Inhalt

OLG München, Urteil v. 21.03.2024 – 29 U 8077/21
Titel:

Auskunft über den Umfang der Nutzung eines Lichtbildes 

Normenkette:
UrhG § 32d
Leitsatz:
Ob ein lediglich nachrangiger Beitrag zu einem Produkt im Sinne von § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG vorliegt, ist im Rahmen einer ökonomischen Gesamtbetrachtung zu ermitteln, bei der der Beitrag ins Verhältnis zur Gesamtwertschöpfung, die durch das Produkt erzielt wird, zu setzen ist. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Urheberrechtsverletzung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 25.10.2021 – 42 O 18987/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe vom -- – I ZR 82/24
Fundstellen:
MDR 2024, 1060
K & R 2024, 607
GRUR-RS 2024, 14621
ZUM-RD 2024, 538
GRUR 2024, 1633
LSK 2024, 14621

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers zu 2) wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 25.10.2021, Az. 42 O 18987/19, abgeändert und als Teil- und Endurteil wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 2) auf der Grundlage der Informationen, die im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes üblicherweise vorhanden sind, Auskunft zu erteilen über Art und Umfang der vom 07.06.2021 bis 06.06.2023 getätigten Verwertungshandlungen betreffend das sich aus der Anlage K 5 ergebende Lichtbild durch Mitteilung der Produkte, auf denen und/oder in deren Produktverpackungen und/oder auf oder in deren Packungsbeilagen dieses Lichtbild gezeigt wurde bzw. wird unter zusätzlicher Angabe, wo – Außenseite des Produkts; Verpackung innen und/oder außen; Verpackungsbeilage – dieses Bild in welcher Stückzahl, in welcher Größe, ferner auf welchen Internetseiten (Homepage welcher Unternehmen, Kataloge welcher Unternehmen) innerhalb welcher Präsentationsdauer auf welche Weise, schließlich in welchen Fernsehsendungen das Bild innerhalb welcher Dauer wann auf welche Weise gezeigt wurde; die Beklagte hat ferner mitzuteilen, welche Erlösströme aus der Vermarktung von Produkten, versehen mit dem Bild, im Rahmen von Verwertungshandlungen wie vorstehend beschrieben, geflossen sind durch Nennung der Bruttoerlöse, also ohne Abzug von Herstellungs-, Vertriebs-, Unkosten oder sonstigen Aufwendungen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 2) Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang sämtlicher Verwertungshandlungen in Bezug auf das Frau … betreffende, als Anlage K 5 vorgelegte, von dem Kläger geschaffene Lichtbild seit 01.01.2016 durch Vorlage der die betreffende Verwertungshandlung anschaulich machenden Beweismittel nämlich Screenshots, Produktverpackungen und/oder Warenaufkleber, unter Angabe des Zeitraums der Bildverwertung nebst Vorlage der Belege, die die mit der Verwertung erzielten Erlöse und/oder Vorteile ergeben, nämlich der Bruttovergütungen (ohne Abzug von Herstellungs-, Vertriebs-, Unkosten oder sonstiger Aufwendungen), der entsprechenden Gegenwerte bei Tauschverträgen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die mit Lizenznehmern geschlossenen Lizenz-, Unterlizenz- und/oder Gestattungsverträge dem Kläger zu 2) vorzulegen, welche zu Verwertungshandlungen in Bezug auf das Frau … betreffende, als Anlage K 5 vorgelegte, von dem Kläger geschaffene Lichtbild seit 01.01.2016 führten nebst Rechnungslegung, betreffend die insoweit erzielten Bruttoeinnahmen (ohne Abzug von Herstellungs-, Vertriebs-, Unkosten oder sonstiger Aufwendungen) der entsprechenden Gegenwerte bei Tauschverträgen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens – mit Ausnahme der Kosten der Wiedereinsetzung, welche die Kläger tragen – tragen die Klägerin zu 1) und die Beklagte je zur Hälfte. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts in obiger Fassung sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer 1. des landgerichtlichen Urteils in obiger Fassung durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 7.000,00 sowie aus Ziffer 2. und 3. des landgerichtlichen Urteils in obiger Fassung durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils € 10.500,00 abwenden, wenn nicht der Kläger zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen können alle Parteien die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 63.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

I.
1
Die Kläger machen gegen die Beklagte urheberrechtliche Nachvergütungsansprüche für ein Foto geltend, das die Geschäftsführerin der Beklagten zeigt.
2
Der Kläger zu 2) ist Berufsfotograf. Die Klägerin zu 1) ist ein Beratungsunternehmen mit Sitz in München. Die ebenfalls in München ansässige Beklagte bietet unter anderem Fitnessgeräte sowie Fitnessprogramme an und vertreibt Nahrungsergänzungsmittel.
3
Der Kläger zu 2) fertigte am 29.07.2011 im Rahmen eines Shootings Fotos für die Beklagte und stellte ihr unter anderem dieses Shooting am 05.11.2011 in Rechnung (Anlage K 6).
4
Aus einem bei dem Shooting entstandenen Foto löste die Beklagte einen Bildausschnitt heraus, der die Geschäftsführerin der Beklagten im Portrait zeigt. Diesen Bildausschnitt gab die Beklagte auf den Verpackungen verschiedener von ihr vertriebener Nahrungsergänzungsmittel versehen mit dem Namen und der Unterschrift ihrer Geschäftsführerin wieder (Anlagen K4 und K 5). Die mit dem Portraitfoto versehenen Produkte wurden unter anderem auf der Webseite der Beklagten, der Webseite eines Onlinehändlers namens … sowie auf dem Teleshopping-Kanal …, dort präsentiert von der abgebildeten Geschäftsführerin selbst, sowie auf dessen Webseite vertrieben.
5
Zwischen der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) wurden der auf Seite 3 des landgerichtlichen Urteils auszugsweise wiedergegebene Lizenzvertrag vom 15.12.2019 (Anlage K 14) sowie die dort ebenfalls zitierte Ergänzungsvereinbarung vom 09.06.2020 (Anlage K 15) geschlossen.
6
Die Kläger behaupten, für die bei dem Shooting gefertigten Aufnahmen der Geschäftsführerin der Beklagten sei ursprünglich eine Verwendung in einem Trainingsplan angedacht gewesen.
7
Da der Kläger zu 2) deshalb nicht davon habe ausgehen können, dass das streitgegenständliche Foto auf zahlreichen Produktaufmachungen verwendet werde, habe er für das Shooting lediglich einen Betrag von € 180,00 in Rechnung gestellt, was vier Arbeitsstunden à € 45,00 entsprochen habe (Anlage K 6, Pos. 2 Ziffer 27. ‚Fotoshooting „…“‘).
8
Das Portraitfoto sei millionenfach produktidentifizierend auf Verpackungen, Flyern und in Katalogen für das Angebot der Beklagten sowie eine Produktlinie des Onlinehändlers … verwendet worden.
9
Die Kläger sind der Auffassung, sie könnten von der Beklagten Auskunft und Vertragsanpassung verlangen, weil die umfangreiche Nutzung des streitgegenständlichen Portraitfotos durch die Beklagte dazu geführt habe, dass die dafür von der Beklagten entrichtete Gegenleistung im Vergleich dazu unverhältnismäßig niedrig sei.
10
Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern zu 1) und zu 2) Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang sämtlicher Verwertungshandlungen in Bezug auf das Frau … betreffende, beispielhaft als Anlage K 5 vorgelegte, von dem Kläger zu 2) geschaffene Lichtbild seit 01.01.2016, insbesondere durch Vorlage der die betreffende Verwertungshandlung anschaulich machenden Beweismittel wie z.B. Screenshots, Produktverpackungen und/oder Warenaufkleber, unter Angabe des Zeitraums der Bildverwertung nebst Vorlage der Belege, die die mit der Verwertung erzielten Erlöse und/oder Vorteile ergeben, nämlich der Bruttovergütungen (ohne Abzug von Herstellungs-, Vertriebs-, Unkosten oder sonstigen Aufwendungen), der entsprechenden Gegenwerte bei Tauschverträgen oder sonstigen Gegengeschäften.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, Lizenz-, Unterlizenz- und/oder Gestattungsverträge mit Lizenznehmern gegenüber den Klägerin zu 1) und zu 2) vorzulegen, die zu Verwertungshandlungen in Bezug auf das Frau … betreffende, beispielshaft als Anlage K 5 vorgelegte, von dem Kläger zu 2) geschaffene Lichtbild seit 01.01.2016 führten nebst Rechnungslegung, betreffend die insoweit erzielten Bruttoeinnahmen (ohne Abzug von Herstellungs-, Vertriebs-, Unkosten oder sonstiger Aufwendungen) der entsprechenden Gegenwerte bei Tauschverträgen oder sonstiger Gegengeschäfte.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, in die Änderung des mit dem Kläger zu 2) bestehenden Gestattungsvertrages einzuwilligen, soweit dies Zahlungsansprüche für die Zeit ab 01.01.2016 betrifft.
11
Hilfsweise zu Ziff. 3.
Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber den Klägern zu 1) und zu 2) in die Änderung des mit dem Kläger zu 2) bestehenden Gestattungsvertrages einzuwilligen, soweit dies Zahlungsansprüche für die Zeit ab einschließlich 01.01.2016 betrifft.
4. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über Art und Umfang der in den Jahren 2018, 2019 und 2020 getätigten Verwertungshandlungen betreffend das sich aus der Anlage K 5 ergebende Lichtbild durch Mitteilung der Produkte, auf denen und/oder in deren Produktverpackungen und/oder auf oder in deren Packungsbeilagen dieses Lichtbild gezeigt wurde bzw. wird unter zusätzlicher Angabe, wo – Außenseite des Produkts; Verpackung innen und/oder außen; Verpackungsbeilage – dieses Bild in welcher Stückzahl, in welcher Größe, ferner auf welchen Internetseiten (z.B. Homepage welcher Unternehmen, Kataloge welcher Unternehmen) innerhalb welcher Präsentationsdauer auf welche Weise, schließlich in welchen Fernsehsendungen das Bild innerhalb welcher Dauer wann auf welche Weise gezeigt wurde; die Beklagte hat ferner mitzuteilen, welche Erlösströme aus der Vermarktung von Produkten, versehen mit dem Bild, im Rahmen von Verwertungshandlungen wie vorstehend beschrieben, geflossen sind durch Nennung der Bruttoerlöse, also ohne Abzug von Herstellungs-, Vertriebs-, Unkosten oder sonstigen Aufwendungen.
12
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
13
Die Beklagte wendet ein, die Lichtbilder seien für jegliche Form der Verwendung im Zusammenhang mit den Produkten von … erstellt worden, was eine langjährig gepflegte Praxis gewesen sei. Zudem sei der Kläger zu 2) über Umfang, Art und Weise der Vertriebstätigkeit der Beklagten aufgrund dieser langjährigen Zusammenarbeit stets im Bilde gewesen.
14
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin zu 1) sei nicht aktivlegitimiert, da die geltend gemachten Ansprüche nicht abtretbar seien.
15
Das streitgegenständliche Bild sei weder produktidentifizierend für die Produkte der Beklagten noch zur Kennzeichnung der …-Produkte verwendet worden, sondern habe lediglich Hinweischarakter auf die Geschäftsführerin der Beklagten gehabt und sei kein für die Kaufentscheidung elementarer Bestandteil des Marketings gewesen. Dementsprechend stelle es im Rechtssinne nur einen untergeordneten Beitrag in Bezug auf die Produkte dar. Zudem würden diese inzwischen „im Wesentlichen“ ohne das Bild vertrieben (Bl. 64 d.A., Anlage B 1).
16
Die geltend gemachten Ansprüche seien verjährt bzw. verwirkt.
17
Das Landgericht München I hat die Klage durch Endurteil vom 25.10.2021 (Bl. 171/187 d.A.), auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, in vollem Umfang abgewiesen.
18
Die Kläger greifen das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit ihrer Berufung an und verfolgen ihr Begehren weiter. Durch Beschluss vom 23.08.2023 (Bl. 242/245 d.A.) hat der Senat den Klägern wegen des Versäumens der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
19
Die Kläger beantragen – nunmehr im Wege der Stufenklage im Hinblick auf Ziffer 4. – :
1. Das Urteil des Landgerichts München I vom 25.10.2021 – 42 O 18987/19 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin und dem Kläger Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang sämtlicher Verwertungshandlungen in Bezug auf das Frau … betreffende, als Anlage K 5 vorgelegte, von dem Kläger geschaffene Lichtbild seit 01.01.2016, insbesondere durch Vorlage der die betreffende Verwertungshandlung anschaulich machenden Beweismittel nämlich Screenshots, Produktverpackungen und/oder Warenaufkleber, unter Angabe des Zeitraums der Bildverwertung nebst Vorlage der Belege, die die mit der Verwertung erzielten Erlöse und/oder Vorteile ergeben, nämlich der Bruttovergütungen (ohne Abzug von Herstellungs-, Vertriebs-, Unkosten oder sonstiger Aufwendungen), der entsprechenden Gegenwerte bei Tauschverträgen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die mit Lizenznehmern geschlossenen Lizenz-, Unterlizenz- und/oder Gestattungsverträge der Klägerin oder dem Kläger vorzulegen, welche zu Verwertungshandlungen in Bezug auf das Frau … betreffende, als Anlage K 5 vorgelegte, von dem Kläger geschaffene Lichtbild seit 01.01.2016 führten nebst Rechnungslegung, betreffend die insoweit erzielten Bruttoeinnahmen (ohne Abzug von Herstellungs-, Vertriebs-, Unkosten oder sonstiger Aufwendungen) der entsprechenden Gegenwerte bei Tauschverträgen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf der Grundlage der dann erteilten Auskunft in die Änderung des mit dem Kläger bestehenden Gestattungsvertrages einzuwilligen, soweit dies Zahlungsansprüche für die Zeit ab 01.01.2016 betrifft.
Hilfsweise wird die Beklagte verurteilt, gegenüber der Klägerin und/oder dem Kläger auf der Grundlage der dann erteilten Auskunft in die Änderung des mit dem Kläger bestehenden Gestattungsvertrages einzuwilligen, soweit dies Zahlungsansprüche für die Zeit ab einschließlich 01.01.2016 betrifft.
5. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin und dem Kläger auf der Grundlage der Informationen, die im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes üblicherweise vorhanden sind, Auskunft zu erteilen über Art und Umfang der seit 07.06.2021 getätigten Verwertungshandlungen betreffend das sich aus der Anlage K 5 ergebende Lichtbild durch Mitteilung der Produkte, auf denen und/oder in deren Produktverpackungen und/oder auf oder in deren Packungsbeilagen dieses Lichtbild gezeigt wurde bzw. wird unter zusätzlicher Angabe, wo – Außenseite des Produkts; Verpackung innen und/oder außen; Verpackungsbeilage – dieses Bild in welcher Stückzahl, in welcher Größe, ferner auf welchen Internetseiten (z.B. Homepage welcher Unternehmen, Kataloge welcher Unternehmen) innerhalb welcher Präsentationsdauer auf welche Weise, schließlich in welchen Fernsehsendungen das Bild innerhalb welcher Dauer wann auf welche Weise gezeigt wurde; die Beklagte hat ferner mitzuteilen, welche Erlösströme aus der Vermarktung von Produkten, versehen mit dem Bild, im Rahmen von Verwertungshandlungen wie vorstehend beschrieben, geflossen sind durch Nennung der Bruttoerlöse, also ohne Abzug von Herstellungs-, Vertriebs-, Unkosten oder sonstigen Aufwendungen.
20
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
21
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
22
Zur Ergänzung wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2024 (Bl. 278/285 d. A.) sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.
23
Die zulässige Berufung des Klägers zu 2) ist begründet. Seine zulässige Klage ist – soweit über sie auf der ersten Stufe der nunmehrigen Stufenklage zu entscheiden ist – begründet. Die zulässige Berufung der Klägerin zu 1) und ihre Klage sind dagegen unbegründet.
24
1. Dem Kläger zu 2) steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 32d Abs. 1 Satz 1 UrhG (in der seit 07.06.2021 geltenden Fassung) für den Zeitraum vom 07.06.2021 bis 06.06.2023 zu, der für den Zeitraum vom 07.06.2021 bis 06.06.2022 am 07.06.2022 und für den Zeitraum vom 07.06.2022 bis 06.06.2023 am 07.06.2023 entstanden ist.
25
a) § 32d Abs. 1 Satz 1 UrhG (in der seit 07.06.2021 geltenden Fassung) ist in zeitlicher Hinsicht anwendbar.
26
Die konkludente Einräumung von Nutzungsrechten durch den Kläger zu 2) an die Beklagte erfolgte zwar bereits im Jahr 2011, in dem das Fotoshooting stattfand und die Rechnung (Anlage K 6) gestellt wurde.
27
Nach § 133 Abs. 3 Satz 1 UrhG ist § 32d UrhG in der ab 07.06.2021 geltenden Fassung (dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes vom 31.05.2021, „Urheberrechtsanpassungsgesetz“, BGBl. 2021 I 1204) aber auch auf vor dem 07.06.2021 geschlossene Verträge anzuwenden. Eine weitere Differenzierung nach dem Zeitpunkt des Abschlusses dieser Verträge findet sich im Gesetz nicht, so dass auch Verträge, die bereits bei Inkrafttreten der Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche in § 32d a.F. am 01.03.2017 (dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung und zur Regelung von Fragen der Verlegerbeteiligung vom 20.12.2016, „Durchsetzungsgesetz“, BGBl. 2016 I 3037) in Kraft waren, erfasst sind (BeckOK UrhR/Soppe, 41. Ed. 15.2.2024, UrhG, § 133, Rn. 21).
28
§ 133 Abs. 3 Satz 1 UrhG lässt sich entnehmen, dass „ab dem 7. Juni 2022“ die Regelung des § 32d UrhG auf Altverträge anzuwenden ist, so dass zu diesem Stichtag erstmals entsprechende Auskünfte für den zurückliegenden Jahreszeitraum seit Inkrafttreten des Gesetzes am 07.06.2021, als sich die Verwerter auf das neue Regime einstellen konnten, zu erteilen waren. Da die Auskünfte nach § 32d Abs. 1 Satz 2 UrhG ohnehin nur auf der Grundlage der Informationen erfolgen, die im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes üblicherweise vorhanden sind, kann der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung, wonach den Vertragspartnern ein weiteres Jahr bis zum 07.06.2023 zuzubilligen sei, weil sie ansonsten bereits ab Inkrafttreten der Neufassung auch die Nutzungshandlungen und Erlöse aus Altverträgen fortlaufend hätten erfassen müssen (Jaworski, GRUR-Prax 2021, 398; BeckOK UrhR/Soppe, a.a.O., Rn. 22.1, 22.2; Soppe/ Fuchs, AfP 2021, 487, Rn. 71), nicht gefolgt werden.
29
b) § 32d Abs. 1 Satz 1 UrhG (in der seit 07.06.2021 geltenden Fassung) ist auch in sachlicher Hinsicht nach § 72 Abs. 1 UrhG auf Lichtbilder anzuwenden (BeckOK UrhR/Soppe, 41. Ed. 15.2.2024, UrhG, § 32d, Rn. 5).
30
c) Der Kläger zu 2) hat der Beklagten entsprechend der Rechnung in Anlage K 6 ein entgeltliches Nutzungsrecht am streitgegenständlichen Lichtbild im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG eingeräumt, so dass der ansonsten voraussetzungslose Tatbestand des § 32d Abs. 1 Satz 1 UrhG erfüllt ist.
31
Die Beklagte hat die Nutzung des Lichtbilds im relevanten Auskunftszeitraum vom 07.06.2021 bis 06.06.2023 auch nicht vollständig eingestellt, sondern gibt selbst an, ihre Produkte nur „im Wesentlichen“ inzwischen ohne das Bild zu vertreiben (Bl. 64 d.A., Anlage B 1).
32
d) Der Anspruch ist nicht nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG ausgeschlossen, weil das streitgegenständliche Lichtbild einen lediglich nachrangigen Beitrag zu den Produkten der Klägerin darstellen würde.
33
aa) Nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 UrhG ist ein Beitrag insbesondere dann nachrangig, wenn er den Gesamteindruck eines Werkes oder die Beschaffenheit eines Produktes oder einer Dienstleistung wenig prägt, etwa weil er nicht zum typischen Inhalt eines Werkes, eines Produktes oder einer Dienstleistung gehört.
34
Wenn wie vorliegend kein Werk, sondern lediglich die jeweiligen mit dem streitgegenständlichen Portrait versehenen Produkte der Beklagten inmitten stehen, soll es – weil die Begriffe „Produkt“ und „Dienstleistung“ keine urheberrechtlichen, sondern betriebswirtschaftliche Termini sind – im Rahmen einer ökonomischen Gesamtbetrachtung darauf ankommen, ob der Beitrag im Verhältnis zur Gesamtwertschöpfung, die durch das Produkt erzielt wird, nur einen geringen Beitrag leistet (vgl. BeckOK UrhR/Soppe, 41. Ed. 15.2.2024, UrhG, § 32d, Rn. 41 unter Bezugnahme auf den Regierungsentwurf zu § 32d a.F., BT-Drs. 18/8625, 27).
35
Neben der im Gesetz genannten Nachrangigkeit wegen nur geringer Prägung des Produkts durch den Beitrag sollen auch weitere Fälle denkbar sein, in denen sich ein Beitrag als nachrangig erweist. Das ergibt sich aus der Formulierung („insbesondere“), die gerade auch sonstige Konstellationen zulässt (BeckOK UrhR/Soppe, a.a.O., Rn. 42).
36
bb) Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend eine Nachrangigkeit des klägerischen Beitrags in Form des Portraitbildes für die Produkte der Beklagten nicht angenommen werden.
37
Eine Nachrangigkeit wegen einer nur geringen Prägung des Produkts durch das Lichtbild scheidet bei einer ökonomischen Gesamtbetrachtung aus, weil das Portrait der Geschäftsführerin der Beklagten auf einer Vielzahl von einzelnen Produktkategorien Verwendung findet, so dass schon der großflächige Einsatz auf eine nicht nur geringe Prägung der gesamten Produktlinie aufgrund eines Wiedererkennungseffekts schließen lässt, weil es sonst nahegelegen hätte, nur punktuelle Bezüge zur Person der Geschäftsführerin, z.B. bei besonders auf Sport bezogenen Artikeln, herzustellen.
38
Überdies ist das Portraitfoto im Bereich von Nahrungsergänzungsmitteln auch deshalb als wichtiges Marketinginstrument anzusehen, weil es den angesprochenen Verbrauchern suggerieren soll, dass Frau … mit ihrem Gesicht, ihrem Namen und ihrer Expertise als Person für die Qualität und gegebenenfalls auch Wirksamkeit der Produkte einstehen möchte, um sich so von anonymen Herstellern und Lieferanten solcher Mittel abzugrenzen. Wenn es nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers im Rahmen von § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG auf eine ökonomische Sichtweise ankommen soll, können Beiträge, auf denen Vertrieb und Marketing unmittelbar und offenkundig beruhen, nicht als nur gering prägend und damit nachrangig angesehen werden. Die Begriffe „Produkt“ und „Dienstleistung“ in § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG, die im Urheberrecht sonst keine Rolle spielen und deren Verwendung bereits im Gesetzgebungsverfahren kritisiert wurde (vgl. die Stellungnahme des Deutschen Journalistenverbands vom 01.07.2016, Seite 17 ff., und die Stellungnahme der Initiative Urheberrecht vom 06.07.2016, Seite 3 f., jeweils abrufbar unter www.urheberrecht.org/topic/UrhV/), verlören jede Kontur und Handhabbarkeit, wären nicht offensichtlich zentrale Vertriebs- und Marketingaspekte in die Betrachtung maßgeblich miteinzustellen.
39
Eine sonstige Nachrangigkeit außerhalb des Bereichs einer geringen Prägung lässt sich ebenfalls nicht annehmen, da die visuelle Wiedererkennbarkeit der Produkte von Frau … anhand des Lichtbilds wirtschaftlich auch wegen der Wahl der Vertriebswege eine erhebliche Rolle spielt. Unstreitig werden die Produkte nämlich unter anderem über den Vertriebskanal des Teleshopping abgesetzt, wobei Frau … auf dem Sender … selbst Präsentationen vornimmt. Infolgedessen ist es bei einer ökonomischen Betrachtungsweise keinesfalls als nachrangig oder unerheblich anzusehen, dass den Zusehern eines Teleshoppingkanals durch das Portrait ermöglicht wird, die optische Verbindung zwischen dem Produkt und der im Fernsehen auftretenden Person herzustellen, zumal wenn diese im positiven Sinne, beispielsweise als sportlich oder attraktiv, in Erinnerung behalten wurde.
40
e) Als Rechtsfolge von § 32d Abs. 1 UrhG ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger zu 2) für den Zeitraum vom 07.06.2021 bis 06.06.2023 Auskunft über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile auf der Grundlage der Informationen, die im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes üblicherweise vorhanden sind, zu erteilen. Daneben schuldet sie nach § 32d Abs. 1a UrhG aufgrund ihres mit der hiesigen Klage vorgebrachten Verlangens auch Auskunft über die Lizenznehmer sowie Rechnungslegung.
41
2. Dem Kläger zu 2) steht gegen die Beklagte weiter ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG (in der ab 01.01.2008 bis 28.02.2017 geltenden Fassung) i. V.m. §§ 242, 259 BGB für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis dato zu.
42
a) Der auf § 32a UrhG i.V.m. §§ 242, 259 BGB gestützte Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung wird durch den Anspruch nach § 32d UrhG nicht verdrängt, die berechtigten Urheber und Inhaber verwandter Schutzrechte sollen insofern nicht schlechter stehen als bisher (Wandtke/Bullinger/Stang, UrhG, 6. Aufl., § 32d, Rn. 5 unter Verweis auf die BT-Drs. 18/8625, 36, 39).
43
b) § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG (in der ab 01.01.2008 bis 28.02.2017 geltenden Fassung) ist in zeitlicher Hinsicht anwendbar.
44
Nach § 133 Abs. 2 UrhG ist § 32a UrhG in der seit 07.06.2021 geltenden Fassung ab diesem Zeitpunkt auch auf zuvor geschlossene Verträge anzuwenden. Damit durchbricht § 133 Abs. 2 UrhG den Grundsatz des § 133 Abs. 1 UrhG für diejenigen Fälle, in denen bei einem Vertrag, der bis einschließlich 06.06.2021 geschlossen wurde, ein Missverhältnis zwischen Vergütung und Verwertungserfolg nach dem 06.06.2021 entsteht (BT-Drs. 19/27426, 116 f.). Dies soll der Systematik der Übergangsregelungen in § 132 Abs. 3 Satz 2 UrhG entsprechen, nach denen Änderungen an § 32a UrhG a.F. auch auf Verträge anwendbar waren, die vor Inkrafttreten dieser Änderungen geschlossen worden sind (BeckOK UrhR/Soppe, 41. Ed. 15.2.2024, UrhG, § 133, Rn. 15).
45
Ist dagegen das Missverhältnis zwischen Vergütung und Verwertungserfolg in der Zeit bis einschließlich 06.06.2021 entstanden, kommt es nach § 132 Abs. 3 und Abs. 3a UrhG wiederum auf den Vertragsschlusszeitpunkt an. Ist – wie hier – der Vertrag ab dem 01.07.2002 und vor dem 01.03.2017 geschlossen worden, ist nach § 132 Abs. 3a UrhG die Regelung des § 32a UrhG in der bis einschließlich 28.02.2017 geltenden Fassung weiter anzuwenden (vgl. Dreier/Schulze/ Dreier, UrhG, 7. Aufl., § 132, Rn. 11b; offengelassen in BGH GRUR 2022, 899 Rn. 17 – Porsche 911).
46
c) Aufgrund nachprüfbarer Tatsachen ergaben sich greifbare Anhaltspunkte für ein auffälliges Missverhältnis zwischen der vereinbarten Gegenleistung und den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Lichtbilds im Sinne von § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG (in der ab 01.01.2008 bis 28.02.2017 geltenden Fassung) i.V.m. §§ 242, 259 Abs. 1 BGB bereits vor dem 01.03.2017 bzw. 07.06.2021.
47
aa) Im Rahmen von § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG (in der ab 01.01.2008 bis 28.02.2017 geltenden Fassung) sind bei der Prüfung eines auffälligen Missverhältnisses zunächst die mit dem Urheber oder Schutzrechtsinhaber vereinbarte Vergütung und die vom Verwerter erzielten Erträge und Vorteile festzustellen. Anschließend ist die Vergütung zu bestimmen, die – aus der ex-post-Sicht – insbesondere unter Berücksichtigung der erzielten Erträge und Vorteile angemessen im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG (in der ab 01.01.2008 bis 28.02.2017 geltenden Fassung) ist. Dann ist eine Prüfung vorzunehmen, ob die vereinbarte Vergütung mit Blick auf diese angemessene Vergütung in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen steht, wobei zunächst eine werkbezogene Prüfung und dann eine umfassende Prüfung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers bzw. Schutzrechtsinhabers zum Verwerter zu erfolgen hat (vgl. BGH GRUR 2012, 496 Rn. 25, 40 – Das Boot I; GRUR 2012, 1248 Rn. 55 – Fluch der Karibik; GRUR 2020, 1191 Rn. 50 – Fotopool).
48
Für den hier geltend gemachten vorgelagerten Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch (§§ 242, 259 Abs. 1 BGB) ist es ausreichend, dass aufgrund nachprüfbarer Tatsachen greifbare Anhaltspunkte für einen Anspruch nach § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG bestehen, da der Anspruchsteller die weiteren Voraussetzungen dieses Anspruchs im Einzelnen erst ermitteln muss, um die zu zahlende Vergütung berechnen zu können (vgl. BGH GRUR 2002, 602, 603 – Musikfragmente; GRUR 2002, 149, 153 – Wetterführungspläne II; GRUR 2012, 496 Rn. 44 – Das Boot I).
49
bb) Als gezahlte Vergütung ist vorliegend ein Teilbetrag der für das Shooting vom 29.07.2011 (Anlage K 16) insgesamt gemäß Rechnung vom 05.11.2011 darauf entfallenden Teilvergütung in Höhe von € 180,00 (4 h à € 45,00) zugrunde zu legen. Da unklar ist, wie viele der Fotos gemäß Anlage K 16 verwertet werden sollten, kann zugunsten der Beklagten für die Prüfung des Auskunftsanspruchs der Gesamtbetrag von € 180,00 angesetzt werden.
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Für die Frage, welche Vergütung bei einer ex-post-Betrachtung für die konkrete Verwertung des Fotos gemäß Anlage K 5 nach § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG angemessen gewesen wäre, ist – bei der hier nur auf greifbare Anhaltspunkte aufgrund nachprüfbarer Tatsachen abzielenden Prüfung – der Nutzungsumfang in Betracht zu nehmen. Dieser umfasste gemäß der Anlage K 2, die den Online-Shop der Beklagten zeigt, rund 25 Produktkategorien aus der Produktserie der Beklagten, die auf der Verpackung- und/oder Umverpackung das streitgegenständliche Bild gemäß Anlage K 5 zeigen. In Anlage K 4, die den Online-Shop des Teleshopping-Senders … zeigt, finden sich wiederum rund 23 Produktkategorien aus der Serie der Beklagten, die mit dem Portraitfoto versehen sind. Weiter findet sich auf Anlage K 8, der Internetseite der möglichen Lizenznehmerin …, erneut bei rund 25 Produktkategorien das streitgegenständliche Foto auf der Verpackung. Diese Nutzungen auf der Verpackung und Umverpackung verschiedener Produktkategorien hat die Beklagte als solche nicht bestritten, sondern wendet sich lediglich gegen die Behauptung einer „millionenfachen“ Verwendung der Fotografie.
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Aufgrund der nachprüfbaren Tatsache, dass das streitgegenständliche Portraitfoto auf den Verpackungen und Umverpackungen von jeweils ca. 25 Produktkategorien innerhalb einer von der Beklagten vertriebenen Serie von Nahrungsergänzungsmitteln vorhanden war, die über jedenfalls drei verschiedene Onlineshops vertrieben worden sind, ergeben sich greifbare Anhaltspunkte dafür, dass auch die volle für das Shooting vom 29.07.2011 in Rechnung gestellte Vergütung von € 180,00 in einem auffälligen Missverhältnis zu den von der Beklagten erzielten Erträgen und Vorteilen steht. Der Vorteil der Nutzung auf den (Um-) Verpackungen von 25 Produktkategorien läge selbst dann, wenn man nur den von Münchener Gerichten oftmals für die bloße OnlineNutzung von Produktfotos in Webshops herangezogenen Schätzbetrag von € 80,00 pro Lichtbild ansetzen würde, um mehr als das Zehnfache über der tatsächlich gezahlten Vergütung. Damit ergeben sich greifbare Anhaltspunkte für ein auffälliges Missverhältnis, da ein solches von der Rechtsprechung bereits angenommen wurde, wenn die vereinbarte Vergütung weniger als die Hälfte der angemessenen Vergütung betragen hat, wobei aufgrund der gesamten Beziehungen des Urhebers zum Nutzungsberechtigten nach Maßgabe der Umstände auch bereits geringere Abweichungen ein auffälliges Missverhältnis begründen können (vgl. BGH GRUR 2012, 496 Rn. 25, 40 – Das Boot I; GRUR 2012, 1248 Rn. 55 – Fluch der Karibik; GRUR 2020, 1191 Rn. 50 – Fotopool). Da die Anlagen K 2, K 4 und K 8 aus einem Zeitraum vor dem 07.06.2021 stammen, sind diese Grundsätze des alten Rechts maßgeblich zu berücksichtigen.
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d) Der Anspruch nach §§ 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG i.V.m. §§ 242, 259 Abs. 1 BGB ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil es sich bei dem Portraitlichtbild vermeintlich um einen lediglich untergeordneten Beitrag des Klägers zu 2) handeln würde.
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aa) Wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung GRUR 2012, 1248 Rn. 42 – Fluch der Karibik klargestellt hat, ist die Kausalität des Beitrags eines Urhebers oder Leistungsschutzberechtigten für die vom Verwerter erzielten Erträge und Vorteile nicht entscheidend. Urheber oder Leistungsschutzberechtigte, die einen eher untergeordneten Beitrag zu einem Gesamtwerk erbracht haben, sind nicht generell vom Anwendungsbereich des § 32a UrhG ausgeschlossen. Die aus der Zeit vor dieser Entscheidung stammende anderslautende obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. OLG Naumburg GRUR-RR 2006, 82, 84 – Firmenlogo; KG GRUR-RR 2011, 409, 410 – Synchronsprecher; Senat, GRUR-RR 2011, 245, 246 f. – Tatort-Vorspann) dürfte damit nicht mehr in Einklang zu bringen sein (a.A. wohl OLG Frankfurt GRUR-RS 2024, 4663 Rn. 77 – Europäische Landmasse auf Euro-Banknoten). Nur bei gänzlich untergeordneten Beiträgen zu einem Gesamtwerk, die üblicherweise durch ein Pauschalhonorar abgegolten werden, ist ein auffälliges Missverhältnis zwischen Vergütung und den aus der Verwertung erzielten Erträgen und Vorteilen von vornherein ausgeschlossen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 42 – Fluch der Karibik unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien in BT-Drs. 14/8058, 19, wo die abweichende Rechtslage in Frankreich diskutiert wird, nach der sich z.B. ein Ausschluss von Statisten vom Leistungsschutz als nicht handhabbar erwiesen hat).
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bb) Ein gänzlich untergeordneter Beitrag des Klägers zu 2) kann vorliegend schon deshalb nicht angenommen werden, weil der Bezugspunkt für einen solchen Beitrag nach den dargestellten Grundsätzen ein Gesamtwerk (wie beispielsweise ein Film) oder eine Gesamtleistung (wie beispielsweise eine Gesamtdarbietung) mehrerer Urheber oder Rechteinhaber sein muss (vgl. nunmehr den auf Leistungsschutzrechte ausübender Künstler anwendbaren Art. 19 Abs. 4 DSMRichtlinie (RL (EU) 2019/790), der ebenfalls von diesem Verständnis ausgeht). Ein solches Gesamtwerk oder eine Gesamtleistung, zu dem der Kläger zu 2) als einer von mehreren Berechtigten einen gänzlich untergeordneten Beitrag hätte leisten können, existiert im vorliegenden Fall dagegen nicht, da es lediglich um ein einzelnes Lichtbild eines einzigen Lichtbildners geht, das auf zahllosen Produktverpackungen wiedergegeben wurde. Dass diese jeweils ein urheberrechtlich schutzfähiges Gesamtwerk oder eine schutzfähige Gesamtleistung dargestellt hätten, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
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Selbst wenn man als möglichen Bezugspunkt für einen gänzlich untergeordneten Beitrag auch ein Produkt zulassen würde und wie bei § 32d UrhG eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise für zulässig hielte, fehlte es aus ökonomischer Sicht daran, dass der Beitrag gänzlich untergeordnet ist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zu § 32d UrhG verwiesen werden.
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e) Als Rechtsfolge des Anspruchs aus §§ 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG i.V.m. §§ 242, 259 Abs. 1 BGB hat die Beklagte Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die Nutzung des streitgegenständlichen Lichtbilds seit 01.01.2016.
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3. Die Ansprüche des Klägers zu 2) aus § 32d Abs. 1 UrhG und aus §§ 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG i. V.m. §§ 242, 259 Abs. 1 BGB sind weder verjährt noch verwirkt.
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a) Der Anspruch nach § 32d Abs. 1 UrhG verjährt nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren ab Entstehung. Da der Auskunftsanspruch für das jeweils zurückliegende Jahr am 07.06.2022 und 07.06.2023 entstanden ist, aber bereits mit Klageerweiterung vom 15.01.2021 (Bl. 109 d.A.) geltend gemacht worden war, konnte wegen § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB keine Verjährung eintreten.
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b) Für den ebenfalls nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährenden Auskunftsanspruch aus §§ 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG i.V.m. §§ 242, 259 Abs. 1 BGB trat die Hemmung nach §§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, 167 ZPO mit Klageeingang am 31.12.2019 ein, so dass jedenfalls die beantragten Auskunftszeiträume ab 01.01.2016 unverjährt sind.
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c) Mit dem erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Verwirkungseinwand (Seite 8 des Schriftsatzes vom 09.01.2024) ist die Beklagte nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, da weder dargetan noch sonst ersichtlich ist, warum der auf Rechnungen aus dem Jahr 2019 gestützte Einwand ohne Nachlässigkeit nicht bereits in erster Instanz hätte angebracht werden können.
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4. Abzuweisen war die Klage im Hinblick auf die Klägerin zu 1), da sich aus den Vereinbarungen gemäß den Anlagen K 14 und K 15 keine Inhaberschaft der geltend gemachten Ansprüche ergibt.
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Gläubiger der Ansprüche aus den §§ 32a ff. UrhG ist nur der Urheber bzw. Leistungsschutzberechtigte. Eine Anwendung der Normen auf weitere Glieder der Verwertungskette ist grundsätzlich ausgeschlossen (BeckOK UrhR/Soppe, 41. Ed. 15.2.2024, UrhG, § 32a, Rn. 14, 15). Lizenznehmer oder sonstige Inhaber abgeleiteter Rechte können weder Inhaber der Ansprüche werden, noch diese geltend machen (LG Hamburg ZUM 2008, 530, 533; Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 32, Rn. 16).
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5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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6. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie zur Fortbildung des Rechts nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen. Die entscheidungserhebliche Frage, ob und wie im Rahmen von § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG in Bezug auf die urheberrechtsfremden Begriffe „Produkt“ und „Dienstleistung“ eine rein ökonomische Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, ist – zumal vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 DSM-Richtlinie – höchstrichterlich nicht geklärt und über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen von Bedeutung. Insofern fehlt es für die rechtliche Beurteilung typischer oder jedenfalls verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Leitentscheidung.
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Da im hiesigen Verfahren Fragen des UrhG entscheidungserheblich sind und nicht im Wesentlichen über Vorschriften des Landesrechts entschieden werden muss, ist die Revision nach § 8 Abs. 2 EGGVG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 BayAGGVG zum Bundesgerichtshof, nicht zum Bayerischen Obersten Landesgericht zuzulassen.