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LG München I, Endurteil v. 09.07.2024 – 1 HK O 12576/23
Titel:

Unlautere Gestaltung von Vorschauseiten zu redaktionellen Inhalten ohne Hinweis auf Werbung

Normenketten:
UWG § 3a, § 5a Abs. 4
MStV § 22
TDG § 6 Abs. 1 Nr.1
DDG § 6 Abs. 1 Nr.1
Leitsatz:
Es verstößt gegen § 5a Abs. 4 UWG und § 3a UWG in Verbindung mit § 22 MStV, & 6 Abs. 1 Nr. 1 DDG, wenn in einer Übersicht von Vorschauen zu redaktionellen Beiträgen auch eine Vorschau eines werblichen Beitrages angezeigt und/oder hierauf verlinkt wird, ohne die Werbung zu kennzeichnen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unterlassungsanspruch, Bestimmtheit des Klageantrags, Wiederholungsgefahr, Unlautere Handlung, Kommerzieller Zweck, Nichtkenntlichmachung, Geschäftliche Entscheidung
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 18753

Tenor

1. Die Beklagten werden verurteilt, es jeweils bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwider- handlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken für die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) jeweils an den Geschäftsführern ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, zu unterlassen,
geschäftlich handelnd im Internet in redaktionellen Beiträgen
in einer Übersicht von Vorschauen (Teasern) zu redaktionellen Beiträgen auch eine Vor- schau eines werblichen Beitrages anzuzeigen und/oder hierauf zu verlinken, ohne dass diese Vorschau eindeutig als Werbung oder Anzeige gekennzeichnet wird,
wenn dies geschieht wie in Anlage K 3 (Startseite www.m... de) in Bezug auf die Vorschau „Hier gibt’s was auf die Ohren: Bestseller–Hörbücher bei B... & Co.“, de auf den Artikel gemäß Anlage K 4 verlinkte,
und/oder
wenn dies geschieht wie in Anlage K 5 (Trefferseite Nutzung der Suchfunktion unte www.m... de) in Bezug auf die Vorschau „Hier gibt’s was auf die Ohren: Bestseller–Hörbücher bei B... & Co“, welcher auf den Artikel gemäß Anlage K 4 verlinkte,
2. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 374,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.10.2023 zu zahlen.
3. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist für den Kläger bezüglich Ziff. 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 € vorläufig vollstreckbar, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des je- weils zu vollstreckenden Betrags.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt Unterlassung und Zahlung einer Abmahnpauschale wegen Wettbewerbsverstoß.
2
Der Kläger ist qualifizierter Wirtschaftsverband nach § 8b UWG. Ihm gehört unstreitig eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben wie die Beklagten.
3
Die Beklagten sind verantwortlich für den Internetauftritt www.m... de.
4
Am 05.05.2024 wiesen sie auf mehreren Seiten unter www.m... de im Wege einer Vorschau auf den Beitrag „Hier gibt’s was auf die Ohren: Beststeller-Hörbücher bei B... & Co“ hin, wie aus Anlage K3 (Startseite) und K5 (Seite bei Nutzung der Suchfunktion) ersichtlich.
5
Anlage K3 stellt sich auszugsweise wie folgt dar:
 
6
Anlage K5 stellt sich auszugsweise wie folgt dar:
7
In dem Beitrag, zu dem man durch Anklicken der Vorschau gelangt, werden verschiedene Hörbücher, die über unterschiedliche Anbieter bezogen werden können, kurz vorgestellt bzw. empfohlen.
8
Der Beitrag stellt sich dar wie aus Anlage K4 ersichtlich und hier auszugsweise abgebildet:
 
 
9
Bei sämtlichen Hyperlinks im Beitrag handelt es sich um sog. Affiliate-Links. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass der Linksetzer aus dem Partnerprogramm des verlinkten Anbieters im Falle einer Transaktion (z.B. im Fall eines Kaufes oder der Bestellung eines Abonnements) durch den Nutzer eine Provision erhält.
10
Mit zwei Schreiben vom 26.05.2023 mahnte der Kläger die beiden Beklagten ab. Er forderte sie zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen auf und machte jeweils eine Abmahnpauschale in Höhe € 374,50 geltend. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K6 (Schreiben an die Beklagte zu 1)) verwiesen.
11
Dies lehnten die Beklagten ab.
12
Mit Schriftsatz vom 05.10.2023, den Beklagten am 26.10.2023 zugestellt, hat der Kläger deshalb Klage beim LG München I erhoben und verfolgt sein Begehren gerichtlich weiter.
13
Der Kläger hält das Vorgehen der Beklagten für wettbewerbswidrig. Die Beklagten wiesen weder rechtzeitig, d.h. schon auf der Vorschauseite, noch überhaupt ausreichend, denn der Hinweis sei unzureichend, darauf hin, dass es sich bei dem Beitrag wie Anlage K4 um Werbung handele. Die Beklagten verstießen damit gegen § 5a Abs. 4 UWG und § 6 TMG.
14
Mit Schriftsatz vom 04.06.2024 hat der Kläger seinen Unterlassungsantrag um drei Hilfsanträge ergänzt.
15
Der Kläger beantragt,
1. Die Beklagten werden verurteilt, es jeweils bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken für die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) jeweils an den Geschäftsführern ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, zu unterlassen,
geschäftlich handelnd im Internet in redaktionellen Beiträgen
in einer Übersicht von Vorschauen (Teasern) zu redaktionellen Beiträgen auch eine Vorschau eines werblichen Beitrages anzuzeigen und/oder hierauf zu verlinken, ohne dass diese Vorschau eindeutig als Werbung oder Anzeige gekennzeichnet wird,
wenn dies geschieht wie in Anlage K 3 (Startseite www.m... de) in Bezug auf die Vorschau „Hier gibt’s was auf die Ohren: Bestseller- Hörbücher bei B... & Co.“, der auf den Artikel gemäß Anlage K 4 verlinkte,
und/oder
wenn dies geschieht wie in Anlage K 5 (Trefferseite Nutzung der Suchfunktion unter www.m... de) in Bezug auf die Vorschau „Hier gibt’s was auf die Ohren: Bestseller -Hörbücher bei B... & Co“, welcher auf den Artikel gemäß Anlage
K 4 verlinkte,
hilfsweise hierzu:
in einer Übersicht von Vorschauen (Teasern) zu redaktionellen Beiträgen auch eine Vorschau eines werblichen Beitrages anzuzeigen und/oder hierauf zu verlinken, ohne dass diese Vorschau eindeutig als Werbung oder Anzeige gekennzeichnet wird
oder in dieser Vorschau eindeutig darauf hingewiesen wird, dass mit Nutzung der Hyperlinks in dem verlinkten werblichen Beitrag eine Vergütung des Beklagten durch den Betreiber der verlinkten Webseite oder einen anderen Werbepartner verbunden sein kann
wenn dies geschieht wie in Anlage K 3 (Startseite www.m... de) in Bezug auf die Vorschau „Hier gibt’s was auf die Ohren: Bestseller- Hörbücher bei B... & Co.“, der auf den Artikel gemäß Anlage K 4 verlinkte und/oder wenn dies geschieht wie in Anlage K 5 (Trefferseite Nutzung der Suchfunktion unter www.m... de) in Bezug auf die Vorschau „Hier gibt’s was auf die Ohren: Bestseller -Hörbücher bei B... & Co“, welcher auf den Artikel gemäß Anlage K 4 verlinkte;
hilfsweise hierzu:
in einer Übersicht von Vorschauen (Teasern) zu redaktionellen Beiträgen auch eine Vorschau eines werblichen Beitrages anzuzeigen und/oder hierauf zu verlinken, ohne dass diese Vorschau eindeutig als Werbung oder Anzeige gekennzeichnet wird oder in dieser Vorschau
oder in dem verlinkten werblichen Beitrag eindeutig darauf hingewiesen wird, dass mit Nutzung der Hyperlinks in dem verlinkten werblichen Beitrag eine Vergütung des Beklagten durch den Betreiber der verlinkten Webseite oder einen anderen Werbepartner verbunden sein kann, wenn dies geschieht wie in Anlage K 3 (Startseite www.m... de) in Bezug auf die Vorschau „Hier gibt’s was auf die Ohren: Bestseller- Hörbücher bei B... & Co.“, der auf den Artikel gemäß Anlage K 4 verlinkte
und/oder
wenn dies geschieht wie in Anlage K 5 (Trefferseite Nutzung der Suchfunktion unter www.m... de) in Bezug auf die Vorschau „Hier gibt’s was auf die Ohren: Bestseller -Hörbücher bei B... & Co“, welcher auf den Artikel gemäß Anlage K 4 verlinkte;
hilfsweise hierzu:
einen redaktionellen Beitrag anzuzeigen, ohne dass eindeutig darauf hin-gewiesen wird, dass mit Nutzung der Hyperlinks eine Vergütung des Beklagten durch den Betreiber der verlinkten Webseite oder einen anderen Werbepartner verbunden sein kann, wenn dies geschieht wie in dem Artikel gemäß Anlage K 4;
2. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger € 374,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
16
Die Beklagten beantragen,
Die Klage wird abgewiesen.
17
Die Beklagten halten die Anträge für unbestimmt, weil widersprüchlich. Einleitend werde für alle Anträge darauf abgestellt, dass es um redaktionelle Beiträge gehe („geschäftlich handelnd im Internet in redaktionellen Beiträgen“). Keine der konkret angegriffenen Anlagen (K3, K5, K4) befinde sich in einem redaktionellen Beitrag. Die Hilfsanträge seien überdies gleichberechtigt nebeneinander gestellt und stellten deshalb ein unzulässige Klagenhäufung dar.
18
Die Beklagten halten das Begehren des Klägers auch für unbegründet.
19
Die Auswahl der empfohlenen Hörbücher durch die Redaktion der Beklagten erfolge ausschließlich nach redaktionellen Gesichtspunkten und unbeeinflusst von kommerziellen Überlegungen. Werblich sei erst die Ergänzung des Textes um die Affiliate-Links. Deswegen genüge es, wenn sie zu Beginn des Beitrags auf die Werblichkeit der Links hinweise. Der Vorschautext sei weder selbst eine geschäftliche Handlung bzw. noch veranlasse er eine geschäftliche Entscheidung des Lesers. Das könne man aus den Influencer-Entscheidungen des BGH ableiten. Auch dort habe man eine Kennzeichnungspflicht erst auf Ebene der Tabtags verlangt und nicht schon für die Startseiten. Etwas anderes ließe sich auch nicht mit der nach Art.5 Abs. 1 S.2 GG garantierten Pressefreiheit vereinbaren. Es sei sogar irreführend, den Beitrag als Werbung zu bezeichnen, nachdem dieser grundsätzlich einen redaktionellen Inhalt habe. Es sei im Übrigen auch üblich, Vorschautexte auf Beiträge, die redaktioneller Natur seien, aber einen werblichen Überschuss in Gestalt von sog „Affiliate-Links“ enthielten, in der jeweiligen Vorschau nicht als Werbung zu kennzeichnen. Die Beklagten verweist auf Internetscreenshots der FAZ, des Spiegel, des Focus und der BILD wie Anlage B1, B2, B3, B4. Auch Influencer würden nicht so vorgehen. Die Beklagte verweist auf die Internetauftritte wie Anlage B5 und B6.

Entscheidungsgründe

20
Die Klage ist schon im Hauptantrag zulässig und begründet. Auf die Hilfsanträge kommt es damit nicht an.
A)
21
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Klageantrag bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 ZPO.
22
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 I ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte Partei deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st.Rspr., vgl. BGH GRUR 2021, 1414 Rn.19 Influencer I) Ein auf Unterlassung einer konkreten Verletzungsform gerichteter Antrag ist jedoch regelmäßig ausreichend bestimmt.
23
Insoweit bestehen an der Bestimmtheit hier keine Bedenken. Der Kläger greift mit Anlage K3 und K5 konkrete Verletzungsformen an. In dieser Verletzungsform ist der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird.
24
Das Gericht vermag auch nicht zu sehen, dass der Antrag widersprüchlich wäre.
25
Der Kläger greift, „Vorschauseiten“ im Internetauftritt der Beklagten wie Anlage K3 und K5 an, die eine Vorschau auf eine Mehrzahl von Beiträgen beinhalten, von denen der durch Anlage K4 konkretisierte Beitrag einen werblichen Gehalt haben soll, ohne dass die Beklagten auf diesen Umstand auf der „Vorschauseite“ darauf hinwiesen. Die abstrakte Umschreibung des angegriffenen Verhaltens steht insoweit nicht im Widerspruch zur konkreten Verletzungsform, sondern deckt sich mit ihr.
26
Auch die einleitende Formulierung „geschäftlich handelnd im Internet in redaktionellen Beiträgen“ bedingt zudem keinen Widerspruch. Gemeint ist offensichtlich der Rahmen der konkreten Beiträge der Beklagten. Der Kläger greift die Beklagten als Medienunternehmen an, die grundsätzlich redaktionelle Beiträge erstellen. Der Passus ist damit überflüssig, aber auch unschädlich.
B)
27
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten verlangen.
28
I. Nach § 8 Abs. 1 Alt.2 UWG kann bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine unlautere Handlung nach §§ 3ff UWG begeht. Die Beklagte hat hier eine unlautere Handlung nach § 5a Abs. 4 UWG, § 22 MStV, § 6 Abs. 1 Nr.1 TMG bzw. § 6 Abs. 1 Nr.1 DDG i.V.m. § 3a UWG begangen. Wiederholungsgefahr wird aufgrund des Verstoßes vermutet.
29
1. Mit der Gestaltung ihrer Vorschauseiten wie Anlage K3 und K5 verstoßen die Beklagten gegen § 5a Abs. 4 UWG.
30
Nach § 5a Abs. 4 UWG in der seit 28.05.2022 geltenden Fassung handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. § 5a Abs. 4 S.2. und S.3 sehen vor, dass ein kommerzieller Zweck im Sinne von S.1 bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vorliegt, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird allerdings vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat. Die Einschränkung aus S.2 gilt nach der Gesetzesbegründung zudem nicht, wenn es um die Förderung des eigenen Absatzes geht (vgl. BT-Drs. 19/27873, S.35)
31
Mit der Vorschrift soll das medienrechtliche Verbot der Schleichwerbung auf alle Formen der Werbung ausgedehnt werden. Sie bezweckt damit den Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung über den kommerziellen Hintergrund geschäftlicher Maßnahmen. Insofern dient sie auch der Umsetzung von Art. 7 Abs. 2 RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. Grundlage des Verbots ist die damit regelmäßig einhergehende Irreführung des Lesers, der dem Beitrag aufgrund seines redaktionellen Charakters unkritischer gegenübertritt und ihm auch größere Bedeutung und Beachtung bemisst (vgl. BGH, ZUM 2021, 1013 Rn. 23 – Influencer I) Die Voraussetzungen von § 5a Abs. 4 UWG liegen vor.
32
a) Die Gestaltung der angegriffenen Vorschauseiten stellen geschäftliche Handlungen im Sinne von § 5a Abs. 4 UWG dar.
33
Nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 2 UWG ist eine „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt. Das Merkmal des objektiven Zusammenhangs ist funktional zu verstehen. Die Handlung muss bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet sein, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers zur Absatzförderung beizutragen. Eine subjektive Absatzförderungsabsicht ist dagegen nicht erforderlich. Die Frage, ob eine Handlung vorrangig der Förderung des Absatzes dient oder anderen Zielen ist aufgrund einer Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BGH, ZUM 2021, 1013, Rn.30, 32 – Influencer I).
34
Auch redaktionelle Beiträge von Medienunternehmen, die unter den Schutz von Art.5 Abs. 1 S.2 GG fallen, können deshalb geschäftliche Handlungen darstellen, je nachdem, ob sie objektiv auf Absatzförderung gerichtet sind.
35
Dient der Beitrag nur der Information und Meinungsbildung der Leser, Zuschauer oder Zuhörer, kann allerdings nicht von einer geschäftlichen Handlung gesprochen werden (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 42. Aufl. 2024, UWG § 2 Rn. 2.70).
36
Gleiches gilt auch noch, wenn die Förderung des eigenen Wettbewerbs nur eine untergeordnete, weil notwendigerweise begleitende Rolle spielt. Denn jede redaktionelle funktionsgerechte und erlaubte Berichterstattung eines Presseorgans kann objektiv auch die Wirkung haben – und zielt mithin darauf hin –, die eigene Wettbewerbslage im Verhältnis zu anderen Presseunternehmen zu verbessern oder zu behaupten (vgl. BGH, GRUR 1990, 373 – Schönheits-Chirurgie).
37
Liegen aber weitere Umstände vor, kann ein Absatzzusammenhang durchaus bejaht werden. Dies gilt insbesondere, wenn der Beitrag im Zusammenhang mit einer Gegenleistung eines fremden Unternehmens steht. Dabei handelt es sich um einen Umstand, der wesentlich für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung spricht.
38
Aber auch wenn ein Medienunternehmen für eine redaktionelle Veröffentlichung keine Gegenleistung von einem fremden Unternehmen erhält, kann es sich um eine geschäftliche Handlung zugunsten eines dritten Unternehmens handeln, nämlich wenn der Beitrag übertrieben werblich ist und deshalb einen sog. werblichen Überschuss enthält (vgl. BGH, ZUM 2021, 1013 Rn.60 – Influencer I)
39
Danach liegen hier mit den Vorschauseiten geschäftliche Handlungen vor.
40
Der Beitrag wie Anlage K4 dient dem Absatz von Drittprodukten und ist deshalb eine geschäftliche Handlung.
41
Die Beklagten empfehlen in diesem Beitrag Drittprodukte in Form von Hörbüchern. Die Beklagten erhalten dann wegen der im Beitrag enthaltenen Affiliate-Links unstreitig eine Provision, wenn ein im Beitrag Anlage K4 empfohlenes und verlinktes Produkt unter Nutzung des zur Verfügung gestellten Affiliate-Links erworben wird. Insoweit erhalten die Beklagten ohne Weiteres eine Gegenleistung von einem Dritten für die Veröffentlichung des Beitrags. Zwar ist nicht gesichert, dass die Veröffentlichung des Beitrags und Verlinkung der Erwerbsseite tatsächlich Einnahmen generiert. Einnahmen erzielen die Beklagten nur im Fall des Erwerbs des Produkts. Es besteht aber nichtsdestoweniger die Möglichkeit dazu. Bereits diese Chance stellt einen wirtschaftlichen Wert und damit letztlich eine Gegenleistung dar.
42
Die Veröffentlichung von Vorschauen auf den Beitrag, wie sie in Anlage K3 und K5 erfolgt und mit dem Hauptantrag angegriffen wird, muss deshalb nach Auffassung der Kammer ebenfalls als geschäftliche Handlung angesehen werden.
43
Der Hinweis auf den Beitrag auf der Vorschauseite ist zwingend verbunden mit der Veröffentlichung des Beitrags an sich. Es handelt sich bei dem Hinweisen um ergänzende unselbständige Handlungen. Anlage K3 und K5 dienen der Anlage K4. Sie verfolgen den ausschließlichen Zweck, den Leser auf den Beitrag wie Anlage K4 aufmerksam zu machen und ihm den Weg dorthin zu weisen.
44
b) Die Veröffentlichung der Vorschau auf den Beitrag Anlage K4 verfolgt einen kommerziellen Zweck.
45
Es ist umstritten, ob der kommerzielle Zweck gegenüber dem Kriterium der geschäftlichen Handlung ein zusätzliches subjektives Tatbestandsmerkmal im Sinne einer Werbeabsicht erfordert. Nach dem BGH kann der Streit aber richtigerweise offen bleiben, da auch diese Absicht nur anhand objektiver Indizien bestimmt werden kann (vgl. BGH, ZUM 2021, 1013 Rn.77 – Influencer I).
46
Von einer entsprechenden Absicht ist nach dem BGH insbesondere immer dann auszugehen, wenn der Beitrag objektiv Werbung enthält. Das ist auch vorliegend zu bejahen.
47
Der Beitrag wie Anlage K4 enthält mit seinen Affiliate-Links Werbung und verfolgt damit jedenfalls auch kommerzielle Zwecke.
48
Da die Vorschauen auf den Beitrag wie Anlage K4 in den Beiträgen Anlage K3 und K5 unselbständige Beiträge sind und dem Beitrag K4 dienen, verfolgen sie letztlich ebenfalls auch kommerzielle Zwecke.
49
c) Die Beklagten machen den kommerziellen Zweck der Vorschauen auf den Beitrag Anlagen K4 nicht ausdrücklich kenntlich. Er ergibt sich auch nicht aus den Umständen. Dass die im Beitrag K4 enthaltenen Links provisionsauslösend sein können, ist für die Leser der Beiträge ohne einen klarstellenden Hinweis nicht zu erkennen. Ein Affiliate-Link unterscheidet sich äußerlich nicht von einem normalen Link.
50
d) Die Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks ist auch geeignet, den Leser zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen.
51
Eine geschäftliche Entscheidung, zu deren Veranlassung die Nichtkenntlichmachung geeignet sein muss, ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr.1 UWG jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden.
52
Der Begriff »geschäftliche Entscheidung« erfasst nach der obergerichtlichen Rechtsprechung außer der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines Geschäfts oder den Aufruf der Internetseite eines Unternehmens, um sich näher mit dessen Angebot und Produkten zu befassen. Dagegen stellt die Entscheidung des Verbrauchers, sich mit einem beworbenen Angebot in einer Werbeanzeige näher zu befassen, für sich gesehen mangels eines unmittelbaren Zusammenhangs mit einem Erwerbsvorgang noch keine geschäftliche Entscheidung dar (vgl. BGH GRUR 2015, 698 Rn.20 – Schlafzimmer komplett). Im Bereich der Influencer-Werbung, auf welche der BGH grundsätzlich die Kriterien von klassischen Presseartikeln anwendet, ist zwischen dem Anklicken des ersten Bildes und dem Anklicken des sich anschließend zeigenden sog. Tab-Tags, das den Anwender auf die Seiten des verlinkten Unternehmens begibt, zu unterscheiden (vgl. BGH ZUM 2021, 1013, Rn.59, 96 – Influencer I).
53
Der Beklagten ist insoweit zuzugeben, dass sich der Rechtsprechung Hinweise entnehmen lassen, die gegen die Relevanz der Nichtkenntlichmachung auch im vorliegenden Fall sprechen.
54
Zwar sieht die Rechtsprechung bereits das Aufrufen von Internetseiten grundsätzlich als mögliche relevante Handlung. Das ist nicht selbstverständlich. Denn anders als das Aufsuchen eines Geschäfts ist das Aufsuchen einer Internetseite nur mit einem minimalen Aufwand verbunden. Erschleicht sich ein Unternehmen das Aufsuchen einer Internetseite, indem es wesentliche Informationen zurückhält, ist deshalb die Gefahr, dass der Verbraucher im Erwerbsvorgang nach Bekanntgabe der Information gegen seinen eigentlichen Willen fortschreitet, deutlich niedriger, als beim Aufsuchen eines Geschäfts. Der Verbraucher klickt einfach wieder zurück.
55
Der BGH unterscheidet aber bei Influencern zwischen Aufrufen von Seiten, die noch dem Beitragsersteller zuzuordnen sind, und dem Aufruf von Seiten eines Dritten. Danach wäre erst das Betätigen des Affiliate-Links eine geschäftliche Handlung. Es würde also genügen, über die Werblichkeit des Beitrags auf dem Beitrag selbst hinzuweisen.
56
Die Kammer geht aber davon aus, dass bereits das Aufrufen des Beitrags Anlage K4 als geschäftsrelevant angesehen werden muss. Dafür spricht nicht nur, dass das Anklicken von Seiten auch geschäftliche Relevanz in dem Sinne hat, als Web-Traffic auf einer Internetseite ein Geschäftswert ist und dieser natürlich durch die Nichkenntlichmachung des kommerziellen Charakters eines Beitrags ebenfalls gesteigert wird, sondern vor allem, dass nach den gesetzlichen Wertungen des Telemediengesetzes bzw. des Digitalen-Dienste-Gesetzes die Relevanz-Schwelle bei unzureichender Information des Verbrauchers in diesem Bereich sehr niedrig anzusetzen ist.
57
Die Wertungen des Telemediengesetzes sind hier zu berücksichtigen.
58
Der BGH hat mehrfach klargestellt, dass § 6 Abs. 1 Nr.1 TMG und § 58 RStV (bzw. Seine Nachfolgevorschrift § 22 MStV) bereichsspezifische Spezialvorschriften sind, die für den Bereich der Telemedien die Anforderungen an die Erkennbarkeit von kommerzieller Kommunikation festlegen (vgl. BGH GRUR 2021, 1414 Rn.60, 70 – Influencer II). Ein Verstoß gegen § 5a Abs. 4 UWG (bzw. der Vorgängervorschrift § 5a Abs. 6 UWG) kann deshalb überhaupt nur angenommen werden, wenn das gerügte Verhalten zugleich § 6 Abs. 1 Nr.1 TMG und § 58 RStV (bzw. § 22 MStV) verletzt (wobei die beiden Vorschriften parallel laufen).
59
Die Beklagten sind als Inhaber der betroffenen Internetseiten auch als Diensteanbieter nach § 2 S.2 Nr.1 TMG anzusehen und unterliegen deshalb dem TMG.
60
Die angegriffenen Beiträge stellen kommerzielle Kommunikation im Sinne von § 2 S.1 Nr.5 TMG dar. Die Beklagten präsentieren Produkte von Drittunternehmen und erhalten dafür eine Gegenleistung.
61
Berücksichtigt man nun die Wertungen des TMG, insbesondere die Vorgaben nach § 6 TMG, dann muss festgestellt werden, dass es der Gesetzgeber dort in § 6 Abs. 2 TMG bereits als unzulässig einstuft, wenn im Falle kommerzieller Kommunikation mittels elektronischer Post in der Kopf- bzw. Betreffzeile der Nachricht der kommerzielle Zweck der Nachricht verheimlicht wird. Legen die Header-Informationen der E-Mail nicht bereits den kommerziellen Charakter der E-Mail offen, verletzt der Diensteanbieter seine Kommunikationspflichten.
62
Diese gesetzliche Vorgabe gilt auch aktuell noch. Zwar wurde das TMG mittlerweile durch das Digitale Dienste-Gesetz abgelöst. Die Vorschriften des TMG sind außer Kraft getreten. Mit § 6 Abs. 2 DDG findet sich aber eine gleichlautende Vorschrift im Digitale Dienste-Gesetz.
63
Die Kammer erachtet die Konstellationen für vergleichbar. Die Kopf- und Betreffzeile ist eine Art Vorschau auf den Inhalt der E-Mail.
64
Deswegen ist geschäftliche Relevanz des Verstoßes hier im Ergebnis zu bejahen. Der Gesetzgeber schützt Verbraucher schon davor, kommerzielle Inhalte unnötig aufzurufen, auch wenn es nur ein Klick ist.
65
e) Die Anwendung von § 5a Abs. 4 UWG ist auch nicht durch § 6 Abs. 1 Nr.1 TMG (bzw. § 6 Abs. 1 Nr.1 DGG) und § 58 RStV (bzw. § 22 MStV) ausgeschlossen. Zwar hält die BGH, wie ausgeführt, diese Vorschriften für bereichsspezifische Spezialvorschriften, die nicht umgangen werden dürfen. Eine Umgehung droht hier aber schon deshalb nicht, weil die Voraussetzungen vorliegen.
66
Wie ausgeführt, sind die Beklagten Diensteanbieter und hat die Vorschauseite einen kommerziellen Charakter. Diesen kommerziellen Charakter machen die Beklagten auch nicht kenntlich.
67
Es liegt auch nicht nur ein Verstoß zur Zeit der Abmahnung vor, sondern auch noch jetzt zum Schluss der mündlichen Verhandlung. Das Vorgehen der Beklagten verletzt jetzt § 6 Abs. 1 Nr.1 DDG.
68
Der Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Nr.1 TMG ist auch als Wettbewerbsverstoß anzusehen. Die Voraussetzungen von § 3a UWG lieben ebenfalls vor.
69
Unlauter handelt nach § 3a UWG, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
70
§ 6 Abs. 1 Nr.1 TMG und § 58 Abs. 1 RStV sind nach dem BGH Marktverhaltensregeln (s.o.). Es ist nach hiesiger Auffassung auch davon auszugehen, dass der Verstoß die Interessen von Verbrauchern spürbar beeinträchtigt. Hier gelten erst recht die Ausführungen im Hinblick auf § 6 Abs. 2 TMG.
71
Insgesamt liegt damit ein Wettbewerbsverstoß nach § 5a Abs. 4 UWG vor.
72
2. Die Vorschauseiten verstoßen nach den obigen Ausführungen auch gegen § 6 Abs. 1 Nr.1 TMG bzw. § 6 Abs. 1 Nr.1 DGG. In diesem Sinne kann sogar offen bleiben, ob tatsächlich ein Verstoß gegen § 5a Abs. 4 UWG vorliegt, da jedenfalls ein Verstoß gegen das TMG bzw. DGG gegeben ist.
73
3. Der Anspruch ist auch im Sinne des Hauptantrags vollumfänglich begründet. Eine Einschränkung des Antrags dahingehend, dass nicht verlangt werden könnte, dass die Beklagten darauf hinzuweisen haben, dass es sich bei der Anlage K4 um Werbung handelt.
74
Tatsächlich enthält der Betrag werbliche Inhalte. In diesem Sinne kann der Kläger einen Hinweis verlangen, dass es Werbung ist.
75
II. Der Kläger kann Zahlung der Abmahnpauschale nach § 13 Abs. 3 UWG verlangen, da die Abmahnung berechtigt und formal nicht zu beanstanden war. Die Höhe der Pauschale haben die Beklagten nicht angegriffen. Der Anspruch ist nach §§ 288, 291 BGB zu verzinsen.
C)
76
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit bezüglich Ziff.1 des Tenors aus § 709 S.1 ZPO, im Übrigen aus § 709 S.2 ZPO.