Titel:
Unzulässigkeit eines Rabatts auf den Gesamtumsatz einer Apotheke bei einem Großhändler
Normenketten:
UWG § 3a
AMPreisV § 2
AMG § 78 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Rabatt von bis zu 0,45 % auf den Gesamtumsatz bei Vereinbarung eines Lastschrifteinzugs gegenüber Apotheken stellt einen Verstoß gegen § 2 AMPreisV dar, wenn auch verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel hiervon umfasst sind. (Rn. 43 – 51) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vorschriften der § 78 Abs. 1 AMG und § 2 AMPreisV sind Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Rechtsbruch
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg vom -- – 3 U 104/24 e
Fundstellen:
A&R 2024, 217
GRUR-RS 2024, 21089
LSK 2024, 21089
PharmR 2024, 673
Tenor
1. Der Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollziehen an der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin, untersagt geschäftlich handelnd gegenüber Apothekern für die Abgabe verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel mit Konditionen zu werben, und/oder die Abgabe unter solchen Konditionen zu gewähren, wenn durch die konditionsgemäße Gewährung einer Vergütung pro Lastschrifteinzug unter Berücksichtigung der gesetzlichen Umsatzsteuer die für die Arzneimittel berechneten Preise unter dem Wert liegen, der sich aus dem einheitlichen Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers für dieses Arzneimittel zuzüglich eines Festzuschlags von € 0,73 sowie der Umsatzsteuer ergibt, wenn dies geschieht wie in der Anlage AST 9.
2. Der Verfügungsbeklagten wird eine Umstellungsfrist bis 31.08.2024 gewährt.
3. Der Antrag der Verfügungsbeklagten auf Vollstreckungsschutz wird zurückgewiesen.
4. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.
Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Rechtschutzes um Unterlassungsansprüche.
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1. Bei dem Verfügungskläger handelt es sich um einen Verein mit Verbandsklagebefugnis für das gesamte Bundesgebiet. Der Verfügungskläger ist in die Liste der klagebefugt qualifizierten Wirtschaftsverbände gemäß § 8 b UWG eingetragen.
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Bei der Verfügungsbeklagten handelt es sich um einen Pharmagroßhandel. Sie beliefert Apotheken mit pharmazeutischen Erzeugnissen und unterhält die Internetseite www. … Die Verfügungsbeklagte arbeitet seit Juni 2024 mit geänderten Bestellkonditionen. Aus der “Anlage Rahmenvereinbarung“ zur Kundenvereinbarung mit Stand 05/2024 (Anlage AST 9) ergibt sich, dass die Verfügungsbeklagte Apothekern als „Neu““ gekennzeichnete RX-Konditionen sowie im Zusammenhang mit der Wahl des Zahlungsverfahrens eine ebenfalls als „Neu!“ gekennzeichnete Vergütung für die gesonderte Vereinbarung von Lastschrifteinzügen anbietet.
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In der Anlage Rahmenvereinbarung bietet die Verfügungsbeklagte im Zusammenhang mit dem Verkauf von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln einen pauschalen Rabatt in Höhe von 3,05% auf Basis des Apothekeneinkaufspreises (APU). Mit dem Rabatt in Höhe von 3,05% verzichtet die Antragsgegnerin gegenüber den Apothekern auf den variablen Anteil des Großhandelszuschlags in voller Höhe. Darüber hinaus berechnet sie offenkundig den Großhandelszuschlag von 0,73 € pro Produkt entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 2 AMPreisVO.
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Unter der Überschrift Zahlungsverfahren und dem Hinweis „Neu!“ Lastschrifteinzug bietet sie gestaffelt bis zu 0,45% Vergütung pro Lastschrifteinzug „gemäß gesonderter Vereinbarung auf den Gesamtumsatz (Basis rabattierter Preis) exklud. Hochpreiser, exklud. Überweiser. Sondergeschäfte können abweichen“.
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Der Verfügungskläger sieht hierin einen wettbewerbsrechtlich relevanten Verstoß.
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Mit Schreiben vom 03.06.2024 mahnte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte ab und forderte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Mit Schreiben vom 11.06.2024 lehnte die Verfügungsbeklagte die Abgabe der Unterlassungserklärung unter Darlegung ihrer Rechtsauffassung ab.
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Die neuen Einkaufskonditionen der Verfügungsbeklagten wurden in Fachkreisen bereits Ende Mai/Anfang Juni 2024 zur Kenntnis genommen und wurden Teil der Berichterstattung im Nachgang an das für die Branche folgenschwere Urteil des BGH vom 8.2.2024, Az. I ZR 91/23, in welchem festgestellt wurde, dass jegliche Skontierung von unter § 2 Abs. 1 S.1 AMPreisV fallenden Arzneimitteln unzulässig sei, wenn dies zu einer Unterschreitung des Mindestpreises führe.
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Die Berichterstattung war dahingehend, dass die Verfügungsbeklagte nach dem Urteil noch „Rabatte“ gewähre und dass das Unternehmen neue Kunden habe gewinnen können.
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2. Der Verfügungskläger trägt vor, dass die Verfügungsbeklagte gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoße indem sie entgegen Marktverhaltensregeln handele. Ihm stünde ein Anspruch auf Unterlassung der Werbung und der Gewährung von Vergütung des Einzugsverfahrens zu, da die Beklagte gegen § 3 a UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1, S. 3 AMG, § 2 Abs. 1, S.1 AMPreisV sowie gegen § 3 a UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 HWG verstoße. Daneben läge auch ein Verstoß gegen § 3a UWG in Verbindung mit § 270 a BGB vor.
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Die Verfügungsbeklagte nehme im Rahmen ihrer den Apotheken gewährten Preiskonditionen Skontierungen vor, welche der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 08.02.2024, Aktenzeichen I ZR 91/23 als in jeder Hinsicht unzulässig erklärt habe.
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Der BGH habe mit Urteil vom 08.02.2024 im Hinblick auf § 78 Abs. 1 S. 1 Nummer 1, Satz 3 AMG sowie § 2 Abs. 1, Satz 1 AMPreisV festgestellt, dass diese für den pharmazeutischen Großhandel bei Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel an Apotheken die Verpflichtung normierten, einen Mindestpreis zu beanspruchen, zusammengesetzt aus der Summe aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, dem Festzuschlag von mittlerweile 0,73 € und der Umsatzsteuer. Die Verfügungsbeklagte könne daher maximal auf den variablen Großhandelszuschlag von 3,15% auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens (APU) verzichten. Diesen Spielraum habe die Antragsgegnerin mit dem pauschalen Abzug von 3,05% auf den sogenannten Apothekeneinkaufspreis bereits vollständig ausgeschöpft. Die darüber hinausgehende Kondition eines Abschlags von bis zu 0,45% gehe daher stets zulasten des zwingenden Festzuschlags in Höhe von 0,73 €. Mithin werde hierdurch der gesetzlich festgeschriebene Mindestpreis unterschritten. Die bloße Umbenennung eines Skontos in einen Rabatt für die Wahl eines bestimmten Zahlungsweges ändere nichts an der rechtlichen Ausgangslage, dass der durch gesetzliche Vorgaben zu berechnenden Mindestpreis bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel nicht unterschritten werden dürfe Bei § 78 Abs. 1 AMG und bei § 2 AM PreisV handele es sich um Marktverhaltensregeln im Sinne von § 3a UWG.
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Ein Unterlassungsanspruch folge schließlich auch aus § 3a UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 S. 1 N.r. 2 a HWG. Die gewährte Vergütung für einen Lastschrifteinzug stelle eine Zuwendung für den Bezug von Arzneimitteln dar, die entgegen den Preisvorschriften aufgrund des Arzneimittelgesetzes gewährt werden.
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Schließlich verstoße die Beklagte mit dem Abschlag in Höhe von bis zu 0,45% für die Vereinbarung des Lastschriftverfahrens gegen § 3a UWG i.V.m. § 270 a BGB.
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Eine Vereinbarung, durch die der Schuldner verpflichtet werde, ein Entgelt für die Nutzung einer SEPA Lastschrift, einer SEPA FirmenLastschrift, einer SEPA Überweisung oder einer Zahlungskarte zu entrichten, ist nach dieser Vorschrift unwirksam. Ein Verstoß läge nicht nur im Fall des Verlangens eines Entgeltes für die Auswahl eines bestimmten Zahlungsverfahrens vor. Das Verbot sei auch berührt, wenn es durch die Einräumung von Ermäßigungen oder Anreizsystemen umgangen werden solle. Eine solche unzulässige Umgehung sei vorliegend darin zu erkennen, dass das Bezahlen von Rechnungen gegenüber dem anderen in Betracht kommenden Zahlungsverfahren der Lastschrift verteuert werde, in dem das letztgenannte Verfahren mit einem Abschlag von bis zu 0,45% bonifiziert werde. Die Zahlung von Rechnungen per Überweisung stelle sich im Ergebnis für den Apotheker als wirtschaftlich nachteilig dar, somit sei der von § 270a BGB verfolgte Zweck verletzt. Die Bonifizierung eines bestimmten Verfahrens bedeute im Umkehrschluss die verbotene Erhebung eines Zahlungsentgeltes für die anderen in § 270a BGB genannten Zahlungsverfahren.
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Die beanstandeten Zuwiderhandlungen führten zu Wettbewerbsverzerrungen und beeinträchtigten somit auch die Interessen von Mitbewerbern.
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Die Dringlichkeit zum Erlass der einstweiligen Verfügung ergebe sich aus der Sachlage und aus § 12 Abs. 1 UWG.
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Die Verfügungsklägerin beantragt,
Der Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollziehen an der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin, untersagt geschäftlich handelnd gegenüber Apothekern für die Abgabe verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel mit Konditionen zu werben, und/oder die Abgabe unter solchen Konditionen zu gewähren, wenn durch die konditionsgemäße Gewährung einer Vergütung pro Lastschrifteinzug unter Berücksichtigung der gesetzlichen Umsatzsteuer die für die Arzneimittel berechneten Preise unter dem Wert liegen, der sich aus dem einheitlichen Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers für dieses Arzneimittel zuzüglich eines Festzuschlags von € 0,73 sowie der Umsatzsteuer ergibt, wenn dies geschieht wie in der Anlage AST 9.
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3. Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
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Hilfsweise beantragt sie,
ihr eine Umstellungsfrist von 2 Monaten zu bewilligen sowie Vollstreckungsschutz zu gewähren.
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Der Verfügungskläger beantragt auch die Zurückweisung des Hilfsantrages.
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Die Verfügungsbeklagte trägt vor, dass ein Verstoß gegen § 2 AMPreisV nicht vorläge. Die Verfügungsbeklagte gewähre einen Rabatt durch zulässigen Verzicht auf den variablen Zuschlag und berechne den Aufschlag von 0,73 €. Der gesetzlich festgelegte Mindestpreis für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln werde eingehalten.
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Durch die Gewährung von Vergütung durch gesonderte Vereinbarung dafür, dass die Kunden der Beklagten dem Lastschrifteinzugsverfahren zustimmten, werde keine weitere Rabattierung oder Skontierung bewilligt.
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Vielmehr handele es sich um eine gesonderte Vereinbarung über die Vergütung des Einzugsverfahrens.
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Auch die Vorschrift § 270a BGB sei nicht betroffen, denn der Schuldner, die Apotheke, sei gerade nicht zur Zahlung eines Entgeltes verpflichtet. Der Apotheker erhalte vielmehr sogar eine Vergütung dafür, dass er dem Lastschriftverfahren zustimme. Denn die gesamte administrative und buchhalterische Abwicklung des Zahlungsverkehrs und der Zahlungseingangskontrolle sowie des Mahnwesens sei im Lastschriftverfahren ungleich einfacher und weniger aufwendig als bei Überweisungen. Somit werde nicht etwa ein Entgelt gefordert, es werde vielmehr eine Vergütung angeboten. Bezogen auf den hypothetischen Fall von 2500 Kunden ersparten die Durchführung des Lastschriftverfahrens mehrere Manntage an Arbeitsstunden im Vergleich zur selben Anzahl von Bezahlvorgängen ohne Lastschriftmandat.
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Die Vorteile des Einzugsverfahrens seien der Verfügungsbeklagten das Entgelt wert, da erheblich weniger Arbeit und Zeitaufwand auf ihrer Seite bestehe sowie eine höhere Qualität und weniger Fehler in der Buchhaltung das Ergebnis sei. Darüber hinaus habe es die Antragsgegnerin in der Hand so steuern, wann die Forderungen eingezogen werden würden, was den Finanzierungsaufwand bei den Factoringpartnern der Beklagten verringere.
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Die angebotene Vergütung habe daher nichts mit einer Umgehung der Vorschriften der AMPreisV zu tun. Sie betreffe darüber hinaus auch nicht verschreibungspflichtige Medikamente.
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Die Umstellung auf das Vergütungsmodell für den Lastschrifteinzug sei in Reaktion auf das BGHUrteil erfolgt. Früher habe die Verfügungsbeklagte Skonto gewähren dürfen, hierdurch habe sie kurzfristige Zahlungseingänge sicherstellen können. Dies sei insbesondere wichtig für die eigene Finanzierung der Beklagten im Verhältnis zu ihren Factoring-Partnern. Vor der Umstellung der Konditionen hätten nicht alle Kunden am Lastschrifteinzug teilgenommen, wieviele ab Juni 2024 nun auf das aktuelle Lastschriftverfahren gewechselt hätten und wie viele im Verhältnis zu den übrigen Zahlungswegen überhaupt das Modell wählten, werde im Hinblick auf das Interesse der Klägers als Mitbewerber an der Information nicht mitgeteilt.
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Im übrigen habe die Verfügungsbeklagte nicht mit den neuen Konditionen geworben, habe auch die Medienberichterstattung nicht initiiert. Sie habe lediglich ihre Bestandskunden über das Skontourteil und die neuen Einkaufskonditionen informiert.
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Für den Fall der Verurteilung zur Unterlassung könne die Verfügungsbeklagte eine Umstellungsfrist verlangen.
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Diese sei notwendig, da sie allein ihren Kunden gegenüber die Rahmenvereinbarung nur mit 14tägiger Vorfrist auf das Ende eines Kalendermonats kündigen könne. Weiterhin brauche sie hinreichend Zeit, um ihre Vereinbarungen mit den Apotheken insgesamt zu ändern und die erforderlichen systemseitigen Änderung intern festzulegen und durch ihre externen ITDienstleister umzusetzen. Hierfür müsse sie mit einer Zeitspanne von 2 Monaten rechnen. Knall auf Fall sei die Befolgung des etwaigen Unterlassungsgebots nicht möglich.
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Weiter hilfsweise benötige sie Vollstreckungsschutz.
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4. Des weiteren Parteivertrags mit verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 11.07.2024.
Entscheidungsgründe
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Der Antrag auf Erlass der Unterlassungsverfügung ist zulässig.
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Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 14 Abs. 2, S. 1 UWG.
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Der Verfügungskläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt, sie ist in die Liste, der klagebefugt qualifizierten Wirtschaftsverbände gemäß § 8 b UWG eingetragen.
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Der Antrag ist auch begründet, der Verfügungskläger hat einen Verfügungsanspruch nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG glaubhaft gemacht.
A. Verstoß gegen §§ 2 AMPreisV
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Der Antragstellerin steht ein Anspruch auf Unterlassung gem. § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG zu.
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Durch die Bewerbung und Abgabe der Produkte in Verbindung mit ihren seit Juni 2024 gültigen Bezahlkonditionen nimmt sie eine unzulässige geschäftliche Handlung vor und kann somit, da Wiederholungsgefahr besteht, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, §§ 3 Abs. 1, 3 a UWG.
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1. Zunächst kann in der Übersendung der Informationen „Update zum Skontoprozess“ mit dem Hinweis, man werde wegen neuer Einkaufskonditionen zeitnah auf die Kunden zukommen (Anlage B5), der vorsorglichen Kündigung (Anlage B 6) und der neuen Rahmenvereinbarung (Anlage B 7) im Gesamtkontext durchaus eine Werbung gesehen werden. Diese muss sich nicht an alle potentiellen Kunden richten, es genügt die Übersendung an die alten Bestandskunden, denen ja wegen der BGH-Entscheidung hatte gekündigt werden müssen. Somit kann die Gewährung und als NEU angepriesene Vereinbarung durchaus als Bewerbung der neuen Konditionen gerade im Hinblick auf das Skontoverbot gesehen werden. Denn der Altkunde soll bewegt werden, wegen der attraktiven neuen Zahlungsmodalitäten trotz des BGH-Urteils, eine neue Rahmenbedingung abzuschließen.
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Aber auch wenn in dem Vorgehen keine Werbung zu sehen wäre, käme es darauf nicht an, da die unlautere geschäftliche Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG nicht auf Werbung beschränkt ist, sondern jegliches Verhalten der Verfügungsbeklagten umfasst, welches auf Förderung des Absatzes von Waren bezogen ist. Dies ist bei der Vorlage der neuen Einkaufsbedingen „Rahmenvereinbarung“ unzweifelhaft der Fall.
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2. Die Verfügungsbeklagte verstößt durch die Vereinbarung gegen eine Marktverhaltensregel gem. § 3 a UWG.
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Zwar verstößt die Verfügungsbeklagte nicht direkt gegen die in § 2 AMPreisV normierte Bestimmung, bei verschreibungspflichtigen Medikamenten einen Mindestpreis einzuhalten, der aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers und einem festen Zuschlag von 73 Cent zuzüglich Umsatzsteuer besteht und gleichzeitig einen Höchstpreis nicht zu überschreiten. Denn die ab 01.06.2024 geltende Rahmenvereinbarung sieht dies so vor, insbesondere verzichtet sie auf den Zuschlag auf den Abgabepreis, nicht aber auf den Festzuschlag.
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Auch wird kein Skonto gewährt bei Einhaltung von bestimmten Zahlungsterminen, wie dies auch nach Angaben der Verfügungsbeklagten noch vor dem Urteil des BGH vom 8.2.24, Az. I ZR 91/23 Gegenstand der Zahlungsbedingungen war.
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Die Verfügungsbeklagte umgeht aber durch ihr Vergütungsmodell für den Lastschrifteinzug das Skonto- und Preisnachlassverbot: Demnach ist die Gewährung von Skonti oder sonstigen Preisnachlässen, die zur Unterschreitung des sich aus § 2 AMPreisV ergebenden Mindestpreis führen, unzulässig. Dies gilt für „echte“ Skonti, mit denen eine vertraglich nicht geschuldete Zahlungen durch den Käufer vor Fälligkeit abgegolten wird, als auch für „unechte“ Skonti, die lediglich die pünktliche Zahlung durch den Käufer honorieren.
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Zwar wird nach den aktuellen Konditionen der Beklagten nicht nur der Käufer von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln entlohnt für die Vereinbarung des Lastschrifteinzugserfahrens, sondern auch derjenige, der frei verkäufliche Arzneien und sonstige Apothekenware bezieht.
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Allerdings ist das neue Konditionsmodell in der Gesamtschau darauf gerichtet, die Skontoentscheidung des BGH für die Beklagte abzufedern und den Kunden entgegen des eindeutigen Verbots weiterhin noch Vorteile zu sichern.. Die Geschäftsführerin der Bekalgten hat in der Sitzung vom 11.07.24 auf Nachfrage konkret dargelegt, dass nach dem Skontourteil des BGH diese kein Skonto gewähren mehr konnte und deshalb nach neuen Konditionen suchte. Somit kann ein konkreter Zusammenhang hergestellt werden zwischen diesen beiden Punkten, insbesondere erfolgte die Implementierung der neuen Konditionen wie sich aus Anlage B 5 und B 6 ergibt konkret als Reaktion auf das BGH-Urteil.
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Vor dem Urteil erfolgte der Wettbewerb zwischen den Großhändlern unstreitig auch über deren jeweilige Skontobewilligung, da der Markt aufgrund der AMPreisV stark gebunden ist und wenig Spielräume zulässt. Die Beklagte als mittelständischer Betrieb hat im Übrigen gegenüber ihren größeren Mitkonkurrenten gerade bei den freiverkäuflichen Waren sicherlich auch Nachteile, da sie zu anderen Bedingungen wird kaufen müssen als die Großhändler des – von der Beklagten so genannten – Oligopols. Die Beklagte führt nun als Begründung aus, durch die Vergütung der Zustimmung zum Lastschriftverfahren gewinne sie erhebliche Vorteile, sei es im Rahmen des Forderungsmanagement, da sie erhebliche Arbeitszeit und Personal einspare, sei es im Rahmen der besseren Factoringbedingungen, da sie die Liquidität sicherer steuern könne. Die Beklagte hebt sich durch ihr neues Konzept der Vergütung der Vereinbarung des Lastschrifteinzugs offenkundig von den anderen Marktteilnehmern ab.
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Zwar ist es grundsätzlich zulässig, eine Vereinbarung zu treffen, dass die Einwilligung in das Lastschriftverfahren vergütet wird. Dem steht auch nicht die Vorschrift des § 270a BGB entgegen. Denn es wird schon dem Wortlaut nach nicht eine Bezahlmethode sanktioniert, wie es § 270a BGB verbietet, vielmehr wird eine bestimmte Zahlmethode vergütet, die übrigen Bezahlwege erfahren keine Benachteiligung. Es muss im Rahmen der Vertragsfreiheit durchaus möglich sein, gesonderte Vereinbarungen über Vergütungen zu gestatten, wenn der Schuldner ein legitimes Interesse an einem bestimmten Bezahlweg hat. Ob er Skonto gewährt oder eine Vergütung mit ähnlichem betriebswirtschaftlichen Vorteilen, steht dem Gläubiger frei. Auch im Hinblick auf die europarechtlichen Vorschriften der Zahlungsrichtlinie (RL (EU 2015/2366) wird man eine solche Regelung nicht unter § 270a BGB subsumieren dürfen.
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Hier jedoch wird die Vergütung sowohl auf den freiverkäuflichen Teil der Ware erstreckt als auch auf den Teil der preisgebundenen Fertigarzneimittel, deren Preise unter den Voraussetzungen des § 2 AMPreisV gebunden sind.
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Im Ergebnis entfaltet die Vergütung für das Einzugsverfahren dieselbe Wirkung wie ein gewährtes Skonto, nämlich dass der gebundene Preis um bis zu 0,45% unterschritten wird.
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3. Es handelt sich um eine eindeutige Umgehung des Skontoverbots.
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Denn es ist nicht erkennbar, warum gerade zum jetzigen Zeitpunkt die erheblichen Vorteile des Lastschrifteinzugs von der Verfügungsbeklagten erkannt worden sein sollen, die über den reinen Wettbewerbsvorteil der Beklagten gegenüber ihren Mitbewerbern hinausgehen.
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Die Verfügungsbeklagte konnte nicht ausreichend glaubhaft machen, dass die Einführung des Lastschriftvergütungsmodells hauptsächlich zur Verbesserung der internen betriebswirtschaftlichen Abläufe und zur Verschaffung von Vorteilen im Rahmen ihrer Vorfinanzierung von Ware stattgefunden hat. Denn eine solche Konstellation hätte sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt steuern können.
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Sie hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie aufgrund ihres neuen Vergütungsmodells eine erhebliche Anzahl von neuen Vereinbarungen über das Lastschrifteinzugsverfahren erlangt hat. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass bereits zu früheren Zeitpunkten bereits ein erheblicher Anteil von Einzugsermächtigungen erteilt worden waren, allein weil sich das auch auf Seiten der Apotheker sehr vorteilhaft auswirkt: Sie selbst haben keinen großen buchhalterischen Aufwand und können die eingezogenen Summen binnen 6 Wochen jederzeit zurückholen. Auch müssen sie die Einhaltung des Zahlungsziels nicht selbst kontrollieren. Die Verfügungsbeklagte hat nicht dargelegt, dass sich der Anteil dieser Bezahlweise vor dem sogenannten Skontourteil ganz anders dargestellt habe und hauptsächlich mit der Umstellung das Ziel erreicht werden sollte, erheblich mehr Einzugsverfahren zu generieren.
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Die Beklagte hat auch nicht davon Gebrauch gemacht, die Vergütung nur auf den Anteil der Waren zu beschränken, welche frei verkäuflich sind, was dazu geführt hätte, dass keine versteckte Rabattierung oder Skontierung auf die verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel entfallen wäre.
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Den Hinweis der Beklagten, diese Trennung sei bei den Rechnungsstellungen mit erheblichem Aufwand verbunden kann das Gericht nicht nachvollziehen.
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Auch steht nach Überzeugung des Gerichts die Entlohnung in beachtenswerten Missverhältnis zur erbrachten Gegenleistung der Apotheker: der Vorteil auf Apothekerseite ist immens, da er selbst operative Vorteile aufgrund des Lastschriftverfahrens hat und eine Rückholung der Zahlungen innerhalb einer Frist von 6 Wochen möglich ist. Der Apotheker muss als Leistung lediglich einmal das SEPA-Lastschriftmandat unterzeichnen und die Abbuchung zu einem von der Beklagten gewählten Zeitpunkt nach Fälligkeitseintritt dulden. Auf der anderen Seite gewährt die Verfügungsbeklagte abhängig vom Wert bei jedem einzelnen Bestellvorgang eine teilweise erhebliche Entlohnung, angelehnt an die Bestellsummen. So erlangt ein Apotheker bei einem Liefervolumen einer Bestellung von 10.000 € beispielsweise eine Vergütung von 45 €, ohne hierfür tatsächlich eine messbare Gegenleistung zu erbringen.
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Zwar handelt es sich bei der von der Verfügungsbeklagten auch verfolgten Intention, nach Wegfall der Möglichkeit der Skontierung schnelle Zahlungseingänge zu verwirklichen, um ein nachzuvollziehendes Ziel.
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Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem BGH-Urteil, der Kündigung der bisherigen Zahlungsbedingungen und der Mitteilung an die Kunden, man werde nach dem Urteil neue attraktive Konditionen erarbeiten und anbieten sowie die Tatsache, dass ohne nennenswerte Gegenleistung teilweise ganz erhebliche Vergütungen vereinbart werden, zeigt jedoch, dass Hauptintention die Umgehung des Skontoverbots ist.
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Denn unabhängig von der Benennung des Nachlasses, sei es als Skonto, sei es als Rabatt oder sei es durch den Kunstgriff der gesonderten Lastschriftvereinbarung im Rahmen eines Vergütungsmodells, führt dies genau zu der vom BGH als unzulässig festgestellten Unterschreitung der Mindestpreise, wie sie in § 2 AMPreisV sichergestellt werden sollen.
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4. Durch das Anbieten von neuen Zahlungskonditionen im Wege der Vergütung von Lastschriften hat die Verfügungsbeklagte gegen eine Marktverhaltensregeln im Sinne von § 3 a UWG verstoßen. § 78 Abs. 1 AMG und § 2 AMPreisV sind Regelungen, die den Wettbewerb unter Pharmagroßhändler regeln und bestimmte Mindestpreise vorschreiben. Der Wettbewerb wird durch feste Preisvorgaben geregelt, die von allen Pharmagroßhändlern einzuhalten sind. Die Verfügungsbeklagte drückt durch ihre Vergütung von Lastschriften den Preis für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel den Preis in unzulässiger Weise.
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5. Dieser Verstoß ist auch geeignet die Interessen von Mitbewerbern in erheblicher Weise zu beeinträchtigen. Zwar liegt ein im Verhältnis zu den früheren regelmäßigen Skontosätzen von mehreren Prozenten eine geringere Unterschreitung vor. Aber auch relativ geringfügige Unterschreitungen sind sicherlich geeignet, Einfluss auf das Kundenverhalten zu nehmen. Dies ergibt sich aus der gerichtsbekannten Berichterstattung zu dem Urteil, dass insbesondere die Interessenverbände der Apotheker auf den Plan gerufen hat, da massive Einbußen befürchtet werden. Auch ist die Beklagte nach Glaubhaftmachung der Verfügungsklägerin zurzeit das einzige Großhandelsunternehmen, dass eine solche Preisgestaltung vornimmt. Dies kann im Verhältnis zu denjenigen Großhändlern, welche sich an die vom BGH festgestellten Verbote halten, den Markt beeinflussen.
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Ein Großhändler wird sich aber durch unzulässige Preiskonditionen nicht Marktvorteile verschaffen dürfen.
65
Schließlich liegt ein Verstoß gegen die Marktverhaltensvorschrift des § 7 Abs. 1 HWG vor. Demnach ist es unzulässig, Zuwendungen oder Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, soweit sie entgegen der Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. Durch das Anbieten der Vergütung für den Lastschrifteinzug erfolgt eine Unterschreitung des nach §§ 78 Abs. 1 AMG, 2 AMPreisV festgelegten Mindestpreises.
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Hierdurch wird, wie bereits oben ausgeführt, der Markt beeinflusst.
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Somit hat im Ergebnis die Verfügungsklägerin durch ihren Vortrag eine Sachlage glaubhaft gemacht, wonach durch das Verhalten der Verfügungsbeklagten diese in unzulässiger Weise Einfluss auf den Markt nimmt. Dieser Zustand besteht nach wie vor fort, da die Beklagte mit der streitigen Rahmenvereinbarung arbeitet und ihren Kunden bei entsprechender Vereinbarung letztlich unzulässige Nachlässe gewährt.
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Es besteht somit eine Wiederholungsgefahr.
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Die Dringlichkeit ergibt sich aus § 12 Abs. 1 UWG.
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Die Unterlassungsverpflichtung nimmt letztlich die Hauptsache vorweg. Jedoch war im Hinblick auf das fortlaufende Marktverhalten der Verfügungsbeklagten dem Verfügungskläger nicht zuzumuten, auf eine Entscheidung in der Hauptsache zu warten.
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Allerdings war der Verfügungsbeklagten wie beantragt eine Umstellungsfrist zuzubilligen. Diese war jedoch nicht auf 2 Monate festzusetzen, sondern kürzer zu fassen.
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Die Verfügungsbeklagte hat in Reaktion auf das BGH-Urteil gezeigt, dass sie innerhalb kurzer Zeit sowohl die bis dato gültigen Zahlungsbedingungen kündigen und neue Konditionen anbieten kann. Auch für einen solchen Vorgang ist eine systemseitige Änderungen intern notwendig gewesen, ebenso wie die Einbindung eines externen IT-Dienstleisters. Die Umstellung hat soweit ersichtlich rund einen Monat gedauert, was die Kommunikation mit den Apotheken Kunden betrifft.
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Die Verfügungsbeklagte weiß seit Anfang Juni, dass der Verfügungskläger auf Unterlassung drängen wird und hat insoweit aufgrund der Abmahnung bereits eine gewisse Vorlauffrist zur möglichen Umstellung gehabt. Daneben hat das Gericht im Termin vom 11.07.2024 bereits angedeutet, welche Entscheidung ergehen wird.
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Nach Zustellung des Urteils noch im Juli 2024 ist die Umstellungszeit bis zum 31.08.2024 nach Auffassung des Gerichts ausreichend. Sie ist aber grundsätzlich zu bewilligen, da ihr sonst auferlegt würde, gegen ihre Vertragsvereinbarungen mit ihren Kunden zu verstoßen.
F. Zum Vollstreckungsschutzantrag
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Soweit die Verfügungsbeklagte hilfsweise Vollstreckungsschutz beantragt hat geht das Gericht davon aus, dass der Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO gemeint ist.
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Nach § 712 Abs. 1 ZPO ist auf den Schutzantrag des Schuldners die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzende Nachteil bringt. Die Verfügungsbeklagte hat nicht gem. § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, inwieweit hier ein nicht zu ersetzender Nachteil durch die Vollstreckung entstehen würde. Ein solcher ist auch nicht greifbar, insbesondere da ihr eine Umstellungsfrist bewilligt wurde, um etwaige Nachteile abzuwenden.
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Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO. Das geringfügige Unterliegen des Verfügungsklägers im Hinblick auf die verkürzte Umstellungsfrist fällt nicht erheblich ins Gewicht und hat keinen Einfluss auf die Regel, dass der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.