Inhalt

LG München I, Endurteil v. 28.11.2024 – 7 O 2191/24
Titel:

Zeitlicher Umfang der Entschädigungspflicht

Normenketten:
PatG § 9, § 33, § 139, § 140a, § 140b, § 140e
ZPO § 148
Leitsätze:
1. Die Entschädigungspflicht nach § 33 Abs. 1 PatG endet nicht automatisch mit der Veröffentlichung der Patenterteilung. Der Gesetzeswortlaut des § 33 Abs. 1 PatG enthält keine solche zeitliche Begrenzung und eröffnet damit – jedenfalls in analoger Anwendung – die Möglichkeit für eine zeitlich begrenzte Ausdehnung der Entschädigungspflicht bis zum Einsetzen der Schadenersatzpflicht nach § 139 Abs. 2 PatG.
2. Die Entschädigungspflicht nach § 33 Abs. 1 PatG dient dem Schutz der mit der Anmeldung des Patents bereits offenbarten Lehre, die bis zur Erteilung noch nicht nach §§ 139 ff. PatG geschützt ist. Dieser Schutzzweck erschöpft sich jedoch nicht mit der Erteilung des Patents, da das für den Schadenersatzanspruch des § 139 Abs. 2 PatG erforderliche Verschulden unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung entwickelten Karenzfrist regelmäßig erst nach einem Monat nach der Veröffentlichung der Patenterteilung bejaht werden kann. Das Schutzbedürfnis des Patentinhabers, dem § 33 Abs. 1 PatG Rechnung trägt, besteht in diesem Fall über die Patenterteilung hinaus bis zum Einsetzen der Schadenersatzpflicht nach § 139 Abs. 2 PatG fort.
3. Eine Unterbrechung des Schutzes des Patentinhabers zwischen der Patenterteilung und dem Beginn des für den Schadenersatzanspruch erforderlichen Verschuldens stellt sich als planwidrige Regelungslücke dar. In der Zeit zwischen Patenterteilung und Beginn der Schadenersatzpflicht nach § 139 Abs. 2 PatG erweist sich der Patentinhaber als mindestens ebenso schutzbedürftig wie im Zeitraum zwischen Patentanmeldung und Patenterteilung. Es besteht auch kein Anlass, den unberechtigten Nutzer der patentierten Lehre in der Zeit zwischen Patenterteilung und Beginn der Schadenersatzpflicht nach § 139 Abs. 2 PatG von jeglichem Schadenersatz- oder Entschädigungsanspruch freizustellen und die unberechtigte Nutzung der patentierten Lehre in diesem Zeitraum gegenüber dem Zeitraum nach der Anmeldung und vor der Patenterteilung zu privilegieren.
Dass der Gegner dem Anspruch auf öffentliche Bekanntmachung des Urteils erst in der mündlichen Verhandlung konkret entgegentritt, entbindet den Patentinhaber nicht von der ihn treffenden Darlegungslast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 140 e PatG.  (Rn. 54 – 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Entschädigung
Fundstellen:
MittdtPatA 2025, 65
LSK 2024, 35499
GRUR-RR 2025, 156
GRUR-RS 2024, 35499

Tenor

I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu 1) zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Warmwasserbereiter, mit einem Grundbehälter zur Aufnahme von Wasser, welcher einen Zulauf für zu erwärmendes Wasser, einen Ablauf für erwärmtes Wasser, und eine nach außen offene Aufnahmekammer zur austauschbaren Aufnahme von Systemkomponenten aufweist, in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, wobei der Grundbehälter eine erste Behälterhälfte und eine zweite Behälterhälfte aufweist, wobei der Zulauf als ein Einströmrohr ausgestaltet ist, welches einen ersten Abschnitt und einen zweiten Abschnitt aufweist, wobei der erste Abschnitt mit der ersten Behälterhälfte und der zweite Abschnitt mit der zweiten Behälterhälfte verbunden ist, wobei eine Öffnung im unteren Bereich der Aufnahmekammer zum zweiten Abschnitt des Einströmrohres vorgesehen ist,
(unmittelbare Verletzung von Anspruch 1 von …60)
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen geordneten Verzeichnisses in mittels EDV auswertbarer, elektronischer Form vollständig darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die in Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 05.08.2007 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kauf- und/oder Bestellbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin in einer einheitlichen, geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegen, wie Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen, schriftlich sowie mittels EDV auswertbarer, elektronischer Form darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 05.08.2007 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
und für die seit dem 26. November 2023 begangenen, in Ziff. I.1 bezeichneten Handlungen zusätzlich unter Angabe
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4. nur die Beklagte zu 1): die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;
5. nur die Beklagte zu 1): die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 26.10.2023 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den vom Landgericht München I gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Erzeugnisse und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten zu übernehmen, und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen, wobei der Klägerin ein Muster der Rückrufschreiben sowie eine Liste der Adressaten mit Namen und postalischer Anschrift oder – nach Wahl der Beklagten zu 1) – eine Kopie sämtlicher Rückrufschreiben zu überlassen sind, und die Erzeugnisse aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem die Beklagte zu 1) ihre Ansprüche auf Verschaffung des Besitzes daran geltend macht und, falls der Besitz daraufhin nicht freiwillig eingeräumt wird, diese Ansprüche durchsetzt;
II. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 10.657,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2024 zu zahlen.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, an die Klägerin für die seit dem 05.08.2007 bis zum 25.11.2023 begangenen Handlungen gemäß Ziff. 1. eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 26.11.2023 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
VI. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
VII. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar:
- in Ziffer I.1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 EUR,
- in den Ziffern I.2 und I.3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 EUR,
- in Ziffer I.4 und I.5 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 EUR,
- in Ziffer II und VI gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages

Tatbestand

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter Verletzung des deutschen Patents 10 2005 062 660 B4 in Anspruch.
2
Die Klägerin entwickelt Warmwasser- und Heizgeräte sowie Wärmepumpen und stellt diese her.
3
Die Klägerin ist Inhaberin des am 23.12.2005 angemeldeten deutschen Patents 10 2005 062 660 B4 (im Folgenden: Klagepatent; Anlage ES 11). Die Anmeldung wurde am 05.07.2007 veröffentlicht. Der Erteilungshinweis wurde am 26.10.2023 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Das Klagepatent betrifft einen Warmwasserbereiter und einen Grundbehälter für einen solchen Warmwasserbereiter.
4
Mit Schriftsatz vom 13.06.2024 legten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten beim Deutschen Patent- und Markenamt Einspruch gegen das Klagepatent ein (Anlage VP 1).
5
Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
„Warmwasserbereiter, mit einem Grundbehälter (5) zur Aufnahme von Wasser, welcher einen Zulauf (40) für zu erwärmendes Wasser, einen Ablauf (30) für erwärmtes Wasser, und eine nach außen offene Aufnahmekammer (70) zur austauschbaren Aufnahme von Systemkomponenten aufweist, wobei der Grundbehälter (5) eine erste Behälterhälfte (10) und eine zweite Behälterhälfte (20) aufweist, wobei der Zulauf (40) als ein Einströmrohr ausgestaltet ist, welches einen ersten Abschnitt (41) und einen zweiten Abschnitt (42) aufweist, wobei der erste Abschnitt (41) mit der ersten Behälterhälfte (10) und der zweite Abschnitt (42) mit der zweiten Behälterhälfte (20) verbunden ist, wobei eine Öffnung (100) im unteren Bereich der Aufnahmekammer (70) zum ersten und/oder zweiten Abschnitt ( 41, 42) des Einströmrohres vorgesehen ist.“
6
Die Beklagte zu 1) ist im Großhandel mit elektrischen Geräten, insbesondere im Bereich der Elektro- und Haustechnik, tätig; die Beklagten zu 2) und 3) sind die Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) stellt den von der Klägerin angegriffenen Untertischspeicher „…“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform) her und bietet diesen einzeln (unter der Typenbezeichnung „…“) oder als Set („…“) in Deutschland an. Der Vertrieb erfolgt dabei durch die Beklagte zu 1), aber auch über Onlinehandelsplattformen und Einzelhandel (Anlagen ES 15, 15 b und 16). Am 17.01.2024 bestellte die Klägerin über die deutsche Internetseite einer Onlinehandelsplattform eine angegriffene Ausführungsform und ließ diese an eine Adresse in München liefern (Anlagen ES 17-18).
7
Mit zugleich als E-Mail versendetem Schreiben vom 07.11.2023 wies die Klägerin die Beklagte zu 1) darauf hin, dass der Untertischspeicher … von der Lehre des Klagepatents Gebrauch mache (Anlage ES 3). Zwischen November 2023 und Januar 2024 standen die Parteien vorgerichtlich im Austausch, ohne dass es zu einer Einigung kam (Anlagen ES 3-7). Im Rahmen des vorgerichtlichen Austauschs erteilte die Beklagte zu 1) Auskünfte über Umsatzzahlen, sowie Einkaufs- und Verkaufspreise. Mit Schreiben vom 16.01.2024 mahnte die Klägerin die Beklagte zu 1) wegen Patentverletzung ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf (Anlage ES 8). Eine solche wurde nicht abgegeben.
8
Die Klägerin trägt vor, dass noch im Herbst 2024 kurz vor der mündlichen Verhandlung angegriffene Ausführungsformen in Deutschland erhältlich gewesen seien; so seien etwa noch Exemplare in einem Baumarkt angeboten worden.
9
Die Klägerin macht geltend, die angegriffene Ausführungsform verletze den Hauptanspruch 1 des Klagepatents unmittelbar und wortsinngemäß; auch die Unteransprüche 2, 3, 4, 5, 9, 10, 11, 12 und 13 seien verletzt. Die beantragten Rechtsfolgen seien ihr deshalb zuzusprechen; als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) treffe auch die Beklagten zu 2) und 3) eine Sorgfaltspflicht. Als Teil der sie treffenden Schadensersatzpflicht hätten die Beklagten auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus der Abmahnung, ausgehend von einem Gegenstandswert von 500.000,00 EUR und einer 1,5-Geschäftsgebühr für eine Rechtsanwalt und einen Patentanwalt jeweils zuzüglich Kostenpauschale, zu tragen.
10
Die Klägerin beantragt:
I. die Beklagten zu verurteilen,
1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Warmwasserbereiter, mit einem Grundbehälter zur Aufnahme von Wasser, welcher einen Zulauf für zu erwärmendes Wasser, einen Ablauf für erwärmtes Wasser, und eine nach außen offene Aufnahmekammer zur austauschbaren Aufnahme von Systemkomponenten aufweist, in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, wobei der Grundbehälter eine erste Behälterhälfte und eine zweite Behälterhälfte aufweist, wobei der Zulauf als ein Einströmrohr ausgestaltet ist, welches einen ersten Abschnitt und einen zweiten Abschnitt aufweist, wobei der erste Abschnitt mit der ersten Behälterhälfte und der zweite Abschnitt mit der zweiten Behälterhälfte verbunden ist, wobei eine Öffnung im unteren Bereich der Aufnahmekammer zum zweiten Abschnitt des Einströmrohres vorgesehen ist,
(unmittelbare Verletzung von Anspruch 1 von …60)
insbesondere wenn, die nach außen offene Aufnahmekammer mit der ersten oder zweiten Behälterhälfte verbunden ist,
(Anspruch 2 von …60)
und/oder der erste und zweite Abschnitt des Einströmrohres ineinander steckbar und miteinander verschweißbar ausgestaltet sind,
(Anspruch 3 von …60)
und/oder der zweite Abschnitt des Einströmrohres im unteren Bereich der zweiten Behälterhälfte endet und eine Mündung aufweist,
(Anspruch 4 von …60)
und/oder die Aufnahmekammer neben dem ersten Abschnitt oder um den ersten Abschnitt herum angeordnet ist, und die Aufnahmekammer neben dem zweiten Abschnitt oder um den zweiten Abschnitt herum angeordnet ist,
(Anspruch 5 von …60)
und/oder der Warmwasserbereiter eine Tropfreduzierungseinheit aufweist, welche in der Aufnahmekammer anordbar ist, wobei die Tropfreduzierungseinheit eine im Wesentlichen hohlzylindrische, länglich ausgestaltete Membran aufweist,
(Anspruch 9 von …60)
und/oder der Warmwasserbereiter die Tropfreduzierungseinheit einen Membranhalter zum Befestigen an einem Ende der Aufnahmekammer und zum Halten der Membran aufweist,
(Anspruch 10 von …60)
und/oder der Warmwasserbereiter eine in dem ersten und/oder zweiten Abschnitt des Einströmrohres angeordneten Saugeinheit zum Absaugen von in der Aufnahmekammer befindlichem Wasser durch die Öffnung aufweist,
(Anspruch 11 von …60)
und/oder wobei die Saugeinheit eine Wasserstrahlpumpe und ein parallel dazu angeordnetes Bypassventil und ein Ventil aufweist, welches bei Erreichen eines Öffnungsdruck-Schwellenwertes öffnet,
(Anspruch 12 von …60)
und/oder wobei das Bypassventil der Saugeinheit mit einer Feder vorgespannt ist,
(Anspruch 13 von …60)
2.2.
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen geordneten Verzeichnisses in mittels EDV auswertbarer, elektronischer Form vollständig darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die in Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 5. August 2007 begangen haben, und zwar unter Angabe
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kauf- und/oder Bestellbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3.3.
der Klägerin in einer einheitlichen, geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegen, wie Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen, schriftlich sowie mittels EDV auswertbarer, elektronischer Form darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 5. August 2007 begangen haben, und zwar unter Angabe
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihre gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten tragen und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4.
nur die Beklagte zu 1): die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;
5.
nur die Beklagte zu 1): die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 26. Oktober 2023 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den vom Landgericht München I gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Erzeugnisse und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten zu übernehmen, und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen, wobei der Klägerin ein Muster der Rückrufschreiben sowie eine Liste der Adressaten mit Namen und postalischer Anschrift oder – nach Wahl der Beklagten zu 1) – eine Kopie sämtlicher Rückrufschreiben zu überlassen sind, und die Erzeugnisse aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem die Beklagte zu 1) ihre Ansprüche auf Verschaffung des Besitzes daran geltend macht und, falls der Besitz daraufhin nicht freiwillig eingeräumt wird, diese Ansprüche durchsetzt;
II. an die Klägerin als Gesamtschuldner EUR 10.657,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über Basiszinssatz (§ 247 BGB) seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
III. festzustellen, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, an die Klägerin für die seit dem 5. August 2007 bis zum 6. November 2023 begangenen Handlungen gemäß Ziff. 1. eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
IV. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 7. November 2023 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
V. der Klägerin zu gestatten, den Urteilstenor auf Kosten der Beklagten durch eine in drei aufeinanderfolgenden Ausgaben der Zeitschrift „TGA+E-Fachplaner-Magazin für technische Gebäudeausrüstung“ erscheinenden Anzeige öffentlich bekannt zu machen.
VI. das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären und für die zuerkannten Ansprüche und die Kostenentscheidung Teilsicherheiten festzusetzen, wobei folgende Einzelbeträge vorgeschlagen werden:
-
Unterlassung (I.1.) EUR 300.000
-
Vernichtung (I.4.), Rückruf (I.5.), Entfernung (I.6.) EUR 150.000
-
Auskunft (I.2.), Rechnungslegung (I.3.): EUR 50.000
-
Kosten/Zahlung: 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
11
Die Beklagten beantragen:
1. die Klage abzuweisen;
[…]
hilfsweise,
4. den Rechtsstreit bis zu einer Entscheidung der Einspruchsabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts in dem gegen das Klagepatent …60 B4 anhängigen Einspruchsverfahren auszusetzen.
12
Die Beklagten tragen vor, dass sie am 01.03.2024 den Verkauf der angegriffenen Ausführungsformen eingestellt hätten; bei den nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung noch verfügbaren Exemplaren könne es sich allenfalls um Restbestände von Baumärkten handeln.
13
Die Beklagten machen geltend, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche nicht alle Merkmale des Klagepatents; bei der gebotenen Auslegung fehle es insbesondere an einer Verwirklichung des Merkmals 2 („erste und zweite Behälterhälfte“). Das Verfahren sei jedenfalls gemäß § 148 ZPO auszusetzen, da sich das Klagepatent in dem eingeleiteten Einspruchsverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Der Anspruch 1 des Klagepatents sei gegenüber der ursprünglichen Offenbarung unzulässig erweitert worden. Der Gegenstand des Klagepatents sei durch den Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen worden; in jedem Fall beruhe dieser nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
14
Dem Aussetzungsantrag tritt die Klägerin entgegen. Die Entgegenhaltungen der Beklagten hätten keine Aussicht auf Erfolg, so dass eine Aussetzung des Rechtsstreits in Bezug auf das anhängige Einspruchsverfahren ausscheide.
15
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2024 verwiesen.
16
Hinsichtlich der mit dem Klageerweiterungsschriftsatz vom 13.11.2024 behaupteten Verletzung des weiteren Patents …42 B3 wurde das Verfahren in der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2024 abgetrennt.

Entscheidungsgründe

17
Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet. Aus der zutreffenden Auslegung insbesondere des strittigen Merkmals 2 des Klagepatents (A. I.) folgt, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre das Klagepatents hinsichtlich aller Merkmale des Hauptanspruchs 1 Gebrauch macht (A. II.). Daraus ergeben sich die tenorierten Rechtsfolgen (A.III). Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO im Hinblick auf das Einspruchsverfahren war aufgrund der Entgegenhaltungen nicht angezeigt (B.). Die Nebenfolgen waren wie tenoriert festzusetzen (C.).
A.
I.
18
Das Klagepatent betrifft einen Warmwasserbereiter sowie einen Grundbehälter für einen Warmwasserbereiter.
19
1. die Klagepatentschrift führt zum vorbekannten Stand der Technik in den Abs. [0002] bis [0012] aus, dass Speicherbehälter für Warmwasserbereiter bekannt seien, bei deren Betrieb jedoch Probleme aufträten. So bilde bei einem Untertischspeicher der Speicher mit der Temperierbatterie ein Thermosiphonsystem; das warme Speicherwasser zirkuliere zwischen Speicher und Armatur, bis aufsteigende Blasen aus dem Speicher die Zirkulation durch ein gebildetes Luftpolster unterbrächen. Ein weiteres Problem sei eine Tropfenbildung, die durch thermische Ausdehnung des Wassers, durch eine CO2-Ausgasung, durch ein Ausdehnen und Zusammenziehen des Grundbehälters nach dem Zapfen und/oder durch rückfließendes Wasser im Auslauf verursacht werde. Hierfür seien verschiedene Lösungsansätze bekannt gewesen, die jedoch unterschiedliche Grundbehälter für die Warmwasserbereitung nötig gemacht hätten, um die verschiedenen benötigten Zusatzkomponenten zu integrieren.
20
2. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, einen Warnwasserbereiter mit einer einfachen und kompakten Bauform bereitzustellen, der hinsichtlich der auftretenden Probleme eine Verbesserung herbeiführen kann; vgl. Abs. [0012] und [0013].
21
3. Als Lösung stellt das Klagepatent den vorliegend geltend gemachten Hauptanspruch 1 vor, der sich entsprechend dem Vorschlag der Klägerin wie folgt gliedern lässt:

1.

Warmwasserbereiter

2.

mit einem Grundbehälter zur Aufnahme von Wasser, welcher eine erste Behälterhälfte und eine zweite Behälterhälfte aufweist,

3.

wobei der Grundbehälter ferner aufweist,

3.1.

einen Zulauf für zu erwärmendes Wasser,

3.2.

einen Ablauf für erwärmtes Wasser und

3.3.

eine nach außen offene Aufnahmekammer zur austauschbaren Aufnahme von Systemkomponenten,

4.

wobei der Zulauf als ein Einströmrohr ausgestaltet ist,

4.1.

welches einen ersten Abschnitt und einen zweiten Abschnitt aufweist,

4.2.

wobei der erste Abschnitt mit der ersten Behälterhälfte und der zweite Abschnitt mit der zweiten Behälterhälfte verbunden ist,

5.

wobei eine Öffnung im unteren Bereich der Aufnahmekammer zum ersten und/oder zweiten Abschnitt des Einströmrohres vorgesehen ist.

Die Unteransprüche betreffen bevorzugte Ausführungsformen und Weiterbildungen eines Warmwasserbereiters nach Hauptanspruch 1.
Die Figur 10 aus der Patentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel für einen Grundbehälter für einen Warmwasserbereiter nach der Lehre des Klagepatents:
22
4. Im Hinblick auf die zwischen den Parteien geführte Diskussion zur Auslegung von Hauptanspruch 1 des Klagepatents sind die nachfolgenden Ausführungen veranlasst.
23
a) Der Auslegung der Beklagten zum Merkmal 2 kann nicht gefolgt werden. Die Beklagten sind der Ansicht, dass der Begriff der ersten und zweiten Behälterhälfte nach dem Wortlaut und den Figuren in der Klagepatentschrift dahingehend auszulegen sei, dass beide in ihren Dimensionen annähernd gleich groß sein sollten. In Abs. [0021] würden mit Behälterhälften und Behälterschalen unterschiedliche Begriffe verwendet, die eine unterschiedliche Bedeutung nahelegten.
24
Bei der gebotenen Auslegung nach dem technischen Sinn des Merkmals – angesprochener Fachmann ist ein Ingenieur mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Warmwasserbereitern – versteht die Kammer das Merkmal nicht so, dass eine annähernd gleich große Ausgestaltung der ersten und zweiten Behälterhälfte erforderlich ist. Vielmehr versucht die Beklagte den Anspruch unter Bezugnahme auf die Figuren unter ihrem technischen Gehalt auszulegen. Für den technischen Zweck genügt es nämlich, wenn zwei Behälterteile vorhanden sind, die über ein Einströmrohr verbunden sind; eine annähernd gleich große Ausgestaltung der beiden Behälterteile oder – in der Terminologie des Klagepatents – Behälterhälften ist dafür nicht erforderlich. Auch der Hinweis in Absatz [0021] auf die Herstellung in einem Spritzgussverfahren bedingt aus Sicht der Kammer nicht, dass beide Behälterteile gleich groß oder annähernd gleich groß sein müssten; bereits aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktion sind beide Behälterteile – unabhängig von ihrer Größe – nicht identisch ausgestaltet: so weist beispielsweise bei den Figuren 1 und 10 die eine obere Hälfte einen Zulauf und einen Ablauf auf während in der anderen unteren Hälfte die Heizvorrichtung angebracht ist. Auch aus dem Umstand, dass sich in dem Abs. [0021] sowohl die Begriffe Behälterschalen als auch Behälterhälften finden, lässt sich für die Verwendung des Begriffs der Behälterhälften im Hauptanspruch 1 des Klagepatents nicht herleiten, dass damit nur gleichgroße oder annähernd gleichgroße Behälterteile gemeint wären; eine unterschiedliche Bedeutung der Begriffe Behälterschalen und Behälterhälften vermag die Kammer aus Abs. [0021] nicht herauszulesen. Vielmehr soll mit diesem Merkmal eine Abgrenzung zu einer rein einteiligen Ausgestaltung herbeigeführt werden. Die vereinfachte Bauweise erfolgt dadurch, dass die zwei (nach der Beschreibung im Spritzgussverfahren hergestellten) Hälften in einer einfachen Art und Weise zusammengefügt werden können.
25
b) Auch hinsichtlich Merkmal 3.3 trägt die Beklagte ein Verständnis vor, welches dem Wortlaut und dem technischen Sinngehalt nicht gerecht wird. Die Beklagten argumentieren, dass das Klagepatent keine nähere Definition der nach außen offenen Aufnahmekammer und auch keine nähere Definition der Systemkomponenten enthalte; beide Begriffe seien deshalb unter Berücksichtigung der Gesamtoffenbarung des Klagepatents breit auszulegen. Weder dem Wortlaut des Anspruchs 1 noch der Beschreibung des Klagepatents lasse sich entnehmen, dass die nach außen offene Aufnahmekammer eine Öffnung aufweisen müsse, die nach außerhalb des Grundbehälters offen sei. Merkmal 3.3 verlange darüber hinaus lediglich eine nach außen offene Aufnahmekammer, die zur austauschbaren Aufnahme von Systemkomponenten geeignet sei; ein tatsächliches Einbringen einer Systemkomponente in die Aufnahmekammer sei nicht erforderlich.
26
Bei der gebotenen funktionalen Auslegung ist der technische Sinn maßgeblich, den der angesprochene Fachmann diesem Merkmal zuschreibt. Dem Wortlaut lässt sich zunächst lediglich entnehmen, dass der Grundbehälter eine nach außen offene Aufnahmekammer zur austauschbaren Aufnahme von Systemkomponenten aufweist; er lässt offen, wie diese konkret ausgestaltet ist. Die Zweckangabe „zur austauschbaren Aufnahme von Systemkomponenten“ spricht aber dafür, dass jedenfalls eine Ausführungsform, mit einer nach außerhalb des Grundbehälters gerichteten Öffnung, die die austauschbare Aufnahme von Systemkomponenten erleichtert, vom Umfang des Patentanspruchs erfasst ist. Die Abbildungen (insbesondere Figuren 1 und 10, aber auch 2, 3, 4, 11, 28, 30, 31, 32, 33, 34) in der Klagepatentschrift, bei denen die mit 70 gekennzeichnete nach außen offene Aufnahmekammer nach außerhalb des Grundbehälters gerichtet ist, unterstreichen dieses Verständnis. Dieses Merkmal wird sinnvoll durch eine nach außerhalb des Grundbehälters gerichtete Öffnung umgesetzt, da hierdurch die Aufnahme von Systemkomponenten auf einfache Weise und insbesondere ohne Eingriff in den Grundbehälter oder Auseinanderbauen des Grundbehälters erreicht werden kann. Dabei ist eine nach außen offene Aufnahmekammer auch eine durch eine Kappe verschließbare, aber jederzeit zu öffnende Kammer, weil die Eignung zur austauschbaren Aufnahme von Systemkomponenten entscheidend ist und diese Eignung keine dauerhaft offene Aufnahmekammer erfordert. Dieses Verständnis wird durch die verschiedenen Abbildungen in der Klagepatentschrift, welche die mit 70 gekennzeichnete Aufnahmekammer mit einer Abdeckung zeigen, unterstützt.
27
c) Die in Merkmal 5 aufgeführte Öffnung ist dahingehend zu verstehen, dass sie eine fluidische Verbindung zwischen der Aufnahmekammer und dem Einströmrohr bereitstellt bzw. ermöglicht.
II.
28
Unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten Auslegung der zwischen den Parteien zurecht allein streitigen Merkmale 2 und 3.3 von Hauptanspruch 1 ist eine wortsinngemäße Verwirklichung von Hauptanspruch 1 des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform zu bejahen.
29
Auf eine Verwirklichung der Merkmale der darüber hinaus genannten und hilfsweise („insbesondere wenn“) zur Entscheidung gestellten Unteransprüche, die in den Schriftsätzen der Parteien auch nicht näher ausgeführt wurden, kommt es damit nicht mehr an.
30
1. Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um einen Warmwasserbereiter mit einem Grundbehälter zur Aufnahme von Wasser. Dieser besteht aus einem ersten Behälterteil (bzw. Behälterhälfte) und einem zweiten Behälterteil (bzw. Behälterhälfte). Da Merkmal 2 des Hauptanspruchs 1 bei zutreffender Auslegung nicht erfordert, dass diese beiden Behälterhälften annähernd gleich groß sind, sind die Merkmale 1 und 2 verwirklicht.
31
Der Grundbehälter der angegriffenen Ausführungsform verfügt weiter über einen Zulauf für zu erwärmendes Wasser und einen Ablauf für erwärmtes Wasser. Die Merkmale 3, 3.1 und 3.2 sind damit verwirklicht.
32
Das Bild von der angegriffenen Ausführungsform auf Seite 20 der Klageschrift veranschaulicht das:
33
Bei zutreffender Auslegung von Merkmal 3.3 dahingehend, dass eine nach außerhalb des Grundbehälters gerichtete Öffnung der Aufnahmekammer erfasst ist und diese nicht zwingend eine dauerhafte Öffnung voraussetzt, ist auch dieses Merkmal vorliegend verwirklicht. Der Grundbehälter der angegriffenen Ausführungsform weist eine nach außen gerichtete Aufnahmekammer zur Aufnahme von Systemkomponenten auf, die zwar mit einer Kappe verschlossen ist, jederzeit aber einfach geöffnet werden kann.
34
Das Bild von der angegriffenen Ausführungsform mit den Markierungen auf Seite 21 unten der Klageschrift veranschaulicht das:
35
Bei der angegriffenen Ausführungsform ist der Zulauf für zu erwärmendes Wasser als Einströmrohr ausgestaltet, das korrespondierend zu den beiden Behälterhälften einen ersten und zweiten Abschnitt aufweist, die jeweils mit der ersten bzw. zweiten Behälterhälfte verbunden sind. Die Merkmale 4, 4.1 und 4.2 sind damit verwirklicht.
36
Das Bild von der angegriffenen Ausführungsform mit den Markierungen auf Seite 21 oben der Klageschrift veranschaulicht das:
37
Bei der angegriffenen Ausführungsform weist die Aufnahmekammer im unteren Bereich eine Öffnung zum zweiten Abschnitt des Einströmrohres auf. Merkmal 5 ist damit verwirklicht.
38
Das Bild von der angegriffenen Ausführungsform mit den Markierungen auf Seite 22 der Klageschrift veranschaulicht das:
III.
39
Die Beklagte zu 1) stellte die angegriffene Ausführungsform her, bot diese in der Bundesrepublik Deutschland an und vertrieb sie dort auch. Die Beklagte zu 1) hat widerrechtlich von der Lehre des Klagepatents nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG Gebrauch gemacht und war deshalb weitgehend antragsgemäß zu verurteilen.
40
Als Rechtsfolge sind der Klägerin die von ihr gegen die Beklagten zu 1) bis 3) geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung und Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten, sowie die gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachten Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung zuzusprechen (1.). Die zeitlich aneinander anknüpfenden Feststellungsanträge betreffend die Verpflichtung der Beklagten zu 1) zu einer Entschädigung gemäß § 33 Abs. 1 PatG sowie die Verpflichtung der Beklagten zu 1) bis 3) zu Schadenersatz gemäß § 139 Abs. 2 PatG waren mit einer Modifikation in zeitlicher Hinsicht zuzusprechen (2.). Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Veröffentlichung der Entscheidung war hingegen abzulehnen (3.).
41
1. Gegen die Beklagte zu 1), die die angegriffene Ausführungsform herstellt, anbietet und vertreibt, stehen der Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten, sowie auf Rückruf und Vernichtung aus §§ 139 Abs. 1 und Abs. 2, 140 a Abs. 1 und 3, 140 b Abs. 1 und 3, 33 Abs. 1 PatG, 242, 259 BGB zu.
42
Die Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten stehen der Klägerin dabei auch gegen die Beklagten zu 2) und 3) zu. Als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) trifft die Beklagten zu 2) und zu 3) die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die von der Beklagten zu 1) hergestellten, angebotenen und vertriebenen Produkte keine Schutzrechte Dritter, wie vorliegend das Klagepatent, verletzen. Diese Pflicht konkretisierte sich infolge des zugleich als E-Mail versendeten Schreibens der Klägerin vom 07.11.2023, in dem sie auf die Nutzung der Lehre ihres Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform hinwies. Dass die Beklagten zu 2) und 3) hiervon keine Kenntnis erlangt oder daraufhin Maßnahmen zur Unterbindung weiterer Verletzungen ergriffen hätten, wurde nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
43
a) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die erfolgte unberechtigte Benutzung indiziert; entgegenstehende Gründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich; die vorgerichtlich von der Klägerin geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte zu 1) nicht abgegeben. Die Erklärung der Beklagten, den Verkauf seit dem 01.03.2024 eingestellt zu haben, genügt nicht, um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen.
44
b) Hinsichtlich des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs ist auch eine Auskunftserteilung in elektronischer Form geschuldet, da die erforderliche Überprüfbar- und Auswertbarkeit der geschuldeten Auskünfte ohne elektronische Erteilung übermäßig erschwert würde (LG München I, GRUR-RS 2021, 40241, Rn. 81 f. – Palettenbehälter; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2020, 44647 Rn. 105 – Zündkerze).
45
c) Der Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten kann als Teil des Schadensersatzanspruchs gemäß § 139 Abs. 2 PatG geltend gemacht werden. Dieser setzt ein Verschulden voraus. Die Klägerin stellt hierfür auf das Schreiben vom 07.11.2023 ab, das zeitgleich als E-Mail versendet wurde, so dass von einem Zugang am selben Tag auszugehen ist; seit diesem Zeitpunkt habe die Beklagte zu 1) gewusst, dass der von ihr hergestellte, angebotene und vertriebene Untertischspeicher „…“ von der Lehre des Klagepatents Gebrauch mache, ohne dass sie sich hierfür auf eine Berechtigung habe berufen können. Diese Benachrichtigung führt aus Sicht der Kammer allerdings nicht zu einer Abkürzung der von der Rechtsprechung entwickelten Karenzfrist von einem Monat ab Veröffentlichung der Patenterteilung, die Nutzern zur Prüfung der Sach- und Rechtslage zuzubilligen ist, so dass die Kammer das für § 139 Abs. 2 PatG erforderliche Verschulden erst ab dem 26.11.2023 bejaht. Da die Abmahnung erst nach diesem Zeitpunkt erfolgte – das Abmahnungsschreiben datiert vom 16.01.2024 – kommt es hierauf für den Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten nicht an.
46
Neben den Kosten für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts kann die Klägerin dabei auch die Kosten für die Tätigkeit eines Patentanwalts ansetzen (vgl. § 143 Abs. 3 PatG); dessen Mitwirkung erschien vorliegend auch notwendig. Grundsätzlich ist der Ansatz einer Geschäftsgebühr von 1,3 angemessen. Eine geringfügige Erhöhung auf bis zu 1,5 kann jedoch nicht beanstandet werden. Die Kostenpauschale begegnet keinen Bedenken.
47
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 187 Abs. 1 BGB. Die die Rechtshängigkeit begründende Zustellung der Klageschrift (§§ 161 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO) an die Beklagte zu 1) erfolgte am 19.03.2024. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3), die bei dem Zustellversuch nicht an ihrem Arbeitsplatz angetroffen werden konnten, bestehen keine Bedenken, dass sie in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer in hinreichender Weise von der Klageerhebung auch gegen sie informiert worden sind.
48
2. Hinsichtlich der beantragten Feststellung der Verpflichtung zum Leisten des Ausgleichsanspruchs und des Schadensersatzanspruchs sind die Anträge der Klägerin so auszulegen, dass eine lückenlose Zahlungspflicht begehrt wird.
49
Obwohl die Klägerin die Entschädigung gemäß § 33 Abs. 1 PatG lediglich für den Zeitraum zwischen dem 05.08.2007 und dem 06.11.2023 (Feststellungantrag zu III.) beantragt hat, war dieser Anspruch bis zum 25.11.2023 zuzusprechen. Denn die Verpflichtung nach § 33 Abs. 1 PatG ist als Minus in dem Antrag auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht (Feststellungsantrag zu IV.) enthalten. Insofern sind die Anträge zu III. und IV. als Gesamtheit zu betrachten, dahingehend, dass die Klägerin für die Verletzung ihres Schutzrechts die gesetzlich vorgesehene Vergütung begehrt.
50
a) Für den Zeitraum zwischen dem 05.07.2007 und dem 25.11.2023 ist die Beklagte zu 1) zu einer angemessenen Entschädigung gemäß § 33 Abs. 1 PatG verpflichtet. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin ist davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1) nach der Veröffentlichung der Anmeldung am 05.07.2007 aufgrund der sie treffenden Sorgfalts- und Prüfpflicht unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung entwickelten Karenzfrist einen Monat später, mithin am 05.08.2007, wissen musste, dass der von ihr hergestellte, angebotene und vertriebene Untertischspeicher „…“ von der angemeldeten Lehre Gebrauch macht. Ab diesem Zeitpunkt beginnt vorliegend die Entschädigungspflicht nach § 33 Abs. 1 PatG.
51
Die Entschädigungspflicht nach § 33 Abs. 1 PatG endet auch nicht automatisch mit der Veröffentlichung der Patenterteilung am 26.10.2023. Der Gesetzeswortlaut des § 33 Abs. 1 PatG enthält keine solche zeitliche Begrenzung und eröffnet damit – jedenfalls in analoger Anwendung – die Möglichkeit für eine zeitlich begrenzte Ausdehnung der Entschädigungspflicht bis zum Einsetzen der Schadenersatzpflicht nach § 139 Abs. 2 PatG.
52
Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung sieht die Kammer vorliegend als gegeben. Die Entschädigungspflicht nach § 33 Abs. 1 PatG dient dem Schutz der mit der Anmeldung des Patents bereits offenbarten Lehre, die bis zur Erteilung noch nicht nach §§ 139 ff. PatG geschützt ist. Dieser Schutzzweck erschöpft sich jedoch nicht mit der Erteilung des Patents, da das für den Schadenersatzanspruch des § 139 Abs. 2 PatG erforderliche Verschulden unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung entwickelten Karenzfrist regelmäßig erst nach einem Monat nach der Veröffentlichung der Patenterteilung bejaht werden kann. Das Schutzbedürfnis des Patentinhabers, dem § 33 Abs. 1 PatG Rechnung trägt, besteht in diesem Fall über die Patenterteilung hinaus bis zum Einsetzen der Schadenersatzpflicht nach § 139 Abs. 2 PatG fort. Eine Unterbrechung des Schutzes des Patentinhabers zwischen der Patenterteilung und dem Beginn des für den Schadenersatzanspruch erforderlichen Verschuldens stellt sich als planwidrige Regelungslücke dar. In der Zeit zwischen Patenterteilung und Beginn der Schadenersatzpflicht nach § 139 Abs. 2 PatG erweist sich der Patentinhaber als mindestens ebenso schutzbedürftig wie im Zeitraum zwischen Patentanmeldung und Patenterteilung. Es besteht auch kein Anlass, den Nutzer der patentierten Lehre in der Zeit zwischen Patenterteilung und Beginn der Schadenersatzpflicht nach § 139 Abs. 2 PatG von jeglichem Schadenersatz- oder Entschädigungsanspruch freizustellen und die unberechtigte Nutzung der patentierten Lehre somit für diesen Zeitraum nach der Patenterteilung gegenüber dem Zeitraum vor der Patenterteilung zu privilegieren. Das gilt umso mehr, als die Patenterteilung besagt, dass die angemeldete und offenbarte Lehre nach der Prüfung der Erteilungsbehörde die Voraussetzungen für den patentrechtlichen Schutz erfüllt.
53
b) Die mit dem Klageantrag zu IV. beantragte Feststellung der Verpflichtung zu Schadenersatz ist erst für den Zeitraum ab dem 26.11.2023 zuzusprechen.
54
Der Schadenersatzanspruch gemäß § 139 Abs. 2 PatG setzt ein Verschulden der Beklagten voraus, das unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung entwickelten Karenzfrist von einem Monat ab der Veröffentlichung der Patenterteilung erst ab dem 26.11.2023 zu bejahen ist. Das von der Klägerin zur Begründung des Verschuldens angeführte Schreiben vom 07.11.2024, das zeitgleich als E-Mail versendet wurde, so dass von einem Zugang am selben Tag auszugehen ist, führt nicht zu einer Abkürzung der von der Rechtsprechung entwickelten Karenzfrist, die Nutzern zur Prüfung der Sach- und Rechtslage zuzubilligen ist. Das Schreiben vom 07.11.2023 weist die Beklagte zu 1) auf das Klagepatent und die aus Sicht der Klägerin gegebene Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform hin. Es enthält aber keine weiteren, über die Patenterteilung hinausgehenden objektiven Umstände, die eine Abkürzung der Prüffrist und damit einen früheren Beginn des Verschuldens rechtfertigen würden.
55
3. Der Antrag auf öffentliche Bekanntmachung des Urteils bzw. Urteilstenors ist unbegründet, weil die Klägerin das von § 140 e PatG geforderte berechtigte Interesse hierfür nicht ausreichend dargelegt hat. Dass die Beklagten diesem Anspruch erst in der mündlichen Verhandlung konkret entgegengetreten sind – in den mündlichen Ausführungen haben sie auf eine fehlende schlüssige Darlegung und einige der nachfolgenden Punkte hingewiesen –, entbindet die Klägerin nicht von der sie treffenden Darlegungslast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 140 e PatG. Besondere Umstände, die den vorliegenden Fall von anderen Patentverletzungsfällen abheben und insoweit ein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer öffentlichen Bekanntmachung der Entscheidung nahelegen könnten, sind vorliegend auch nicht ersichtlich.
56
Die Ausführungen in der Klageschrift, auf die die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat, genügen nicht, um die im Rahmen des § 140 e PatG vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten der Klägerin ausfallen zu lassen. In der Klageschrift wird dazu ausgeführt, dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse habe, um den Markt, insbesondere Großhändler wie Baumärkte, über die auch die Klägerin ihre Produkte vertreibe, darüber zu informieren, dass die Beklagte zu 1) jahrelang unter Ersparnis eigener Aufwendungen für Forschung und Entwicklung einen minderwertigen Nachbau der hochwertigen und innovativen Warmwasserbereiter mit Antitropf-Funktion der Klägerin vertrieben habe.
57
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Patenterteilung erst am 26.10.2023 erfolgte. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Lehre des Klagepatentes zwar bereits über die veröffentlichte Anmeldung zugänglich, die Beklagte setzte sich mit der Nutzung dieser Lehre bis zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht über ein bereits erteiltes und damit auch geprüftes Patent der Klägerin hinweg. Ein besonderes Verschulden der Beklagten, das über das regelmäßig mit einer Patenverletzung einhergehende Verschulden hinausgeht, hat die Klägerin vorliegend nicht dargelegt. Ein solches drängt sich aus Sicht der Kammer auch nicht auf, da die Beklagten vorgerichtlich zumindest Auskünfte erteilten und Interesse an einer gütlichen Einigung signalisierten, auch wenn es dann in der Folge weder zu einer gütlichen Einigung noch zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung kam. Auch ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit hat die Klägerin nicht dargelegt. Der von ihr verwendete Begriff eines „minderwertigen Nachbaus“ genügt dafür nicht, da nicht erkennbar wird, welche konkreten Nachteile sich daraus für die Öffentlichkeit oder zumindest für die Abnehmer und Käufer der angegriffenen Ausführungsform ergeben sollten.
58
Auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Begründung in der mündlichen Verhandlung, dass die Klägerin nur eine begrenzte Möglichkeit habe, den Markt zu informieren, sieht die Kammer keine ausreichende Darlegung eines berechtigten Interesses. Zumindest in dieser pauschalen Form erscheint die Aussage nicht derart vollständig nachvollziehbar, dass daran besondere Folgen geknüpft werden könnten.
B.
59
Das Verfahren war nicht gemäß § 148 ZPO auszusetzen. Das Vorbringen der Beklagten rechtfertigt die Annahme nicht, dass mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit von einem Widerruf des Klagepatents ausgegangen werden müsste, zumal die verbleibende kurze Schutzdauer des Klagepatent für eine zügige Entscheidung im Verletzungsverfahren spricht.
60
1. Nach der Rechtsprechung der Kammern des Landgerichts München I (vgl. GRUR-RS 2023, 26656 Rn. 93; GRUR-RS 2019, 31034 Rn. 66; GRUR-RS 2019, 31037 Rn. 63; BeckRS 2018, 41093 Rn. 147) stellen ein Einspruch oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen. Das ist dem Gesetz jedoch fremd. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.
61
2. Der von den Beklagten erhobene Einwand einer unzulässigen Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung verspricht keine ausreichende Aussicht auf Erfolg.
62
Zu dem Einwand der unzulässigen Erweiterung führen die Beklagten aus, dass Anspruch 1 des Klagepatents einer Kombination der Ansprüche 1, 2 und 19 in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung entspreche. Das Merkmal der Öffnung, das nunmehr Merkmal 5 des Klagepatentanspruchs 1 bilde, sei nur im Anspruch 19 der Anmeldung erwähnt worden. In der ursprünglichen Fassung seien die Merkmale von Anspruch 19 mit den Merkmalen der Ansprüche 15 bis 17 verknüpft gewesen, während keines der Merkmale der Ansprüche 15 bis 17 im nunmehr erteilten Anspruch 1 enthalten sei. Der Gegenstand des Klagepatents gehe damit über den Inhalt der Anmeldung hinaus; eine Öffnung sei nur im Zusammenhang mit einer Tropfenreduzierungseinheit, nicht aber auch ohne eine solche offengelegt worden. Der Fachmann habe der ursprünglichen Anmeldung entnehmen können, dass die Öffnung zwischen dem Einströmrohr und der Aufnahmekammer funktional mit der Tropfenreduzierungseinheit/Membraneinheit untrennbar zusammenhänge. Ein Hinweis auf die Aufnahme anderer Systemkomponenten in die Aufnahmekammer fehle. Ein anderer technischer Vorteil dieser Öffnung sei nicht offenbart. Ohne Membraneinheit benötige die Öffnung eine Saugeinheit, die ebenfalls nicht im Anspruch 1 enthalten sei. Eine Öffnung, die den von der Klägerin angeführten sog. Venturi-Effekt bedinge, setze eine besondere Anordnung zum Rohr voraus, die nicht beschrieben sei. Das von der Klägerin angeführte Prüfverfahren vor dem DPMA habe die Aufnahme des Merkmals einer Öffnung zwischen Aufnahmekammer und Grundbehälter als unzulässige Erweiterung moniert; durch die dann erfolgte Aufnahme des Merkmals einer Öffnung zwischen dem Einströmrohr und der Aufnahmekammer sei die von ihr (der Beklagten) vorliegend kritisierte unzulässige Erweiterung geschaffen worden.
63
Die Klägerin sieht den Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber der Ursprungsanmeldung nicht als unzulässig erweitert. Der Fachmann habe die beanspruchte Lehre den Ursprungsunterlagen unmittelbar und eindeutig als eine mögliche Ausführung der Erfindung entnehmen können. Die im Anspruch 1 vorgesehene Öffnung zwischen dem Einströmrohr und der Aufnahmekammer erfülle auch unabhängig von einer dort einsetzbaren Tropfenreduzierungseinheit/Membraneinheit eine Funktion: Da sich das Wasser mit der Erhitzung ausdehne und zur Vermeidung von Tropfenbildung nicht zurück in die Mischbatterie laufen solle, ermögliche die Öffnung zur Aufnahmekammer ein Abfließen dorthin; wenn sich das Wasser wieder zurückziehe, entstehe durch die Öffnung ein Sog, über den das Wasser wieder zurückfließe (sog. Venturi-Effekt). Es bestehe kein technisch notwendiger Zusammenhang zwischen der Öffnung und der Tropfenreduzierungseinheit/Membraneinheit. Im Rahmen des Prüfungsverfahrens habe die Prüfungsabteilung des DPMA die finale Fassung von Anspruch 1 des Klagepatents nicht als unzulässige Erweiterung beanstandet. Das DPMA habe sorgfältig geprüft und eine Änderung angeregt; dabei sei das Merkmal der Öffnung zwischen dem Einströmrohr des Grundbehälters und der Aufnahmekammer gesehen worden; das DPMA habe keine Bedenken gegen die Aufnahme des Merkmals einer Öffnung zwischen dem Einströmrohr des Grundbehälters und der Aufnahmekammer vorgebracht (Anlagen ES 21 a und 21 b). Danach sei das Patent auch entsprechend erteilt worden. Nach der Patentschrift könnten unterschiedliche Systemkomponenten in die Aufnahmekammer eingebracht werden; Figur 28 weise etwa unter der Nummer 140 eine Kalkschutzeinheit auf; die Beschreibung dazu in Abs. [0101] stelle entsprechend auf die Öffnung im Zusammenhang mit einer Kalkschutzeinheit und einer Saugeinheit und nicht mit einer Tropfenreduzierungseinheit ab.
64
Die Kammer sieht in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Klägerin, dass das DPMA im Rahmen des Prüfungsverfahrens Erweiterungen im Zusammenhang mit dem Merkmal der Öffnung gegenüber der ursprünglichen Anmeldung bereits geprüft hat. Insoweit geht die Kammer davon aus, dass das Merkmal im Rahmen des Einspruchsverfahrens Bestand haben wird. Im Prüfungsverfahren hat das DPMA nach der von der Klägerin vorgelegten Anlage ES 21 a eine Erweiterung um das von der Klägerin vorgeschlagene Merkmal „wobei die Aufnahmekammer eine Öffnung zum Grundbehälter aufweist“ als unzulässige Erweiterung abgelehnt, einen Hauptanspruch mit der Aufnahme des Merkmals einer Öffnung zwischen Einströmrohr und Aufnahmekammer aber als gewährbar erachtet. Das DPMA hat sich bei der Prüfung einer unzulässigen Erweiterung mit Blick auf das Merkmal einer Öffnung zwischen Grundbehälter und Aufnahmekammer auch mit der Frage nach der Offenbarung einer Öffnung zwischen Einströmrohr und Aufnahmekammer beschäftigt und diese bejaht. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass das Merkmal einer Öffnung zwischen Einströmrohr und Aufnahmekammer im Rahmen eines Unteranspruchs vorgesehen war, der an andere Unteransprüche anknüpfte. Dieser Umstand schließt aber eine allgemeinere Funktion und einen entsprechenden allgemeineren Offenbarungsgehalt dieses Merkmals nicht aus. Ein solcher allgemeinerer Offenbarungsgehalt erscheint aus Sicht der Kammer mit Blick auf die Ausführungen der Klägerin, dass die Öffnung zwischen Einströmrohr und Aufnahmekammer auch ohne eine Tropfenreduzierungseinheit/Membraneinheit eine Funktion erfülle und zwischen beiden kein technisch notwendiger Zusammenhang bestehe, nachvollziehbar. Den Umstand, dass in Abs. [0101] und Figur 28 der Patentschrift die Öffnung auch in Zusammenhang mit einer anderen Systemkomponente als einer Tropfenreduzierungseinheit verwendet wird, nämlich einer Kalkschutzeinheit und einer Saugeinheit, wertet die Kammer als zusätzliches Indiz für eine allgemeinere Funktion der Öffnung zwischen Einströmrohr und Aufnahmekammer.
65
3. Der von den Beklagten erhobene Einwand einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme durch den Stand der Technik hat ebenfalls keine ausreichende Aussicht auf Erfolg.
66
Von den im Einspruchsverfahren vorgebrachten Entgegenhaltungen (D 1 bis D 29) gehen die Beklagten im Verletzungsverfahren hier näher auf die Entgegenhaltungen D 14 bis D 18 ein, die nicht in der Patentschrift genannt und auch nicht im Erteilungsverfahren diskutiert wurden; diese Entgegenhaltungen wurden entsprechend auch von der Kammer näher geprüft. Hinsichtlich der in der Patentschrift erwähnten Entgegenhaltungen D 8 bis D 12 und den im Erteilungsverfahren erwähnten Entgegenhaltungen D 1 bis D 7, die bereits Gegenstand des Erteilungsverfahrens waren und zu denen im Verletzungsverfahren auch keine näheren Ausführungen erfolgten, sieht die Kammer keinen Raum für eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme.
a) D 14: DE 43 16 219 A1
67
In dieser Entgegenhaltung sieht die Kammer entgegen der Ansicht der Beklagten keine Offenbarung aller Merkmale von Anspruch 1 des Klagepatents. Bei zutreffender Auslegung des Merkmals 3.3 der nach außen offenen Aufnahmekammer dahingehend, dass diese eine nach außerhalb des Grundbehälters gerichtete Öffnung aufweist, fehlt es jedenfalls an einer Offenbarung dieses Merkmals sowie des darauf bezogenen Merkmals 5 (Öffnung im unteren Bereich der Aufnahmekammer zum ersten und/oder zweiten Abschnitt des Einströmrohres).
b) D 15: DE 19501 319 A1
68
Die Entgegenhaltung D 15 offenbart entgegen der Ansicht der Beklagten nicht alle Merkmale von Anspruch 1 des Klagepatents. Zum einen fehlt es bei zutreffender Auslegung des Merkmals 3.3 wiederum an diesem Merkmal und dem darauf bezogenen Merkmal 5. Zum anderen weist der Warmwasserbereiter aus dieser Entgegenhaltung nicht zwei getrennte Behälterhälften auf, so dass auch das Merkmal 2 und das damit korrespondierende Merkmal 4.2 nicht als neuheitsschädlich offenbart anzusehen sind.
c) D 16: GB 2 150 676 A
69
Auch in dieser Entgegenhaltung sieht die Kammer entgegen der Ansicht der Beklagten keine Offenbarung aller Merkmale von Anspruch 1 des Klagepatents. Bei zutreffender Auslegung des Merkmals 3.3 fehlt es wiederum jedenfalls an diesem Merkmal und auch an dem Merkmal 5. Aus Sicht der Klägerin sind darüber hinaus auch die Merkmale 2, 4 und 4.1 nicht offenbart.
d) D 17: DE 42 25 827 A1
70
Die Entgegenhaltung D 17 nimmt den Gegenstand des Klagepatents entgegen der Ansicht der Beklagten nicht neuheitsschädlich vorweg, weil sie jedenfalls Merkmal 3.3 und Merkmal 5 nicht offenbart. Weder der Innenraum des Wasserbehälters noch das Hubventilgehäuse der Entgegenhaltung offenbaren eine nach außen offene Aufnahmekammer zur austauschbaren Aufnahme von Systemkomponenten im Sinne des Klagepatents. Zum anderen weist der Warmwasserbereiter aus dieser Entgegenhaltung nicht zwei getrennte Behälterhälften auf, so dass auch das Merkmal 2 und die damit korrespondierenden Merkmale 4.1. und 4.2 nicht als neuheitsschädlich offenbart anzusehen sind.
e) D 18: AT 409 624 B
71
Die Entgegenhaltung D 18 steht dem Klagepatent entgegen der Ansicht der Beklagten nicht neuheitsschädlich entgegen, da es jedenfalls an einer Offenbarung der Ausbildung des Grundbehälters in zwei Hälften und damit des Merkmals 2 sowie an einer Offenbarung der Aufnahmekammer zur austauschbaren Aufnahme von Systemkomponenten und damit des Merkmals 3.3 fehlt.
72
4. Schließlich hat auch der von den Beklagten erhobene Einwand einer mangelnden erfinderischen Tätigkeit keine ausreichende Aussicht auf Erfolg.
a) D 19: JP 2000 186859 A als Ausgangspunkt
73
Die Beklagten führen hierzu aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Entgegenhaltung D 19 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns, hilfsweise mit den Entgegenhaltungen D 5, D 14, D 15, D 17 oder D 18 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Das in dieser Entgegenhaltung nicht offenbarte Merkmal 4.2 betreffend die Wahl der Stelle im Grundbehälter, an der das Wasser abgegeben wird, gehöre zu einer üblichen und routinemäßigen Auswahlentscheidung für den Fachmann, die keine erfinderische Tätigkeit begründe. Aus den Entgegenhaltungen D 5, D 14, D 15, D 17 oder D 18 sei zudem bekannt, den Auslass eines Einströmrohrs am unteren Bereich des Grundbehälters anzuordnen.
74
Die Kammer geht diesbezüglich jedenfalls noch von einer vertretbaren Erfindungshöhe aus. Zum einen verbleiben Zweifel, ob – jenseits von Merkmal 4.2 – alle anderen Merkmale des Anspruchs 1 in der Entgegenhaltung D 19 offenbart sind; nach den Ausführungen der Beklagten scheine die Entgegenhaltung offen zu lassen, ob die Behälterhälften einstückig oder zweistückig ausgebildet seien, so dass auch eine Offenbarung zumindest von Merkmal 2 fraglich erscheint. Zum anderen sieht die Kammer auch nicht ausreichend dargelegt, dass sich für den Fachmann ausgehend von der Entgegenhaltung D 19 die Anregung für eine entsprechende Kombination im Sinne aller Merkmale von Anspruch 1 des Klagepatents ergeben habe.
b) D 15, D 16, D 17 oder D 18 als Ausgangspunkt
75
Die Beklagten führen hierzu aus, dass aus ihrer Sicht die Entgegenhaltungen D 15, D 16, D 17 oder D 18 alle Merkmale von Anspruch 1 verwirklichten und lediglich offen ließen, ob der darin offenbarte Wasserbehälter einteilig oder mehrteilig ausgebildet sei. Ein mehrteiliger Aufbau des Grundbehälters – sollte die Einspruchsabteilung dieses Verständnis von Merkmal 2 des Klagepatents zugrunde legen – stelle lediglich eine bekannte konstruktive Alternative zu einem einteiligen Aufbau dar, die etwa aus den Entgegenhaltungen D 5, D 6, D 13 oder D 14 bekannt sei.
76
Auch diesbezüglich geht die Kammer jedenfalls noch von einer vertretbaren Erfindungshöhe aus. Bei zutreffender Auslegung des Merkmals 3.3 des Hauptanspruchs 1 ist dieses Merkmal in den Entgegenhaltungen D 15, D 16, D 17 oder D 18 jeweils nicht offenbart, so dass – jenseits der Frage nach einer einteiligen oder mehrteiligen Ausbildung des Grundbehälters – auch noch weitere Entwicklungsschritte bis hin zum Hauptanspruch 1 des Klagepatents zu gehen blieben und sich daraus, auch in Kombination mit Fachwissen oder den Entgegenhaltungen D 5, D 6, D 13 oder D 14, noch keine entsprechende Anregung hierfür für den Fachmann ergab.
C.
77
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
78
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO. Die Sicherheitsleistungen wurden entsprechend dem Vorschlag der Klägerin, dem die Beklagten nicht entgegengetreten sind, festgesetzt.