Inhalt

LG Schweinfurt, Endurteil v. 03.06.2024 – 23 O 354/23
Titel:

Schadensersatzanspruch nach DSGVO setzt tatsächlich eingetretenen Schaden voraus

Normenkette:
DSGVO Art. 15, Art. 82 Abs. 1
Leitsätze:
1. Art. 15 Abs. 1 DSGVO gewährt dem Nutzer eines sozialen Netzwerks kein Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über die Häufigkeit und das technische Verfahren der Verarbeitung personenbezogener Daten zu Werbezwecken durch den Verantwortlichen.  (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO muss der Schaden „erlitten“ worden sein, woraus sich ergibt, dass dieser tatsächlich entstanden sein muss und nicht lediglich befürchtet wird. Zwar ist der Begriff des Schadens weit auszulegen, jedoch reicht ein bloßer Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO nicht aus, um (immateriellen) Schadensersatz verlangen zu können. Es bedarf vielmehr der Darlegung eines konkreten (auch immateriellen) Schadens. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Art. 82 Abs. 1 DSGVO erfordert zwar nicht, dass der Schaden ein besonderes Ausmaß angenommen haben muss, mithin er eine Erheblichkeitsschwelle überschreitet, doch müssen Personen, die sich auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO berufen, den Nachweis erbringen, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden – so geringfügig er auch sein mag – erlitten haben. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
internationale Zuständigkeit, Verbraucherklage, Auskunftsanspruch, immaterieller Schadensersatz, Löschungsanspruch, Rechtsverfolgungskosten, Streitwert
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 18001

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 7.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit behaupteten Verletzungen des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten auf einer Social-Media-Plattform im Zeitraum vom 25.05.2018 bis 06.11.2023.
2
Die Beklagte ist Betreiberin des sozialen Netzwerks .... Das Netzwerk eröffnet Nutzern die Möglichkeit, sich mit anderen Personen als „Freunde“ oder in Interessengruppen zu verbinden sowie persönliche Daten, Erfahrungen, Interessen oder Medien zu teilen. Hierbei finanziert sich die Beklagte unter anderem mit Werbeeinnahmen, welche aus der Schaltung interessengerechter Werbeanzeigen, die auf das Nutzungsverhalten der Netzer abgestimmt sind, generiert werden.
3
Bei der Anmeldung als Nutzer von ... sind persönliche Daten, insbesondere der Klarname, das Geburtsdatum sowie eine Telefonnummer oder Mailadresse anzugeben. Die Beklagte verwendet von Nutzern bereitgestellte Daten, deren Aktivität im Umgang mit dem sozialen Netzwerk und von Dritten über die Nutzer zur Verfügung gestellte Daten, um auf den jeweiligen Nutzer personalisierte Dienste anzubieten. Hierbei werden den Nutzern durch die Beklagte personalisierte Werbeeinblendungen angezeigt, welche auf den durch die Beklagte gesammelten Nutzerdaten basieren. Hintergrund ist, dass die Beklagte, welche das soziale Netzwerk Nutzern (auch) kostenfrei zur Verfügung stellt, Einnahmen generiert, indem sie Werbetreibenden entgeltlich die Möglichkeit eröffnet, ihre Werbung einem spezifischen Nutzerpublikum entsprechend dessen aus dem Nutzerverhalten antizipierten Interessen zu präsentieren. In diesem Zusammenhang werden durch die Beklagte keine Informationen, die eine persönliche Identifizierung der Nutzer ermöglichen, an die Werbetreibenden weitergegeben, es sei denn, die jeweiligen Nutzer stimmen einer solchen Weitergabe ausdrücklich zu. Vielmehr präsentiert die Beklagte die Inhalte der Werbetreibenden den jeweiligen Nutzern und stellt den Werbetreibenden aggregierte Informationen über die Wirkung einer Werbeanzeige bei unterschiedlichen demografischen Gruppen unter dem Aspekt der Reichweitenwirkung zur Verfügung.
4
Die Beklagte stellt den Nutzern eine Mehrzahl an Diensten zur Verfügung, durch welche sie Informationen über durch die Beklagte vorgehaltene Daten und deren Verwendung erhalten können. Vor der Registrierung eines ...-Kontos werden künftige Nutzer nunmehr aufgefordert, die Nutzungsbedingungen von ... zu lesen und diesen zuzustimmen.
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Ab dem 25.05.2018 formulierten die Nutzungsbedingungen der Beklagten unter dem Punkt 1. mit der Überschrift „Von uns angebotene Dienste“ wie folgt:
„Wir helfen dir, Inhalte, Produkte und Dienste zu entdecken, die dich möglicherweise interessieren: Wir zeigen dir Werbeanzeigen, Angebote und sonstige gesponserte Inhalte, um dir dabei zu helfen, Inhalte, Produkte und Dienste zu entdecken, die von den vielen Unternehmen und Organisationen angeboten werden, die ... und andere ...-Produkte nutzen.“
6
In Abschnitt 2 unten wird dies näher wie folgt erläutert:
„Wie unsere Dienste finanziert werden:
Anstatt dafür zu zahlen ... sowie die anderen von uns angebotenen Produkte und Dienste zu nutzen erklärst du dich durch Nutzung der ...-Produkte für die diese Nutzungsbedingungen gelten, einverstanden, dass wir dir Werbeanzeigen zeigen dürfen für deren Hervorhebung innerhalb und außerhalb der Produkte der ...-Unternehmen wir von Unternehmen und Organisationen bezahlt werden. Wir verwenden deine personenbezogenen Daten, z. B. Informationen über deine Aktivitäten und Interessen, um dir Werbeanzeigen zu zeigen, die relevanter für dich sind.
Der Schutz der Privatsphäre und der Daten von Personen war zentraler Bestandteil bei der Gestaltung unseres Werbesystems. Das heißt, dass wir dir relevante und hilfreiche Werbeanzeigen zeigen können ohne dass Werbetreibende erfahren, wer du bist. Wir verkaufen deine personenbezogenen Daten nicht. Wir geben Werbetreibenden die Möglichkeit uns beispielsweise mitzuteilen, was ihr Geschäftsziel ist und welche Art von Zielgruppen ihre Werbeanzeigen sehen soll (z. B. Personen im Alter von 18 bis 35 Jahren, die sich für Radfahren interessieren). Daraufhin zeigen wir deren Werbeanzeige Personen, die daran interessiert sein könnten.
Darüber hinaus stellen wir Werbekunden Berichte über die Performance ihrer Werbeanzeigen zur Verfügung, damit sie Erkenntnisse darüber erlangen, wie Personen mit ihrem Inhalt auf und außerhalb von ... interagieren. Wir stellen Werbetreibenden beispielsweise allgemeine demografische und interessenbezogene Informationen bereit (z. B. dass eine Werbeanzeige von einer Frau im Alter zwischen 21 und 34 Jahren, die in Madrid lebt und sich für Softwareentwicklung interessiert angesehen wurde), um ihnen zu helfen, ihre Zielgruppe besser zu verstehen.
Wir teilen keine Informationen, anhand derer du unmittelbar identifiziert werden kannst (Informationen wie dein Name oder deine E-Mail-Adresse, die für sich allein dazu verwendet werden können dich zu kontaktieren, bzw. dich direkt identifizieren), es sei denn, du erteilst uns die ausdrückliche Zustimmung dazu. Hier erfährst du mehr über die Funktionsweise von ...-Werbeanzeigen.
Wir erheben und nutzen deine personenbezogene Daten, um die oben beschrieben Dienste für dich bereitzustellen. In unserer Datenrichtlinie erfährst du, wie wir deine Daten erheben und nutzen. Du verfugst über Kontrollmöglichkeiten dafür, welche Arten von Werbeanzeigen und Werbetreibenden du siehst und darüber, welche Arten von Informationen wir verwenden, um festzulegen welche Werbeanzeigen wir dir zeigen. Mehr dazu.“
7
Der Kläger ist Nutzer der Plattformen ... und ... unter der E-Mail-Adresse sowie ... unter der Mobilfunknummer . Die Dienste ... und ...werden durch die Beklagte, ... durch die ... Ireland Limited in D. bereitgestellt.
8
Die Beklagte teilte ihren Nutzern zunächst mit, die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Schaltung personalisierter Werbung erfolge auf Grundlage des Art. 6 Abs. 1b) DS-GVO, da sie zur Vertragserfüllung erforderlich sei. Seit dem 05.04.2023 wies die Beklagte ihre Nutzer darauf hin, die Datenverarbeitung erfolge auf Grundlage des Art. 6 Abs. 1f) DS-GVO und bot den Nutzern eine Möglichkeit zur Erklärung eines Widerspruchs gegen die Datenverarbeitung.
9
Ab dem 03.11.2023 führte die Beklagte das Einwilligungsmodell in Europa ein. Nutzer wurden über produktinterne Hinweise aufgefordert, entweder (1) in die Verwendung ihrer Daten für Werbeanzeigen auf .../...durch die Beklagte einzuwilligen oder (2) die werbefreie .../...Version zu abonnieren. Im zweiten Fall verwendet die Beklagte die Nutzerdaten nicht, um Werbung anzuzeigen. Zuletzt steht es Nutzern frei, sich für keine der beiden Optionen zu entscheiden und stattdessen ... bzw. ...zu verlassen, indem sie ihr(e) Konto(en) löschen, wobei es den Nutzern möglich ist, zuvor ihre Kontoinformationen herunterzuladen.
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Am 06.11.2023 willigte der Kläger ein, dass die Beklagte weiterhin Informationen des Klägers zu Werbezwecken verwenden darf (Anlage B 31).
11
Am 20.04.2023 (Anlage KGR 3) forderte der Kläger außergerichtlich Auskunft, Schadensersatz und Unterlassung, worauf die Beklagte mit Schreiben vom 22.05.2023 (Anlage B 27) antwortete.
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Der Kläger trägt vor, dass die Beklagte durch die Nutzung der klägerischen personenbezogenen Daten gegen die Vorgaben der DS-GVO verstoßen habe. So habe die Beklagte die klägerischen personenbezogenen Daten ohne Rechtfertigungsgrund zur Schaltung personalisierter Werbung genutzt. Insbesondere sei die Personalisierung von Werbung nicht zur Vertragserfüllung erforderlich oder zur Wahrung von berechtigten Interessen der Beklagten oder Dritter geboten. Auch habe der Kläger nicht in die entsprechende Datenverarbeitung eingewilligt.
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Vor diesem Hintergrund stehe dem Kläger ein Schadensersatzanspruch mindestens in Höhe von 1.500,00 EUR zu, wobei er diesen nach Auskunftserteilung hinsichtlich der Nutzung seiner personenbezogenen Daten durch die Beklagte zu Werbezwecken (worauf er ebenfalls einen Anspruch habe) näher beziffern könne. Der Schadensersatzanspruch ergebe sich aus den aufgrund der rechtswidrigen Datenverarbeitung erlittenen Nachteilen in Zusammenschau mit der verspäteten und unzureichenden Auskunftserteilung über die Datenverarbeitung durch die Beklagte. Insoweit habe der Kläger ein ungutes Gefühl durch die Datenverarbeitung der Beklagten und die hiermit einhergehende personalisierte Werbung erlitten. Er habe sich beobachtet gefühlt und die Kontrolle über seine Daten verloren. Jedenfalls sei er jedoch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden.
14
Im Dezember 2020 sei Werbung von Verlobungsringen angezeigt worden und seine Freundin habe dies gesehen. Für die Freundin sei dann klar gewesen, dass der Kläger Verlobungsringe bestellt habe und der Überraschungseffekt sei dadurch weg gewesen. In diesem Zusammenhang sei die Bestellung jedoch nicht über die ...-App vorgenommen worden.
15
Ebenfalls sei Werbung von Stepstone angezeigt worden und im Großraumbüro von anderen Arbeitskollegen gesehen worden. Es sei daher klar geworden, dass der Kläger nach einer neuen Arbeitsstelle suche.
16
Mit der ursprünglichen Klage begehrte der Kläger unter Ziffer 3 die Unterlassung, dass seine personenbezogenen Daten ohne Einholung einer Einwilligung der Gläubigerseite oder Erfüllung der gesetzlichen Erlaubnistatbestände zu Werbezwecken verarbeitet werden. Mit Schriftsatz vom 13.11.2023 hat der Kläger seine Klage in dieser Ziffer umgestellt.
17
Im Übrigen, soweit der bisherige Antrag zu 3. nicht im geänderten Antrag zu 3. enthalten ist, geht die Klägerseite von einer Erledigung aus. Insoweit soll, soweit es nicht zu einer übereinstimmenden Erledigung kommt, festgestellt werden, dass die Klage sich insoweit erledigt hat, als dass die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der fortdauernden Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von dem im Nutzerprofil der Klägerseite gespeicherten Daten (“Profildaten“ wie beispielsweise Telefonnummer, ...lD, Familienname, Vorname. Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt, Beziehungsstatus) zu Werbezwecken ohne Einwilligung beantragt worden ist. Die Beklagte stimmte der Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 16.01.2024 zu.
18
Der Kläger beantragt nunmehr:
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über die die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten zu erteilen, die die Beklagte in Zusammenhang mit der individualisierten Werbung verarbeitet, namentlich:
a) Welche die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten werden zu Werbezwecken verarbeitet?
b) Wie oft wurden die oben genannten Daten jeweils verarbeitet?
c) Welche die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten werden zu Werbezwecken an Dritte weitergeleitet oder auf welche andere Weise werden der Klägerseite nach ihren Daten spezifizierte Werbeanzeigen zugespielt?
d) Im Falle der Weiterleitung von Daten an Dritte: Wann – zu welchem Zeitpunkt oder in welchem Zeitraum – sind diese die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten weitergeleitet worden?
e) Im Falle der Weiterleitung von Daten an Dritte: Wie oft wurden diese die Klägerseite betreffenden, personenbezogenen Daten an Dritte weitergeleitet?
f) Im Falle der Weiterleitung von Daten an Dritte: Wurden personenbezogene Daten zu Werbezwecken in ein Drittland übermittelt und welche geeigneten Garantien gemäß Artikel 46 DSGVO bestanden dafür?
g) Im Falle keiner Weiterleitung an Dritte, sondern eigener Verarbeitung zu Werbezwecken: Wie, also nach welchem (technischen) Verfahren, werden die personenbezogen Daten der Klägerseite zu Werbezwecken ausgewertet?
h) Welche Daten werden zu zielgerichteten Werbezwecken (targeted advertising) bei der Benutzung von ... gesammelt?
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite als Ausgleich für Datenschutzverstöße einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 1.500 EUR aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die zum Nutzungsverhalten der Klägerseite unter dem Zwecke der personalisierten Werbung gespeicherten Daten („Plattformdaten“) zu löschen, soweit diese im Zeitraum zwischen dem 25.05.2018 und dem 6.11.2023 erfasst wurden.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,67 EUR zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
19
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
20
Die Beklagte erwidert, dass die Datenerhebung und -verarbeitung rechtmäßig erfolgt sei und ein Auskunftsanspruch – soweit er bestehe – erfüllt sei. Ein Schadensersatzanspruch bestünde jedenfalls deshalb nicht, da es an einem kausalen Schaden fehle.
21
Wegen der übrigen Einzelheiten, insbesondere der geäußerten Rechtsansichten, wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 04.03.2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
A.
23
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 6 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 2. Alt EuGVVO (Brüssel la VO). Gemäß Art. 1 Abs. 1 EuGVVO ist die EuGVVO sachlich anwendbar auf Zivil- und Handelssachen. Vorliegend handelt es sich um eine Zivilsache. Die deutsche Gerichtsbarkeit folgt aus Art. 6 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 2. Alt EuGVVO. Ein ausschließlicher Gerichtstand gemäß Art. 24 EuGVVO ist nicht ersichtlich. Gemäß Art. 18 Abs. 1 2. Alt EuGVVO kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Die Klagepartei ist gemäß Art. 17 Abs. 1 EuGVVO Verbraucher und hat ihren Wohnsitz im Bezirk des angerufenen Gerichts. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich ferner aus Art. 79 Abs. 2 DS-GVO. Danach können Klagen gegen einen Verantwortlichen oder gegen einen Auftragsverarbeiter bei den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dem die betroffene Person ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, es sei denn, es handelt sich bei dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter um eine Behörde eines Mitgliedstaats, die in Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse tätig geworden ist.
24
Gemäß Art. 4 Nr. 7, 8 DS-GVO sind Verantwortliche natürliche oder juristische Personen, Behörden, Einrichtungen oder andere Stellen, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden. Auftragsverarbeiter sind natürliche oder juristische Personen, Behörden, Einrichtungen oder andere Stellen, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeiten.
B.
25
I. Die Klage ist zulässig.
26
Insbesondere ist der Antrag zu Ziffer 2. hinreichend bestimmt. Der Klagebegründung lässt sich eindeutig entnehmen, für welches Geschehen – nämlich die Datenverarbeitung zur Schaltung personenbezogener Werbung und das hiermit zusammenhängende Informationsverhalten der Beklagten – der Ersatz immaterieller Schäden begehrt wird. Da es bei Klagen auf Ausgleich immaterieller Schäden im Hinblick auf die Bemessung durch das Gericht nach billigem Ermessen grundsätzlich – und wie hier – keiner Bezifferung der Leistungsklage bedarf (vgl. ständige Rspr. seit BGH, Urteil vom 13.12.1951 – III ZR 144/50, BGHZ 4, 138, juris Rn. 7), ist es auch ausreichend, dass die Klagepartei ihre Vorstellung des auszusprechenden Entschädigungsbetrages einheitlich auf einen Mindestbetrag veranschlagt.
27
II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
28
1. Der Kläger hat keinen verbleibenden Anspruch auf Auskunftserteilung.
29
a) Soweit der Kläger Auskunft über zu Werbezwecken verarbeiteten Daten von ihm (Antrag Ziffer 1a)) und im Zusammenhang mit deren Weiterleitung an Dritte (Antrag Ziffer 1c) bis f)) begehrt, ist der Anspruch erfüllt. Erfüllt im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB ist ein Auskunftsanspruch grundsätzlich dann, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Auskunft in weitergehendem Umfang nicht begründen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die – gegebenenfalls konkludente – Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (vgl. BGH NJW 2021, 765 = GRUR 2021, 110 Rn. 43). Die Annahme eines derartigen Erklärungsinhalts setzt demnach voraus, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehrens vollständig abdecken soll (BGH NJW 2021, 2726).
30
Dies ist vorliegend zu den genannten Punkten der Fall. Die Beklagte hat jedenfalls im Rahmen der Klageerwiderung ausdrücklich erklärt, keine personenbezogenen Daten an Dritte weitergegeben und bereits sämtliche klägerischen Auskunftsansprüche insoweit erfüllt und umfassend beantwortet zu haben. Hierdurch gab die Beklagte zu erkennen, abschließend auf die klägerseits begehrte Auskunft geantwortet und das aus ihrer Sicht berechtigte Auskunftsbegehren vollständig abgedeckt zu haben. In diesem Zusammenhang ist auch das außergerichtliche Schreiben vom 22.05.2023 (Anlage B 27) zu berücksichtigen, worin ebenfalls Auskunft darüber erteilt wird, welche Daten zu Werbezwecken verarbeitet werden.
31
b) Soweit der Kläger Auskunft über die Häufigkeit und das technische Verfahren der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Beklagte zu Werbezwecken begehrt, geht diese Forderung über die nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO vorgesehene Auskunftspflicht eines Datenverarbeiters hinaus. Ein solcher Auskunftsanspruch steht dem Kläger nicht zu.
32
2. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf die Leistung eines Ersatzes für immaterielle Schäden nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO.
33
Hiernach hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.
34
a) Bei Art. 82 Abs. 1 DS-GVO handelt es sich nicht um einen Strafschadensersatz. Denn der klare Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO statuiert, dass ein Anspruch auf Schadensersatz nur dann besteht, wenn auch tatsächlich ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist.
35
b) In jedem Fall steht dem Kläger aus etwaig erfolgten Verstößen der Beklagten gegen die DS-GVO kein immaterieller Schadensausgleich zu.
36
Für die Bemessung von Schadensersatzansprüchen nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO enthält die DS-GVO nur wenige Vorgaben. Aus dem Nebeneinander von materiellem und immateriellem Schaden folgt, dass auch solche Schäden auszugleichen sind, die sich nicht unmittelbar in Geld bemessen lassen. Nach Erwägungsgrund 146 S. 3 zu der Verordnung sollte der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zudem weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden, die den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entspricht. Nach Erwägungsgrund 146 S. 6 sollten die betroffenen Personen einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für erlittene Schäden erhalten (OLG Düsseldorf ZD 2022, 337, 338).
37
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift muss der Schaden hierbei „erlitten“ worden sein, woraus sich ergibt, dass dieser tatsächlich entstanden sein muss und nicht lediglich befürchtet wird (so auch OLG Frankfurt GRUR-RS 2022, 4491). Zwar ist der Begriff des Schadens – wie dargestellt – weit auszulegen, sodass die Betroffenen einen wirksamen Ersatz bekommen; nach Auffassung des Gerichts reicht jedoch ein bloßer Verstoß gegen Vorschriften der DS-GVO nicht aus, um (immateriellen) Schadensersatz verlangen zu können. Es bedarf vielmehr der Darlegung eines konkreten (auch immateriellen) Schadens (vgl. auch OLG Frankfurt a.a.O.; LG Gießen ZD 2023, 103, 104; LG Bielefeld GRUR-RS 2022 38375 Rn. 27).
38
Ein solcher in Gestalt einer durch den Kläger tatsächlich empfundenen Beeinträchtigung ist nach erfolgter informatorischer Anhörung des Klägers nicht ersichtlich.
39
Der schriftsätzliche Vortrag des Klägers, er habe ein ungutes Gefühl dadurch, dass sich in Folge der personalisierten Werbung bei ihm das Gefühl einstelle, er sei bei seiner Bewegung im Internet unter ständiger „Beobachtung“ durch die Beklagte, vermochte sich im Rahmen der informatorischen Anhörung seiner Person nicht zu bestätigen. Diesbezüglich gab der Kläger schon gar keine dahingehenden Erklärungen ab. Er stellte lediglich zwei Erlebnisse in Bezug auf angezeigte Werbung dar. Hierbei sei einmal der Überraschungseffekt der Bestellung von Verlobungsringen weg gewesen und einmal hätten die Arbeitskollegen die Werbung von Stepstone gesehen.
40
Bis auf die Angaben in der informatorischen Anhörung hat der darlegungs- und beweisbelastete Kläger diesbezüglich keinen weiteren Beweis angeboten.
41
Der Klägervortrag zu den erlittenen Beeinträchtigungen ist auch in sich widersprüchlich. Einerseits will die Klagepartei einen immateriellen Schaden durch die zielgerichtete Werbung für sich in Anspruch nehmen. Anderseits ist die Klagepartei nicht bereit ab November 2023 dafür im Abo-Modell zu zahlen, dass er keine Werbung mehr erhält. Es ist daher nicht glaubhaft, wenn die Anwälte des Klägers einerseits vortragen, der Kläger fühle sich durch persönliche Werbung beeinträchtigt, er andererseits dann aber später zugestimmt hat, weil er nicht bereit ist dafür zu bezahlen, dass dieses Unwohlsein nicht mehr auftritt und er keine Werbung erhalte.
42
Das Gericht ist sich bewusst, dass der Schaden an sich zwar kein besonderes Ausmaß angenommen haben muss, mithin eine Erheblichkeitsschwelle nicht besteht, doch müssen Personen, die sich auf Art. 82 Abs. 1 DS-GVO berufen, den Nachweis erbringen, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden – so geringfügig er auch sein mag – erlitten haben. (EuGH (Dritte Kammer) Urteil vom 14.12.2023 – C-456/22 (VX, AT/Gemeinde Ummendorf) EuZW 2024, 166 Rn. 22.)
43
Dies ist dem Kläger nach Auffassung des Gerichts nicht gelungen.
44
Nach Auffassung des Gerichts hilft es dem Kläger in diesem Zusammenhang auch nicht, wenn er behauptet er sei berechtigt Schadensersatz zu verlangen, da sein Allgemeines Persönlichkeitsrechts aufgrund der streitgegenständlichen Verarbeitung verletzt sei.
45
Diese Behauptung ist bereits vor dem Hintergrund nicht tragfähig, da der darlegungs- und beweisbelastete Kläger, weder hinreichend dargelegt noch bewiesen hat, dass sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht überhaupt verletzt ist.
46
Mittels der Behauptung er habe einen Kontrollverlust über seine Daten erlitten, kann der Kläger auch keinen Schadensersatz nach Art. 82 DS-GVO fordern, da der Kontrollverlust für sich genommen keinen Schaden darstellt.
47
3. Ein Anspruch auf Löschung gemäß Art. 17 DS-GVO besteht nicht.
48
Denn der Kläger hat mittlerweile eingewilligt, dass die Beklagte, „Informationen aus seinen Konten weiterhin“ für Werbezwecke verwendet. Mit anderen Worten erlauben die Nutzer der Beklagten durch ihre Zustimmung, alle Daten zu verarbeiten, über welche die Beklagte rechtmäßig für die streitgegenständliche Verarbeitung verfügt. Dementsprechend hat der Kläger, soweit die Beklagte Daten, die zwischen dem 25.05.2018 und dem 06.11.2023 erhoben wurden, in jedem Fall in eine solche Verarbeitung eingewilligt, sodass ein Anspruch auf Löschung ins Leere geht.
49
4. Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache besteht auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten sowie Zinsen.
B.
50
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91a Abs. 1 ZPO.
51
Der Kläger hat auch die Kosten jenes Teils des Rechtstreits zu tragen, der sich erledigt hat. So war der ursprüngliche und nunmehr erledigte Antrag zu Ziffer 3. bereits unzulässig.
52
Ein Unterlassungsantrag muss so deutlich gefasst sein, dass er den Gegenstand des Verfahrens und damit den Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts im Sinne des § 308 ZPO sowie der Rechtskraft seiner Entscheidung nach § 322 ZPO genau fixiert, der Beklagte sich erschöpfend verteidigen und anhand einer dem Antrag entsprechenden Verurteilung eindeutig erkennen kann, was er zu unterlassen hat, und die Entscheidung darüber, was ihm durch die Verurteilung verboten ist, nicht dem Vollstreckungsverfahren überlassen bleibt (BGH NJW 1991, 1114, 1115; NJW 1998, 1144, 1147; NJW 2000, 1792, 1793; NJW 2000, 3351, 3352; NJW 2003, 3046, 3047; NJW 2003, 3406, 3408; NJW-RR 1992, 1068; MüKo/Becker/Eberhard, ZPO, 6. Auflage 2020, § 253 Rn. 133).
53
Aus diesem Grund sind Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit als unzulässig anzusehen. Abweichendes kann gelten, wenn der gesetzliche Verbotstatbestand eindeutig und konkret gefasst ist, sein Anwendungsbereich durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist oder der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er kein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2017 – I ZR 207/14 –, Rn. 18 m.w.N., juris).
54
Dem wurde der ursprüngliche Antrag zu Ziffer 3. nicht gerecht, da er keinerlei Konkretisierung über die bloße Datenverarbeitung ohne Einholung einer Einwilligung der Gläubigerseite oder Erfüllung der gesetzlichen Erlaubnistatbestände hinaus vorsah und entsprechend lediglich den Regelungsgehalt des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO wiedergab.
C.
55
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
D.
56
Der Streitwert ist gemäß §§ 63 Abs. 2, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO festgesetzt worden.