.B. gegen Strafgesetze). Zugleich verlangt die Vorschrift zur Wahrung der berechtigten Interessen der Nutzer eine Überprüfbarkeit der Entscheidungen, indem der Hostingdienst Werkzeuge zur Moderation von Inhalten ebenso zur Verfügung stellen muss, wie Verfahrensregeln für ein Beschwerdemanagement, also Transparenz zur Wahrung der Rechte der Nutzer. Dies alles muss für die Nutzer in klarer, einfacher, verständlicher, benutzerfreudlicher und eindeutiger Sprache abgefasst, also transparent und einleuchtend sein (vgl. NK-DSA/Raue, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 14 Rn. 2 – 4). Der Umgang mit sogenannten „Fake News“ oder „Desinformation“ gehört nicht per se zu den Sorgfaltspflichten des DSA für Online-Plattformen und ist damit Teil privatautonomer Plattform-Governance (Steinrötter, Europäische Plattformregulierung, 1. Aufl. 2023, § 5 Rn. 45).
55
Als Betreiberin einer sehr großen Online – Plattform im Sinne von Art. 33 DSA kommen der Beklagten besondere Pflichten zur jährlichen Ermittlung, Analyse und Bewertung von systemischen Risiken in der Union zu, die aus der Verbreitung bestimmter Inhalte herrühren können (Art. 34 Abs. 1 DSA). Aus einem kritischen Ergebnis einer solchen Risikobewertung kann für die Beklagte gemäß Art. 35 Abs. 1 DSA die Verpflichtung erwachsen, Maßnahmen zur Risikominderung zu ergreifen, die auf die in drei Schritten gemäß Art. 34 ermittelten besonderen systemischen Risiken zuzuschneiden sind (vgl. NK-DSA/Kaesling, 1. Aufl. 2023 DSA Art. 35 Rn. 13 und Art. 35 Rn. 2). Art. 35 Abs. 1 DSA enthält in lit. a) – k) eine beispielhafte Auflistung möglicher Maßnahmen. Die Anbieter großer Online-Plattformen sind primär verantwortlich für die Wahl und die Implementierung der Risikominderungsmaßnahmen (a.a.O. Art. 35 Rn. 9), die auf technischer oder regulatorischer Ebene angesiedelt sein können, wie etwa nach lit a) die Anpassung der Benutzeroberfläche und nach lit. b) die Anpassung der allgemeinen Geschäftsbedingungen und ihre Durchsetzung. Der von der Beklagten angeführte Abschnitt lit. i) – „Sensibilisierungsmaßnahmen und Anpassung der Online- (hier fehlt ein Wort im Text der VO) um Nutzern mehr Informationen zu geben“ – wird nach dem Erwägungsgrund (ErwG) 88 insbesondere im Zusammenhang mit Desinformationskampagnen empfohlen (a.a.O. Art. 35 Rn. 56). Ob aus dieser sehr allgemein gehaltenen Anregung eine den Einzelfall regelnde rechtliche Ermächtigung der Beklagten abgeleitet werden kann, die diese zum Eingriff in das Vertragsverhältnis mit einem Nutzer durch Anbringung von Hinweisen auf „Fehlinformationen“ oder als „potentiell falsch“ berechtigt, ohne hierfür eine für alle Nutzer gleichermaßen geltende Regelung für solche Fälle in ihren AGB implementieren zu müssen, ist zweifelhaft, kann hier aber offen bleiben.
56
Denn die in Art. 35 Abs. 1 DSA angeregten Maßnahmen folgen auf das Ergebnis einer nach Art. 34 DSA durchgeführten Analyse mit Bezug auf die Entwicklung von systemrelevanten Risiken in der Union – denkbar wäre unter Umständen auch eine Desinformationskampagne in Bezug auf die Gefährlichkeit einer Erkrankung an Corona – die eine Auswertung einer Vielzahl von Informationen auf der Plattform voraussetzte. Dass eine solche Analyse von der Beklagten nach Inkrafttreten des DSA am 26.02.2024 durchgeführt wurde, ist weder vorgetragen noch wahrscheinlich. Denn die im streitgegenständlichen Beitrag angesprochene Thematik dürfte auch bei den Nutzeraktivitäten auf F. an Aktualität und Brisanz verloren haben. Auch erschließt sich nicht, dass aus heutiger Sicht unter dem nunmehr geltenden Regime des DSA eine Anbringung des Hinweises „Falschinformationen“ auf dem streitgegenständlichen Corona-Beitrag vom 04.09.2020 wegen systemrelevanter Gefährdung sachlich gerechtfertigt wäre.
57
e) Nach alledem stellt sich die Anbringung des Hinweises auf Falschinformation durch die Beklagte als Pflichtverletzung des Nutzervertrags dar, weil hierfür keine Rechtsgrundlage bestand und besteht. Ob es sich bei dem Beitrag inhaltlich um eine Falschinformation handelte, braucht nicht entschieden zu werden. Die Beklagte hat auch weder dargetan noch ist ersichtlich, dass sie diese Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist die Beklagte deshalb zur Entfernung der von ihr am 07.09.2020 angebrachten Kennzeichnung als Falschinformation am vom Kläger am 04.09.2020 über die von ihm verwaltete Seite „Bürgerforum.com“ geteilten Corona-Beitrag verpflichtet.
58
3. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf ordnungsgeldbewehrte Unterlassung einer erneuten Kennzeichnung des Beitrags vom 04.09.2020 mit dem Hinweis „Fehlinformationen“ (Berufungsantrag Ziffer 6) gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu. Der Unterlassungsantrag ist allerdings um den Kontextbezug zu ergänzen (“wenn dies geschieht wie am 07.09.2022“).
59
Bei der Verletzung von Vertragspflichten kann sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20 Rn. 102 m.w.N.). Dies ist hier anzunehmen, da die Vertragsverletzung durch die Kennzeichnung des Beitrags als Fehlinformation noch andauert. Aus der bereits begangenen Pflichtverletzung der Beklagten folgt zugleich eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 103 m.w.N.). Eine ordnungsgeldbewehrte Unterlassungserklärung, mit der die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr widerlegt werden könnte, wurde nicht abgegeben. Auch ist nicht vorgebracht, dass die Beklagte zwischenzeitlich wirksame AGB eingeführt hat, die in das Vertragsverhältnis mit dem Kläger wirksam einbezogen worden sind.
60
4. Der Berufungsantrag Ziffer 2 ist im Hauptantrag und im ersten Hilfsantrag unbegründet. Der zweite Hilfsantrag ist begründet.
61
a) Ohne Erfolg ist die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Klageantrags zu Ziffer 2 im Hauptantrag, gerichtet auf die Löschung aller im Datensatz zum Nutzerkonto des Klägers gespeicherten Lösch- und Sperrvermerke.
62
Zwar besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Datenberichtigung bei einem Vermerk, der unter Verstoß der Beklagten gegen ihre vertraglichen Pflichten zustandegekommen ist. Ein solcher Anspruch ist Teil der von der Beklagten geschuldeten Naturalrestitution im Falle eines Schadensersatzanspruchs nach § 280 Abs. 1, § 249 BGB.
63
Der Kläger hat aber zum einen gar nicht dargelegt, dass über die konkret angegriffenen Lösch- und Sperrvermerke sowie die Kennzeichnung eines Beitrags als Fehlinformation hinaus überhaupt entsprechende Vermerke bei der Beklagten gespeichert sind. Er hat auch nicht vorgetragen, dass oder warum ihm ein solcher Vortrag nicht möglich sei. Dies ist auch nicht ersichtlich, da dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, dass die Nutzer der Beklagten ihren Kontostatus auf der Plattform abrufen und diesem entnehmen können, welche Verstöße oder verhängten Einschränkungen die Beklagte im jeweiligen Nutzerdatensatz gespeichert hat. Vor diesem Hintergrund bräuchte es konkrete Ausführungen des Klägers, warum er einen solchen Vortrag nicht liefern kann. Die Angaben des Klägers zu etwaigen weiteren Lösch- und Sperrvermerken sind daher vorliegend als ins Blaue hinein gemacht zu werten.
64
Zum anderen hat der Kläger auch nicht dargetan, dass alle gespeicherten Lösch- und Sperrvermerke auf einer Vertragspflichtverletzung der Beklagten beruhen. Er begründet seinen Antrag allein damit, dass jegliche Lösch- und Sperrvermerke nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20) rechtswidrig seien, weil die Nutzungsbedingungen der Beklagten keine wirksame Rechtsgrundlage für entsprechende Vermerke bereithielten. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Es ist durchaus denkbar, dass die Beklagte in der Vergangenheit in rechtmäßiger Weise Lösch- und Sperrvermerke im Nutzerdatensatz gespeichert hat und weiterhin speichert. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn sie strafrechtlich unzulässige Beiträge gelöscht und deswegen Sperren gegen das Konto des Klägers verhängt hätte. Dass die Beklagte in einem solchen Fall stets berechtigt ist, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, hat auch der Bundesgerichtshof in seiner oben angeführten Entscheidung vom 29.07.2021 anerkannt. Nichts anderes würde gelten, wenn die Beklagte etwa Löschungen oder Sperren zum Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter oder zur Abwehr von Hackerangriffen vorgenommen hätte. Da der Kläger zu den Umständen einzelner Maßnahmen der Beklagten nicht näher vorgetragen hat, ist es dem Senat nicht möglich, die Rechtmäßigkeit etwaiger Lösch- und Sperrvermerke und damit das Bestehen eines umfassenden Anspruchs auf Datenberichtigung zu beurteilen.
65
b) Das Gleiche gilt für den ersten Hilfsantrag, mit dem der Kläger die Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke, die vom Zeitpunkt der Verkündung des Urteils aus gerechnet älter als ein Jahr sind, aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden.
66
Zudem ist nicht ersichtlich, dass für die Beklagte eine Verpflichtung zur Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke nach Ablauf eines Jahres bestünde. Der von der Klagepartei aus dem Transparency-Center zitierte Passus bezieht sich auf die Zählung von Verstößen durch Posts. Der Antrag jedoch richtet sich nicht auf die Zurücksetzung des Zählers, sondern auf die Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke.
67
c) Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 i.V.m. § 249 BGB verlangen, dass die bei ihrem gespeicherten Daten des Klägers zum am 25.08.2020 gelöschten Beitrag sowie zu dem am 07.09.2020 als Falschmeldung eingestuften Beitrag des Klägers aus dessen Datensatz gelöscht werden (2. Hilfsantrag im Berufungsantrag Ziffer 2)
68
c. a) Im von der Beklagten für den Kläger geführten Nutzerdatensatz sind Lösch- und Sperrvermerke und Vermerke zur Falschinformation gespeichert, die sich auf die streitgegenständlichen Beiträge vom 24.08.2020 und vom 04.09.2020 beziehen. Dies ist unstreitig. Auch den Nutzungsbedingungen der Beklagten lässt sich entnehmen, dass diese nicht nur die Daten zu den Verstößen gegen die Gemeinschaftsstandards selbst speichert, sondern auch die entsprechenden darauf beruhenden Maßnahmen wie Beitragsentfernungen und Nutzungsbeschränkungen.
69
c. b) Durch die Kennzeichnung des am 04.09.2020 vom Kläger auf der von ihm verwalteten Bürgerplattform geteilten Corona-Beitrags als „Fehlinformationen“ hat die Beklagte gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen. Auf die Ausführungen unter Ziffer 2 wird verwiesen.
70
c. c) Auch die Löschung des Beitrags vom 24.08.2020 war ein Verstoß gegen die Vertragspflichten. Zum einen hat die Beklagte selbst eingeräumt, nach erneuter Prüfung zu dem Schluss gekommen zu sein, dass in dem Beitrag kein Verstoß gegen die Gemeinschaftsordnung durch „Hassrede“ vorgelegen habe und sie deshalb den Post am 25.02.2021 wiedereingestellt habe. Für die Löschung des Beitrags vom 24.08.2020 fehlte zudem die Rechtsgrundlage. Dies ergibt sich aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 in zwei vergleichbaren Parallelverfahren (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179 und BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, ZUM-RD 2021, 612). Die Beklagte war nicht gemäß Nr. 3.2 und Nr. 1 der Nutzungsbedingungen i.V.m. Teil II Nr. 9 der Gemeinschaftsstandards in der Fassung vom 19. April 2018 zur Löschung der Beiträge berechtigt. Denn der dort vorgesehene Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
71
(1) In Übereinstimmung mit den vorzitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ist zunächst festzuhalten, dass die aktualisierten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten (Anlagen K 1 und K 3) – bei denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB handelt – wirksam in das Vertragsverhältnis der Parteien einbezogen wurden (§ 305 Abs. 2 BGB).
72
Der Kläger hat sein Einverständnis mit den aktualisierten Geschäftsbedingungen erklärt und dass an ihn gerichtete Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags angenommen, indem er den geänderten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards, die ihm im Rahmen eines sog. Pop-up-Fensters zur Kenntnis gebracht wurden, durch Anklicken der entsprechenden Schaltfläche ausdrücklich zugestimmt hat.
73
(2) Die in das Vertragsverhältnis der Parteien einbezogenen Klauseln in Nr. 3.2 und Nr. 1 der Nutzungsbedingungen i.V.m. Teil II Nr. 9 der Gemeinschaftsstandards halten indessen einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB nicht stand. Der darin enthaltene Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil ein verbindliches Verfahren zur Anhörung des betroffenen Nutzers fehlt (vgl. BGH a.a.O., Rn. 51 ff.).
74
Die nach dem Bundesgerichtshof erforderliche Abwägung der einander gegenüberstehenden Grundrechte und Interessen der Parteien sowie der einzubeziehenden Drittinteressen ergibt, dass die Beklagte als Anbieterin eines sozialen Netzwerks zwar grundsätzlich berechtigt ist, den Nutzern ihres Netzwerks in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Einhaltung objektiver, überprüfbarer Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. In diesem Rahmen darf sie sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Maßnahmen zu ergreifen, die eine Entfernung einzelner Beiträge und die Sperrung des Netzwerkzugangs einschließen (vgl. BGH a.a.O., Leitsatz 2 und Rn. 78). Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedoch erforderlich, dass sich die Beklagte in ihren Geschäftsbedingungen dazu verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einhergeht (vgl. BGH a.a.O., Leitsatz 3 und Rn. 85, 87 f.).
75
Diesen verfahrensrechtlichen Anforderungen genügen die Nutzungsbedingungen der Beklagten nicht. Ein verbindliches Verfahren, innerhalb dessen die von der Entfernung von Beiträgen und der Sperrung ihres Kontos betroffenen Nutzer Stellung nehmen können, ist dort nicht vorgesehen (vgl. BGH a.a.O., Rn. 93). Vielmehr räumt sich die Beklagte in Nr. 3.2 ihrer Nutzungsbedingungen einen weiten, im Einzelnen nicht nachvollziehbaren und sie im Ergebnis nahezu von jeglicher Anhörungsverpflichtung freistellenden Beurteilungsspielraum ein, die Nutzer über die Entfernung von Inhalten zu informieren oder nicht (vgl. BGH a.a.O., Rn. 94). Ebenso wenig wird den Nutzern in den Nutzungsbedingungen eine hinreichende Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt oder eine Verpflichtung der Beklagten statuiert, die Nutzer von sich aus über ergriffene Maßnahmen zu unterrichten, diese gegenüber den Nutzern zu begründen und ihnen die Gelegenheit zur Stellungnahme mit anschließender Neubescheidung einzuräumen (vgl. BGH a.a.O., Rn. 95 f.).
76
c. d) Die Beklagte war vorliegend auch nicht etwa deshalb zur Entfernung des Beitrags berechtigt, weil sie einen strafbaren Inhalt enthielten. Hierfür bestehen keinerlei Anhaltspunkte.
77
c. e) Gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist die Beklagte verpflichtet, alle unmittelbaren und mittelbaren Nachteile des schädigenden Verhaltens rückgängig zu machen. Die Naturalrestitution umfasst damit auch die Entfernung der Vermerke über die rechtswidrig erfolgte Beitragslöschung und kurzfristige Nutzungsbeschränkung des klägerischen Kontos, sowie über die rechtswidrig erfolgte Kennzeichnung eines Beitrags. als Falschinformation. Ob daneben auch datenschutzrechtliche Löschungsansprüche nach den von der Klagepartei angeführten Art.16 und 17 DSGVO bestehen, braucht hier nicht entschieden zu werden.
78
5. Der Berufungsantrag Ziffer 3, mit dem der Kläger die Unterlassung der erneuten Sperrung für das Einstellen des Textes („Die Deutschen leiden an Bequemlichkeitsverblödung“) oder der Löschung des Beitrags begehrt, ist unbegründet.
79
Entgegen der Ansicht des Erstgerichts ist der Antrag nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Bei einem Unterlassungsantrag ist die Frage nach der Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit der Wiederholung einer angegriffenen Handlung eine materiell-rechtliche Voraussetzung des Anspruchs, die nicht im Rahmen der Zulässigkeit, sondern bei der Begründetheit des Anspruchs geprüft wird.
80
Grundsätzlich kann bei einem zu Unrecht, insbesondere auch ohne wirksame vertraglich vereinbarte Rechtsgrundlage, von der Beklagten von einem Nutzerkonto gelöschten Beitrag ein beitragsbezogener Unterlassungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gegeben sein (BGH, a.a.O. Rn. 102 m.w.N.), wenn dieser in einen entsprechenden Kontextbezug gesetzt wird (vgl. Senatsurteile vom 14.12.2021 – 18 U 6997/20 Pre S. 7 und 12 f. und vom 12.04.2022 – 18 U 6473/20 Pre).
81
Denn jedenfalls fehlt es an der für einen Unterlassungsanspruch notwendigen Wiederholungsgefahr.
82
Da die Löschung des Beitrags ohne Rechtsgrundlage erfolgte, hat die Beklagte gegen ihre Vertragspflichten verstoßen (s.o. unter Ziffer 5. C). Aus einer bereits begangenen Verletzung von Vertragspflichten folgt zwar zugleich eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (vgl. a.a.O. Rn. 103 m.w.N.). Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, mit der die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr widerlegt werden könnte, hat die Beklagten für den Beitrag auch nicht abgegeben. Allein mit der Freischaltung des Beitrags nach Überprüfung, wenn auch mit erheblicher Verzögerung – nach dem Vorbringen der Beklagten am 25.02.2021 – hat die Beklagte auch nicht anerkannt, dass ihr ein Anspruch auf Entfernung nicht zugestanden habe.
83
Die Wiederholungsgefahr ist aber aus tatsächlichen Gründen entfallen. Eine Unterlassung von künftigen Maßnahmen „für das Einstellen des Textes“ des gegenständlichen Beitrags, wie sie die Klagepartei mit ihrem Antrag fordert, kann sie ohnehin nicht verlangen, da die zu unterlassende Handlung immer im Kontextbezug stehen muss. Eine Wiederholung der Einstellung des gegenständlichen Beitrags im Kontextbezug vom 24.08.2020 ist aber nicht mehr möglich, da es sich um einen Kommentar zu einem Hauptbeitrag des Drittnutzers J. handelte. Nachdem dieser Hauptbeitrag unstreitig nicht mehr auf F. vorhanden ist, entfiel auch der (zwischenzeitlich von der Beklagten wiedereingestellte) Beitrag des Klägers und kann ohne den Hauptbeitrag weder im hier gegenständlichen Kontext erneut gepostet noch gelöscht werden. Bezeichnenderweise verfolgt der Kläger in der zweiten Instanz auch nicht mehr sein in erster Instanz noch mit dem Klageantrag Ziffer 3 verfolgtes Ziel der Wiederfreischaltung des gelöschten Beitrags.
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6. Ohne Erfolg wendet sich der Kläger gegen die Abweisung seines pauschalen, nicht beitragsbezogenen Antrags auf Unterlassung der Sperrung seines F.-Nutzerkontos ohne vorherige Information und Gewährung der Gelegenheit zur Gegenäußerung, hilfsweise der Unterlassung seiner Sperrung wegen nicht rechtswidriger Inhalte ohne Einhaltung eines vorherigen Anhörungsverfahrens mit anschließender Neubescheidung (Berufungsantrag Ziffer 4). Der Antrag ist unbestimmt und daher unzulässig.
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Ein auf Unterlassung gerichteter Klageantrag ist nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn der erhobene Anspruch so konkret bezeichnet wird, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis abgesteckt ist (§ 308 ZPO), sich die beklagte Partei erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was verboten oder zu unterlassen ist, nicht dem Vollstreckungsgericht überlassen wird (BGH, Urteil vom 9.04.2010 – I ZR 202/07 Rn. 21; vgl auch Seiler/Thomas-Putzo, ZPO 44. Aufl. 2023 § 253 Rn. 11 m.w.N.). Deshalb sind Unterlassungsanträge, die lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergeben, in der Regel zu unbestimmt und damit als unzulässig anzusehen (BGH, a.a.O.). So liegt es bei den hier vorliegenden pauschalen Unterlassungsanträgen. Sie beziehen sich zwar nicht auf den Gesetzeswortlaut einer Verbotsnorm, sondern beschreiben abstrakt und generell die insbesondere vom Bundesgerichtshof in den zitierten Urteilen vom 29.07.2021 (III ZR 19/20 und III ZR 192/29) entwickelten Voraussetzungen für die wirksame Verhängung einer Sperre des Nutzerkontos, bzw. umgekehrt als Unterlassung formuliert, die mögliche Pflichtverletzung des Nutzungsvertrags durch die Beklagte bei Verhängung einer Sperre ohne Einhaltung der rechtlichen Voraussetzungen. Diese Anträge sind nicht hinreichend abgegrenzt, da sie eine Vielzahl von Situationen umfassen, in denen die Beklagte künftig das klägerische Nutzerkonto sperren könnte, ohne dass auch nur ansatzweise umrissen wäre, welches Verhalten des Klägers oder auch Dritter einer solchen Sperre vorausgeht. Mit der gerichtlichen Entscheidung würde gerade kein Einzelfall abschließend beurteilt. Vielmehr würden damit sämtliche Einzelfragen in Bezug auf sämtlichen etwaigen zukünftigen Sperren des Nutzerkontos des Klägers, die z.B. mit der Entfernung künftiger klägerischer F.-Beiträge verknüpft wären, nicht mehr im jeweils neu einzuleitenden Erkenntnisverfahren überprüft, sondern in das Vollstreckungsverfahren zum hiesigen Verfahren verlagert (so auch in einem Parallelfall mit weiteren Argumenten OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, GRUR-RS 2022, Rn. 43 ff.).
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7. Mit Erfolg wendet sich der Kläger gegen die Abweisung seines Antrags auf Auskunft darüber, ob die Maßnahmen (die Beitragslöschung samt Sperre und die Anbringung des Hinweises auf Fehlinformation) durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgten und in letzterem Fall, durch welches (Berufungsantrag Ziffer 7). Der Antrag ist dahingehend auszulegen, dass der Kläger Auskunft über die Empfänger der im Rahmen der betreffenden Maßnahmen übermittelten Daten begehrt.
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Der Auskunftsanspruch steht dem Kläger nach Art. 15 Abs. 1 lit.c) DSGVO zu. Danach hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, so hat sie unter anderem das Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und nach lit.c) über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen. Der Nutzer hat danach grundsätzlich auch das Recht, die Identität der Empfänger seiner personenbezogenen Daten (Art. 4 Nr. 9 DSGVO) zu erfahren. Die Auftragsverarbeiter im Sinne von Art. 4 Nr. 8 DSGVO, die im Rahmen eines Auftragsverabeitungsvertrages für den Verantwortlichen personenbezogene Daten verarbeiten, sind nach allgemeiner Ansicht „Empfänger“ (vgl. Paal/Pauly/Ernst, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 4 Rn. 56, 57; BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, 47. Aufl.2024, DS-GVO Art. 14 Rn. 51 m.w.N.). Die betroffene Person, hier der Kläger als Nutzer der Online-Plattform der Beklagten, soll durch das Auskunftsrecht nach Artikel 15 DSGVO von der Verarbeitung der ihn betreffenden Daten Kenntnis erhalten können und damit in die Lage versetzt werden, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner Daten selbst zu überprüfen (BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, a.a.O., Art. 15 Rn. 2).
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Den ersten Teil des Auskunftsanspruchs, gerichtet auf das, „ob“ hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 04.11.2022 (Anlage B15) erfüllt, in welchem sie auf ihre Datenrichtlinie verwies, wonach die Beklagte in bestimmten Fällen Dritte mit der Untersuchung verdächtiger Aktivitäten (“Dienstleister“) beauftrage. In der zitierten Datenrichtlichtlinie heißt es unter dem Punkt „Dienstleister“: „Dienstleister erbringen uns Dienstleistungen, die uns bei der Bereitstellung unserer Produkte für dich unterstützen. Wir teilen die uns über Dich zur Verfügung stehenden Informationen mit ihnen, um u.a. nachstehende Dienstleistungen zu erhalten: – Untersuchung verdächtiger Aktivitäten (…)“
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Die weitergehende Auskunft nach lit c) über die Identität des oder der Auftragsverarbeiter als Empfänger personenbezogener Daten verweigert die Beklagte unter Berufung auf Art. 15 Abs. 4 DSGVO. Danach darf das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 3 die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen. Das Auskunftsrecht nach Absatz 1 ist demgegenüber in Absatz 4 nicht ausdrücklich erwähnt. Die Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 4 DSGVO auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO wird im Ergebnis in der Literatur übereinstimmend bejaht. Nach einer Ansicht ist Absatz 4 direkt anzuwenden, weil mit „Kopie“ in Abs. 3 Satz 1 die nach Abs. 1 in Bezug auf die personenbezogenen Daten zu erteilende Auskunft gemeint sei (Paal/Pauly/Paal, a.a.O. Art. 15 Rn. 41). Ein anderer Teil der Literatur spricht sich für die Anwendbarkeit im Wege der Analogie zur Schließung der planwidrigen Regelungslücke aus (BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, a.a.O., Art. 15 Rn. 97 m.w.N.). Jedenfalls ist, sei es durch analoge, sei es durch direkte Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 4 DGVO auch für den Auskunftsanspruch nach Abs. 1 die Möglichkeit zur Grundrechtsabwägung eröffnet. Aus dem Erwägungsgrund 63 ergibt sich, dass durch einen einfachen Verweis auf Rechte und Freiheiten anderer Personen, insbesondere Geschäftsgeheimnisse der Verantwortlichen sowie Rechte des geistigen Eigentums und das Urheberrecht an Software, die Auskunft gegenüber der betroffenen Person nicht ohne Weiteres verweigert werden kann. Gegen das Auskunftsrecht sind vielmehr die Grundrechte und Grundfreiheiten Dritter abzuwägen (BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, a.a.O., Art. 15 Rn. 96) bzw. eine Grundrechtsabwägung zu vollziehen (Paal/Pauly/Paal, a.a.O. Art. 15 Rn. 41). Absatz 4 ist allerdings nur einschlägig, wenn durch die Auskunft tatsächlich eine Beeinträchtigung der Drittinteressen vorliegen wird, eine bloße Befürchtung genügt nicht (BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, a.a.O., Art. 15 Rn. 97 m.w.N.).
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Nach diesen Vorgaben fällt die Abwägung hier zugunsten des Rechts des Klägers aus Art. 15 Abs. 1 c) DSGVO, die Identität des Auftagsverarbeiters seiner Daten zu erfahren, aus. Tragfähige, über Befürchtungen hinausgehende Argumente, die für ein überwiegendes Interesse der Beklagten als Verantwortlicher bzw. ihrer Dienstleister an der Zurückhaltung dieser Information sprechen könnten, sind nicht vorgebracht.
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Das Argument der Beklagten, die Offenlegung von Informationen zur Identität der Diensteanbieter und der ihnen zugewiesenen Aufgaben würde diese für Cyberangriffe verwundbar machen, was unmittelbar das Recht der Nutzer des F.-Dienstes auf ein sicheres Nutzungsergebnis beeinträchtigen würde, trägt nicht; ebensowenig das Argument, die Mitarbeiter der Diensteanbieter seien dem Risiko von Vergeltungsmaßnahmen durch von den Maßnahmen betroffene Nutzer ausgesetzt. Damit unterstellt die Beklagte, dass der Kläger bereit wäre, Cyberangriffe auf die Dienstleister auszuüben oder Mitarbeiter des Dienstleisters anzugreifen. Für eine derartige Gewaltbereitschaft in der Person des Klägers gibt es keine Anhaltspunkte. Auch generell kann nicht eine niedrige Frustrationstoleranz mit derartiger Konsequenz als Reaktion auf Maßnahmen des Anbieters zur Einhaltung von Recht und Gemeinschaftskodex auf der Social Media Plattform unterstellt werden.
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Da der Kläger nicht die Offenlegung von Einzelheiten der spezifischen Aufgaben der Dienstleister begehrt, ist auch nicht ersichtlich, dass – wie die Beklagte geltend macht – die Durchsetzung von Überprüfungsprozessen gefährdet sein könnte. Das Gleiche gilt für das Argument der Beklagten, durch Benennung der Dienstleister, auf die die Durchführung der Maßnahmen zur Beitragslöschung, Sperre und Faktencheckhinweis ausgelagert worden ist, würden sensible Geschäftsgeheimnisse über interne und strategische Prozesse offenbart. Ohne näheren Vortrag ist dies nicht nachvollziehbar.
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Jedenfalls wäre, folgte man den sehr allgemein gehaltenen Argumenten der Beklagten, das Informationsrecht des Betroffenen nach Art. 15 DSGVO im Wesentlichen auf das „ob“ der Datenweitergabe beschränkt und im Übrigen ausgehöhlt (so auch LG Augsburg, Urteil vom 27.04.2023 – 125 O 821/21 Ziffer VI, S. 47 ff.). Das Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO dient dem Ziel der Transparenz der Verarbeitung personenbezogener Daten für die betroffene Person (Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO). Es soll ihr die Wahrnehmung ihrer Rechte aus der DSGVO, darunter das Recht auf Berichtigung, auf Löschung, auf Einschränkung der Verarbeitung nach den Art. 16 – 18 DSGVO und des Widerspruchs gegen die Verarbeitung nach Art. 21 DSGVO ermöglichen (vgl. EuGH, 1. Kammer, Urteil vom 12.01.2023 – C 154/21, NJW 2023, 973 ff.). In diesem Sinne ist auch die Möglichkeit für den Verantwortlichen, seine Auskunftspflicht unter Berufung auf Art. 15 Abs. 4 DSGVO einzuschränken, als Ausnahme zu sehen, die einer besonderen fundierten Begründung bedarf. Eine solche hat die Beklagte nicht gegeben.
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Daher ist die Beklagte gemäß dem Antrag der Klagepartei zur Offenlegung der Identität des mit der Umsetzung der gegenständlichen Maßnahmen (Beitragslöschung, Verhängung einer Sperre sowie zur Anbringung eines Hinweises auf Fehlinformationen) beauftragten Dienstleisters verpflichtet.
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Der Senat weicht in diesem Punkt von seiner früheren Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 14.12.2021 -18 U 6997/20 und vom 12.07.2022 -18 U 6314/20) ab.
96
8. Zu Recht hat das Landgericht dem Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Auskunft darüber versagt, ob sie Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonstige Vorschläge der Bundesregierung oder nachgeordneter Dienststellen in Bezug auf die Löschung von Beiträgen oder die Sperrung von Nutzern erhalten hat (Berufungsantrag Ziffer 8).
97
a) Eine Anspruchsgrundlage für dieses Auskunftsbegehren ist nicht ersichtlich. Einem Anspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht ungeachtet aller übrigen Voraussetzungen bereits der Umstand entgegen, dass Ansprüche des Klägers gegen die Bundesregierung und diese nachgeordneten Stellen im Zusammenhang mit der Löschung von Beiträgen und der Sperrung, deren Vorbereitung die verlangte Auskunft dienen könnte, aus Rechtsgründen von vornherein ausgeschlossen sind. Sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit der Löschung eines von ihm auf F. eingestellten Beitrages oder einer von der Beklagten gegen ihn verhängten Sperrung ihre Rechtsgrundlage ausschließlich in dem zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnis und richten sich deshalb gegen die Beklagte als seine Vertragspartnerin.
98
b) Für Weisungen der Bundesregierung oder sonstiger Bundesbehörden an die Beklagte fehlt es im Übrigen an einer Rechtsgrundlage. Selbst wenn die Beklagte mit der streitgegenständlichen Löschung und kurzfristigen Sperre rechtswidrigen Weisungen der Bundesregierung nachgekommen wäre, wofür der Kläger keinerlei belastbare Tatsachen vorträgt, würde dies nichts daran ändern, dass für diese Maßnahmen und deren Folgen dem Kläger gegenüber allein die Beklagte verantwortlich wäre. Das gilt erst recht, wenn die Beklagte unverbindlichen Hinweisen, Ratschlägen oder sonstigen Vorschlägen nachgekommen sein sollte.
99
c) Der Kläger legt in seiner Berufungsbegründung auch nicht dar, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Einflussnahme der Bundesregierung auf Sperrungen oder Löschungen durch die Beklagte vorliegen. Sie sei „naheliegend“, meint der Kläger. Worauf er dies stützt, erklärt er nicht. Das NetzDG, in dem der Kläger die Grundlage für das Vorgehen der Beklagten zu sehen scheint, ist keine Weisung der Bundesregierung oder einer nachgeordneten Behörde, sondern ein formelles Gesetz, das vom Bundestag beschlossen wurde und veröffentlicht ist; einer Auskunft der Beklagten darüber bedarf der Kläger nicht.
100
Ein Anspruch auf die beantragte Auskunft besteht daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt (ständige Senatsrechtsprechung beispielsweise Urteile vom 14.12.2021 -18 U 6997/20 und vom 12.07.2022 -18 U 6314/20).
101
9. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 597,74 € (Berufungsantrag Ziffer 9).
102
Anwaltskosten, die für vorgerichtliche Tätigkeiten entstehen, können in der Regel als Verzugsschaden gemäß § 280 Abs. 2, § 286 BGB erstattet verlangt werden. Dem von einer Vertragspflichtverletzung Betroffenen ist es zuzumuten, seinen Vertragspartner zunächst selbst auf Erfüllung der diesem obliegenden Pflichten in Anspruch zu nehmen.
103
Darüber hinaus kann sich ein direkter Schadersatzanspruch für die vorgerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs auf Wiederherstellung eines zu Unrecht gelöschten Beitrags sowie auf Unterlassung einer erneuten Löschung ergeben, die der Senat als Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB einordnet. Deren Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Der Kläger bezieht seine Freistellungsforderung auf die mit dem an die Beklagte gerichteten Schreiben des jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 19.02.2021 erbrachte vorgerichtliche Anwaltsleistung (Anlage K 13). Dort wird die Beklagte unter Ziffer IV 2 lediglich zur unverzüglichen Freischaltung „etwaiger gelöschte Beiträge“ aufgefordert. Darin kann keine hinreichend bestimmte vorgerichtliche Aufforderung zur Wiederherstellung der gelöschten Beiträge gesehen werden (vgl. auch Senatsurteil vom 07.01.2020 – 18 U 1491/19 Pre).
104
Die unter Ziffer IV 3 verlangte schriftliche Erklärung, es zu unterlassen, den Mandanten wegen des zukünftigen Postens der Beiträge in den Fällen 2 (gemeint ist wohl der am 25.08.2020 gelöschte Beitrag “Die Deutschen leiden an Bequemlichkeitsverblödung“) und 4 (gemeint ist wohl der mit dem Faktencheck-Hinweis versehene Post vom 07.09.2020) erneut zu sperren, ist gegenstandslos. Bezüglich des von der Beklagten nach Überprüfung wieder eingestellten Beitrags wurde der Unterlassungsanspruch abgewiesen (s.o. unter Ziffer 5.). In Bezug auf den mit dem Hinweis „Fehlinformationen“ versehenen Beitrag vom 04.09.2020 wurde keine Sperre verhängt und insoweit auch keine Unterlassung eingeklagt.
105
Auf die im Anwaltsschreiben unter Ziffer IV mit Punkt 1 unter Ziffer IV geforderte pauschale Datenberichtigung besteht kein Anspruch (s.o. unter Ziffer 4). Die zugleich noch geforderte Zurücksetzung des Zählers hat der Kläger in erster Instanz beantragt. Die erstinstanzliche Abweisung des Antrags auf Zurücksetzung des Zählers hat der Kläger mit der Berufung nicht weiterverfolgt, sodass die Abweisung insoweit rechtskräftig ist. Daher können auch hierfür keine vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt werden.
106
Eine Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten für die unter Ziffer IV Punkt 4 des Anwaltsschreibens verlangte Erteilung der (in erster Instanz übereinstimmend für erledigt erklärten) Auskunft über Grund und Anlass der Nutzungseinschränkungen käme nur unter Verzugsgesichtspunkten gemäß § 280 Abs. 2, § 286 BGB in Betracht. Da ein dem Anwaltsschreiben vorangehendes Auskunftsverlangen durch den Kläger persönlich nicht vorgetragen ist, ist das Anwaltsschreiben in Bezug auf den Auskunftsanspruch verzugsbegründend und deshalb die hierfür entstandenen Kosten nicht als Verzugsschaden erstattungsfähig.
III.
107
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.
108
a) Soweit der Kläger die Berufung hinsichtlich des der Feststellungsanträge und des Hauptantrags auf Unterlassung zurückgenommen hat, hat er die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
109
b) Im Übrigen waren die Kosten nach dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen zu den Parteien zu verteilen. Die Bewertung der einzelnen Klageanträge ergibt der Streitwertbeschluss vom heutigen Tag.
110
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Abs. 1 und 2 ZPO.
111
3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die Fortbildung des Rechts oder die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).