Titel:
Verletzung des Auskunftsanspruchs begründet keinen Schaden
Normenketten:
DSGVO Art. 15, Art. 17, Art. 82 Abs. 1
BGB § 362
Leitsätze:
1. Ein Auskunftsanspruch ist grundsätzlich i.S.v. § 362 Abs. 1 BGB dann erfüllt, wenn die getätigten Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist damit ausschließlich die – gegebenenfalls konkludente – Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig sei. (Rn. 45 – 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Annahme eines Erklärungsinhalts, wonach die erteilte Auskunft vollständig ist, setzt voraus, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehrens vollständig abdecken soll. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Auskunft in weitergehendem Umfang nicht begründen. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Schadenersatzpflicht in Art. 82 DSGVO knüpft an die Entstehung eines Schadens durch die Verarbeitung von Daten an. Demgegenüber ist die bloße Verletzung des Auskunftsanspruchs, der regelmäßig im Nachgang zu einer Datenverarbeitung erfolgt und dem Betroffenen hinsichtlich der Datenverarbeitung in die Lage versetzen soll, sich selbst ein Bild über eine möglicherweise rechtswidrig erfolgte Datenverarbeitung und seine Betroffenheit hiervon zu machen, nicht geeignet, einen eigenen Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO zu begründen. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zulässigkeit, Internationale Zuständigkeit, Sachliche Zuständigkeit, Örtliche Zuständigkeit, Unbegründetheit der Klage, Schadensersatzanspruch
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 25546
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.400,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert wird auf 7.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft und Löschung wegen behaupteter Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geltend.
2
Die Beklagte betreibt ein Unternehmen in Form einer juristischen Person des Privatrechts nach dem Recht der Republik Irland mit Sitz in D., Irland. Im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit betreibt sie die F.-Plattform, die über die von ihr betriebene Webseite www.f.com sowie über Anwendungen für Mobiltelefone und Tablet PCs zugänglich ist und die I.-Plattform, die über die von ihr betriebene Webseite www...com und über Anwendungen für Mobiltelefone und Tablet PCs aufgerufen werden kann.
3
Bei der (erstmaligen) Registrierung auf den vorgenannten Plattformen müssen zukünftige Nutzer persönliche Daten, für die Registrierung auf F. Namen, alternativ email-Adresse oder Telefonnummer, Alter und Geschlecht, für die Registrierung auf I.Nutzernamen, alternativ email-Adresse oder Telefonnummer und Alter angeben. Die Mitteilung weiterer persönlicher Informationen beispielsweise über persönliche Interessen und Hobbys ist möglich, aber für eine Registrierung nicht erforderlich.
4
Vor der Registrierung eines Kunden der F.-wie auch der I.-Plattform werden künftige Nutzer aufgefordert, von den Nutzungsbedingungen der jeweiligen Plattformen Kenntnis zu nehmen und diesen zuzustimmen. Die jeweiligen Nutzungsbedingungen werden regelmäßig aktualisiert.
5
Für die Nutzungsbedingungen der F. Plattform liegen im maßgeblichen Zeitraum 4 Fassungen vom 19.04.2018, 31.07.2019, 20.12.2020 und 04.01.2022 (Anlage B9) vor. Für die Nutzungsbedingungen der I.-Plattform liegen im streitgegenständlichen Zeitraum 5 Fassungen vom 19.04.2018, 20.12.2020, 04.01.2022, 26.07.2022 und 05.07.2023 (Anlage B 11) vor.
6
Die jeweiligen Nutzungsbedingungen enthalten detaillierte Informationen darüber, wie die jeweiligen Dienste personenbezogene Daten verwenden und warum diese Daten benötigt werden, um die den Nutzern angezeigten Inhalte zu personalisieren. Sie enthalten darüber hinaus einen Link zur Datenschutzrichtlinie der Beklagten die in dem streitgegenständlichen Zeitraum in 5 Fassungen vom 19.04.2018, 21.08.2020, 04.01.2022, 01.01.2023 und 15.06.2023 (Anlage B 12) vorliegt.
7
Die Beklagte bietet ihren Nutzen Einstellungsmöglichkeiten an, mit denen sie die Verwendung ihrer personenbezogenen Daten nachvollziehen und steuern können. Auf die Darstellung in der Klageerwiderung vom 08.01.2024 Seite 20 folgende (Blatt 66 folgende der Akte) wird Bezug genommen.
8
Der Nachrichtendienst W. wird für Nutzer im europäischen Raum und damit auch für Nutzer in Deutschland von der W. Ireland Limited, einer juristischen Person des Privatrechts nach dem Recht der Republik Irland mit Sitz in Dublin betrieben.
9
Die Beklagte nutzt die ihr zustehenden Informationen über einen Nutzer, die diese der Beklagten beispielsweise im Rahmen der Registrierung unmittelbar selbst zur Verfügung stellt, Daten, die aufgrund der Aktivitäten des jeweiligen Nutzers auf den Plattformen gesammelt werden und Daten die die Beklagte von Dritten erhält, um personalisierte Dienste anzubieten, insbesondere den Nutzern bei der Nutzung der Plattformen personalisierte Werbung zukommen zu lassen. Zu diesem Zweck stellt die Beklagte Werbetreibenden akkreditierte Informationen über die Wirkung einer Werbeanzeige bei unterschiedlichen demographischen Gruppen zur Verfügung.
10
Die Beklagte begann ab dem 03.11.2023 mit der Einführung des Einwilligungsmodells in Europa. In diesem Rahmen besteht für Nutzer der Plattformen die Möglichkeit entweder in die Verwendung ihrer Daten für Werbeanzeigen auf dem Plattformen durch die Beklagte einzuwilligen, die Plattformen gegen Zahlung eines Entgelts werbefrei zu nutzen oder die Plattformen zu verlassen.
11
Der Kläger ist auf der F.-Plattform unter der email-Adresse p@web.de registriert. Er hat im Rahmen der Registrierung auch die sonstigen geforderten Daten zutreffend angegeben und den Nutzungsbedingungen der Beklagten zugestimmt. Er hat in die Verarbeitung seiner Daten zu Werbezwecken am 27.12.2023 eingewilligt und hierbei u.a. auf die Aufforderung der Beklagten, „Um unsere Punkte kostenfrei mit Werbung zu verwenden, stimme bitte zu, dass Meta deine Informationen zu folgenden Zwecken verwendet: weiterhin Informationen aus deinen Konten in dieser Kontenübersicht zu verwenden, um dir Werbung zu zeigen …“ seine Zustimmung erteilt.
12
Der Kläger hat die Beklagte mit außergerichtlichen Schreiben vom 15.02.2023 erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz, zur Unterlassung zukünftiger Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Klägerseite zu Zwecken zielgerichteter Werbung sowie zur Auskunft entsprechend dem Klageantrag aufgefordert.
13
Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtlich mit dem als Anlage B 27 vorgelegten Schreiben vom 16.10.2023 und dem als Anlage B 32 vorgelegten Schreiben vom 22.05.2024, auf die Bezug genommen wird, Auskünfte unter anderem über die Verwendung personenbezogener Daten erteilt.
14
Der Kläger trägt vor, auf der I.-Plattform unter der E-Mail Adresse zur … registriert zu sein.
15
Nachdem der Kläger zunächst behauptet hatte, die Beklagte würde von ihr gesammelte personenbezogene Daten an Dritte verkaufen (Klageschrift vom 27.06.2023, Seite 10-Platz 10 der Akte) trägt er zuletzt vor, dass „der Wert der personenbezogenen Daten an Dritte verkauft wird“ und es „dürften auch Meta-Daten und technische Daten übergeben werden, soweit dies notwendig ist.“ (Schriftsatz vom 09.02.2024 Seite 17-Blatt 141 der Akte).
16
Der Kläger behauptet, die W. Ireland Limited als Betreiberin des W.-Dienstes tausche von ihr erhobene Daten mit der Beklagten aus, die anschließend durch die Beklagte verarbeitet würden.
17
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte zur Verarbeitung personenbezogener Daten zu Werbezwecken weder unter dem Gesichtspunkt der Vertragserfüllung des F.-oder I.-Vertrags, noch wegen eines berechtigten Interesse berechtigt sei.
18
Ihm stehe aus Art. 15 Absatz 1 lit. c Alternative 1 DSGVO ein Auskunftsanspruch gegenüber der Beklagten hinsichtlich der Empfänger seiner personenbezogenen Daten zustehe.
19
Er habe darüber hinaus als Betroffener der Datenverarbeitung der Beklagten gegen diese einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGV wegen verschiedener Pflichtverletzungen der Beklagten unter anderem aus Art. 6 und 15 DS GVO. Der Klägerseite sei durch die Datenverarbeitung der Beklagten ein immaterieller Schaden entstanden, für den ein Schadenersatz in Höhe von mindestens 1.500 € angemessen sei.
20
Die Beklagte erstelle darüber hinaus unberechtigterweise Persönlichkeitsprofile, die ebenfalls den von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruch rechtfertigten.
21
Der von ihm geltend gemachte Löschungsanspruch beruhe auf Art. 17 Absatz 1d DSGVO und werde allein hinsichtlich der Daten, die allein für Zwecke personalisierter Werbung verarbeitet worden seien, jedoch nicht die Daten, die zum Betrieb der Plattform notwendig seien, geltend gemacht.
22
Die Beklagte stellte zunächst unter Ziffer 3 der von ihr gestellten Sachanträge nachfolgenden Antrag:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft, oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, personenbezogene Daten der Gläubigerseite wie beispielsweise Telefonnummer, F.ID, Familiennamen, Vornamen, Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt, Beziehungsstatus und Nutzungsverhalten ohne Einholung einer Einwilligung der Gläubigerseite oder Erfüllung der gesetzlichen Erlaubnistatbestände zu Werbezwecken zu verarbeiten.
23
Mit Schriftsatz vom 09.02.2024 hat der Kläger den vorgenannten Sachantrag in der nachfolgend dargestellten Form abgeändert und den Rechtsstreit, soweit der zunächst gestellte Sachantrag in dem nachfolgenden Sachantrag nicht enthalten war, für erledigt erklärt. Für den Fall, dass der Rechtsstreit von der Beklagtenseite nicht ebenfalls für erledigt erklärt werden sollte, sollte festgestellt werden, dass die Klage sich insoweit erledigt hat, als dass die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der fortdauernden Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von dem im Nutzerprofil der Klägerseite gespeicherten Daten („Profildaten“ wie beispielsweise Telefonnummer, F.ID, Familienname, Vorname. Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt, Beziehungsstatus) zu Werbezwecken ohne Einwilligung beantragt worden ist.
24
Der Kläger stellte zuletzt nachfolgende Anträge:
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über die die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten zu erteilen, die die Beklagte in Zusammenhang mit der individualisierten Werbung verarbeitet, namentlich:
a) Welche die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten werden zu Werbezwecken verarbeitet?
b) Wie oft wurden die oben genannten Daten jeweils verarbeitet?
c) Welche die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten werden zu Werbezwecken an Dritte weitergeleitet oder auf welche andere Weise werden der Klägerseite nach ihren Daten spezifizierte Werbeanzeigen zugespielt?
d) Im Falle der Weiterleitung von Daten an Dritte: Wann – zu welchem Zeitpunkt oder in welchem Zeitraum – sind diese die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten weitergeleitet worden?
e) Im Falle der Weiterleitung von Daten an Dritte: Wie oft wurden diese die Klägerseite betreffenden, personenbezogenen Daten an Dritte weitergeleitet?
f) Im Falle der Weiterleitung von Daten an Dritte: Wurden personenbezogene Daten zu Werbezwecken in ein Drittland übermittelt und welche geeigneten Garantien gemäß Artikel 46 DSGVO bestanden dafür?
g) Im Falle keiner Weiterleitung an Dritte, sondern eigener Verarbeitung zu Werbezwecken: Wie, also nach welchem (technischen) Verfahren, werden die personenbezogen Daten der Klägerseite zu Werbezwecken ausgewertet?
h) Welche Daten werden zu zielgerichteten Werbezwecken (targeted advertising) bei der Benutzung von W. gesammelt?
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite als Ausgleich für Datenschutzverstöße einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 1.500 EUR aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die im Zeitraum zwischen dem 25.05.2018 und dem 6.11.2023 zum Nutzungsverhalten der Klägerseite erfassten personenbezogenen Daten
a. zu löschen, soweit die Daten ausschließlich zu Werbezwecken verarbeitet werden,
b. auf andere Verarbeitungszwecke als Werbezwecke einzuschränken, soweit die Daten zur Plattformnutzung notwendig sind.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,67 EUR zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
25
Die Beklagte hat der teilweisen Erledigungserklärung der Klägerin zugestimmt und beantragt im Übrigen Klagabweisung.
26
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die von ihr praktizierte Verarbeitung von personenbezogenen Daten zum Zwecke personalisierter Werbung im streitgegenständlichen Zeitraum bis 05.04.2023 durch die Erforderlichkeit zur Vertragserfüllung, vom 05.04.2023 bis Anfang November 2023 durch ein berechtigtes Interesse und seither durch eine Einwilligung gestützt sei.
27
Die Beklagte vertritt die Auffassung, mit ihren außergerichtlichen Schreiben der sie treffenden Auskunftsverpflichtung nachgekommen zu sein. Der Auskunftsanspruch der Klägerseite sei deswegen unberechtigt, weil er unzutreffenderweise die Annahme zugrunde lege, die Beklagte gebe personenbezogene Daten an Dritte weiter. Soweit die Beklagte Informationen für Werbetreibende bereit stelle, gebe sie keine Informationen weiter, die dazu verwendet werden könnten einzelne Nutzer ihrer Plattformen zu identifizieren.
28
Nach Auffassung der Beklagten stehen dem Kläger ihr gegenüber wieder der ursprünglich gemachte Unterlassungsanspruch noch der nunmehr streitgegenständliche Löschung-/Beschränkungsanspruch zu. Der Kläger habe mit der von ihm wirksam erteilten Einwilligung auch in die weitere Verarbeitung der bereits vorliegenden, in der Vergangenheit erhobenen Daten eingewilligt, was einem entsprechenden Anspruch entgegenstehe.
29
Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch scheitere daran, dass dem Kläger kein Schaden erwachsen sei.
30
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wieder die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
31
Das Gericht hat mündlich zur Sache verhandelt. Der Kläger ist trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens zu dem Termin nicht erschienen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2024 (Blatt 213/215 der Akte) wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
32
Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet. Dem Kläger stehen die von ihm zuletzt geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte nicht zu.
33
1.1 Das Landgericht Ingolstadt ist international, sachlich und örtlich zuständig.
34
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 6 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 Alt. 2. EuGVVO (Brüssel Ia-VO). Gemäß Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.
35
Der Kläger ist gemäß Art. 17 Abs. 1 EuGVVO Verbraucher. Er gibt an, einen Nutzungsvertrag mit der Beklagten geschlossen zu haben über die Nutzung der Social-Media-Plattform F. mittels eines Benutzerkontos zu privaten Zwecken. Der Kläger hat seinen Wohnort in Ingolstadt, woraus sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt.
36
Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Ingolstadt folgt aus §§ 23 Nummer 1, 71 Abs. 1 GVG, wobei das Gericht einen Streitwert von mehr als 5.000 € zugrunde legt.
37
Die örtliche Zuständigkeit folgt aus Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO. Danach kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Das Landgericht ist unabhängig davon nach Art. 79 Abs. 2 S. 2 DSGVO, § 44 Abs. 1 S. 2 BDSG örtlich zuständig (besonderer Gerichtsstand). Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Ingolstadt und damit im Bezirk des angerufenen Gerichts.
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1.2 Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite sind die von der Klägerseite gestellten Sachanträge hinreichend bestimmt.
39
Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (s. nur BGH 21.11.2017, II ZR 180/15, NJW 2018, 1259 Rn. 8 m.w.N.).
40
Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite kann die Bestimmtheit des Klageantrags zu 2) nicht mit der Behauptung der Beklagtenseite, es handele sich um unterschiedliche Lebenssachverhalte, deren Verhältnis zueinander unklar sei und die in einem unzulässigen Alternativverhältnis zueinander stünden, infrage gestellt werden. Nach Auffassung des Gerichts richtet sich der Einwand der Beklagtenseite nicht gegen die Bestimmtheit des Klageantrags im Sinne des § 253 Abs. 2 Nummer 2, 2. Alternative ZPO, sondern gegen die durch § 253 Abs. 2 Nummer 2, 1. Alternative zwingend vorgeschriebene Bezeichnung des Gegenstands und Grund des Anspruchs und damit des dem Klageanspruch zugrundegelegten tatsächlichen Sachverhalts.
41
Soweit die Beklagtenseite ihre Auffassung, es lägen mehrere Lebenssachverhalte vor, auf die von der Klägerseite behauptete Verletzung mehrerer Vorschriften der DSGVO stützt, handelt es sich um rechtliche Qualifizierungen, die nicht zum Lebenssachverhalt gehören. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite wird von der Klägerseite lediglich ein Lebenssachverhalt beschrieben, der den Zeitraum von der Registrierung bis hin zur behaupteten Schädigung in der Gegenwart mitumfasst und durch die bestehenden vertraglichen Beziehungen betreffend die Nutzung der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Dienste verbunden wird. Auf Grundlage des vorstehenden Sachverhalts entwickelt die Klägerseite den von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruch. Die von der Beklagtenseite geäußerten Zweifel hinsichtlich des Umfangs der Rechtskraft vermag das Gericht ebenso wenig zu teilen wie den Einwand, dass das Kostenrisiko in unzulässiger Weise auf die Beklagte abgewälzt wird. Dem Kostenrisiko dürfte angesichts des mit dem Klageantrag zu 29 verfolgten überschaubaren Betrags ohnehin keine gesteigerte Bedeutung zukommen.
42
2. Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet.
43
2.1 Die Klage ist bereits insoweit unbegründet, als die Klägerseite ihre Ansprüche darauf stützt, dass sie die I.-Plattform benutzt, mit der Beklagten einen diesbezüglichen Nutzungsvertrag abgeschlossen hat und hierbei personenbezogene Daten verarbeitet worden sein sollen. Die Beklagte ist der diesbezüglichen Behauptung der Klägerseite entgegengetretenund diese hat für die Benutzung der I.-Plattform durch den Kläger keinen Beweis angetreten.
44
2.2 Die klägerischen Ansprüche sind aber auch im Hinblick auf die Nutzung der von der Beklagten betriebenen F.-Plattform nicht gegeben.
45
2.2.1 Dem Kläger steht der von ihm geltend gemachte Auskunftsanspruch in Form der Fragen nach Ziffer 1 lit a) bis h) aus Art. 15 DSGVO nicht zu. Der Auskunftsanspruch ist zum Teil bereits durch Erfüllung mit den als Anlage B27 bzw. B32 vorgelegten Schreiben der Beklagten nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen oder hat in Form der gewählten Fragestellung gegenüber der Beklagten von Anfang an nicht bestanden.
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Der Auskunftsanspruch nach Ziffer 1 Buchstaben a) und c) ist durch Erfüllung erloschen.
47
Erfüllt im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB ist ein Auskunftsanspruch grundsätzlich dann, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Auskunft in weitergehendem Umfang nicht begründen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die – gegebenenfalls konkludente – Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig sei. Die Annahme eines derartigen Erklärungsinhalts setzt demnach voraus, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehrens vollständig abdecken soll (LG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 8. Februar 2024 – 8 O 212/23 – Rn. 112, juris unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 03.09.2020 – III ZR 136/18 = GRUR 2021, 110).
48
Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Gerichts hinsichtlich der vorgenannten Fragestellungen 1a) und c) gegeben.
49
Die Beklagte hat zu Frage 1 a) in den außergerichtlichen Schreiben und auch im Rahmen der Klageerwiderung vom 08.01.2024, dort Seite 71 unten (Blatt 119 der Akte) mitgeteilt, dass Informationen darüber, welche personenbezogenen Daten die Beklagte verarbeitet, in der Datenschutzrichtlinie unter der Überschrift „Welche Informationen erheben wir?“ und Informationen darüber, wie die erhobenen Informationen verwendet werden, unter der Überschrift „Wie verwenden wir deine Informationen?“ erteilt werden.
50
Die Frage zu Ziffer 1c) der Klagepartei betreffend die Weiterleitung von Daten an Dritte zu Werbezwecken wurden von der Beklagtenseite mit Antwortschreiben vom 05.06.2023 (Anlage B27) und auch in der Klageerwiderung (Blatt 118 der Akte) damit beantwortet, dass die Beklagte im Rahmen der streitgegenständlichen Verarbeitung keine Informationen zu Werbezwecken an Werbetreibende weitergebe, die Nutzer persönlich identifizieren, wenn nicht der Nutzer in die Weitergabe seiner Daten an einen bestimmten Werbetreibenden eingewilligt habe.
51
Die Beklagte hat sowohl in den außergerichtlichen Schreiben, spätestens aber mit dem im Verfahren vorgebrachten Erfüllungseinwand zumindest konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie die an sie herangetragenen Fragestellungen vollständig beantwortet hat.
52
Mit der Beklagtenseite geht das Gericht davon aus, dass der Klägerseite der von ihr geltend gemachte Auskunftsanspruch in Form der Fragen 1b), d) und e) nicht zusteht. Soweit der Klägerseite ein Auskunftsanspruch über die grundlegende Auskunft, ob überhaupt personenbezogene Daten der Klägerseite verarbeitet wurden, zusteht, bemisst sich dessen Inhalt nach Art. 15 Abs. 1, 2. Halbsatz DSGVO. Die vorgenannten Fragestellungen beziehen sich nicht auf die Inhalte der vorgenannten Vorschrift.
53
Ergänzend weist das Gericht darauf hin, das ohnehin fraglich scheint, ob über die Fragen 1 d) bis f) überhaupt noch zu entscheiden ist. Diese wurden ausweislich der Fragestellung der Klägerseite unter der Bedingung gestellt, dass die Beklagte personenbezogene Daten des Klägers an Dritte weiterleitet, was nach deren Auskunft, die von der Klägerseite nicht bestritten wurde, nicht der Fall ist.
54
Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgt, ist der Antwort der Beklagtenseite, dass nämlich keinerlei von ihr erhobene personenbezogene Daten des Klägers an Dritte weitergeleitet wurden, zumindest mittelbar auch als Antwort auf die Fragen zu verstehen, womit diese erfüllt wurden sind und ein eventuell bestehender Anspruch nach § 362 Abs. 1 BGB – auch für die Frage 1f) – erloschen ist.
55
Die unter 1h) von der Klägerseite verfolgte Fragestellung scheitert bereits an der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten. Der der Klägerseite zustehende Auskunftsanspruch besteht alleine gegenüber dem Verantwortlichen im Sinne des Art. 4 Nummer 7 der DSGVO. Verantwortliche im Sinne der vorgenannten Vorschrift für die im Rahmen der Nutzung des Nachrichtendienstes W. erhobenen personenbezogenen Daten und deren Verarbeitung ist der Betreiber des Nachrichtendienstes, die W. Ireland Limited und nicht die Beklagte.
56
Soweit die Klägerseite den Datenaustausch zwischen der W. Ireland Limited und der Beklagten in Vergangenheit und Gegenwart behauptet (Replik vom 09.02.2024 Seite 17-Blatt 141 der Akte), und diese damit zu einem Datenverarbeiter und Verantwortlichen im Sinne von Art. 4 Nummer 7 DSGV machen möchte, bleibt sie angesichts des insoweit substantiierten Bestreitens der Beklagten jeglichen Sachvortrag dazu, woher sie ihre Behauptung nimmt, geschweige denn einen Beweis für die vorgenannte Behauptung schuldig.
57
2.2.2 Die Klage ist hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs unbegründet.
58
Die Voraussetzungen für den vom Kläger geltend gemachten Geldentschädigungsanspruch in Bezug auf einen ihm zugefügten immateriellen Schaden liegen nach Auffassung der Kammer nicht vor. Das Gericht konnte sich allein auf Grundlage des schriftsätzlichen Vorbringens keine Überzeugung vom Vorhandensein eines immateriellen Schadens bilden.
59
Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.
60
Der Begriff des Schadens ist in diesem Zusammenhang im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2021 (BVerfG, 1 BvR 2853/19, juris) autonom auszulegen, ohne dass es darauf ankommt, ob ein bestimmter Schaden nach nationalem Recht als Schaden angesehen werden könnte (OLG Celle, Urteil vom 22. September 2022 – 11 U 107/21 –, Rn. 123 m.w.N., juris).
61
Nach Auffassung der Kammer ist für den erforderlichen Schadenseintritt der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO nicht ausreichend. Der Schaden ist nicht mit der zugrundeliegenden Rechtsgutsverletzung gleich zu setzen (OLG Frankfurt, Urteil vom 14. April 2022 – 3 U 21/20 –, Rn. 43, juris; OLG Celle, Urteil vom 22. September 2022 – 11 U 107/21 –, Rn. 129, juris). Es bedarf vielmehr des Nachweises eines von der zugrunde liegenden Rechtsgutsverletzung zu unterscheidenden konkret entstandenen Schadens (OLG Frankfurt, Urteil vom 2. März 2022 – 13 U 206/20 –, Rn. 70, juris).
62
Hierfür spricht bereits der Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DSGVO, der über den Verstoß hinaus ausdrücklich die Entstehung eines Schadens voraussetzt. Diesem Verständnis steht auch Erwägungsgrund 146 zur DSGVO nicht entgegen. In dem Erwägungsgrund 146 S. 3 zu der DS-GVO heißt es zwar, dass der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden soll, die den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entspricht. Der Anspruch soll nach Erwägungsgrund 146 S. 6 sicherstellen, dass die betroffenen Personen einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Das schließt ein, dass Schadensersatzforderungen abschrecken und weitere Verstöße unattraktiv machen sollen (OLG Frankfurt, Urteil vom 2. März 2022 – 13 U 206/20 –, Rn. 70, juris). Andererseits spricht Satz 1 davon, das „Schäden, die … entstehen“ ersetzt werden sollen und wiederholt damit die Formulierung in § 82 DSGVO.
63
Umgekehrt führt der fehlende Hinweis in den Vorschriften der DSGVO und den maßgeblichen Erwägungsgründen darauf, dass Bagatellschäden nicht auszugleichen wären, dazu, dass der Nachweis eines tatsächlich erlittenen Schadens erforderlich ist, um ein vom Verordnungsgeber nicht gewolltes Ausufern von Schadensersatzforderungen in allen Fällen eines – tatsächlich für den Betroffenen folgenlosen – Datenschutzverstoßes zu vermeiden (OLG Frankfurt, Urteil vom 2. März 2022 – 13 U 206/20 –, Rn. 73, juris).
64
Auch die Aufzählung der durch die Datenschutzverletzung möglichen Schäden im Erwägungsgrund 85 Satz 1 macht deutlich, dass der Schaden mit der Datenschutzverletzung nicht identisch ist, zumal durchaus denkbar ist, dass eine Datenschutzverletzung nicht zum Eintritt eines der benannten Schäden führt. Vor diesem Hintergrund muss in jedem Einzelfall betrachtet werden, ob ein Schaden überhaupt entstanden ist (OLG Celle, Urteil vom 22. September 2022 – 11 U 107/21 –, Rn. 135, juris).
65
Gegen eine Ausdehnung des immateriellen Schadensersatzes spricht auch das erhebliche Missbrauchsrisiko, das mit der Schaffung eines lediglich auf einen Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO beschränkten und im übrigen voraussetzungslosen Schmerzensgeldanspruchs gerade im Bereich des Datenschutzrechts einherginge (für Bagatellschäden: OLG Dresden, Beschluss vom 11. Juni 2019 – 4 U 760/19 –, Rn. 13, juris).
66
Bei der Beurteilung, ob ein konkreter (immaterieller) Schaden entstanden ist, hat das Gericht einzelfallbezogen zu beurteilen, ob durch die DSGVO-Verletzung eine durchschnittlich im Datenschutz sensibilisierte Person solch negative Gefühle entwickeln würde, die über jene hinausgehen, welche man automatisch entwickelt, wenn ein Gesetz zu seinen Ungunsten verletzt wird. Der Geschädigte muss daher einen solchen Nachteil erlitten haben, dem infolge der Beeinträchtigung der Interessen ein Gewicht zukommen muss. Nicht schon jeder, allein durch die Verletzung an sich hervorgerufene Ärger oder sonstige Gefühlsschaden ist auszugleichen, sondern nur ein darüberhinausgehendes besonderes immaterielles Interesse. Entscheidend ist, dass die Datenschutzverletzung über eine individuell empfundene Unannehmlichkeit hinausgeht oder das Selbstbild oder Ansehen einer Person ernsthaft beeinträchtigt (OLG Celle, Urteil vom 22. September 2022 – 11 U 107/21 –, Rn. 137, juris).
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Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze konnte sich das Gericht vom Vorhandensein eines dem Kläger entstandenen konkreten immateriellen Schadens keine Überzeugung bilden.
68
Die Klägerseite hatte zunächst zudem hinsichtlich des dem Kläger entstandenen Schaden nur in einer pauschalen Art und Weise vorgetragen. Diesem zufolge löste die aus ihrer Sicht unerlaubte Verarbeitung von Daten für den Zweck zielgerichteter Werbung durch die Beklagte „nicht nur das ungute Gefühl permanenter Überwachung in ihrer teilweise die eigene Intimsphäre berührenden Nutzung der sozialen Netzwerke der Beklagten aus, sondern führt zu erheblichen Ärger über dieses Verhalten der Beklagten.“(Klageschrift vom 27.06.2023, Seite 18-Blatt 18 der Akte).
69
Das Gericht geht davon aus, dass die von der Klägerseite allein schriftsätzlich geschilderten Umstände nur dann einen Ersatzpflichtigen Schaden begründen können, wenn der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Geschädigte eine psychische Beeinträchtigung erlitten hat. Diese Voraussetzung wird durch ein behauptetes „ungutes Gefühl“ oder einen „erheblichen Ärger“ nicht erfüllt.
70
Die oben genannten negativen Befindlichkeiten des Klägers sind für das Gericht aber auch deswegen nicht nachvollziehbar, weil der Kläger trotz der ihm spätestens im laufenden Verfahren bekannt gewordenen Vorgehensweise der Beklagten keine Veranlassung gesehen hat, auf das Angebot der Beklagten ein zu gehen, ein kostenpflichtiges Abonnement bei ihr in Anspruch zu nehmen, in dessen Rahmen die Verarbeitung personenbezogener Daten nicht mehr erfolgt, sondern vielmehr in die Vorgehensweise der Beklagten nunmehr ausdrücklich seine Einwilligung erteilt hat.
71
Soweit sich der Beklagte hinsichtlich der Schadensentstehung auch auf die aus seiner Sicht erfolgte Verletzung der Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO beruft, vermag auch dies den von ihm behaupteten Schadensersatzanspruch nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Schadenersatzpflicht in Art. 82 DSGV O knüpft, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, an die Entstehung eines Schadens durch die Verarbeitung von Daten an. Demgegenüber ist die bloße Verletzung des Auskunftsanspruchs, der regelmäßig im Nachgang zu einer Datenverarbeitung erfolgt und dem Betroffenen hinsichtlich der Datenverarbeitung in die Lage versetzen soll, sich selbst ein Bild über eine möglicherweise rechtswidrig erfolgte Datenverarbeitung und seine Betroffenheit hiervon zu machen, nicht geeignet, einen eigenen Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO zu begründen.
72
Entgegen der Auffassung der Klägerseite kann diese einen ihr erwachsenen Schaden auch nicht aus der rechtswidrigen Erstellung von Persönlichkeitsprofilen und einer dadurch bewirkten Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts ableiten. Selbst wenn man die Richtigkeit der Klägerauffassung erstellt, ist die Klägerin in diesem Falle nicht davon entbunden,[xxx] einen ihr daraus erwachsenen materiellen oder immateriellen Schaden dar zu stellen. Eine andere Sichtweise ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerseite zitierten Erwägungsgrund 75. Diesem lässt sich allenfalls entnehmen, dass ein rechtswidrig erstelltes Datenprofil Grundlage eines materiellen und immateriellen Schadens sein kann, ohne den jeweils Betroffenen davon zu entbinden, diesen im Einzelfall konkret darzustellen.
73
Soweit die Klägerseite andere Anspruchsgrundlagen als Art. 82 dieses GVO für sich nutzbar machen möchte, bleibt sie einen substantiierten Sachvortrag zu den von ihr in Anspruch genommenen Rechtsvorschriften und den darin vor gegebenen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch, wie auch die Darlegung eines konkreten der Klägerseite Erwachsenenschadens schuldig. Die Bezugnahme auf einen „Schadensersatzanspruch auf Basis der zitierten Rechtsprechung und Anspruchsgrundlagen“ (Replik vom 09.02.2024 Seite 28 – Blatt 152 der Akte) ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend.
74
2.2.3 Der von der Klägerseite geltend gemachte Löschungsanspruch nach Art. 17 DSGV ist unbegründet.
75
Soweit die Klägerseite mit dem nunmehrigen Klageantrag zu 3a) die Löschung von Daten begehrt, die ausschließlich zu Werbezwecken verarbeitet werden, geht der Löschungsanspruch der Klägerseite bereits deswegen ins Leere, weil nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag der Beklagtenseite die von ihr erhobenen Daten durchgehend auch für andere, auch von der Klägerseite als zulässig erachtete Zwecke verarbeitet werden.
76
Der von der Klägerseite verfolgte Sachantrag zu 3b) ist bereits deswegen unbegründet, weil er mit der eingeschränkten Nutzung eine Rechtsfolge im Ziel hat, die durch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage Artikel 17 DSGVO nicht gewährt wird. Das Gericht vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass die von der Klägerseite verfolgte Einschränkung des Nutzungszwecks im Verhältnis zur Datenlöschung unter dem Gesichtspunkt des „Rechts auf Vergessenwerden“ kein minus darstellt.
77
Mit der Beklagtenseite geht das Gericht im Übrigen davon aus, dass die von der Klägerseite am 27.12.2023 erteilte Einwilligung/Zustimmung nicht nur für die Zukunft Wirkung entfaltet, sondern die Aufforderung der Beklagtenseite, auf die hin die entsprechende Zustimmung erfolgt ist, dahingehend zu verstehen ist, dass die Beklagte auch für die Verwendung der in der Vergangenheit bereits erhobenen Daten weiterhin befugt sein wollte und sollte. Hierzu hat der Kläger seine Zustimmung erteilt.
78
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO.
79
Der Kläger hat auch die Kosten jenes Teils des Rechtstreits zu tragen, der sich erledigt hat. So war der ursprüngliche und nunmehr erledigte Antrag zu Ziffer 3. bereits unzulässig.
80
Ein Unterlassungsantrag muss hinreichend bestimmt sein (zu den Voraussetzungen vgl. 1.2). Aus diesem Grund sind Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit als unzulässig anzusehen. Abweichendes kann gelten, wenn der gesetzliche Verbotstatbestand eindeutig und konkret gefasst ist, sein Anwendungsbereich durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist oder der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er kein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2017 – I ZR 207/14 –, Rn. 18 m.w.N., juris).
81
Der im Antrag wiedergegebene (Verbots-)Tatbestand wiederholt zum Teil wörtlich den Gesetzeswortlaut von Art. 6 Abs. 1 DSGVO und ist nicht ausreichend konkret und eindeutig. Insbesondere fehlt es an einer konkreten Beschreibung der unzulässigen Verhaltensweisen, welche die Beklagte laut Antrag unterlassen solle. Die Vollstreckungsfähigkeit des Antrages erfordert auch eine Darlegung, um welche konkreten Daten es sich handelt, deren Verarbeitung untersagt werden soll (vgl. OLG Dresden Beschl. v. 21.4.2021 – 4 W 239/21, GRUR-RS 2021, 10287 Rn. 10 ff-, juris).
4. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 11 ZPO