Titel:
Kein Rückzahlungsanspruch bei Buchung eines Coachings zum Business-Aufbau
Normenketten:
BGB § 121, § 123, § 134, § 138
HWG § 1 Abs. 1 Nr. 2
FernUSG § 1 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Anwendungsbereich des HWG ist nicht eröffnet, wenn ein Coaching zum Business-Aufbau angeboten wird, das am Rand auch mit "Gesundheit" wirbt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Muss ein Teilnehmer die Gebühren für ein Coaching zum Business-Aufbau finanzieren, spricht dies noch nicht für eine Sittenwidrigkeit. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Angebot eines Coachings zum Business-Aufbau, bei dem der Schwerpunkt auf einem 1:1 Coaching liegt und bei dem eine Überwachung des Lernerfolgs nicht stattfindet, verstößt nicht gegen § 1 FernUSG. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Fernunterricht
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 12.02.2024 – 29 O 12157/23
Fundstellen:
WRP 2024, 1260
GRUR-RS 2024, 19897
LSK 2024, 19897
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 12.02.2024, Az. 29 O 1215723, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 13.06.2024.
3. Binnen gleicher Frist besteht auch Gelegenheit zur Stellungnahme zum Streitwert, den der Senat auf 20.000,00 € festzusetzen gedenkt.
Gründe
1
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über vertragliche Rückgewähransprüche in Bezug auf einen Coaching-Vertrag.
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Die Beklagte betreibt ein Coaching Unternehmen. In diesem bietet sie Kurse und Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung und zum Business-Aufbau an. Nach Absolvierung eines kostenlosen Workshops vom 06.06-12.06.2022 und einem weiteren Kennenlern-Call am 13.06.2022 buchte die Klägerin am 14.06.2022 bei der Beklagten ein Coaching mit dem Namen „Business Raketen Club – Coaching zum Business Aufbau“ für 20.000 €. Es folgte am 15.06.2022 ein Onboarding-Call, in welchem nochmals der Leistungsumfang/Leitfaden des Coachings (Anl. B 1) durchgegangen wurde. Für das Coaching wurde eine Programmdauer vom 20.06.2022 bis 19.03.2023 festgelegt. In dem Coaching geht es um Positionierung, um den Aufbau einer eigenen F.-Gruppe, um Interaktionsstrategien und das Durchführen von Live-Calls auf F., um den Aufbau einer treuen und kaufkräftigen Community, um das Schaffen einer Verbindung zur Community und um das Thema Copywriting, um eigene Angebote gewinnbringend zu verkaufen.
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Am 17.02.2023 teilte die Klägerin der Beklagten in einem Zoom-Call mit, das Vertragsverhältnis kündigen zu wollen. Mit Schreiben vom 22.03.2023 forderte sie sodann die Teilnahmegebühr in Höhe von 20.000,00 € zurück. Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung mit E-Mail vom 04.04.2023. Die Klägerin forderte erneut mit anwaltlichem Schreiben vom 02.05.2023 unter Fristsetzung bis zum 17.05.2023 zur Rückzahlung auf. Die Beklagte wies die Forderung mit anwaltlichem Schreiben vom 17.05.2023 zurück.
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Mit der hiesigen Klage begehrt die Klägerin die vollständige Rückzahlung der Teilnahmegebühr in Höhe von 20.000,00 €, sowie die Zahlung ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten.
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Das Landgericht München I hat die Klage nach persönlicher Anhörung beider Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2024 mit Urteil vom 12.02.2024 abgewiesen.
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Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung vom 11.03.2024, begründet innerhalb verlängerter Frist mit Schriftsatz vom 14.05.2024, gegen dieses Urteil und verfolgt ihr erstinstanzliches Ziel vollumfänglich weiter. Sie macht geltend, dass ein Vertrag wegen eines Dissens bereits nicht wirksam geschlossen worden sei. Im Übrigen habe dieser angefochten werden können bzw. sei nach § 134 BGB i.V.m. HWG bzw. nach §§ 7, 12 FernUSG oder nach § 138 BGB nichtig oder jedenfalls gekündigt worden. Auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung wird Bezug genommen.
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Die Voraussetzungen für die Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
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Das angegriffene Urteil des Landgerichts München I begegnet aus Sicht des Senats keinen rechtlichen Bedenken. Der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts bemisst sich dabei nach § 529 ZPO, demnach sind die vom Gericht der I. Instanz festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Klageseits werden keine neuen berücksichtigungsfähigen Tatsachen im Sinne des § 529 ZPO vorgetragen. Zur Überzeugung des Senats hat das Erstgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch auf Rückzahlung der Teilnahmegebühr für das Coaching ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben. Weder ist der Vertrag nicht wirksam zustande gekommen, nichtig oder als von Anfang an als nichtig anzusehen, noch konnte er mit der gewünschten Rechtsfolge der vollständigen Rückabwicklung wirksam gekündigt werden.
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Zu den Angriffen der Berufung ist im Einzelnen Folgendes zu bemerken:
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1. Zunächst liegt kein (offener oder versteckter) Dissens i.S.d. §§ 154, 155 BGB vor. Ein solcher wäre gegeben, wenn sich die Parteien (bewusst oder unbewusst) über den Inhalt des Vertrages nicht vollständig geeinigt haben oder der Inhalt der abgegebenen Erklärungen tatsächlich nicht übereinstimmt (vgl. Grüneberg/Ellenberger, 83. Aufl. 2024, BGB, § 155 BGB Rn. 2). Vorliegend wurde der Leistungsumfang aber mehrfach mündlich und schriftlich klar definiert und erläutert. Eine Einigungslücke ist nicht erkennbar. Soweit klageseits ausgeführt wird, dass die Klägerin von einer „engmaschigen Betreuung durch die Geschäftsführerin der Beklagten ausgegangen sei, die es schlicht nicht gegeben habe“, kann hierin ein Einigungsmangel nicht erkannt werden. Eine Exklusivbetreuung durch die Geschäftsführerin der Beklagten persönlich war weder Bestandteil der abgegebenen Erklärungen noch weist der Vertrag in Bezug auf die Person, die das Coaching durchführen soll eine ergänzungsbedürftige Lücke auf.
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2. Allenfalls stimmt der innere Wille der Klägerin nicht mit ihrer objektiven Erklärung überein. Dies wäre kein Fall des Dissens, sondern des Irrtums. Allerdings kommt auch eine Anfechtung nach § 119 BGB nicht in Betracht. Ungeachtet der Frage, ob es sich tatsächlich um einen Inhaltsirrtum oder lediglich um einen unbeachtlichen Motivirrtum handelt, fehlt es jedenfalls an der Einhaltung der Anfechtungsfrist gem. § 121 BGB. Wie sich aus den Schreiben K 4 und K 6 ergibt, bestand die Unzufriedenheit mit dem Coaching bereits von Anfang an. Erstmals im Februar 2023, also nach Ablauf von acht der vereinbarten neun Monate Vertragslaufzeit, hat die Klägerin aber zum Ausdruck gebracht, an der Vereinbarung nicht festhalten zu wollen. Dies kann keinesfalls als unverzüglich i.S.d. § 121 BGB angesehen werden.
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3. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB, die demgegenüber gem. § 124 BGB binnen Jahresfrist möglich wäre, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Konkrete Anhaltspunkte für eine arglistige Täuschung durch die Beklagte werden seitens der Klagepartei nicht schlüssig vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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4. Der Vertrag ist auch nicht nach § 134 BGB i.V.m. § 11 Nr. 8, § 1 Abs. 1 Nr. 2 oder § 2 HWG nichtig. Der Anwendungsbereich des HWG ist nicht eröffnet. Hierzu müsste eine Anordnung oder Durchführung von prophylaktischen, diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen unter Anwendung heilkundlicher Erkenntnisse zu den in § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG genannten Zwecken, hier insbesondere die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden beim Menschen vorliegen (BeckOK HWG Doepner/Resse, 12. Ed. 01.04.2024, HWG § 1 Rn. 697, 702). Die sehr allgemein gehaltene Werbung mit „energetischen Heiltools“, „grandioser Gesundheit“ und „magischen Heiltools“ stellt sicherlich keine der genannten Maßnahmen dar, zumal es sich vorliegend primär um ein Coaching zum Business Aufbau handelt, sodass auch mitnichten davon ausgegangen werden kann, dass das „Behandlungsziel“ auf Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden ausgerichtet ist.
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5. Eine Nichtigkeit gem. § 138 BGB ist ebenfalls nicht anzunehmen. Selbst bei Wahrunterstellung einer Kreditaufnahme in Höhe von 10.000,00 € folgt hieraus keine die Sittenwidrigkeit begründende Überforderung der Klägerin. Der Grundsatz der Privatautonomie bedeutet nicht nur Selbstbestimmung, sondern auch Selbstverantwortung. Der Schuldner hat grundsätzlich selbst zu prüfen, wo die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit liegen. Allein der Umstand, dass dieses Leistungsvermögen überschritten wird (wobei sich dies aus dem Vortrag der Klagepartei nicht ergibt), ist vor diesem Hintergrund nicht ausreichend (vgl. Grüneberg/Ellenberger, 83. Aufl. 2024, BGB, § 138 Rn. 36). Auch ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann nicht erkannt werden. Eine monatliche Vergütung für ein entsprechendes Coaching mit einem vergleichbar großen Leistungsumfang in Höhe von (z.T. weit) mehr als 2.000 € ist nicht unüblich (so z.B. auch bei OLG Köln, MMR 2024, 254; OLG Celle, MMR 2023, 864). Dass am Markt auch günstigere Coachings angeboten werden, mag zutreffend sein, ist für die Frage der Beurteilung der Sittenwidrigkeit aber nicht entscheidend.
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6. Der Vertrag ist auch nicht unter Berücksichtigung der Vorschriften zum FernUSG nichtig. Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes ist nicht eröffnet. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob mit OLG Celle, MMR 2023, 864 das Gesetz auch auf Unternehmer Anwendung findet. Vorliegend fehlt es bereits sowohl an einer räumlichen Trennung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG als auch an einer Überwachung des Lernerfolges i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG.
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a) Nach Sinn und Zweck des Gesetzes ist die räumliche Trennung danach zu beurteilen, ob überwiegend eine synchrone oder asynchrone Wissensvermittlung stattfindet. Die Abgrenzung erfolgt nicht räumlich im Wortsinn, sondern danach, ob ein direkter Austausch erfolgt oder die Lerninhalte hauptsächlich im Rahmen eines Selbststudiums vermittelt werden (vgl. Faix, MMR 2023, 821). Ausweislich der Leistungsbeschreibung (Anl. K 1 und Anl. B 1) liegt der Schwerpunkt auf den Zoom-Meetings, dem Austausch in der F.- und W.-Gruppe und dem 1:1 Coaching. Dass die Live-Calls aufgezeichnet und danach den Mitgliedern zur Verfügung gestellt werden, stellt lediglich eine Zusatzleistung dar, die aber nicht zu einer Schwerpunktverschiebung führt.
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b) Darüber hinaus liegt keine Überwachung des Lernerfolges vor. Auch wenn der Begriff grundsätzlich weit auszulegen ist, ist vorliegend zu berücksichtigen, dass weder ein Lehrgang, ein Studium oder eine Ausbildung absolviert werden sollte, noch konnte irgendein Abschluss absolviert werden. Es ging in dem Coaching maßgeblich darum, bestimmte Strategien zur Verbesserung der Unternehmensstrategie zu erarbeiten. Dementsprechend ging es bei dem Austausch mit den Coaches auch nicht um eine Lernzielkontrolle, sondern um eine individuelle Beratung in Bezug auf die Lebens- und Unternehmensoptimierung (so auch OLG Köln, MMR 2024, 254).
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7. Kündigungsgründe sind ebenfalls nicht ersichtlich. Dies gilt unter Beachtung des oben Gesagten zunächst für einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB. Darüber hinaus ist auch der Anwendungsbereich des § 627 BGB nicht eröffnet. Es bedarf hierfür eines besonderen Vertrauensverhältnisses, das sich gerade nicht nur auf die Sachkompetenz des Vertragspartners beziehen darf. Etwaige Unterrichtsverträge sind daher regelmäßig ausgenommen (vgl. HüKoBGB/Henssler, 9. Aufl. 2023, BGB § 627 Rn. 29). Im Übrigen wäre im Fall der Kündigung gem. § 628 BGB eine Teilvergütung für acht der insgesamt neun Monate Laufzeit zu berücksichtigen.
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8. Mangels Erfolg in der Hauptsache kommt auch der geltend gemachte Zinsanspruch und ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht in Betracht.
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Der Klagepartei wird Gelegenheit gegeben, binnen der oben gesetzten Frist zu den Hinweisen des Senats Stellung zu nehmen. Die Rechtsmittelrücknahme wird ausdrücklich angeregt, auf die in diesem Fall eintretende Gebührenermäßigung von 4,0 auf 2,0 wird ausdrücklich hingewiesen.