Inhalt

LG Amberg, Endurteil v. 13.11.2024 – 22 O 11/24
Titel:

Berechtigtes Interesse der Telekommunikationsunternehmen an der Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien

Normenkette:
DSGVO Art. 6 Abs. 1 lit. f, Art. 82 Abs. 1
Leitsätze:
1. Das berechtigte Interesse des Verantwortlichen i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO schließt grundsätzlich jedes rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Interesse ein, das von der Rechtsordnung gebilligt ist. Ein berechtigtes Interesse besteht im Falle der Übermittlung von Positivdaten durch Mobilfunkanbieter an Wirtschaftsauskunfteien in der Betrugsprävention. Durch den Abgleich der von den Mobilfunkanbietern gemeldeten Positivdaten durch die Auskunfteien können die Identitäten der betroffenen Personen geprüft und einem Identitätsdiebstahl entgegengewirkt werden. Auch können Betrugsversuche entdeckt und unterbunden werden, wenn eine Person z.B. ungewöhnlich viele Verträge in kurzer Zeit abschließt. Weiterhin kann die Einbindung von Positivdaten einer Verbesserung der Einschätzung des Kredit- und Ausfallrisikos dienen und trägt dem Interesse der Allgemeinheit an der Funktionalität des Auskunfteiwesens Rechnung. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Übermittlung von Positivdaten an Wirtschaftsauskunfteien durch Telekommunikationsunternehmen ist zur Verwirklichung ihres berechtigten Interesses erforderlich. Insbesondere stellt die Übermittlung von Negativdaten kein milderes Mittel dar, weil diese einerseits in erheblich höherem Maße stigmatisierend wäre als die Übermittlung von Positivdaten und weil sie andererseits Betrugsversuche nicht verhindern, sondern allenfalls nachträglich offenlegen kann, wenn es zu Zahlungsausfällen kommt, und somit kein gleich geeignetes Mittel darstellt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das berechtigte Interesse an der Übermittlung von Positivdaten an Wirtschaftsauskunfteien durch Telekommunikationsunternehmen, nämlich der Vermeidung von Straftaten, überwiegt dem entgegenstehenden Interesse des betroffenen Mobilfunkkunden an einer Unterlassung der Übermittlung dieser Daten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass Positivdaten keine stigmatisierende Wirkung zukommt, da nahezu jeder erwachsene Mensch in Deutschland über einen Mobilfunkvertrag verfügt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Allein die Meldung des Abschlusses eines Mobilfunkvertrages bei einer Wirtschaftsauskunftei ist objektiv mit keinerlei negativer Bewertung der Bonität des Betroffenen verbunden. Diese Information ist für sich genommen – anders als ein sog. Negativeintrag – vollkommen neutral. Pauschal vorgetragene Ängste sind daher nicht nachvollziehbar, da überhaupt nicht klar ist, ob und inwiefern sich dieser Eintrag überhaupt auf den Bonitätsscore ausgewirkt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässigkeit der Klage, Bestimmtheitsgebot, Unzulässigkeit des Feststellungsantrags, Feststellungsinteresse, Datenweitergabe gerechtfertigt, Erforderlichkeit der Datenverarbeitung, Fehlender Schaden
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 31633

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 7.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger macht Ansprüche im Zusammenhang mit angeblichen Datenschutzverstößen wegen der Übermittlung von Positivdaten an die SCH. ... AG (nachfolgend: Sch. ) geltend.
2
Zwischen dem Kläger und der Beklagten, einer Anbieterin von Telekommunikationsdienstleistungen, besteht ein am 01.03.2021 geschlossener Mobilfunkvertrag.
3
Am 30.10.2023 erhielt der Kläger eine Auskunft und eine Kopie der bei der Sch. gespeicherten Daten. Bei Durchsicht der Sch. -Auskunft stellte der Kläger fest, dass die Beklagte Daten im Zusammenhang mit dem Mobilfunkvertrag des Klägers an die Sch. weitergegeben hatte. In der Sch. -Auskunft heißt es dazu:
„Am 02.03.2021 hat V. GmbH Abteilung VDB den Abschluss eines Telekommunikationsvertrages gemeldet und hierzu das Servicekonto unter der Nummer ... übermittelt (…).“
4
Mit anwaltlichem Schreiben seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 07.12.2023 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.000,00 € sowie zur Unterlassung auf. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 28.12.2024 ab.
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Am 19.10.2023 veröffentlichte die Sch. in einer Pressemitteilung, dass sie sich entschieden habe, die Telekommunikationsdaten aus den Konten zu löschen. In diesem Zusammenhang teilte die Sch. ebenfalls mit, dass die Positiv-Daten in den Bonitätsscore eingeflossen seien.
6
Die Kopie der bei der Sch. zum Kläger gespeicherten personenenbezogenen Daten vom 17.10.2023 (Anlage K3) weist nach dem Eintrag über den Mobilfunkvertrag mit der Beklagten folgende Eintragungen auf:
„… Am 20.03.2023 hat ... eine Anfrage zur Bonitätsprüfung vor Abschluss eines Vertrages mit Zahlungsvereinbarung „auf Rechnung“ oder „auf Kredit“ oder im Rahmen der regelmäßi – gen Bonitätsprüfung bei einem bestehenden Vertragsverhältnis gestellt.
Am 07.12.2022 hat... eine Anfrage zur Boni – tätsprüfung vor Abschluss eines Vertrages mit Zahlungsvereinbarung „auf Rechnung“ oder „auf Kredit“ gestellt.
... hat unter der Nummer ... darüber informiert, dass ein nicht grundpfandrechtlich gesicherter Kreditvertrag oder Blankobauspardarlehen mit Ratenzahlung über 79.900 Euro abgeschlossen wurde. Der Kredit ist in 120 Raten (Zahlweise: monatlich) ab dem 02.09.2022 zurückzuzahlen. Gespeichert am 20.07.2022.
... hat unter der Nummer... darüber informiert, dass ein nicht grundpfandrechtlich gesicherter Kreditvertrag oder Blankobauspardarlehen mit Ratenzahlung über 11.500 Euro abgeschlossen wurde. Der Kredit ist in 36 Raten (Zahlweise: monatlich) ab dem 15.07.2022 zurückzuzahlen. Gespeichert am 22.06.2022.
Es wurde mitgeteilt, dass der vorbezeichnete Vorgang am 05.04.2023 seine Erledigung gefunden hat. Im Falle eines positiven Vertragsverlaufs wurden die vertraglichen Vereinbarungen vollständig er füllt und das Vertragsverhältnis daher ordnungsgemäß beendet. Im Falle einer Zahlungsstörung (Abwicklungskonto) wurde die offene Forderung zum angegebenen Datum durch Zahlung ausgeglichen.
... hat unter der Nummer ... darüber informiert, dass ein nicht grundpfandrechtlich gesicherter Kreditvertrag oder Blankobauspardarlehen mit Ratenzahlung über 125.000 Euro abgeschlossen wurde. Der Kredit ist in 55 Raten (Zahlweise: mo natlich) ab dem 30.09.2022 zurückzuzahlen. Gespeichert am 22.04.2022. …“
7
Der Kläger behauptet, nach der Kenntnis der Sch. -Auskunft vom 30.10.2023 habe sich bei ihm unmittelbar ein Gefühl des Kontrollverlustes und der großen Sorge, insbesondere auch auf die eigene Bonität, eingestellt. Seither lebe der Kläger mit der ständigen Angst vor – mindestens – unangenehmen Rückfragen in Bezug auf die eigene Bonität. Sein allgemeines Unwohlsein steigere sich bis zu einer schieren Existenzsorge, da die Veränderung des Sch. -Scores zur Ablehnung eines schlichten Mobilfunkvertrages bis hin zur Ablehnung einer Kreditfinanzierung oder eines Mietvertrages führen könne.
8
Der Kläger meint, die Übermittlung der Daten an die Sch. sei unzulässig gewesen. Eine Einwilligung habe er nicht erteilt. Auch liege kein berechtigtes Interesse seitens der Beklagten vor.
9
Der Kläger beantragt zuletzt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz für einen immateriellen Schaden in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 5.000,00 €, nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten des Klägers, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrages, an Kreditauskunfteien, namentlich S1. ... AG, ... W., zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 Lit. F) DSG-VO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch die unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten entstanden sind und/oder noch entstehen werden.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 € zu zahlen.
10
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
11
Die Beklagte hält die Klage für teilweise unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Die Übermittlung von Positivdaten an Wirtschaftsauskunfteien sei zur Wahrung berechtigter Interessen gerechtfertigt. Auch sei ein Schaden nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger sei zudem vor Vertragsschluss auf den Datenaustausch mit der Sch. hingewiesen worden.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
13
Das Gericht hat am 09.10.2024 zur Sache mündlich verhandelt. Auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung, Bl. 157 ff. der Akte, wird verwiesen. Beweise wurden nicht erhoben.

Entscheidungsgründe

A.
14
Die Klage ist teilweise unzulässig sowie unbegründet.
15
I. Die Klage ist teilweise unzulässig.
16
1. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs ist die Kammer der Auffassung, dass der Kläger durch seinen Antrag mit Schriftsatz vom 02.10.2024 dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Genüge getan hat.
17
2. Jedoch ist der mit Ziffer 3) der Klage geltend gemachte Feststellungsantrag unzulässig.
18
Der Antrag ist zu unbestimmt und erfüllt nicht die Anforderungen des §§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Denn das festzustellende Rechtsverhältnis ist nicht derart genau bezeichnet worden, dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft der Feststellung keinerlei Ungewissheit besteht. Die Formulierung „unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten“ bleibt vage.
19
Zu Recht weist die Beklagte auch darauf hin, dass es an dem Feststellungsinteresse hinsichtlich des Klageantrags zu 3) fehle, da grundsätzlich für die Feststellung der Ersatzpflicht künftiger Schäden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen muss, dass entsprechende Schäden eintreten werden (BGH, NJW-RR 2018,1301). Diesbezüglich fehlt es aber einen entsprechenden Vortrag des Klägers, der weder vorträgt, welche materiellen Schäden ihm aus dem behaupteten Daten Verstoß entstehen könnten, noch warum er einen Schadenseintritt für wahrscheinlich hält. Selbst unter Zugrundelegung des Klägervorbringens ist in keiner Weise ersichtlich, dass mit dem Eintritt eines künftigen Schadens zu rechnen ist (vgl. Auch LG Kiel, GRUR-RS-2024, 25770).
20
II. Die Klage ist zudem auch unbegründet.
21
Dem Kläger steht weder ein Schadensersatzanspruch, noch ein Unterlassungsanspruch zu.
22
1. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DS-GVO gegen die Beklagte zu. Die Datenweitergabe der Beklagten war gerechtfertigt und es liegt weder ein kausaler Schaden des Klägers, noch ein Verschulden der Beklagten vor.
23
a) Die Datenweitergabe durch die Beklagte ist gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO gerechtfertigt (so auch LG Kiel a.a.O m.w.N.; Paal, NJW 2024, 1689).
24
Art. 82 DS-GVO setzt einen Verstoß gegen DS-GVO-Vorschriften voraus. Im Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass es sich bei der vorliegenden Übermittlung von Positivdaten an die Sch. um eine Verarbeitung von Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DS-GVO handelt. Nach dem der DS-GVO zugrunde liegenden präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bedarf es deshalb der Rechtfertigung durch einen der in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 DS-GVO aufgeführten Erlaubnistatbestände.
25
Gemäß Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO ist die Verarbeitung personenbezogener unter drei kumulativen Voraussetzungen rechtmäßig: Erstens muss von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von einem Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden, zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein, und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, nicht überwiegen (EuGH, NZA 2024, 45).
26
aa) Ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen, d.h. der Beklagten, liegt hier vor. Dieses Tatbestandsmerkmal umfasst ein breites Spektrum berechtigter Interessen (EuGH, a.a.O., Rn. 76) und schließt grundsätzlich jedes rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Interesse ein, das von der Rechtsordnung gebilligt ist (LG Hagen, GRUR-RS 2024, 20039). Ein berechtigtes Interesse besteht im Falle von Mobilfunkanbietern wie der Beklagten in der Betrugsprävention. Durch Abgleich der von den Mobilfunkanbietern gemeldeten Positivdaten durch die Auskunfteien können die Identitäten der betroffenen Personen geprüft und einem Identitätsdiebstahl entgegengewirkt werden. Auch können Betrugsversuche entdeckt und unterbunden werden, wenn eine Person z.B. ungewöhnlich viele Verträge in kurzer Zeit abschließt (Paal, NJW 2024, 1689,; LG Hagen, a.a.O.). Weiterhin kann die Einbindung von Positivdaten einer Verbesserung der Einschätzung des Kreditund Ausfallrisikos dienen und sie trägt dem Interesse der Allgemeinheit an der Funktionalität des Auskunfteiwesens Rechnung (Paal, a.a.O.; LG Kiel, a.a.O.; LG Gießen GRUR-RS 2024, 7986; LG Konstanz, GRUR-RR 2024, 14360; LG Berlin GRUR-RS 2024, 16755).
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bb) Die Datenübermittlung ist auch zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich und überwiegt die entgegenstehenden Interessen des betroffenen Mobilfunkkunden (hier: des Klägers). Grundsätzlich muss sich jede Verarbeitung personenbezogener Daten auf das erforderliche Maß beschränken. Die Erforderlichkeit fehlt dann, wenn das berechtigte Interesse ebenso wirksam mit anderen Mitteln erreicht werden kann, die weniger stark in die Rechte der betroffenen Person eingreifen (LG Hagen, a.a.O. Rn. 45). Als maßgebliche Interessen der betroffenen Personen, die in die Abwägung einzustellen sind, sind das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und das Recht auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 der EU-Grundrechte-Charta zu berücksichtigen (Paal, a.a.O. Rn. 15). In der Rechtsprechung und Literatur ist insoweit umstritten, ob in vergleichbaren Fällen die Interessen der Mobilfunkanbieter oder der Kunden überwiegen. Die Kammer schließt sich der wohl überwiegenden Ansicht an, nach der das Interesse der Mobilfunkanbieter überwiegt (ebenso: Paal, a.a.O. Rn. 20; LG Oldenburg, GRUR-RS 2024, 16757; LG Gießen, ZD 2024, 589; LG Konstanz, GRUR-RS 2024, 14360; LG Hagen, a.a.O.). Die gegenteilige Ansicht des Landgerichts München (ZD 2024, 46), welche die Erforderlichkeit der Positivdatenübermittlung mit der Begründung verneint, es stünden mildere Mittel zur Wahrung der berechtigten Interessen der Mobilfunkanbieter zur Verfügung, überzeugt nicht. Insbesondere stellt die Übermittlung von Negativdaten kein milderes Mittel dar, weil diese zum einen in erheblich höherem Maße stigmatisierend wäre als die Übermittlung von Positivdaten und weil sie zum anderen Betrugsversuche nicht verhindern, sondern allenfalls nachträglich offenlegen kann, wenn es zu Zahlungsausfällen kommt, und somit kein gleich geeignetes Mittel darstellt. Soweit das LG München meint, „eine Anpassung des Leistungskonzepts der Beklagten, zB durch Vertragsmodelle mit geringeren kreditorischen Risiken oder die Einstellung von mehr (qualifiziertem) Personal zur Kundenwerbung-, Kundenbetreuung und Kundenbewertung“ (a.a.O., beck-online Rn. 101) stelle ein milderes Mittel dar, sind die Erfolgsaussichten dieser Maßnahmen unklar bei erheblichem Mehraufwand für die Beklagte. Sie sind damit kein gleich geeignetes Mittel und werden, wie zu Recht eingewandt wird, dem hochautomatisierten Massegeschäft der Telekommunikationsdienstleister nicht gerecht (LG Hagen, a.a.O.; LG Gießen, a.a.O.). Schließlich überzeugt es auch wertungsmäßig nicht, das Interesse der Kunden an einer Unterlassung der Übermittlung von Positivdaten höher zu gewichten als das Interesse an einer Prävention von Straftaten: Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass Positivdaten keine stigmatisierende Wirkung zukommt, da nahezu jeder erwachsene Mensch in Deutschland über einen Mobilfunkvertrag verfügt (Paal, a.a.O. Rn. 29).
28
b) Darüber hinaus ist ein immaterieller Schaden des Klägers im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO nicht ersichtlich. Bei vernünftiger Betrachtung ist nicht nachvollziehbar, dass die streitgegenständliche Übermittlung von Positivdaten negative Auswirkungen auf den Kläger gehabt hat (so auch Paal, a.a.O., LG Frankfurt, GRUR-RS 2024, 5840).
29
Die Beweislast für das Vorliegen eines materiellen oder immateriellen Schadens trägt der Kläger als Anspruchsteller. Die von einem Verstoß gegen die DS-GVO betroffene Person muss den Nachweis führen, dass die geltend gemachten Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne der Verordnung darstellen (EuGH GRUR-RS 2023, 8972; OLG Stuttgart GRUR-RS 2023, 32883).
30
Nach diesen Grundsätzen hat sich vorliegend ein konkreter und individueller Schaden des Klägers nicht feststellen lassen. Schon aus dem Vortrag des Klägers selbst erschließt sich nicht, inwieweit die Weitergabe von sogenannten Positivdaten, nämlich, dass er als Kunde einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen hat, zu einem immateriellen Schaden führen soll. Sein Sachvortrag dazu ist pauschal und wird – gerichtsbekannt – in zahlreichen weiteren Klagen zumeist wortgleich verwendet. Wie zahllose andere Antragsteller auch, hat der Kläger schriftsätzlich vorgetragen, bei ihm habe sich nach Erhalt der Sch. -Mitteilung vom 30.10.2023 unmittelbar das Gefühl des Kontrollverlustes und der großen Sorge, insbesondere auch in Bezug auf die eigene Bonität, eingestellt. Das Gefühl des Kontrollverlusts sei geprägt von der Angst, einer unberechtigten Übermittlung an eine Auskunftei wie der Sch. ausgesetzt zu sein und beunruhige ihn bis zum heutigen Tag. Seitdem lebe er mit der ständigen Angst vor – mindestens – unangenehmen Rückfragen in Bezug seine Bonität, sein allgemeines Verhalten im Wirtschaftsverkehr oder eine Verfälschung des Sch. -Scores. Es blieben Stress, ggf. Unruhe und ein allgemeines Unwohlsein im Alltag.
31
Schon diese Befürchtungen sind in keiner Weise nachvollziehbar (so auch LG Kiel, a.a.O). Allein die Meldung des Abschlusses eines Mobilfunkvertrages bei der Sch. ist aus Sicht des Gerichts objektiv mit keinerlei negativen Bewertung der Bonität des Klägers verbunden. Diese Information ist für sich genommen – anders als ein sog. Negativeintrag – vollkommen neutral. Die von dem Kläger beschriebene Angst ist darüber hinaus bereits deswegen nicht nachvollziehbar, da überhaupt nicht klar ist, ob dieser Eintrag sich überhaupt auf den Bonitätsscore, den der Kläger noch nicht einmal selber beziffern kann, ausgewirkt hat.
32
Die Worte „materieller oder immaterieller Schaden“ verweisen dabei nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten, weshalb sie als autonome Begriffe des Unionsrechts anzusehen und in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen sind und eine einheitliche unionsrechtliche Definition erhalten müssen (EuGH GRUR-RS 2023, 8972; OLG Stuttgart GRUR-RS 2023, 32883; OLG Hamm GRUR-RS 2023, 22505). Da ein bloßer Verstoß gegen die DSGVO nicht ausreicht, muss konkret festgestellt werden, dass die (vom Kläger zu beweisenden) Folgen einen Schaden darstellen (EuGH GRUR-RS 2023, 8972; OLG Stuttgart GRUR-RS 2023, 32883 m.w.N.).
33
Die Kammer vermag auch unter Berücksichtigung der persönlichen Anhörung des Klägers im Termin vom 09.10.2024 nicht zu erkennen, dass bei ihm eine berechtigte Sorge vor negativen Auswirkungen der Positivdatenübermittlung bestünde. So ist bereits nicht einsichtig, dass der Abschluss eines Mobilfunkvertrages nachteilige Auswirkungen auf die Beurteilung der Bonität des Klägers haben könnte. Über einen solchen Vertrag verfügt praktisch jeder Erwachsene in Deutschland, so dass keine stigmatisierende Wirkung besteht. Soweit der Kläger berichtet hat, in der Vergangenheit sei eine Kreditanfrage abgelehnt worden, ist ein ursächlicher Zusammenhang mit der Positivdatenübermittlung im konkreten Fall weder nachvollziehbar dargelegt noch aus Sicht der Kammer vorstellbar. Abgesehen davon erklärte er lediglich, dass ihn die Weitergabe seiner Daten einfach stören würde.
34
Die vom Kläger geschilderten Angststörungen haben sich hier unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und im Hinblick auf die Person des Klägers als unbegründet erwiesen.
35
Hier war zu berücksichtigen, dass die Kopie der am 17.10.2023 gespeicherten personenbezogenen Daten des Klägers (Anlage K3) eine Vielzahl von Einträgen aufweist, die zeitlich nach dem Eintrag zu dem mit der Beklagten abgeschlossenen Telekommunikationsvertrag liegen:
„… Am 20.03.2023 hateine Anfrage zur Bonitätsprüfung vor Abschluss eines Vertrages mit Zahlungsvereinbarung „auf Rechnung“ oder „auf Kredit“ oder im Rahmender regelmäßigen Bonitätsprüfung bei einem bestehenden Vertragsverhältnis gestellt.
Am 07.12.2022 hateine Anfrage zur Boni – tätsprüfung vor Abschluss eines Vertrages mit Zahlungsvereinbarung „auf Rechnung“ oder „auf Kredit“ gestellt.
... hat unter der Nummer... darüber informiert, dass ein nicht grundpfandrechtlich gesicherter Kreditvertrag oder Blankobauspardarlehen mit Ratenzahlung über 79.900 Euro abgeschlossen wurde. Der Kredit ist in 120 Raten (Zahlweise: monatlich) ab dem 02.09.2022 zurückzuzahlen. Gespeichert am 20.07.2022.
... hat unter derdarüber informiert, dass ein nicht grundpfandrechtlich gesicherter Kreditvertrag oder Blankobauspardarlehen mit Ratenzahlung über 11.500 Euro abgeschlossen wurde. Der Kredit ist in 36 Raten (Zahlweise: monatlich) ab dem 15.07.2022 zurückzuzahlen. Gespeichert am 22.06.2022.
Es wurde mitgeteilt, dass der vorbezeichnete Vorgang am 05.04.2023 seine Erledigung gefunden hat. Im Falle eines positiven Vertragsverlaufs wurden die vertraglichen Vereinbarungen vollständig erfüllt und das Vertragsverhältnis daher ordnungsgemäß beendet. Im Falle einer Zahlungsstörung (Abwicklungskonto) wurde die offene Forderung zum angegebenen Datum durch Zahlung ausgeglichen.
... hat unter der Nummer... darüber informiert, dass ein nicht grundpfandrechtlich gesicherter Kreditvertrag oder Blankobauspardarlehen mit Ratenzahlung über 125.000 Euro abgeschlossen wurde. Der Kredit ist in 55 Raten (Zahlweise: monatlich) ab dem 30.09.2022 zurückzuzahlen. Gespeichert am 22.04.2022. …“
36
Unter anderem hat der Kläger nach dem Eintrag des mit der Beklagten abgeschlossenen Telekommunikationsvertrages insgesamt vier grundpfandrechtlich nicht gesicherte Kredite erhalten:
1. ... nicht grundpfandrechtlich gesicherter Kreditvertrag oder Blankobauspardarlehen mit Ratenzahlung über 125.000 €
2. ... nicht grundpfandrechtlich gesicherter Kreditvertrag oder Blankobauspardarlehen mit Ratenzahlung über 11.500 €
3. ... nicht grundpfandrechtlich gesicherter Kreditvertrag oder Blankobauspardarlehen mit Ratenzahlung über 79.900 €
37
Die vom Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2024 bei Erhalt der Kopie geschilderte Sorge, dass der Eintrag des Telekommunikationsvertrages für ihn nachteilig sei erscheint dem Gericht hier bezogen auf die Person des Klägers vor dem Hintergrund der nach der Eintragung an den Kläger gewährten grundpfandrechtlich nicht gesicherten Kredite völlig unbegründet (vgl. Auch LG München BeckRS 2024,18335).
38
c) Zudem beruht ein angeblicher Schaden auch nicht kausal auf einer vorgetragenen Verletzungshandlung der Beklagten. Dass sich die Weitergabe der Positivdaten durch die Beklagte negativ auf den Bonitätsscore des Klägers ausgewirkt haben soll, ist nicht nachvollziehbar. Schließlich hat der Kläger – wie oben bereits ausgeführt – auch nach Abschluss des Mobilfunkvertrages noch Kredite in nicht unerheblicher Höhe bewilligt bekommen (so auch Paal, a.a.O.).
39
d) Auch der Beweis des Verschuldens der Beklagten gelingt dem Kläger nicht. Hierzu ist anzumerken, dass es um jahrelang etablierte Praxis gehandelt hat, die Daten eines Mobilfunkvertrages an die Sch. weiterzugeben. Diese Praxis ist von den Datenschutzaufsichtsbehörden auch niche beanstandet worden (so auch Paal, a.a.O. Rn. 31).
40
e) Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus Art. 82 DSG-VO aus jedem erdenklichen rechtlichen Grund ausscheidet.
41
2. Auch der mit dem Klageantrag zu Ziffer 2) geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger nicht zu. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Anspruch aus Art. 17 DSGVO oder aus §§ 823, 1004 BGB oder §§ 280 Abs. 1, 241, 1004 BGB, jeweils i.V.m. Art. 6 Abs. 1 DSGVO, folgt. Denn der Unterlassungsanspruch scheitert schon an der fehlenden Verletzungshandlung der Beklagten (s.o.) (zum Ganzen auch LG Kiel, a.a.O.).
42
Darüber hinaus scheitert der Anspruch auch an der fehlenden Wiederholungsgefahr. Selbst wenn zum Zeitpunkt der Übermittlung der Bestandsdaten an die Sch. die Rechte des Klägers rechtswidrig beeinträchtigt worden wären, steht eine weitere Datenübermittlung in Zukunft nicht mehr zu befürchten. Die Sch. hat am 20.10.2023 damit begonnen, die von ihr gespeicherten Positivdaten aus dem Telekommunikationsbereich zu löschen und diese Löschung Anfang November 2023 abgeschlossen.
43
Zwar begründet eine vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, an deren Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGH NJW 2004, 3701). Diese hohen Anforderungen sind hier durch die Beklagte jedoch erfüllt, so dass die übrigen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs dahingestellt bleiben können. Denn eine Vermutung kann nur solange gelten, wie der ihr zugrunde liegende Sachverhalt unverändert fortbesteht (OLG Schleswig, BeckRS 2013, 3123). Hier hat sich der Sachverhalt jedoch maßgeblich geändert. So war Hintergrund der Löschung der Positivdaten durch die Sch. und der Entscheidung der Beklagten, keine Positivdaten mehr an die Sch. zu melden, ein Beschluss der Datenschutzkonferenz der Länder (DSK), dem Gremium der unabhängigen deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder. Danach hat die DSK die Übermittlung und Verarbeitung von sogenannten Positivdaten aus dem Telekommunikationsbereich durch Wirtschaftsauskunfteien diskutiert und dahingehend bewertet, dass die Übermittlung und Verarbeitung von Daten aus dem Telekommunikationsbereich durch Wirtschaftsauskunfteien für das Bonitätsscoring könne (mehr) nicht auf ein „berechtigtes Interesse“ gestützt werden (gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a der Datenschutzgrundverordnung/DSGVO), hierfür sei eine Einwilligung (nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO) erforderlich. Aufgrund dieses im Herbst 2021 gefassten Beschlusses der DSK übermitteln die Telekommunikationsunternehmen – so auch die Beklagte – keine neuen Vertragsdaten zu Konten ihrer Kunden mehr an die Sch. .
44
Der Kläger hat zudem nicht dargelegt oder nachgewiesen, dass eine Löschung seiner Daten nicht erfolgt ist, was z.B. über die Vorlage einer weiteren Auskunft der Sch. ohne weiteres möglich gewesen wäre (so auch: LG Konstanz, GRUR-RS 2024, 14360 Rn. 64).
45
3. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptsache.
B.
46
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO C.
47
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S.2, S. 1 ZPO.