Inhalt

LG Aschaffenburg, Endurteil v. 26.08.2024 – 62 O 88/23
Titel:

Keine Begründung eines Schadens bei Missbilligung der Datenverwendung für personalisierte Werbeanzeigen

Normenkette:
DSGVO Art. 15, Art. 82 Abs. 2
Leitsätze:
1. Bei der Bemessung des immateriellen Schadens ist auch zu berücksichtigen, dass die von Art. 82 DSGVO beabsichtigte abschreckende Wirkung nur durch für den Anspruchsverpflichtenden empfindliche Schmerzensgelder erreicht wird, insbesondere wenn eine Kommerzialisierung fehlt. Ein genereller Ausschluss von Bagatellfällen ist damit nicht zu vereinbaren, sodass die Pflicht zur Erstattung immaterieller Schäden nicht auf schwere Schäden beschränkt ist. (Rn. 42 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein eine etwaige Verletzung des Datenschutzrechts als solche begründete – trotz des Fehlens einer Bagatellgrenze – nicht bereits für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für betroffene Personen. Die Verletzungshandlung muss in jedem Fall auch zu einer konkreten Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Personen geführt haben. Insoweit ist die Verletzung der Vorschriften der DSGVO nicht mit einem Schadenseintritt gleichzusetzen. Vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein und es muss um eine objektiv nachvollziehbare, tatsächlich erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das ungute Gefühl des Betroffenen, an einem Geschäftsmodell des Verpflichteten mitzuwirken, mit dem man nicht einverstanden sei, begründet noch keinen Schaden i.S.d. DSGVO, insbesondere dann nicht, wenn der Verpflichtete dem Betroffenen eine (kostenpflichtige) Alternativen zu dem von dem Betroffenen missbilligten Geschäftsmodell zur Verfügung stellt.  (Rn. 54 – 57) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zulässigkeit der Klage, Internationale Zuständigkeit, Sachliche Zuständigkeit, Bestimmtheit des Klageantrags, Auskunftsanspruch, Schadensersatzanspruch, Rechtsschutzbedürfnis
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 25535

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 7.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft und Löschung wegen behaupteter Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) geltend.
2
Die Klagepartei ist Nutzerin der Plattform F. , die durch die Beklagte bereitgestellt wird. Die Dienste der Beklagten ermöglichen es den Nutzern, persönliche Profile für sich zu erstellen und diese mit Freunden zu teilen. Die Klagepartei nutzt F. insbesondere, um mit anderen Personen in Kontakt zu treten, nach eigenen Angaben vor allem mit Verwandten in Ungarn.
3
Hierbei finanziert sich die Beklagte unter anderem mit Werbeeinnahmen, welche aus der Schaltung personalisierter Werbeanzeigen, die auf das Nutzungsverhalten der Netzer abgestimmt sind, generiert werden.
4
Im Rahmen einer Registrierung bei F. gibt der angehende Nutzer Vornamen und Nachnamen, Geburtsdatum und Geschlecht an. Zusätzlich wird er aufgefordert, Handynummer oder E-Mail-Adresse anzugeben (Anlage B 8). Auf der Registrierungsseite findet sich außerdem folgender Passus:
„Indem du auf „Registrieren“ klickst, stimmst du unseren Nutzungsbedingungen zu. In unserer Datenrichtlinie erfährst du, wie wir deine Daten erfassen, verwenden und teilen“.
5
Sowohl die Nutzungsbedingungen als auch die Datenrichtlinie waren auf der Registrierungsmaske verlinkt und einsehbar, bevor der Registrierungsvorgang abgeschlossen wurde. Im maßgeblichen Zeitraum galten 4 Fassungen der F. -Nutzungsbedingungen (Anlage B 9). Im Hilfebereich bzw. in der Datenrichtlinie werden die Nutzer von F. darüber informiert, dass sie Steuerelemente nutzen können, um ihre Konten sicherer zu machen, ihre Werbepräferenzen einzustellen, ihre F. -Daten anzuzeigen oder herunterzuladen oder ihr Konto jederzeit zu löschen. Insgesamt wird Nutzern den Umfang der von der Beklagten angebotenen Dienste und die Bedingungen der Nutzung ebendieser erläutert. Die F. -Nutzungsbedingungen weisen allgemein darauf hin, dass die Beklagte sich dazu bereit erklärt, den Nutzern ein personalisiertes Erlebnis zu bieten, ihre Gemeinschaft zu schützen und zu unterstützen, sowie fortschrittliche Technologien zu nutzen und zu entwickeln, um sichere und funktionale Dienste für Alle bereitzustellen und ihre Dienste zu verbessern (vgl. Anlage B 9 Ziffer 1, „Von uns angebotene Dienste“). Die F. -Nutzungsbedingungen enthalten zudem detaillierte Informationen darüber, wie die Beklagte personenbezogene Daten verwendet und warum diese Daten benötigt werden, um die den Nutzern angezeigten Inhalte zu personalisieren (siehe Anlage B 9, Ziffer 1 „Von uns angebotene Dienste“ und Ziffer 2 „Wie unsere Dienste finanziert werden“).
6
Im Rahmen einer Registrierung bei I. , einer weiteren Plattform der Beklagten, gibt der angehende Nutzer Vornamen und Nachnamen, Geburtsdatum und Geschlecht an. Zusätzlich wird er aufgefordert, Handynummer oder E-Mail-Adresse anzugeben (Anlage B 10). Auf der Registrierungsseite findet sich außerdem folgender Passus: „Indem du auf „Registrieren“ klickst, stimmst du unseren Nutzungsbedingungen zu. In unserer Datenrichtlinie erfährst du, wie wir deine Daten erfassen, verwenden und teilen“ Sowohl die Nutzungsbedingungen als auch die Datenrichtlinie waren auf der Registrierungsmaske verlinkt und einsehbar, bevor der Registrierungsvorgang abgeschlossen wurde. Im maßgeblichen Zeitraum galten 5 Fassungen der I. -Nutzungsbedingungen (Anlage B 11). Die I. -Nutzungsbedingungen enthalten zudem detaillierte Informationen darüber, wie I. personenbezogene Daten verwendet und warum diese Daten benötigt werden, um die den Nutzern angezeigten Inhalte zu personalisieren (siehe Anlage B 11 unter den Überschriften „Der I. -Dienst“ und Ziffer 2 „So wird unser Dienst finanziert“).
7
Der Kläger stimmte diesen Nutzungsbedingungen von F. zu. Die Beklagte teilte ihren Nutzern zunächst mit, die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Schaltung personalisierter Werbung erfolge auf Grundlage des Art. 6 Abs. 1b) DS-GVO, da sie zur Vertragserfüllung erforderlich sei (Anlage B1 9-12, B 21). Die Nutzer mussten für die Nutzung von Instgram oder F. die Bedingungen akzeptieren. Seit dem 05.04.2023 wies die Beklagte ihre Nutzer darauf hin, die Datenverarbeitung erfolge auf Grundlage des Art. 6 Abs. 1f) DS-GVO und bot den Nutzern eine Möglichkeit zur Erklärung eines Widerspruchs gegen die Datenverarbeitung (B 22-24). Hierauf wurde deutlich hingewiesen.
8
Die Beklagte begann ab dem 3. November 2023 mit der Einführung des Einwilligungsmodells in Europa. Die Nutzer wurden über produktinterne Hinweise aufgefordert, entweder in die Verwendung ihrer Daten für Werbeanzeigen auf F. /I. durch die Beklagte einzuwilligen oder die werbefreie F. /I. Version zu abonnieren. Im zweiten Fall verwendet die Beklagte die Nutzerdaten nicht für Werbung. Zuletzt steht es Nutzern frei, sich für keine der beiden Optionen zu entscheiden und stattdessen F. bzw. I. zu verlassen, indem sie ihr(e) Konto(en) löschen, wobei es den Nutzern möglich ist, zuvor ihre Kontoinformationen herunterzuladen (vgl. Anlagen B 28 und 29). Die Datenschutzrichtlinie wurde entsprechend aktualisiert (Anlage B 21) und eine Zustimmungsmaske generiert (Anlage B 22). Am 8. November 2023 hat die Klagepartei in die Verwendung ihrer Daten zu Werbezwecken durch die Beklagte eingewilligt (Anlage B 31). In der mündlichen Verhandlung zeigte der Kläger sich nicht offen für ein Bezahlabo.
9
Am 08.04.2023 (Anlage B 26) forderte die Klagepartei außergerichtlich Auskunft, Schadensersatz und Unterlassung. Am 09.03.2023 erstellte die Beklagte (KGR4) ein Schreiben, in welchem die Vertreter der Beklagten die Kanzlei des Klägers informierten, dass in Erwiderung auf eine Reihe im Wesentlichen gleichlautender Schreiben, die im Namen einer Reihe verschiedener vertretener Mandanten verfasst wurden, man sich nicht fähig sehe, diese innerhalb der gesetzlichen Frist nach Art. 12 Abs. 3 S. 1 DSGVO zu beantworten. Eine Beantwortung innerhalb der Dreimonatsfrist sei vorgesehen. Am 09.10.2023 (Anlage B 27) erfolgte eine weitere Antwort der Beklagten.
10
Der Kläger hat unter dem Klageantrag zu Ziffer 3. zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft, oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, personenbezogene Daten der Gläubigerseite wie beispielsweise Telefonnummer, F. ID, Familiennamen, Vornamen, Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt, Beziehungsstatus und Nutzungsverhalten ohne Einholung einer Einwilligung der Gläubigerseite oder Erfüllung der gesetzlichen Erlaubnistatbestände zu Werbezwecken zu verarbeiten.
11
Mit Schriftsatz vom 07.02.2024 hat er den Antrag umgestellt und im Übrigen für erledigt erklärt. Insoweit soll, soweit es nicht zu einer übereinstimmenden Erledigung kommt, festgestellt werden, dass die Klage sich insoweit erledigt hat, als dass die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der fortdauernden Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von dem im Nutzerprofil der Klägerseite gespeicherten Daten („Profildaten“ wie beispielsweise Telefonnummer, F. ID, Familienname, Vorname. Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt, Beziehungsstatus) zu Werbezwecken ohne Einwilligung beantragt worden ist. Die Beklagte hat der Teilerledigungserklärung der Klagepartei zugestimmt (Schriftsatz vom 15.04.2024). In der Klageschrift trägt der Kläger vor, F. und I. zu nutzen.
12
Die Klagepartei beantragt zuletzt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über die die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten zu erteilen, die die Beklagte in Zusammenhang mit der individualisierten Werbung verarbeitet, namentlich:
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite als Ausgleich für Datenschutzverstöße einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 1.500 EUR aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, die im Zeitraum zwischen dem 25.05.2018 und dem 6.11.2023 zum Nutzungsverhalten der Klägerseite erfassten personenbezogenen Daten
4.
die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,67 EUR zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
13
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung
14
Zum einen könne sie keinen I. -Account des Klägers zu den bislang angegebenen Informationen finden. Sie bestreite daher die Nutzung.
15
Die auf Schadensersatz und Unterlassung gerichteten Klageanträge seien unzulässig, da es an der nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bestimmtheit mangele.
16
Sie meint, die Datenerhebung und -verarbeitung sei rechtmäßig erfolgt und ein Auskunftsanspruch – soweit er bestehe – erfüllt. Ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht, da schon keine Verstöße gegen die DSGVO erfolgt seien. Darüber hinaus sei kein tatsächlicher ersatzfähiger Schaden dargelegt worden. Ansprüche auf Unterlassung seien nicht gegeben, da keine konkreten Verstöße gegen die DSGVO vorliegen würden. Der Löschungsanspruch sei unbegründet, zumal der Kläger in die streitgegenständliche Verarbeitung eingewilligt habe.
17
Für Wh.-A. sei sie nicht zuständig; Der Wh.-A. Dienst werde für Nutzer im europäischen Raum, einschließlich für Nutzer in Deutschland, von der Wh.-A. I. Limited („Wh.-A. I.“), einem Unternehmen nach dem Recht der Republik I. mit Sitz in D., I., betrieben und zur Verfügung gestellt.(Anlage B7)
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und – hinsichtlich der durchgeführten Anhörung des Klägers – auf das Protokoll vom 29.7.2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19
Die zulässige Klage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
A
20
Die Klage ist zulässig.
21
I. Insbesondere ist das Landgericht Aschaffenburg international, örtlich und sachlich zuständig (zum Folgenden etwa LG Stuttgart Urt. v. 26.1.2023 – 53 O 95/22, GRUR-RS 2023, 1098 Rn. 27 ff.).
22
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 6 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO.
23
Ein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß Art. 24 EuGVVO ist nicht ersichtlich. Gemäß Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher – hier der Kläger – seinen Wohnsitz – hier: in der Bundesrepublik Deutschland – hat.
24
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich ferner aus Art. 79 Abs. 2 DSGVO, deren zeitlicher, sachlicher und räumlicher Anwendungsbereich eröffnet ist.
25
Das Landgericht Aschaffenburg ist örtlich zuständig. Das folgt zum einen aus Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO, zum anderen aus Art. 79 Abs. 2 Satz 2 DS-GVO.
26
Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich jedenfalls aus § 39 ZPO, da die Beklagte rügelos zur Hauptsache verhandelt hat.
II.Bestimmtheit des Klageantrages zu 2)
27
Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrages wie des Klagegrundes ist von Amts wegen zubeachten (BGH, Urteil vom 17.01.2023 – VI ZR 203/22, NJW 2023, 1361 Rn. 14). Grundsätzlich istein Klageantrag hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung odergegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennbar sind, das Risiko des (eventuellen teilweisen) Unterliegens des-Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastetwird. Der Klageantrag ist der Auslegung zugänglich, wobei dafür auch die Klagebegründung heranzuziehen ist (Zöller-Greger, ZPO, 34. Aufl., § 253 Rn. 13).
28
Der Klageschrift ist zu entnehmen, dass der Zahlungsantrag sich auf einen zusammenhängenden, wenngleich über einen längeren Zeitraum erstreckenden, aber in sich abgeschlossenen Lebenssachverhalt stützt der im Tatbestand zeitlich beschrieben ist.
29
Da es bei Klagen auf Ausgleich immaterieller Schäden im Hinblick auf die Bemessung durch das Gericht nach billigem Ermessen grundsätzlich – und wie hier – keiner Bezifferung der Leistungsklage bedarf (vgl. ständige Rspr. seit BGH, Urteil vom 13.12.1951 – III ZR 144/50, BGHZ 4, 138, juris Rn. 7), ist es auch ausreichend, dass die Klagepartei ihre Vorstellung des auszusprechenden Entschädigungsbetrages einheitlich auf einen Betrag Mindestbetrag veranschlagt.
30
III. Die mit Schriftsatz vom 07.02.2024 erklärte Änderung des Antrags zu Ziffer 3., soweit er nicht für erledigt erklärt wurde, ist nach Auffassung des Gerichts sachdienlich i.S.v. § 263 ZPO, da der Streitstoff im Wesentlichen verwendet werden kann und der Aspekt der neu erteilten datenschutzrechtlichen Einwilligung des Klägers so miterledigt werden kann.
B.
31
I. Der Klageantrag zu 1. ist unbegründet. Die Klagepartei hat keinen weiteren Auskunftsanspruch gegen die Beklagte. Der ursprüngliche Auskunftsanspruch der Klagepartei aus Art. 15 DSGVO ist teilweise bereits gemäß § 362 Abs. 1 ZPO erloschen. Teilweise ist das klageseits geltend gemachte Auskunftsverlangen nicht vom Anwendungsbereich des Art. 15 DSGVO erfasst.
32
Der Anspruch auf Auskunftserteilung ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 a), c) DSGVO. Hiernach hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie unter anderem ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und über Verarbeitungszwecke, die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden und über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen.
33
Diese Anspruchsvoraussetzungen sind grundsätzlich erfüllt. Die Beklagte ist Verantwortliche im Sinne der Vorschrift, die Klagepartei ist betroffene Person. Zwischen den Parteien ist auch unstreitig, dass personenbezogene Daten des Klägers verarbeitet wurden.
34
a) (Antrag Ziffer 1a): Der von der Klagepartei geltend gemachte Auskunftsanspruch über die die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten, welche die Beklagte im Zusammenhang mit der individualisierten Werbung verarbeitet, wurde bereits erfüllt nach § 362 Abs. 1 BGB. Wie in der Klageerwiderung vom 18.12.2023 unbestritten ausgeführt worden ist, erfolgten die Informationen darüber, welche personenbezogenen Daten die Beklagte verarbeitet, in der Datenschutzrichtlinie unter den Überschriften „Welche Informationen erheben wir?“; „Wie verwenden wir diese Informationen?“; „Wie werden deine Informationen auf Meta-Produkten bzw. mit integrierten Partnern geteilt?“; „Wie lange behalten wir deine Informationen?“; „Wie übermitteln wir Informationen?“; und „Wie reagieren wir auf rechtliche Anfragen, wie halten wir geltendes Recht ein bzw. wie verhindern wir Schäden?“ „(vgl. Anlage B 12). Die Beklagte erläutert unter der Überschrift „Wie verwenden wir deine Informationen?“, wie sie die von ihr erhobenen Informationen verwendet, um ein personalisiertes Erlebnis zu bieten, auch in Form personalisierter Werbung (vgl. Anlage B 12;), unter der Überschrift „Was ist unsere Rechtsgrundlage für die Verarbeitung deiner Informationen? Was sind deine Rechte?“ auch über die Rechte der Nutzer.
35
b) (Antrag Ziffer 1b): Hinsichtlich der Frage zu Ziffer 1b) der Klagepartei, wie oft die oben genannten Daten jeweils verarbeitet worden seien, weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass diese Auskunft zur Häufigkeit der Datenverarbeitung nicht in den Anwendungsbereich von Art. 15 DS-GVO fällt.
36
c) (Antrag Ziffer 1c – g): Die Frage zu Ziffern 1c) – 1g) der Klagepartei betreffend die Weiterleitung von Daten an Dritte zu Werbezwecken wurden von der Beklagtenseite mit Antwortschreiben vom 09.10.2023 (Anlage B 27) damit beantwortet, dass die Beklagte im Rahmen der streitgegenständlichen Verarbeitung keine Informationen zu Werbezwecken an Werbetreibende weitergebe, die Nutzer persönlich identifizieren, wenn nicht der Nutzer in die Weitergabe seiner Daten an einen bestimmten Werbetreibenden eingewilligt habe (B 27 pdf Seite 4). Damit sind diese Fragen beantwortet und der Auskunftsanspruch ist insofern erfüllt i.S.v. § 362 Abs. 1 BGB, wobei es auf eine etwaige inhaltliche Unrichtigkeit nicht ankommt. Es wird dazu auf die nachfolgenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs verwiesen (BGH, Urt. v. 3.9.2020 – III ZR 136/18 GRUR 2021, 110, 114, Rn. 43): „Erfüllt ist der Anspruch, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen (vgl. BGH NJW 2014, 3647 Rn. 17). Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen (vgl. BeckOK BGB/Lorenz § 259 Rn. 12 [Std.: 1.5.2020]; Erman/Artz, BGB, 15. Aufl., § 260 Rn. 16 a; MüKoBGB/Krüger, 8. Aufl., § 259 Rn. 24, § 260 Rn. 43; Staudinger/Bittner/Kolbe, BGB, Neubearb. 2019, § 259 Rn. 32; s. auch schon RGZ 100, 150, 152). Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Rechnungslegung in weitergehendem Umfang nicht begründen, sondern führt lediglich zu einem Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit der erteilten Auskunft gem. § 260 II BGB (z.B. BGH GRUR 1958, 149 [150] – Bleicherde, und GRUR 1960, 247 [248] – Krankenwagen; Erman/Artz, § 260 Rn. 16 a; Staudinger/Bittner/Kolbe § 259 Rn. 32). Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die – gegebenenfalls konkludente – Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (vgl. BGH NZFam 2015, 68 Rn. 18).“
37
d) (Antrag Ziffer 1h): Der Auskunftsanspruch zu Ziffer 1 h) ist mangels Passivlegitimation unbegründet. Betreiber von Wh.-A. ist nicht die Beklagte, sondern die Wh.-A. I. Limited in D. (vgl. Anlage B 7). Darüber hinaus hat die Beklagte mitgeteilt, sie verarbeite keine Daten von europäischen Wh.-A.-Nutzern zum Zweck personalisierter Werbung (Bl. 15 d. Klageerwiderung).
38
II.1. Die Klagepartei hat insbesondere keinen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO.
39
Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Verantwortlicher in diesem Sinne ist gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO jede natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden. Die Beklagte ist Verantwortlicher.
40
Es kann dahinstehen, ob ein Verstoß der Beklagten gegen Art. 6 oder 15 DSGVO überhaupt vorliegt. Denn die Klagepartei hat nicht bewiesen, dass ihr tatsächlich ein immaterieller Schaden entstanden ist.
41
Für den – hier geltend gemachten – immateriellen Schadensersatz gelten dabei die im Rahmen von § 253 BGB entwickelten Grundsätze; die Ermittlung obliegt dem Gericht nach § 287 ZPO (BeckOK-DatenschutzR/Quaas, 43. Ed. 1.2.2023, DS-GVO Art. 82 Rn. 31). Schadenersatzansprüche nach Artikel 82 Absatz 1 DSGVO sind individuell zu prüfen (KG Berlin, Beschluss vom 17.02.2023 – 10 U 146/22). Es können für die Bemessung die Kriterien des Art. 83 Abs. 2 DS-GVO herangezogen werden, beispielsweise die Art, Schwere und Dauer des Verstoßes unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs oder des Zwecks der betreffenden Verarbeitung sowie die betroffenen Kategorien personenbezogener Daten.
42
Zu berücksichtigen ist auch, dass die beabsichtigte abschreckende Wirkung nur durch für den Anspruchsverpflichtenden empfindliche Schmerzensgelder erreicht wird, insbesondere wenn eine Kommerzialisierung fehlt. Ein genereller Ausschluss von Bagatellfällen ist damit nicht zu vereinbaren (BeckOK-DatenschutzR/Quaas, 43. Ed. 1.2.2023, DS-GVO Art. 82 Rn. 31). Die Pflicht zur Erstattung immaterieller Schäden ist daher nicht auf schwere Schäden beschränkt (LG Aachen Urt. v. 10.2.2023 – 8 O 177/22, GRUR-RS 2023, 2621 Rn. 74 m.w.N.). Bestätigt wurde dies jüngst durch eine Entscheidung des EuGH, wonach der Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300, Rn. 43 ff. – juris; vgl. dazu Mörsdorf/Momtazi, JZ 2023, 564, 566).
43
Nach den Erwägungsgründen der europäischen Grundrechtscharta ist der Schadensbegriff weit auszulegen (s. Erwägungsgrund Nr. 146, auch wenn er in der DSGVO nicht näher definiert wird). Schadenersatzforderungen sollen abschrecken und weitere Verstöße unattraktiv machen (Kühling/Buchner/Bergt, 4. Aufl. 2024, DS-GVO Art. 82 Rn. 17). Darüber hinaus sollen die betroffenen Personen einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden haben. Dabei wird vor allem die abschreckende Wirkung des Schadensersatzes betont, welche insbesondere durch seine Höhe erzielt werden soll. Nach den Erwägungsgründen Nr. 75 kann ein Nichtvermögensschaden insbesondere durch Diskriminierung, Identitätsdiebstahl oder -betrug, Rufschädigung, Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden persönlichen Daten oder gesellschaftliche Nachteile eintreten (LG Aachen Urt. v. 10.2.2023 – 8 O 177/22, GRUR-RS 2023, 2621 Rn. 75 m.w.N.).
44
Ein genereller Ausschluss von Bagatellschäden ist im Lichte dieser Erwägungsgründe nicht vertretbar (vgl. LG Essen Urt. v. 10.11.2022 – 6 O 111/22, GRUR-RS 2022, 34818 Rn. 72 ff.). Dies wird auch aus Art. 4 Abs. 3 AEUV abgeleitet, der die Mitgliedsstaaten dazu anhält, Verstöße wirksam mit Sanktionen zu belegen, denn nur so könne man eine effektive Durchsetzbarkeit des EU-Rechts und damit auch der DSGVO erzielen (LG München I, Urteil vom 09.12.2021, Az.: 31 O 16606/20, BKR 2022, 131 Rn. 38; LG Essen Urt. v. 10.11.2022 – 6 O 111/22, GRUR-RS 2022, 34818 Rn. 74).
45
Allein eine etwaige Verletzung des Datenschutzrechts als solche begründete allerdings nicht bereits für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für betroffene Personen. Die Verletzungshandlung muss in jedem Fall auch zu einer konkreten Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Personen geführt haben (LG Aachen Urt. v. 10.2.2023 – 8 O 177/22, GRUR-RS 2023, 2621 Rn. 77). Die Verletzung der Vorschriften der DSGVO ist nicht mit einem Schadenseintritt gleichzusetzen. Es ist zwar keine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts erforderlich. Andererseits ist aber auch weiterhin nicht für jede im Grunde nicht spürbare Beeinträchtigung bzw. für jede bloß individuell empfundene Unannehmlichkeit ein Schmerzensgeld zu gewähren. Vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein und es muss um eine objektiv nachvollziehbare, tatsächlich erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen (LG Aachen Urt. v. 10.2.2023 – 8 O 177/22, GRUR-RS 2023, 2621 Rn. 77 m.w.N.).
46
In den Erwägungsgründen Nr. 75 und 85 werden einige mögliche Schäden aufgezählt, darunter Identitätsdiebstahl, finanzielle Verluste, Rufschädigung, aber auch der Verlust der Kontrolle über die eigenen Daten sowie die Erstellung unzulässiger Persönlichkeitsprofile. Zudem nennt Erwägungsgrund 75 auch die bloße Verarbeitung einer großen Menge personenbezogener Daten einer großen Anzahl von Personen. Der Schaden ist zwar weit zu verstehen, er muss jedoch auch wirklich „erlitten“ (Erwägungsgrund Nr. 146), das heißt „spürbar“, objektiv nachvollziehbar und tatsächlich eingetreten sein, um bloß abstrakte, nicht wirklich eingetretene Beeinträchtigungen auszuschließen (LG Essen Urt. v. 10.11.2022 – 6 O 111/22, GRUR-RS 2022, 34818 Rn. 76; LG Aachen Urt. v. 10.2.2023 – 8 O 177/22, GRUR-RS 2023, 2621 Rn. 78).
47
Diese Grundsätze erfuhren jüngst Bestätigung durch eine Entscheidung des EuGH; danach reicht der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300, Rn. 28-42 – juris). Denn die gesonderte Erwähnung eines „Schadens“ und eines „Verstoßes“ in Art. 82 Abs. 1 DSGVO wäre überflüssig, wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO für sich allein in jedem Fall ausreichend wäre, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300, Rn. 34 – juris). Ferner führt der EuGH aus (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300, Rn. 35-37 – juris):
48
Die vorstehende Wortauslegung [wird] durch den Zusammenhang bestätigt, in den sich diese Bestimmung einfügt. Art. 82 Abs. 2 DSGVO, der die Haftungsregelung, deren Grundsatz in Abs. 1 dieses Artikels festgelegt ist, präzisiert, übernimmt nämlich die drei Voraussetzungen für die Entstehung des Schadenersatzanspruchs, nämlich eine Verarbeitung personenbezogener Daten unter Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO, ein der betroffenen Person entstandener Schaden und ein Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Verarbeitung und diesem Schaden.
49
Diese Auslegung wird auch durch die Erläuterungen in den Erwägungsgründen 75, 85 und 146 der DSGVO bestätigt. Zum einen bezieht sich der 146. Erwägungsgrund der DS-GVO, der speziell den in Art. 82 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Schadenersatzanspruch betrifft, in seinem ersten Satz auf „Schäden, die einer Person aufgrund einer Verarbeitung entstehen, die mit dieser Verordnung nicht im Einklang steht“. Zum anderen heißt es in den Erwägungsgründen 75 und 85 der DSGVO, dass „[d]ie Risiken … aus einer Verarbeitung personenbezogener Daten hervorgehen [können], die zu einem … Schaden führen könnte“ bzw. dass eine „Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten … einen … Schaden … nach sich ziehen [kann]“. Daraus ergibt sich erstens, dass der Eintritt eines Schadens im Rahmen einer solchen Verarbeitung nur potenziell ist, zweitens, dass ein Verstoß gegen die DSGVO nicht zwangsläufig zu einem Schaden führt, und drittens, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem fraglichen Verstoß und dem der betroffenen Person entstandenen Schaden bestehen muss, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen.“
50
Dem wird beigetreten (vgl. auch LG Traunstein Urteil vom 17.5.2024,) 9 O 898/23 Beilagenkonvolut B1).
51
Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Klagepartei schon keine ausreichend spürbare Beeinträchtigung von persönlichen Belangen dargelegt, für die Anhaltspunkte bestehen, dass sie kausal auf die hier streitgegenständliche Datenverarbeitung zur Schaltung personenbezogener Werbung sowie des diesbezüglichen Informationsverhaltens zurückzuführen sein könnte.
52
Die Klagepartei trägt vor, dass ein Kontrollverlust hinsichtlich ihrer personenbezogenen Daten eingetreten sei, der als erheblicher immaterieller Schaden i.S.d. § 82 DSGVO anzusehen sei (Bl. 17 d. Akte). Zu berücksichtigen sei auch, dass der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO durchaus erhebliche Relevanz für die weitere Durchsetzung von Forderungen aus dem streitgegenständlichen Datenschutzverstoß habe und die Klägerseite infolge der unzureichenden Auskunft in der Wahrnehmung ihrer berechtigten (Schadensersatz-) Ansprüche beschränkt werde. Selbst wenn kein eigenständiger Schaden durch die unzureichende Auskunft seitens der Beklagten angenommen werden sollte, so habe sich in jedem Fall der bereits bestehende Schaden hierdurch erheblich intensiviert. Auch konnte sie nicht konkret nachvollziehen, wie ihre Daten durch die Beklagte zur zielgerichteten Werbung benutzt worden seien (Bl. 17 d.A.).
53
Diese Ausführungen sind zu pauschal und lassen nicht erkennen, inwiefern der behauptete Kontrollverlust einen Schaden darstellen soll, welcher über eine bloße negative Folge hinausreicht.
54
Die Klagepartei hat hierzu textbausteinbasiert in der Klageschrift ausgeführt:
„Die Klägerseite empfand die Verwendung ihrer personenbezogenen Datenzu Zwecken auf sie persönlich gemünzter Werbung stets als unangenehm. Sie fühlte sich beobachtet bei der Benutzung des sozialen Netzwerkes der Beklagten, ohne jedoch darauf verzichten zu können, da dies den Abbruch von Kontakten zu zahlreichen Freunden und Bekannten bedeutet hätte. Die Klägerseite hatte nicht nur ein ungutes Gefühl, sobald sie von der Verarbeitungsweise ihrer Daten durch die Beklagte erfuhr, sondern empfand auch starken Ärger über das von ihr nicht erwartete Verhalten der Beklagten zur eigenen Gewinnmaximierung.“ (Bl. 10 d.A.)
55
Das ungute Gefühl des Klägers, an einem Geschäftsmodell der Beklagten mitzuwirken, mit dem man nicht einverstanden sei, begründet für sich noch keinen Schaden. Die Beklagte führt in der Klageerwiderung aus, die Plattformen F. und I. werden Nutzern kostenlos bereitgestellt. Die Fähigkeit der Beklagten, Nutzern ihre derzeitigen Dienste kostenlos bereitzustellen, hänge von Werbeeinnahmen ab. Dieses Geschäftsmodell sei nicht unüblich. So haben beispielsweise kostenfreie Zeitungen und frei empfangbare, private Fernsehsender ein ähnliches Geschäftsmodell: Sie versuchen, über ihre qualitativ hochwertigen Inhalte Leser oder Zuschauer zu gewinnen, denen dann auf Grundlage demografischer Merkmale/Interessen der Zielgruppe relevante Werbung präsentiert werde.
56
In seiner persönlichen Anhörung hat der Kläger angegeben, er finde es dreist, dass von ihm erwartet werde, für die Nutzung von F. zu zahlen, wenn er keine personalisierte Werbung wolle. Er sei nicht mehr bei I. (was die Aussage der Beklagten bestätigt) und er wolle Schadensersatz, weil er ein ungutes Gefühl habe und dass seine Daten gelöscht werden. Das reicht nicht.
57
Darüber hinaus ist der Klägervortrag zu den erlittenen Beeinträchtigungen auch in sich widersprüchlich. Einerseits will die Klagepartei einen immateriellen Schaden durch die zielgerichtete Werbung für sich in Anspruch nehmen. Anderseits ist die Klagepartei nicht bereit ab November 2023 dafür im Abo-Modell zu zahlen, dass er keine Werbung mehr erhält. Es ist daher nicht glaubhaft, wenn die Anwälte des Klägers einerseits vortragen, der Kläger fühle sich durch persönliche Werbung beeinträchtigt, andererseits der Kläger dem dann später zugestimmt hat, weil er nicht bereit ist dafür zu zahlen, dass dieses Unwohlsein nicht mehr auftritt.
58
Es ist auch nicht nachvollziehbar, wenn der Kläger vorträgt, er müsse praktisch bei F. sein, um mit seiner Familie in Ungarn Kontakt zu halten. Ungarn liegt in der europäischen Union, es gibt Briefe, Telefone, Emails, und sms. Es gibt keinen Zwang, sich über F. auszutauschen.
59
Der EuGH hat entschieden, dass die marktbeherrschende Stellung der Klägerin auf dem Markt für soziale Online-Netzwerke für sich genommen nicht ausschließt, dass die Nutzer eines solchen Netzwerks im Sinne von Art. 4 Nr. 11 dieser Verordnung wirksam in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch diesen Betreiber einwilligen können (EuGH (Große Kammer), Urt. v. 4.7.2023 – C-252/21 (Meta Platforms Inc. u.a./Bundeskartellamt), GRUR 2023, 1131). Die Freiheit des Nutzers ist laut EuGH gewahrt, wenn gegen ein angemessenes Entgelt eine gleichwertige Alternative angeboten wird, die nicht mit solchen Datenverarbeitungsvorgängen einhergeht (GRUR 2023, 1131, 1143, Rn. 150). Diese Freiheit wurde von der Beklagten umgesetzt mit Einführung des Einwilligungsmodells und der Möglichkeit, ein kostenpflichtiges werbefreies Abonnement abzuschließen. Der Kläger hat sich gegen das werbefreie Abonnement entschieden und eingewilligt in den Erhalt von personalisierter Werbung. Seine Abneigung gegen personalisierte Werbung kann daher nicht so groß sein.
60
2. Dasselbe gilt für einen etwaigen Anspruch nach §§ 280 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB; es fehlt an dem dafür erforderlichen Schaden.
61
III. Der Klageantrag zu 3. ist unzulässig und unbegründet.
62
1. Der Klageantrag zu 3. ist bereits unzulässig, da ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Das Rechtschutzbedürfnis ist gegeben, wenn der Rechtssuchende ein berechtigtes Interesse daran hat, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, also sein Ziel nicht auf einem einfacheren, billigeren Weg erreichen kann.
63
Der Antrag zielt auf Löschung seiner bei der Beklagten hinterlegten personenbezogenen Daten ab. Das mit dem Antrag verfolgte Ziel kann ohne Weiteres ohne Bemühung der Gerichte durch eine Löschung des klägerischen Benutzerkontos bei der Beklagten erreicht werden, sodass ein Rechtsschutzbedürfnis nicht besteht
64
2. Der Klageantrag zu 3. ist im Übrigen auch unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Löschung seiner Daten gemäß Art. 17 DSGVO zu.
65
Die Klagepartei hat am 8. November 2023 ausdrücklich eingewilligt, dass die Beklagte weiterhin Informationen aus Konten zu Werbezwecken verwenden dürfe. Die Voraussetzungen des Löschungsanspruchs gemäß Art. 17 Abs. 1 b) DSGVO sind daher jedenfalls wegen Vorliegens einer Einwilligung nicht gegeben.
66
IV. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
67
V. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1, S. 1 ZPO.
68
Der ursprüngliche Klageantrag zu Ziff. 3. aus der Klageschrift ist übereinstimmend für erledigt erklärt worden, so dass nach § 91 a ZPO analog im Urteil über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden ist.
69
Der ursprüngliche Antrag zu Ziff. 3. war bereits unzulässig, da er zu unbestimmt war.
70
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die zu unterlassende Verletzungshandlung so genau wie möglich beschrieben werden (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 253 ZPO, Rn. 13b). „Derartige Anträge sind nur dann ausreichend bestimmt, wenn der im Antrag wiedergegebene Verbotstatbestand konkret und eindeutig ist oder sich aus dem klägerischen Sachvortrag konkret ergibt, auf welche konkrete Verhaltensweise sich der Unterlassungsanspruch beschränkt. Zudem muss – soll ein solcher Antrag zulässig sein – der Sachverhalt im Wesentlichen unstreitig sein und Unstimmigkeiten der Parteien dürfen sich nur auf die rechtliche Qualifizierung einer an sich unstreitigen bestimmten Verhaltensweise beziehen“ (BGH, GRUR 2015, 1235, Rn. 10 m.w.N.).
71
Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht an. Der im Antrag wiedergegebene (Verbots-)Tatbestand wiederholt zum Teil wörtlich den Gesetzeswortlaut von Art. 6 Abs. 1 DS-GVO und ist nicht ausreichend konkret und eindeutig. Insbesondere fehlt es an einer konkreten Beschreibung der unzulässigen Verhaltensweisen, welche die Beklagte laut Antrag unterlassen solle. Die Vollstreckungsfähigkeit des Antrages erfordert auch eine Darlegung, um welche konkreten Daten es sich handelt, deren Verarbeitung untersagt werden soll (vgl. OLG Dresden Beschl. v. 21.4.2021 – 4 W 239/21, GRUR-RS 2021, 10287 Rn. 10).
72
2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
73
3. Der Streitwert war auf 7.000,00 EUR festzusetzen.
74
Der mit Klagantrag Ziff. 1. geltend gemachte Auskunftsanspruch ist mit 500,00 EUR zu bewerten. Der Streitwert für den Klagantrag Ziff. 2. ergibt sich aus dem vom Kläger vorgestellten(Mindest-)Schadenersatzbetrag in Höhe von 1.500,00 €.
75
Der Streitwert der Unterlassungsanträge zu Ziffer 3. ist als nichtvermögensrechtlicher Streitgegenstand anhand des betroffenen Interesses des Klägers zu bestimmen, wobei gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG die Umstände des Einzelfalls zu beachten sind. Dabei ist davon auszugehen, dass in Anlehnung an § 23 Abs. 3 S. 2 RVG bei mangelnden genügenden Anhaltspunkten für ein höheres oder geringeres Interesse von einem Streitwert von 5.000 € auszugehen ist. Auch wenn bei der Bemessung des Streitwerts das Gesamtgefüge der Bewertung nichtvermögensrechtlicher Streitgegenstände nicht aus den Augen verloren werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 26.11.2020; III ZR 124/20 Rn. 11), erscheint es unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG) angemessen, auf den Rechtsgedanken der allgemeinen Wertvorschrift des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zurückzugreifen. Das Gericht begreift die aufgeführten Unterlassungsanträge im Übrigen wertmäßig als Einheit. Durch die teilweise Klageänderung hat sich der Streitwert nicht erhöht (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage2024, § 263 ZPO, Rn. 11 a).