Inhalt

LG München II, Endurteil v. 29.05.2024 – 14 O 1419/23
Titel:

Erforderliche Bestimmtheit eines Unterlassungsantrags

Normenketten:
Brüssel la-VO Art. 6 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1
DSGVO Art. 15 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1 lit. b, Art. 79 Abs. 2, Art. 82 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Leitsätze:
1. Für die Voraussetzungen des Löschungsanspruchs kommt es auf den Zeitpunkt der Prüfung des Löschungsanspruchs und nicht auf den Erhebungszeitpunkt an. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Auskunft über die Häufigkeit der zu Werbezwecken verarbeiteten personenbezogenen Daten ist nicht von dem Anwendungsbereich des Art. 15 DSGVO umfasst. Denn die Häufigkeit der Verarbeitung allein lässt keinen Rückschluss auf deren Rechtmäßigkeit zu.  (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Unterlassungsantrag muss nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO so bestimmt gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind und der Beklagte erkennen kann, wogegen er sich verteidigen soll und welche Unterlassungspflichten sich aus einer dem Unterlassungsantrag folgenden Verurteilung ergeben. Die Entscheidung darüber, was den Beklagten verboten ist, darf grundsätzlich nicht dem Vollstreckungsgericht überlassen werden. Aus diesem Grund sind insbesondere Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als unbestimmt und damit als unzulässig anzusehen. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
internationale Zuständigkeit, Löschungsanspruch, Auskunftsanspruch, Schadensersatzanspruch, Erfüllung, Bestimmtheitsgebot, Streitwert
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 17981

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 6.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist u.a. Betreiberin der Webseiten www.facebook.com sowie www.instagram.com und der auf dieser Seite angebotenen Dienste (nachfolgend: Facebook und Instagram).
2
Der Kläger ist bei der Plattform Facebook angemeldet und nutzt die von der Beklagten betriebene Plattform www.facebook.com, wo er mit der E-Mail-Adresse xxx registriert ist.
3
Nutzer mussten die Fassung der Facebook-Nutzungsbedingungen vom 19.04.2018 akzeptieren, um Facebook weiter nutzen zu können. Alternativ hatten Nutzer die Möglichkeit, ihre personenbezogenen Daten herunterzuladen und ihr Konto zu löschen.
4
Punkt 1 Abschnitt 2 der Nutzungsbedingungen lauteten jedenfalls zum 25.05.2018:
„2. Wie unsere Dienste finanziert werden Anstatt dafür zu zahlen, Facebook sowie die anderen von uns angebotenen Produkte und Dienste zu nutzen, erklärst du dich durch Nutzung der Facebook-Produkte, für die diese Nutzungsbedingungen gelten, einverstanden, dass wir dir Werbeanzeigen zeigen dürfen, für deren Hervorhebung innerhalb und außerhalb der Produkte der Facebook-Unternehmen wir von Unternehmen und Organisationen bezahlt werden. Wir verwenden deine personenbezogenen Daten, z.B. Informationen über deine Aktivitäten und Interessen, um dir Werbeanzeigen zu zeigen, die relevanter für dich sind.
Der Schutz der Privatsphäre und der Daten von Personen war zentraler Bestandteil bei der Gestaltung unseres Werbesystems. Das heißt, dass wir dir relevante und hilfreiche Werbeanzeigen zeigen können, ohne dass Werbetreibende erfahren, wer du bist. Wir verkaufen deine personenbezogenen Daten nicht. Wir geben Werbetreibenden die Möglichkeit, uns beispielsweise mitzuteilen, was ihr Geschäftsziel ist und welche Art von Zielgruppe ihre Werbeanzeigen sehen soll (z.B. Personen im Alter von 18 bis 35 Jahren, die sich für Radfahren interessieren). Daraufhin zeigen wir deren Werbeanzeige Personen, die daran interessiert sein konnten.
Darüber hinaus stellen wir Werbekunden Berichte über die Performance ihrer Werbeanzeigen zur Verfügung, damit sie Erkenntnisse darüber erlangen, wie Personen mit ihrem Inhalt auf und außerhalb von Facebook interagieren. Wir stellen Werbetreibenden beispielsweise allgemeine demografische und interessenbezogene Informationen bereit (z.B. dass eine Werbeanzeige von einer Frau im Alter zwischen 25 und 34 Jahren, die in Madrid lebt und sich für Softwareentwicklung interessiert, angesehen wurde), um ihnen zu helfen, ihre Zielgruppe besser zu verstehen. Wir teilen keine Informationen, anhand derer du unmittelbar identifiziert werden kannst (Informationen wie dein Name oder deine E-MailAdresse, die für sich allein dazu verwendet werden können, dich zu kontaktieren, bzw. dich direkt identifizieren), es sei denn, du erteilst uns die ausdrückliche Zustimmung dazu. Hier erfährst du mehr über die Funktionsweise von Facebook-Werbeanzeigen.
Wir erheben und nutzen deine personenbezogenen Daten, um die oben beschrieben Dienste für dich bereitzustellen. In unserer Datenrichtlinie erfährst du, wie wir deine Daten erheben und nutzen. Du verfugst über Kontrollmöglichkeiten dafür, welche Arten von Werbeanzeigen und Werbetreibenden du siehst, und darüber, welche Arten von Informationen wir verwenden, um festzulegen, welche Werbeanzeigen wir dir zeigen. Mehr dazu.“
5
Ab dem 03.11.2023 führte die Beklagte das Einwilligungsmodell in Europa ein. Nutzer wurden über produktinterne Hinweise aufgefordert, entweder in die Verwendung ihrer Daten für Werbeanzeigen auf Facebook durch die Beklagte einzuwilligen oder die werbefreie Facebook Version zu abonnieren. Im letzteren Fall verwendet die Beklagte die Nutzerdaten nicht, um Werbung anzuzeigen. Zuletzt steht es Nutzern frei, sich für keine der beiden Optionen zu entscheiden und stattdessen Facebook zu verlassen, indem sie ihr(e) Konto(en) löschen, wobei es den Nutzern möglich ist, zuvor ihre Kontoinformationen herunterzuladen. Am 14. November 2023 willigte der Kläger in die Verwendung seiner Daten zu Werbezwecken durch die Beklagte ein.
6
Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.03.2023 (Anlage KGR3) forderte der Kläger die Beklagte unter Darlegung der Sach- und Rechtslage zur Zahlung von 1.000,00 EUR Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO und zur Unterlassung zukünftiger Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Klägerseite zu Zwecken zielgerichteter Werbung („targeted advertising“) sowie zur Auskunft entsprechend dem Klageantrag auf.
7
Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.05.2023 (Anlage B18) teilte die Beklagte dem Kläger u.a. mit, dass das Auskunftsbegehren des Klägers nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 15 Abs. 1 lit. c) DS-GVO falle, da Meta Ireland keine personenbeziehbaren Daten an Werbetreibende weitergibt, es sei denn, es liegt eine Erlaubnis vor.
8
Der Kläger trägt vor, die Beklagte verwendete im Zeitraum vom 25. Mai 2018 bis jedenfalls zum 06.11.2023 entsprechend ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ihres Geschäftskonzeptes die Daten der klagenden Partei (inklusive ihres Nutzungsverhaltens bei der Nutzung der Webdienste der Beklagten), um diese auf dem Werbemarkt gewinnbringend zu verkaufen. Die Beklagte habe die klagende Partei in diesem Zeitraum zu keinem Zeitpunkt ihrer Vertragsbeziehungen offen gefragt, ob sie in die Zuspielung personalisierter Werbung einwillige. Eine Auswahlmöglichkeit zwischen Ja und Nein sah die Programmierung der Nutzungsoberfläche der Dienste der Beklagten zu keinem Zeitpunkt vor. Die Beklagte habe unter anderem gegen Art. 5 Abs. 1 lit. A), 6 und 15 DS-GVO verstoßen.
9
Dem Kläger sei durch die unberechtigte Datenverarbeitung ein Schaden entstanden. Der Kläger habe die Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu Zwecken auf ihn persönlich gemünzter Werbung stets als unangenehm empfunden. Er fühlte sich beobachtet bei der Benutzung des sozialen Netzwerkes der Beklagten, ohne jedoch darauf verzichten zu können, da dies den Abbruch von Kontakten zu zahlreichen Freunden und Bekannten bedeutet hätte. Der Kläger habe nicht nur ein ungutes Gefühl, sobald er von der Verarbeitungsweise ihrer Daten durch die Beklagte erfuhr, sondern empfand auch starken Ärger über das von ihm nicht erwartete Verhalten der Beklagten zur eigenen Gewinnmaximierung.
10
Ursprünglich beantragte der Kläger mit dem Klageantrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, personenbezogene Daten der Gläubigerseite wie beispielsweise Telefonnummer, FacebookID, Familiennamen, Vornamen, Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt, Beziehungsstatus und Nutzungsverhalten ohne Einholung einer Einwilligung der Gläubigerseite oder Erfüllung der gesetzlichen Erlaubnistatbestände zu Werbezwecken zu verarbeiten. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 07.05.2024 änderte der Kläger seinen Klageantrag zu und erklärte den bisherigen Klageantrag zu 1. für erledigt, soweit dieser nicht im geänderten Antrag zu 1. enthalten sei. Insoweit soll, soweit es nicht zu einer übereinstimmenden Erledigung kommt, festgestellt werden, dass die Klage sich insoweit erledigt hat, als dass die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der fortdauernden Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von dem im Nutzerprofil der Klägerseite gespeicherten Daten („Profildaten“ wie beispielsweise Telefonnummer, FacebookID, Familienname, Vorname. Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt, Beziehungsstatus) zu Werbezwecken ohne Einwilligung beantragt worden ist. Die Klage war ursprünglich als Stufenklage erhoben, in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2024 wurde jedoch klargestellt, dass die Anträge nebeneinander gestellt werden.
11
Der Kläger beantragte zuletzt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, die im Zeitraum zwischen dem 25.05.2018 und dem
6.11.2023 zum Nutzungsverhalten der Klägerseite erfassten personenbezogenen Daten a. zu löschen, soweit die Daten ausschließlich zu Werbezwecken verarbeitet werden,
b. auf andere Verarbeitungszwecke als Werbezwecke einzuschränken, soweit die Daten zur Plattformnutzung notwendig sind.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über die die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten zu erteilen, die die Beklagte in Zusammenhang mit der individualisierten Werbung verarbeitet, namentlich:
a. Welche die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten werden zu Werbezwecken verarbeitet?
b. Wie oft wurden die oben genannten Daten jeweils verarbeitet?
c. Welche die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten werden zu Werbezwecken an Dritte weitergeleitet oder auf welche andere Weise werden der Klägerseite nach ihren Daten spezifizierte Werbeanzeigen zugspielt?
d. Im Falle der Weiterleitung von Daten an Dritte: Wann – zu welchem Zeitpunkt oder in welchem Zeitraum – sind diese die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten weitergeleitet worden?
e. Im Falle der Weiterleitung von Daten an Dritte: Wie oft wurden diese die Klägerseite betreffenden, personenbezogenen Daten an Dritte weitergeleitet?
f. Im Falle der Weiterleitung von Daten an Dritte: Wurden personenbezogene Daten zu Werbezwecken in ein Drittland übermittelt und welche geeigneten Garantien gemäß Artikel 46 DSGVO bestanden dafür?
g. Im Falle keiner Weiterleitung an Dritte, sondern eigener Verarbeitung zu Werbezwecken: Wie, also nach welchem (technischen) Verfahren, werden die personenbezogen Daten der Klägerseite zu Werbezwecken ausgewertet?
3. Die Beklagte hat die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite als Ausgleich für Datenschutzverstöße einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 1.000 EUR aber nicht unterschreiten sollte – wobei die genaue Höhe erst nach Erteilung der Auskunft bestimmt werden kann – nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12
Ferner beantragte der Kläger:
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,67 EUR zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerseite freizustellen.
13
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
14
Mit Schriftsatz vom 29.04.2024 schloss sich die Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers an.
15
Die Beklagte trägt unter anderem vor, sie habe die personenbezogenen Daten des Klägers rechtmäßig zum Zwecke personalisierter Werbung verarbeitet. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch lägen nicht vor. Die vom Kläger begehrte Auskunft sei bereits durch die Beklagte erteilt worden, es bestünde kein weitergehender Auskunftsanspruch.
16
Der Kläger wurde informatorisch angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.05.2024 Bezug genommen.
17
Zur Ergänzung des Tatbestandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.05.2024 und die weiteren Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe

A.
18
Die deutschen Gerichte sind international zuständig.
19
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 6 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 2. Alt Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel la-VO). Gemäß Art. 1 Abs. 1 Brüssel la-VO ist die Verordnung sachlich anwendbar auf Zivil- und Handelssachen. Vorliegend handelt es sich um eine Zivilsache.
20
Gemäß Art. 18 Abs. 1 2. Alt Brüssel la-VO kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.
21
Der Kläger ist Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Brüssel la-VO. Er hat seinen Wohnsitz im Bezirk des angerufenen Gerichts.
22
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich ferner aus Art. 79 Abs. 2 VO (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (DS-GVO). Danach können Klagen gegen einen Verantwortlichen oder gegen einen Auftragsverarbeiter bei den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dem die betroffene Person ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, es sei denn, es handelt sich bei dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter um eine Behörde eines Mitgliedstaats, die in Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse tätig geworden ist. Gemäß Art. 4 Nr. 7, 8 DSGVO sind Verantwortliche natürliche oder juristische Personen, Behörden, Einrichtungen oder andere Stellen, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden. Auftragsverarbeiter sind natürliche oder juristische Personen, Behörden, Einrichtungen oder andere Stellen, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeiten. Das Vorliegen dieser Voraussetzung wird von Klägerseite behauptet.
B.
23
Die Klage ist zulässig.
24
Insbesondere ist der Antrag zu Ziffer 4. hinreichend bestimmt. Der Klagebegründung lässt sich eindeutig entnehmen, für welches Geschehen – nämlich die Datenverarbeitung zur Schaltung personenbezogener Werbung und das hiermit zusammenhängende Informationsverhalten der Beklagten – der Ersatz immaterieller Schäden begehrt wird.
C.
25
Die Klage ist unbegründet.
26
I. Soweit der Kläger von der Beklagten mit dem Klageantrag zu 1. einen Anspruch auf Löschung seiner Daten begehrt, war die Klage abzuweisen.
27
Die Voraussetzungen des Löschungsanspruchs gemäß Art. 17 Abs. 1 b) DS-GVO sind jedenfalls wegen Vorliegens einer Einwilligung nicht gegeben.
28
Es kann letztlich auch dahinstehen, ob personenbezogene Daten des Klägers in dem vom Kläger benannten Zeitraum unrechtmäßig verarbeitet wurden. Denn unstreitig liegt nunmehr eine ausdrückliche Einwilligung des Beklagten zur Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zu Werbezwecken vor. Für die Voraussetzungen des Löschungsanspruchs kommt es auf den Zeitpunkt der Prüfung des Löschungsanspruchs und nicht auf den Erhebungszeitpunkt an (Worms, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, 47. Edition, Stand: 01.08.2023, Art. 17 DS-GVO Rn. 43; so OLG Schleswig, Urteil vom 03.06.2022 – 17 U 5/22 unter Verweis auf Auernhammer, DSGVO/BDSG, Art. 17 DSGVO, Rn. 32).
29
II. Soweit der Kläger von der Beklagten mit dem Klageantrag zu 2. eine Auskunft begehrt, war die Klage abzuweisen.
30
Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Wenn dies der Fall ist, hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und weitere in Absatz 1 aufgeführte Informationen.
31
Wie sich aus Anlage KGR 3 und auch aus dem Klageantrag zu 2. ergibt, hat der Kläger seinen geltend gemachten Auskunftsanspruch auf die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zu Werbezwecken präzisiert und insbesondere Auskunft über die Weitergabe dieser personenbezogenen Daten an Dritte begehrt.
32
Nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO sind „personenbezogene Daten” alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person”) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.
33
1. Soweit der Kläger von der Beklagten die Auskunft begehrt, welche die Klägerseite betreffenden personenbezogenen Daten zu Werbezwecken verarbeitet werden, war die Klage aufgrund eingetretener Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB abzuweisen.
34
Die Beklagte teilte auf Seiten 61f. ihrer Klageerwiderung vom 15.12.2023 mit, dass die Informationen darüber, welche personenbezogenen Daten die Beklagte verarbeitet, in der Datenschutzrichtlinie unter der Überschrift „Welche Informationen erheben wir?“ zu finden sind. Sie verweist insofern auf Anlage B 8, auf deren Seiten 4ff., unstreitig sind dort die Informationen gelistet. Auf Seite 62 der Klageerwiderung vom 15.12.2023 teilt die Beklagte mit, dass die entsprechenden erhobenen Informationen verwendet, mithin verarbeitet, werden.
35
2. Soweit der Kläger von der Beklagten die Auskunft begehrt, wie oft zu Werbezwecken von der beklagten verarbeitete personenbezogene Daten des Klägers jeweils verarbeitet worden seien, war die Klage abzuweisen.
36
Die insoweit vom Kläger begehrte Auskunft ist nicht von dem Anwendungsbereich von Art. 15 DS-GVO umfasst. Denn auch aus der Häufigkeit der Verarbeitung allein, lässt sich kein Rückschluss auf deren Rechtmäßigkeit zu, wie beispielsweise bei der Frage nach dem Zeitpunkt der Verarbeitung.
37
3. Soweit der Kläger von der Beklagten Auskunft zur Weiterleitung von seinen personenbezogenen Daten an Dritte zu Werbezwecken begehrt, war die Klage ebenfalls wegen Erfüllung nach § 362 BGB abzuweisen.
38
Die Beklagte hat unstreitig mit Schreiben vom 10.05.2023 (Anlage B18) dem Kläger mitgeteilt, dass Meta Ireland keine personenbeziehbaren Daten an Werbetreibende weitergibt, es sei denn, es liegt eine Erlaubnis vor. Auf eine etwaige inhaltliche Unrichtigkeit dieser Auskunft kommt es nicht an. Sie hat mithin erklärt, keine personenbezogenen Daten an Dritte nach Art. 15 Abs. 1 lit. c DS-GVO weitergegeben zu haben.
39
Erfüllt im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB ist ein Auskunftsanspruch grundsätzlich dann, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Auskunft in weitergehendem Umfang nicht begründen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die – gegebenenfalls konkludente – Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (BGH, Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 576/19 =NJW 2021, 2726, 2727 m.w.N.).
40
Die Beklagte betont in ihrer Klageerwiderung vom 15.12.2023, dass der auf Auskunftserteilung gerichtete Antrag gemäß Art. 15 DS-GVO auf Informationen abzielt, die entweder nicht existieren oder die nicht von dessen Anwendungsbereich umfasst seien. Darin ist die Erklärung der Beklagten zu sehen, eine vollständige Auskunft abgegeben zu haben.
41
III. Soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 4. Schadensersatz begehrt, war die Klage abzuweisen.
42
Grundsätzlich hat nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.
43
Art. 82 Abs. 1 DS-GVO setzt daher das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO, das Vorliegen eines „Schadens“, der entstanden ist und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß voraus, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen (EuGH, Urteil vom 14.12.2023 – C-340/21 = EuGH NJW 2024, 1091, 1097).
44
Art. 82 Abs. 1 DS-GVO unterscheidet nicht danach, ob der infolge eines erwiesenen Verstoßes gegen die Bestimmungen der DS-GVO von der betroffenen Person behauptete „immaterielle Schaden“ mit einer zum Zeitpunkt ihres Schadensersatzantrags bereits erfolgten missbräuchlichen Verwendung ihrer personenbezogenen Daten durch Dritte verbunden ist oder ob er mit ihrer Angst verknüpft ist, dass eine solche Verwendung in Zukunft erfolgen könnte (EuGH, Urteil vom 14.12.2023 – C-340/21 = EuGH NJW 2024, 1091, 1097).
45
Allerdings muss die von einem Verstoß gegen die DS-GVO betroffene Person, der für sie negative Folgen gehabt hat, nachweisen, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DS-GVO darstellen.
46
Soweit der Schaden auf die Befürchtung gestützt wird, dass ihre personenbezogenen Daten in Zukunft aufgrund eines solchen Verstoßes missbräuchlich verwendet werden, ist zu prüfen, ob diese Befürchtung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 14.12.2023 – C-340/21 = EuGH NJW 2024, 1091, 1097).
47
Diese Voraussetzungen hat die informatorische Anhörung des Klägers nicht ergeben. So hat der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Anhörung geschildert, dass er die Facebook-Plattform insbesondere bis 2021 genutzt habe. Seit etwa 2022 nutze er die Facebook-Plattform nicht mehr wirklich häufig. Eine vermehrte Werbeflut habe er daher dort nicht festgestellt, da er die Plattform nicht mehr genutzt habe. Auf Nachfrage des Gerichts zu bei dem Kläger aufgetretenen Emotionen in Bezug auf den behaupteten Verstoß gegen die DS-GVO hat der Kläger die schriftsätzlich behaupteten Folgen nicht bestätigt.
48
IV. Mangels Hauptanspruch bestand auch kein Anspruch des Klägers auf die geltend gemachten Nebenforderungen.
D.
49
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a, 91 Abs. 1 ZPO.
50
Der ursprüngliche Klageantrag zu 1. wurde übereinstimmend für erledigt erklärt. Somit war nach § 91a ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach waren die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, da der ursprüngliche Klageantrag zu 1. bereits wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig war.
51
Ein Unterlassungsantrag muss nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO so bestimmt gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind und der Beklagte erkennen kann, wogegen er sich verteidigen soll und welche Unterlassungspflichten sich aus einer dem Unterlassungsantrag folgenden Verurteilung ergeben. Die Entscheidung darüber, was den Beklagten verboten ist, darf grundsätzlich nicht dem Vollstreckungsgericht überlassen werden. Aus diesem Grund sind insbesondere Unterlassungsverträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als unbestimmt und damit als unzulässig anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2006 – I ZR 191/03; BGH, Urteil vom 16.07.2009 – I ZR 56/07; OLG Dresden, Beschluss vom 21.04.2021 – 4 W 239/21).
52
Dies ist hier der Fall. Im Antrag werden unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet und von dem Vollstreckungsorgan eine rechtliche Prüfung verlangt.
53
Der Kläger begehrte im ursprünglichen Klageantrag zu 1., dem Antragsgegner zu untersagen, seine personenbezogene Daten ohne Einholung einer Einwilligung der Gläubigerseite oder Erfüllung der gesetzlichen Erlaubnistatbestände zu Werbezwecken zu verarbeiten. Hier sind schon die Begriffe „personenbezogene Daten“ und „sonstiger Rechtfertigungsgrund“ zu unbestimmt. Der Kläger hat nicht dargelegt, um welche konkreten Daten es sich handelt, deren Verarbeitung untersagt werden soll; er nimmt lediglich eine beispielhafte Aufzählung vor, was unter personenbezogene Daten fallen könnte. Dass keine Einwilligung der Gläubigerseite – wobei schon offen ist, ob mit der Gläubigerseite ausschließlich der Kläger gemeint sein soll – und keine Erfüllung der gesetzlichen Erlaubnistatbestände vorliegt, erfordert eine rechtliche Bewertung des Vollstreckungsorgans, ob ein solcher Grund vorliegt. Schon aus diesen Gründen ist der Antrag zu unbestimmt (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 21.04.2021 – 4 W 239/21.
54
Des Weiteren wird im Antrag der Begriff „verarbeiten“ angeführt. Auch hier wird nicht angegeben, welche konkrete Verletzungshandlung vorliegt, die der Beklagten untersagt werden soll. Das Bestimmtheitsgebot ist zwar gewahrt, wenn der Antragsteller lediglich ein Verbot der Handlung begehrt so wie sie begangen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2009 – I ZR 56/07). Das wird regelmäßig mit der Wiedergabe der verbotenen Äußerung im Antrag erreicht, was vorliegend nicht erfolgte.
55
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
56
E. Der Streitwert war mit 6.500,00 € festzusetzen.
57
Der mit Klagantrag Ziffer 1. geltend gemachte Löschungsanspruch ist mit 5000,00 € zu bewerten.
58
Der Streitwert für den mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachten Auskunftsanspruch wird mit 500,00 € bewertet. Der Wert des mit Klageantrag zu 4. geltend gemachte Schadenersatzanspruch ergibt sich aus dem vom Kläger vorgestellten (Mindest-)Schadenersatzbetrag in Höhe von 1.000,00 €.
59
Der Klageantrag zu 5. bleibt bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt.