Titel:
Fehlender Verfügungsgrund bei bereits offline gestelltem Presseartikel
Normenketten:
ZPO § 935
ZPO § 940
Leitsätze:
Zum Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit („Dringlichkeit“) in Pressesachen.
Die für das Eilverfahren erforderliche Eilbedürftigkeit ist von der materiell-rechtlich notwendigen Wiederholungsgefahr zu unterscheiden. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dringlichkeit, Eilbedürftigkeit, Presserecht, presserechtliche Streitigkeit, Veröffentlichungsstreitigkeit, Dringlichkeitsvermutung, Selbstwiderlegung der Dringlichkeit
Vorinstanzen:
OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 08.07.2024 – 6 U 12/24 e
LG Bamberg, Urteil vom 28.02.2024 – 24 O 89/24 eV
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 28099
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 28.02.2024, Aktenzeichen 24 O 89/24 eV, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Bamberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Gründe
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1. Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 28.02.2024, Aktenzeichen 24 O 89/24 eV, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 08.07.2024 Bezug genommen.
2
2. Die Ausführungen der Klägerin in der Stellungnahme vom 24.07.2024 zu dem Hinweisbeschluss des Senats, die der Senat zur Kenntnis genommen und erwogen hat, geben auch nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage keinen Anlass, von der Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege abzusehen.
3
a) Die Ausführungen unter Ziffer 2 Buchstaben a bis d (Seiten 2 bis 8) der Stellungnahme beziehen sich ausschließlich auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr unter verschiedenen Voraussetzungen und liegen daher neben der Sache. Wie der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss ausführlich dargelegt hat, ist die prozessual vorausgesetzte Eilbedürftigkeit von der materiell-rechtlich notwendigen Wiederholungsgefahr zu unterscheiden (Weberling, in: Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 7. Aufl. 2021, Kap. 44 Rn. 15a; OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. November 2018 – 3 W 2064/18, NJW-RR 2019, 105 Rn. 19; OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 2015 – I-16 U 120/15, juris Rn. 7).
4
b) Unrichtig ist zudem die Behauptung der Stellungnahme (dort Seite 2), der Senat habe die Rechtsprechung, es sei mit einer jederzeitigen Wiederholung der beanstandeten Äußerung zu rechnen, „bislang unberücksichtigt“ gelassen. Das Gegenteil ist der Fall, wie die Ausführungen des Senats unter Ziffer II. 2. Buchstaben a und b des Hinweisbeschlusses belegen.
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c) Auch hat der Senat, anders als die Stellungnahme (dort Seite 2) suggeriert, „ein schlichtes Offlinestellen“ eines Artikels gerade nicht für ausreichend erachtet, um die Dringlichkeit zu verneinen, sondern im Gegenteil betont, dies bedürfe im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung (vgl. Ziffer II. 2. Buchstabe b des Hinweisbeschlusses).
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d) Es erschließt sich nicht, weshalb ein Bericht des R. vom ... 2024 Einfluss auf die Eilbedürftigkeit des Streitfalls haben soll. Bei der Berichterstattung der Beklagten vom ... 2024 und vom ... 2024 (vgl. Anlagenkonvolut BK 2) handelt es sich nicht um eine Wiederholung der beanstandeten Berichterstattung, sondern um neue Veröffentlichungen. Auch insoweit ist nicht erkennbar, weshalb die Dringlichkeit des Streitfalls von dieser – nicht verfahrensgegenständlichen – Berichterstattung abhängen könnte.
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e) Der Senat hat in seinem Hinweisbeschluss ausgeführt, eine Gefährdung oder gar Zerstörung der beruflichen und privaten Existenz der Verfügungsklägerin durch die Berichterstattung der Verfügungsbeklagten habe diese „nach den Feststellungen des Landgerichts weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht (LGU, Seite 11)“. Bereits die Berufungsbegründung hat – wie der Senat bereits dargelegt hat – hiergegen nichts vorgebracht. Auch die Stellungnahme führt diesbezüglich lediglich aus, der „vernichtende Charakter der Berichterstattung“ sei „offensichtlich“. Diese Einschätzung teilt der Senat nicht.
8
f) Soweit die Stellungnahme meint, der Senat habe die Berichterstattung in der Printausgabe „völlig unberücksichtigt“ gelassen, ist dies unzutreffend. Wie dargelegt, hat der Senat nicht lediglich das „Offlinestellen“ der Onlineberichterstattung für den Wegfall der Eilbedürftigkeit ausreichen lassen. Er hat entscheidend darauf abgestellt, dass die Verfügungsbeklagten mitgeteilt haben, die beanstandete Berichterstattung sei insgesamt „obsolet“. Für die Ernsthaftigkeit dieser Erklärung hat der Senat das Offlinestellen der Onlineberichterstattung als Indiz herangezogen. Die Erklärung der Beklagten bezog sich indes sowohl auf die Print- als auch die Onlineberichterstattung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
10
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 713 ZPO.