Inhalt

LG Regensburg, Endurteil v. 04.11.2024 – 72 O 72/24 KOIN
Titel:

Keine Gleichsetzung der Verletzung der Vorschriften der DSGVO mit einem Schadenseintritt

Normenkette:
DSGVO Art. 82 Abs. 1, Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Pflicht zur Erstattung immaterieller Schäden ist nicht auf schwere Schäden beschränkt. Dennoch ist allein eine etwaige Verletzung des Datenschutzrechts als solche nicht geeignet, um für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für die betroffene Person zu begründen. Die Verletzungshandlung muss in jedem Fall auch zu einer konkreten Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Person geführt haben. Insofern ist die Verletzung der Vorschriften der DSGVO nicht mit einem Schadenseintritt gleichzusetzen.  (Rn. 39 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO setzt zwar keine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts voraus, jedoch ist nicht jede im Grunde nicht spürbare Beeinträchtigung bzw. jede bloß individuell empfundene Unannehmlichkeit geeignet, um ein Schmerzensgeld zu gewähren. Vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein und es muss um eine objektiv nachvollziehbare, tatsächlich erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen. (Rn. 42 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Als Schaden i.S.d. DSGVO kann nicht gewertet werden, dass es grundsätzlich (technische) Systemfehler geben kann, ohne dass ein solcher im konkreten Fall dargelegt und nachgewiesen werden kann. (Rn. 49 und 51) (redaktioneller Leitsatz)
4. Hinsichtlich der Frage der Kausalität kann sich der Anspruchssteller nicht auf eine Beweislastumkehr berufen. Die Beweislastumkehr des Art. 82 Abs. 3 DSGVO bezieht sich ausweislich des Wortlautes nur auf die Frage des Verschuldens. Hingegen trägt der Kläger selbst die Beweislast für den Eintritt eines Schadens und die Kausalität. (Rn. 50 – 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zulässigkeit der Klage, Zuständigkeit des Gerichts, Unbestimmtheit des Antrags, Schadensersatzanspruch, Unterlassungsanspruch, Feststellungsinteresse, Streitwert
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 30658

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung und Feststellung wegen behaupteter Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sowie wegen Verletzung der Grundrechte und Grundfreiheiten geltend. Konkret geht es um die Übermittlung von Positivdaten an die S. Holding AG (im Folgenden: S.).
2
Der Kläger hat als Verbraucher mit der Beklagten einen Vertrag über Telekommunikationsdienstleistungen geschlossen. Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunternehmen. Sie erbringt unter verschiedenen Marken Mobilfunkleistungen an Geschäftskunden und Verbraucher.
3
Die S. ist eine deutsche Wirtschaftsauskunftei. Die Beklagte hat Daten bei der S. abgefragt und selbst Vertragsdaten bei der S. eingemeldet.
4
Der Kläger legt vor ein Schreiben und eine Kopie der bei der S. gespeicherten Daten datiert auf den 02.10.2023 (Anlage K 3, im Folgenden S.-Auskunft). Bei Durchsicht der S.-Auskunft stellte der Kläger fest, dass die Beklagte Daten im Zusammenhang mit dem Mobilfunkvertrag des Klägers an die S. weitergegeben hatte.
5
In der S.-Auskunft heißt es dazu: „Am 21.07.2018 hat V. GmbH Abteilung VDB den Abschluss eines Telekommunikationsvertrages gemeldet und hierzu das Servicekonto unter der Nummer ... übermittelt. Diese Information wird gespeichert, solange die Geschäftsbeziehung besteht.“.
6
Ausweislich der S.-Auskunft wurden zur Person des Klägers „in den letzten 12 Monaten keine Scorewerte übermittelt“ (Anlage K3). Die Bonität des Klägers wird am 01.07.2023 mit einem Basisscore von 97,86 € von theoretisch möglichen 100% bewertet.
7
Der Kläger behauptet, eine Einwilligung in die Übermittlung der Daten an die S. Holding AG nicht erteilt zu haben. Der Kläger trägt vor, bei ihm habe sich unmittelbar ein Gefühl des Kontrollverlustes und der großen Sorge, insbesondere auch im Hinblick auf die eigene Bonität, eingestellt. Der S.-Eintrag, welchen die Beklagte durch Übermittlung verursachte, habe Einfluss auf den S.-Score und der Kläger wisse nicht, in welcher Form, ob und wann er damit konfrontiert werde (vgl. S. 3 Klageschrift vom 11.01.2024 = Bl. 4 d.A.). Dies führe tagtäglich zu Stress, Unruhe und einem allgemeinen Unwohlsein (vgl. S. 3 Klageschrift vom 11.01.2024 = Bl. 4 d.A.).
8
Die Klagepartei beantragt zuletzt:
1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz für einen immateriellen Schaden in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch EUR 5.000,00 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
2) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten des Klägers, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien, namentlich S. Holding AG, K.weg ..., W., zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken.
3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen materiellen Schäden und künftigen derzeit noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch die unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten entstehen.
4) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.134,55 Euro zu bezahlen.
9
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10
Die Beklagte behauptet, die Übermittlung der Positivdaten erfolge dabei aus verschiedenen, sowohl für die Beklagte als auch für die betroffenen Verbraucher als auch für die Auskunfteien und die Allgemeinheit relevanten Gründen. Maßgeblich für die Datenübermittlung seien dabei insbesondere die Betrugsprävention, die Überschuldungsprävention und die Ermöglichung von präziseren Ausfallrisikoprognosen. Schließlich könne die im allgemeinen Interesse liegende Funktionalität von Auskunfteien nur sichergestellt werden, wenn Unternehmen wie die Beklagte Positivdaten an diese übermitteln (S. 9 d. Klageerwiderung = Bl. 26 d.A.).
11
Die Beklagte behauptet, am 20.10.2023 habe die S. begonnen selbstständig alle bei ihr noch gespeicherten Vertragsdaten (sog. Servicekonten bzw. Vertragskonten) zu löschen. Die Löschung sei Anfang November 2023 abgeschlossen worden. Seitdem lägen bei der S. keine Informationen über Telekommunikationsverträge mehr vor (S. 8 d. Klageerwiderung = Bl. 26 d.A, Anlage B 2.).
12
Die Beklagte trägt vor, im Rahmen des Vertragsschlusses sei der Kläger ausdrücklich über die Übermittlung personenbezogener Daten informiert worden (S. 7 d. Klageerwiderung = Bl. 24 d.A., Anlage B1).
13
Weiter trägt die Beklagte vor, der Kläger habe schon bei Vertragsschluss die Möglichkeit erhalten, das Datenschutzmerkblatt einzusehen, welches von der Klagepartei zur Kenntnis genommen worden sei.(S. 7 d. Klageerwiderung = Bl. 24 d.A.; Anlage B 1a).
14
Die Beklagte ist der Ansicht, die Klageanträge zu 2) und 3) seien nicht hinreichend bestimmt. Für den Klageantrag zu 3) fehle das Feststellungsinteresse.
15
Sie meint, die Datenweitergabe an die S. sei rechtmäßig erfolgt, gestützt auf die Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht, da schon keine Verstöße gegen die DSGVO erfolgt seien. Darüber hinaus sei kein tatsächlicher ersatzfähiger Schaden dargelegt worden. Ansprüche auf Unterlassung seien nicht gegeben, da keine konkreten Verstöße gegen die DSGVO vorliegen.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und – hinsichtlich der durchgeführten Anhörung des Klägers – auf das Protokoll vom 24.10.2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Die Klage ist nur teilweise zulässig und im Übrigen unbegründet.
A.
18
Die Klage ist nur teilweise zulässig.
19
I. Das Landgericht Regensburg ist örtlich und sachlich zuständig.
20
1. Das Landgericht Regensburg ist örtlich zuständig. Das folgt zum einen aus Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO, zum anderen aus Art. 79 Abs. 2 Satz 2 DSGVO, § 44 Abs. 1 BDSG. Der Kläger hat seinen Wohnsitz im Bezirk des angerufenen Gerichts.
21
2. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 23, 71 Abs. 1 GVG für einen Streitwert in Höhe von7.000,00 Euro (näher zum Streitwert unter C.).
22
II. Der Antrag zu Ziffer 2) ist zu unbestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
23
In der Klageschrift vom 11.01.2024 war der Unterlassungsantrag zunächst ebenfalls unzulässig formuliert worden, da dieser zu unbestimmt war. Danach darf ein Unterlassungsantrag nicht derart weit gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, da die Entscheidung darüber, was der Beklagten verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe. Im ursprünglichen Klageantrag war mit dem Ausnahmezusatz „es sei denn, es liegt eine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage vor“, von dem Vollstreckungsorgan eine rechtliche Prüfung der Ausnahmevorschriften des Art. 6 DSGVO verlangt.
24
In Reaktion auf die zutreffenden Ausführungen der Klageerwiderung (S. 25-27 d. Klageerwiderung = Bl. 42 – 44 d.A.) war der Unterlassungsantrag mit Schriftsatz vom 13.06.2024 durch die Klägerseite (Bl. 98 f. d.A.) neu gefasst worden und hat nun die wörtliche Einschränkung, „ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken“. Auch durch diese Formulierung wird dem Vollstreckungsorgan eine rechtliche Prüfung abverlangt, ob eine ausreichende Einwilligung des Klägers im konkreten Einzelfall vorliegt. Der „insbesondere“-Zusatz ist unnötig und widersprüchlich, da die Erlaubnistatbestände gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) bis f) ohnehin pauschal ausgeschlossen sein sollen.
25
III. Die mit dem Antrag zu 3) verfolgte Feststellungsklage ist bereits unzulässig, denn es fehlt am notwendigen Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO.
26
Geht es – wie hier – nicht nur um reine Vermögensschäden, reicht bereits die Möglichkeit materieller oder weiterer immaterieller Schäden für die Annahme eines Feststellungsinteresses aus (OLG Hamm Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505 unter Berufung auf BGH Urt. v. 29.6.2021 – ZR 52/18, NJW 2021, 3130 Rn. 30; zum reinen Vermögensschaden mit und ohne bereits eingetretenem Vermögensteilschaden BGH Urt. v. 5.10.2021 – ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 28). Die vorstehend benannte Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist unter dem Gesichtspunkt von Äquivalenz und Effektivität (vgl. dazu nur EuGH Urt. v. 4.5.2023 – C-300/21, NZA 2023, 621 Rn. 53, 54) auf den vorliegenden Fall der Verletzung des nach Art. 82 DSGVO absolut geschützten Rechtsguts Datenschutz als (abschließende) europarechtliche Ausformung des deutschen allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfG Beschluss vom 6.11.2019 – 1 BvR 276/17, BVerfGE 152, 216 Rn. 42 f. zur alleinigen Maßgeblichkeit von Unionsgrundrechten) zu übertragen (OLG Hamm Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505).
27
Ein Feststellungsinteresse ist also nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen (OLG Hamm Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505 unter Bezugnahme auf BGH Urt. v. 5.10.2021 – ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 28; BGH Beschluss vom 9.1.2007 – ZR 133/06, r+s 2007, 350 Rn. 5 f.; BGH Urt. v. 16.1.2001 – ZR 381/99, r+s 2001, 147 = juris Rn. 7).
28
Gemessen an diesen Grundsätzen ist hier die Möglichkeit eines Schadenseintritts durch die Klagepartei nicht hinreichend dargelegt. Die Klagepartei trägt vor, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgesehen werden könne, ob und inwieweit aus der Übermittlung künftige Schäden resultieren werden (S. 10 d. Klageschrift = Bl. 11 d.A.). Dieser Vortrag genügt ersichtlich nicht. Dass die Meldung sich negativ auf den S.-Score ausgewirkt haben könnte, erscheint nicht nur fernliegend, sondern abwegig (vgl. LG Heilbronn Urt. v. 10.7.2024 – 5 O 290/23, GRUR-RS 2024, 18322 Rn. 39).
29
Die vom Kläger vorgelegte S.-Auskunft bescheinigt diesem einen Score von 97,86% von möglichen 100%. Mangels konkreter Anhaltspunkte dafür, dass der Klagepartei bis heute aufgrund Weitergabe von Daten betreffend den Mobilfunkvertrag des Klägers ein kausaler materieller Schaden entstanden ist und unter Berücksichtigung, dass die Klagepartei im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung selbst nicht von einem konkreten materiellen Schaden berichtet hat, ist davon auszugehen, dass mit dem Eintritt eines materiellen Schadens nicht zu rechnen ist. Ein solcher Schaden in der von der Klagepartei beschriebenen Art und Weise ist rein theoretischer Natur und begründet kein Feststellungsinteresse (OLG Hamm Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505).
30
Entsprechendes gilt für den immateriellen Schaden. Ein solcher ist bislang nicht hinreichend dargetan, und es ist mit Blick auf die vergangene Zeit auch nicht damit zu rechnen, dass ein solcher noch eintritt (vgl. OLG Hamm Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505).
31
Begründet werden kann der Feststellungsanspruch auch nicht mit entstandenen Anwaltskosten. Zum einen sind diese Gegenstand eines gesonderten Leistungsantrages (Ziffer 4). Zum anderen sind diese, wenn sie entstanden sind, vor Klageerhebung entstanden und damit nicht vom Feststellungsantrag umfasst (OLG Hamm Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505).
B.
32
Die Klageanträge sind im Übrigen vollumfänglich unbegründet.
33
I. Der Klageantrag zu Ziffer 1) unterliegt der Abweisung.
34
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO.
35
Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Verantwortlicher in diesem Sinne ist gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO jede natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden. Die Beklagte ist Verantwortlicher.
36
a) Der Kläger konnte in seiner persönlichen Anhörung nicht bestätigen, dass er das Datenschutzmerkblatt (Anlage B1a) erhalten hat. Auf Grund des Zeitablaufs wisse er es nicht mehr. Ob der Kläger eine Einwilligung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO erteilt hätte, selbst wenn er das Datenschutzmerkblatt zur Kenntnis genommen haben sollte, kann vorliegend dahinstehen.
37
Denn das Gericht ist der Ansicht, dass die Betrugsprävention ein legitimes Interesse für die Verarbeitung von Daten nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO darstellt, da diese in Erwägungsgrund 47 ausdrücklich genannt wird (ausführlich dazu: Paal, S.-Scoring und Schadensersatz bei Übermittlung von Positivdaten, NJW 2024, 1689 ff.). Die streitgegenständliche Datenverarbeitung ist zum Zweck der Betrugsprävention erforderlich. Ein milderes und gleich effizientes Mittel ist nicht ersichtlich. Insbesondere würde eine reine Beschränkung auf die Übermittlung von Negativdaten nicht ausreichen. Denn die Fälle der Erstbegegung, insbesondere bei Identitätstäuschung, können so nicht wirksam unterbunden werden (a.A. LG München GRUR-RS 2023, 10317). Bei der Interessenabwägung überwiegt das Interesse an der Betrugsprävention das Recht der Klagepartei auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gem. Art. 8 EU-Grundrechte-Charta (vgl. LG Kassel Urt. v. 10.7.2024 – 10 O 1939/23, GRUR-RS 2024, 18325 Rn. 67 m.w.Nachw.).
38
b) Es kann letztlich aber dahinstehen, ob ein Verstoß der Beklagten gegen Art. 5 und 6 DSGVO überhaupt vorliegt. Denn die Klagepartei hat nicht bewiesen, dass ihr tatsächlich ein immaterieller Schaden entstanden ist.
39
Für den – hier geltend gemachten – immateriellen Schadensersatz gelten dabei die im Rahmen von § 253 BGB entwickelten Grundsätze; die Ermittlung obliegt dem Gericht nach § 287 ZPO (BeckOK-DatenschutzR/Quaas, 43. Ed. 1.2.2023, DS-GVO Art. 82 Rn. 31). Es können für die Bemessung die Kriterien des Art. 83 Abs. 2 DSGVO herangezogen werden, beispielsweise die Art, Schwere und Dauer des Verstoßes unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs oder des Zwecks der betreffenden Verarbeitung sowie die betroffenen Kategorien personenbezogener Daten. Zu berücksichtigen ist auch, dass die beabsichtigte abschreckende Wirkung nur durch für den Anspruchsverpflichtenden empfindliche Schmerzensgelder erreicht wird, insbesondere wenn eine Kommerzialisierung fehlt. Ein genereller Ausschluss von Bagatellfällen ist damit nicht zu vereinbaren (BeckOK-DatenschutzR/Quaas, 43. Ed. 1.2.2023, DS-GVO Art. 82 Rn. 31). Die Pflicht zur Erstattung immaterieller Schäden ist daher nicht auf schwere Schäden beschränkt (LG Aachen Urt. v. 10.2.2023 – 8 O 177/22, GRUR-RS 2023, 2621 Rn. 74 m.w.N.). Bestätigt wurde dies jüngst durch eine Entscheidung des EuGH, wonach der Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300, Rn. 43 ff. – juris; vgl. dazu Mörsdorf/Momtazi, JZ 2023, 564, 566).
40
Nach den Erwägungsgründen der europäischen Grundrechtscharta ist der Schadensbegriff weit auszulegen (s. Erwägungsgrund Nr. 146, auch wenn er in der DSGVO nicht näher definiert wird). Schadenersatzforderungen sollen abschrecken und weitere Verstöße unattraktiv machen (Kühling/Buchner/Bergt, 4. Aufl. 2024, DS-GVO Art. 82 Rn. 17). Darüber hinaus sollen die betroffenen Personen einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden haben. Dabei wird vor allem die abschreckende Wirkung des Schadensersatzes betont, welche insbesondere durch seine Höhe erzielt werden soll. Nach den Erwägungsgründen Nr. 75 kann ein Nichtvermögensschaden insbesondere durch Diskriminierung, Identitätsdiebstahl oder -betrug, Rufschädigung, Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden persönlichen Daten oder gesellschaftliche Nachteile eintreten (LG Aachen Urt. v. 10.2.2023 – 8 O 177/22, GRUR-RS 2023, 2621 Rn. 75 m.w.N.).
41
Ein genereller Ausschluss von Bagatellschäden ist im Lichte dieser Erwägungsgründe nicht vertretbar (vgl. LG Essen Urt. v. 10.11.2022 – 6 O 111/22, GRUR-RS 2022, 34818 Rn. 72 ff.). Dies wird auch aus Art. 4 Abs. 3 AEUV abgeleitet, der die Mitgliedsstaaten dazu anhält, Verstöße wirksam mit Sanktionen zu belegen, denn nur so könne man eine effektive Durchsetzbarkeit des EU-Rechts und damit auch der DSGVO erzielen (LG München Urteil vom 09.12.2021, Az.: 31 O 16606/20, BKR 2022, 131 Rn. 38; LG Essen Urt. v. 10.11.2022 – 6 O 111/22, GRUR-RS 2022, 34818 Rn. 74).
42
Allein eine etwaige Verletzung des Datenschutzrechts als solche begründete allerdings nicht bereits für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für betroffene Personen. Die Verletzungshandlung muss in jedem Fall auch zu einer konkreten Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Personen geführt haben (LG Aachen Urt. v. 10.2.2023 – 8 O 177/22, GRUR-RS 2023, 2621 Rn. 77). Die Verletzung der Vorschriften der DSGVO ist nicht mit einem Schadenseintritt gleichzusetzen. Es ist zwar keine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts erforderlich. Andererseits ist aber auch weiterhin nicht für jede im Grunde nicht spürbare Beeinträchtigung bzw. für jede bloß individuell empfundene Unannehmlichkeit ein Schmerzensgeld zu gewähren. Vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein und es muss um eine objektiv nachvollziehbare, tatsächlich erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen (LG Aachen Urt. v. 10.2.2023 – 8 O 177/22, GRUR-RS 2023, 2621 Rn. 77 m.w.N.).
43
In den Erwägungsgründen Nr. 75 und 85 werden einige mögliche Schäden aufgezählt, darunter Identitätsdiebstahl, finanzielle Verluste, Rufschädigung, aber auch der Verlust der Kontrolle über die eigenen Daten sowie die Erstellung unzulässiger Persönlichkeitsprofile. Zudem nennt Erwägungsgrund 75 auch die bloße Verarbeitung einer großen Menge personenbezogener Daten einer großen Anzahl von Personen. Der Schaden ist zwar weit zu verstehen, er muss jedoch auch wirklich „erlitten“ (Erwägungsgrund Nr. 146), das heißt „spürbar“, objektiv nachvollziehbar und tatsächlich eingetreten sein, um bloß abstrakte, nicht wirklich eingetretene Beeinträchtigungen auszuschließen (LG Essen Urt. v. 10.11.2022 – 6 O 111/22, GRUR-RS 2022, 34818 Rn. 76; LG Aachen Urt. v. 10.2.2023 – 8 O 177/22, GRUR-RS 2023, 2621 Rn. 78).
44
Diese Grundsätze erfuhren Bestätigung durch eine Entscheidung des EuGH; danach reicht der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300, Rn. 28-42 – juris). Denn die gesonderte Erwähnung eines „Schadens“ und eines „Verstoßes“ in Art. 82 Abs. 1 DSGVO wäre überflüssig, wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO für sich allein in jedem Fall ausreichend wäre, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300, Rn. 34 – juris).
45
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger schon keine ausreichend spürbare Beeinträchtigung von persönlichen Belangen dargelegt, für die Anhaltspunkte bestehen, dass sie kausal auf die hier streitgegenständliche Weitergabe der Daten des Telekommunaktionsvertrages durch die Beklagte zurückzuführen sein könnten.
46
Die Klagepartei trägt vor, dass ein Kontrollverlust hinsichtlich ihrer personenbezogenen Daten eingetreten sei, der als erheblicher immaterieller Schaden i. S. d. § 82 DSGVO anzusehen sei (S. 7 d. Klageschrift = Bl. 8 d. A.). Die Positivdaten hätten einen konkreten Einfluss auf den Bonitätsscore des Klägers genommen. Die Übermittlung sei rechtswidrig erfolgt. Das LG Lüneburg (Urt. v. 14.07.2020, 9 O 145/19) habe in der unzulässigen Meldung eines (anderen) Klägers bei der S. einen Kontrollverlust und ein „Bloßgestelltsein“ gesehen. Das Gericht habe es dabei bereits ausreichen lassen, dass dem Kläger durch einen Eintrag „mittelbar eine potenzielle Stigmatisierung“ drohe. Kausalität sei gegeben wegen Mitursächlichkeit des Schadens. Die Beweislast trage die Beklagte unter Bezugnahme auf Erwägungsgrund 146 S. 2 zur DSGVO (S. 9 d. Klageschrift = Bl. 10 d.A.).
47
Diese Ausführungen sind zu pauschal und lassen nicht erkennen, inwiefern der behauptete Kontrollverlust einen Schaden darstellen soll, welcher über eine bloße negative Folge hinausreicht.
48
Der Kläger hat in seiner informatorischen Anhörung ausgeführt, dass er einen Artikel gesehen habe, indem mitgeteilt wurde, dass deutsche Telekommunikationsunternehmen mit Sammelklagen verklagt werden, weil sie Daten weitergegeben haben. Dabei sei er auf den Anbieter von Legalbird gekommen. Er wisse nicht, welche Daten von ihm weitergegeben worden seien. Die Weitergabe der Daten haben in diesem Fall keine konkreten Auswirkungen auf ihn gehabt. Es hätte aber auch einen Systemfehler geben können, wodurch er möglicherweise einen negativen Score hätte erhalten können oder kein Brot mehr kaufen können. Er finde es unmöglich, dass seine Daten weitergegeben werden, ohne dass er dies explizit unterschrieben habe. Es nerve ihn nur, dass nicht gesagt wurde, was weitergemeldet wurde (Vgl. S. 2 ff. d. Prokokolls).
49
Als Schaden i.S.d. DSGVO kann nicht gewertet werden, dass es grundsätzlich (technische) Systemfehler geben könne, die im konkreten Fall, aber nicht eingetreten sind. Der Kläger hat in der informatorischen Anhörung klar formuliert, dass die Weitergabe der Daten im konkreten Fall keine Auswirkungen auf ihn gehabt haben. Die Ausführungen, dass er in der Vergangenheit als er einen Mobilfunkvertrag abschließen wollte und auf Grund eines Systemfehlers eines Mobilfunkanbieters „als nicht kreditwürdig nach Hause geschickt wurde“ und dies wieder passieren könne, könne nicht als Schaden gewertet werden. Der Kläger habe auch auf Nachfrage des Beklagtenvertreters bestätigt, dass der S. Score die beste Kategorie aufzeige und angefügt: aber wenn ein Fehler passiere, könne sich dies wieder ändern. Es ist schon zweifelhaft, ob diese Behauptung überhaupt ausreichend konkret dargelegt ist, denn die in der Klageschrift aufgeführte Behauptung eines Nachteils durch die S.-Einträge des Klägers ist äußerst pauschal, zumal ihm ein „sehr geringes Risiko“ bescheinigt wurde. Für einen hinreichend substantiierten Vortrag bedürfte es der Darstellung, bis zu welchem Zeitpunkt der Kläger konkret keine negativen Auswirkungen auf seine Bonität erfahren habe und ab welchem Zeitpunkt er in welcher Form konkret negative Auswirkungen auf seine Bonität erfahren habe. Schließlich müssten Anhaltspunkte dafür vorgetragen werden, dass die erfahrenen negativen Auswirkungen in Zusammenhang gebracht werden können mit der Weitergabe der Daten des Abschlusses des Telekommunikationsvertrages mit der Beklagten an die S..
50
Auch der Kausalzusammenhang zwischen der Weitergabe der Positivdaten durch die Beklagte und dem behaupteten Kontrollverlust des Klägers ist nicht nachgewiesen worden. Mit Blick auf den Kontrollverlust als solchen hätte es konkreter Darlegung bedurft, dass bzw. warum der Kläger welche Beeinträchtigungen hierdurch entwickelt hat. Insoweit geht es im Wesentlichen erneut um innere Vorgänge – mit der Folge, dass Beweisanzeichen objektiver Art darzulegen sind (OLG Hamm, Urt. V. 15.08.2023, GRUR 2023, 1791 Rn. 183). Hinsichtlich der Frage der Kausalität kann sich der Kläger nicht auf eine Beweislastumkehr berufen. Die Beweislastumkehr des Art. 82 Abs. 3 DSGVO bezieht sich ausweislich des Wortlautes nur auf die Frage des Verschuldens.
51
Hingegen trägt der Kläger selbst die Beweislast für den Eintritt eines Schadens und die Kausalität (vgl. Slizyk Schmerzensgeld-Handbuch. 20. Auflage 2024, Rn. 244b, m.w.Nachw.). Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung vorgetragen, dass das Problem sei, dass Daten ohne seine konkrete Zustimmung weitergegeben worden seien. Es könnten Systemfehler passieren und dies könnte dann Auswirkungen auf seiner Bonität haben (S. 3 d. Protokolls = Bl. 209 d.A.). Diese vom Kläger behauptete Sorge genügt nicht, um einen Kontrollverlust als immateriellen Schaden zu begründen. Denn auf die hier streitgegenständlichen der S. übermittelten Daten konnte ohnehin nur derjenige zugreifen, der mit dem Kläger kreditrelevante Geschäfte machen will. Es ist gerichtsbekannt und gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, dass man anlässlich einer Kreditanfrage bei einer Bank seine gesamten Einnahmen und Ausgaben offenzulegen hat, einschließlich des Bestehens etwaiger Mobilfunkverträge (vgl. LG Duisburg Urt. v. 28.6.2024 – 1 O 9/24, GRUR-RS 2024, 16550 Rn. 85). Ein Systemfehler bei der Weitergabe der Daten der Beklagten an die S. lag auch nicht vor.
52
2. Ferner kann im Ergebnis dahinstehen, ob neben Art. 82 Abs. 1 DSGVO auch nationales Recht anwendbar ist, oder das nationale Recht von den europarechtlichen Vorschriften der DSGVO verdrängt wird (vgl. hierzu etwa Kühling/Buchner/Bergt, 4. Aufl. 2024, DS-GVO Art. 82 Rn. 67). Denn auch bei der Annahme eines Nebeneinanders hat die Klagepartei mangels restitutionsfähigen Schadens keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte, weder aus §§ 280 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB noch aus einer anderen nationalen Schadensersatznorm (vgl. LG Aachen Urt. v. 10.2.2023 – 8 O 177/22, GRUR-RS 2023, 2621 Rn. 87). Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
53
II. Der unzulässige Unterlassungsantrag zu Ziffer 2) ist überdies unbegründet.
54
1. Der geltend gemachte Unterlassungsantrag ist zu weit gefasst und daher schon aus diesem Grunde unbegründet (vgl. LG Frankfurt a. M. Urt. v. 24.4.2024 – 2-06 O 30/24, GRUR-RS 2024, 8812 Rn. 53). Das Ziel des klägerischen Unterlassungsantrags ist es, rechtlich zulässiges Handeln auszuschließen, indem der Beklagten verwehrt werden soll, die Datenverarbeitung aufgrund eines datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestandes gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) bis f) in rechtmäßiger Weise vorzunehmen. In seinen ersten drei Absätzen betrifft Art. 6 DSGVO Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen in Gestalt der Grundlagen, auf die sich eine Verarbeitung personenbezogener Daten stützen darf und muss (vgl. BeckOK DatenschutzR/Albers/Veit, 49. Ed. 1.8.2024, DS-GVO Art. 6). Der Unterlassungsantrag, der darauf abzielt, bis auf den Tatbestand der Einwilligung sämtliche Tatbestände der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung des Art. 6 DSGVO von vorneherein auszuschließen und ist daher deutlich zu weit gefasst. Dem Kläger geht es hier um ein allgemeines Verbot, und nicht um eine konkrete Verletzungsform im Einzelfall (vgl. OLG Köln Urt. v. 3.11.2023 – 6 U 58/23, GRUR-RS 2023, 34611 Rn. 22). Doch ein berechtigtes Interesse an der Übermittlung von Positivdaten kann nicht von vorneherein und pauschal ausgeschlossen werden. Insbesondere muss es weiter möglich sein, dass eine andere Ausgestaltung des Umgangs mit Positivdaten einem berechtigten Interesse der Beklagten zur Betrugsprävention, die in Erwägungsgrund 46 der DSVGO ausdrücklich erwähnt ist, entsprechen kann (vgl. OLG Köln Urt. v. 3.11.2023 – 6 U 58/23, GRUR-RS 2023, 34611 Rn. 23).
55
2. Weiter steht dem Kläger gemäß §§ 280 241 BGB und §§ 1004 analog, 823 Abs. 1 und aus Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 6 Abs. 1 DSGVO sowie Art. 17 DSGVO gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung zu.
56
Der geltend gemachte Anspruch kann nicht auf Art. 17 DSGVO gestützt werden. Denn der Kläger begehrt keine „Auslistung“, sondern will die Übermittlung von Daten an Kreditauskunfteien (namentlich an die S.) unterbinden lassen. Eine solche Handlung wird von Art. 17 DSGVO überhaupt nicht erfasst (LG Frankfurt a. M. Urt. v. 24.4.2024 – 2-06 O 30/24, GRUR-RS 2024, 8812 Rn. 62).
57
Überdies sind Unterlassungsansprüche nach nationalem Recht, insbesondere ein Anspruch aus den §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der verletzten Norm der DSGVO, wegen der durch die DSGVO unionsweit abschließend vereinheitlichten Regelung des Datenschutzrechts ausgeschlossen (auch hierzu ausdrücklich OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 30.3.2023 – 16 U 22/22, GRUR-RS 2023, 9321). Die Vorlage des BGH vom 26.09.2023 zur Klärung auch dieser Frage ist vom EuGH noch nicht entschieden worden (BGH, EuGH-Vorlage zum Bestehen eines Unterlassungsanspruchs wegen unrechtmäßiger Weiterleitung personenbezogener Daten – Bewerbungsprozess, GRUR 2023, 1724 Rn. 29).
58
Überdies hat die S. im Herbst 2023 die Daten zu Telekommunikationskonten gelöscht (Anlage B2), sodass keine Wiederholungsgefahr gegeben ist.
59
III. Der unzulässige Feststellungsantrag zu Ziffer 3) ist jedenfalls unbegründet. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO sind nicht gegeben, wie oben unter dargestellt worden ist. Ein kausaler Schaden ist nicht nachgewiesen worden. Daher besteht auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass künftig kausale Schäden entstehen werden. Auf die vorstehenden Ausführungen wird im Übrigen Bezug genommen.
60
IV. Der mit dem Klageantrag zu Ziffer 4) geltend gemachte Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist unbegründet, weil dem Kläger schon keine Hauptansprüche zustehen.
C.
61
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
62
II. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO (vgl. allgemein Dölling, NJW 2014, 2468, 2469, wonach – faustformelartig – davon ausgegangen werden könne, dass ab einem Streitwert von über 8.000 Euro die für den Beklagten vollstreckbaren Kosten die Wertgrenze des § 708 Nr. 11 ZPO i.H.v. 1.500 Euro übersteigen).
63
III. Der Streitwert ist auf 7.000,00 EUR festzusetzen.
64
1. Der Streitwert für den Antrag zu Ziffer 1 (Schadensersatz) ergibt sich aus dem vom Kläger vorgestellten Schadensersatzbetrag in Höhe von 5.000,00 € (vgl. nur OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Januar 2023 – 4 AR 4/22 –, Rn. 22, juris).
65
2. Der Streitwert des Antrags zu Ziffer 2 (Unterlassung) ist als nichtvermögensrechtlicher Streitgegenstand anhand des betroffenen Interesses des Klägers zu bestimmen, wobei gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG die Umstände des Einzelfalls zu beachten sind. Hierbei kann das Interesse an der Unterlassung nicht höher eingeschätzt werden als die vermeintlich insgesamt bereits erlittenen Beeinträchtigung (vgl. OLG Hamm Urt. v. 15.8.2023 – 7 U 19/23, GRUR-RS 2023, 22505 Rn. 263). Das Gericht sieht hier einen Streitwert von 1.000,00 Euro als ausreichend an.
66
3. Der Streitwert des Antrags zu Ziffer 3 (Feststellung) orientiert sich grundsätzlich an den Vorstellungen der Klagepartei zum Klagantrag 1, ist aber nur mit einem Bruchteil zu bemessen (so etwa OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Januar 2023 – 4 AR 4/22 –, Rn. 23, juris; LG Ellwangen Urt. v. 25.1.2023 – 2 O 198/22, GRUR-RS 2023, 1146 Rn. 125 ff.; LG Stuttgart Urt. v. 26.1.2023 – 53 O 95/22, GRUR-RS 2023, 1098 Rn. 116; LG Bamberg Endurteil v. 6.6.2023 – 42 O 782/22, GRUR-RS 2023, 13792 Rn. 38). Die Klagepartei bewertet dieses Interesse mit 1.000,00 Euro. Dem wird beigetreten (vgl. LG Heilbronn Urt. v. 10.7.2024 – 5 O 290/23, GRUR-RS 2024, 18322 Rn. 44, beck-online).
67
4. Der Antrag zu Ziffer 4) ist nicht streitwertrelevant.