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LG München I, Endurteil v. 22.04.2024 – 4 HK O 11626/23
Titel:

Unlauteres Zustandekommen eines Telekommunikationsvertrags während eines Werbeanrufs

Normenketten:
UWG § 3a
TKG § 54 Abs. 3
Leitsätze:
1. Nach dem Sinn und Zweck des § 54 Abs. 3 TKG ist es unzulässig, Verbraucher im Rahmen eines Werbeanrufs unmittelbar eine E-Mail, in der eine Vertragszusammenfassung über den angebotenen Telekommunikationsvertrag enthalten ist, zusenden und dazu aufzufordern, den in der E-Mail enthaltenen Link „ich bestätige“ während des Telefonates anzuklicken. (Rn. 9 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 54 Abs. 3 TKG stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG dar. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vertragsabschluss, Vertragszusammenfassung, Informationsinteresse, Entscheidungsfreiheit, Verhaltensfreiheit, Aufwendungsersatz, Abmahnung
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 14383

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und, falls dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen Verbraucherinnen anzurufen oder anrufen zu lassen und den Abschluss eines Vertrages über eine Telekommunikationsdienstleistung anzubieten oder anbieten zu lassen und während des Telefonates den angerufenen Verbraucher:innen eine E-Mail, wie gemäß Anlage K1 zu senden, die unter anderem eine Vertragszusammenfassung enthält und die Verbraucher:innen dazu aufzufordern, den in der E-Mail enthaltenen Link „ich bestätige“ während des Telefonates anzuklicken.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 260,- nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 21.09.2023 zu bezahlen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 10.000,-, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände wendet sich dagegen, dass die Beklagte, die Telekommunikationsdienstleistungen anbietet, noch während eines Telefonats, in dem sie Verbraucher Telekommunikationsdienstleistungen anbietet, eine E-Mail gemäß Anlage K 1 sendet und die Verbraucher per Telefonat dazu auffordert, den in der E-Mail enthaltenen Link „ich bestätige“ noch während des Telefonats anzuklicken.
2
Am 07.12.2022 kam es zwischen einer Beauftragten der Beklagten und dem Zeugen …, dessen Inhalt im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist, zu einem Telefonat.
3
Unstreitig ist jedoch, dass der Zeuge … noch während des Telefonats die E-Mail gemäß Anlage K 1 erhielt und noch während des Telefonats aufgefordert wurde, den dort enthaltenen Link „ich bestätige“ anzuklicken.
4
Der Kläger sieht hierin einen Verstoß gegen § 3 a UWG i.V.m. § 54 Abs. 3 TKG. Indem die Beklagte die Vertragszusammenfassung bereits im Rahmen der telefonischen Vertragsanbahnung bereitstelle und die angerufenen Verbraucher dazu auffordere, noch im Gespräch den Vertrag über den Bestätigungslink zu genehmigen, konterkariere sie den Normzweck des § 54 Abs. 3 TKG.
5
Der Kläger stellt folgende Anträge:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und, falls dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen Verbraucherinnen anzurufen oder anrufen zu lassen und den Abschluss eines Vertrages über eine Telekommunikationsdienstleistung anzubieten oder anbieten zu lassen und während des Telefonates den angerufenen Verbraucherinnen eine E-Mail, wie gemäß Anlage K1 zu senden, die unter anderem eine Vertragszusammenfassung enthält und die Verbraucherinnen dazu aufzufordern, den in der E-Mail enthaltenen Link „ich bestätige“ während des Telefonates anzuklicken.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 260,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
6
Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
7
Sie ist der Auffassung, sie verhalte sich völlig gesetzeskonform. Sie sei nach § 54 Abs. 3 TKG verpflichtet, Verbrauchern eine Vertragszusammenfassung mit bestimmten Inhalten in einer bestimmten Form zur Verfügung zu stellen, bevor ein Verbraucher seine Vertragserklärung abgebe. Nach § 54 Abs. 3 Satz 1 TKG sei es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Vertragszusammenfassung als PDF-Dokument per E-Mail an den Verbraucher gesendet werde und er die Möglichkeit der Kenntnisnahme habe, bevor er seine Vertragserklärung abgibt. Bei Lichte betrachtet gehe es dem Kläger am Ende gar nicht um eine Verletzung von § 54 Abs. 3 TKG, die nicht vorliege. Was den Kläger störe sei nicht die Übersendung der Vertragszusammenfassung während des Telefonats, sondern dass während des Telefonats auch bereits eine Willenserklärung des Verbrauchers auf Abschluss eines Vertrages abgegeben bzw. hierzu aufgefordert werden können soll. Damit beschäftige sich § 54 Abs. 3 TKG jedoch gar nicht.
8
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9
1. Der zulässigen Klage war stattzugeben, weil die Beklagte dadurch, dass sie Verbraucher telefonisch auffordert, den Vertragsabschluss noch während des geführten Telefonats zu bestätigen zwar nicht gegen den Wortlaut des § 54 Abs. 3 TKG verstößt, der sich hiermit tatsächlich nicht beschäftigt, aber gegen den Sinn der Vorschrift, der auch Eingang in die Formulierung des § 54 Abs. 3 TKG gefunden hat.
10
Gemäß § 54 Abs. 3 TKG hat der Anbieter dem Verbraucher bevor dieser seine Vertragserklärung abgibt, eine klar und leicht lesbare Vertragszusammenfassung unter Verwendung des Musters in der Durchführungsverordnung zur Verfügung zu stellen.
11
Der Gesetzesbegründung (BT-Drs 19/26108, S. 287) ist zu entnehmen, dass die Vertragszusammenfassung zum einen dem Zweck dient, dass Verbraucher ihre Entscheidung, eine Vertragserklärung abzugeben, in voller Sachkenntnis treffen können. Zum anderen soll den Verbrauchern die Möglichkeit gewährt werden, das in der Vertragszusammenfassung konkret erstellte, individuelle Angebote mit anderen individuellen Angeboten anderer Anbieter zu vergleichen.
12
Diesem Sinn und Zweck des Gesetzes wird bei der Handhabung durch die Beklagte entgegen gewirkt. Da der Verbraucher aufgefordert wird, den übersandten Link noch während des Telefonats zu bestätigen, hat er nicht die Möglichkeit, eine Vertragserklärung abzugeben, die er in voller Sachkenntnis getroffen hat und bei der er das individuelle Angebot mit anderen individuellen Angeboten anderer Anbieter vergleichen konnte. Tatsächlich bekommt er in der Handhabung, wie sie die Beklagte durchführt, die Vertragszusammenfassung nicht wirklich bevor er seine Vertragserklärung abgibt. Legt man diese Formulierung aus, und zwar unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Vorschrift, so ist ein gewisser Zeitraum zwischen Übersendung der Vertragszusammenfassung und der Abgabe der Vertragserklärung zu fordern. Jedenfalls darf der Verbraucher von der Beklagten nicht aufgefordert werden, seine Vertragserklärung noch abzugeben, bevor das Telefonat überhaupt beendet ist. Während eines laufenden Telefonats hat der Verbraucher nicht wirklich die Möglichkeit, sich die Vertragszusammenfassung anzuschauen.
13
2. Da es sich bei § 54 Abs. 3 TKG, gegen ihren Gesetzeszweck durch die angegriffene Vorgehensweise verstoßen wird, um eine Vorschrift handelt, die dem Interesse der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmern dient, weil sie deren Informationsinteresse und Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit in Bezug auf die Marktteilnehmer schützt, verstößt die Beklagte durch die angegriffene Praxis gegen § 3 a UWG.
14
3. Der mit Klageanspruch II. geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Aufwendungsersatzes in Höhe von € 260,- für die Abmahnung ergibt sich aus § 13 Abs. 3 UWG. Die Höhe der Klageforderung entspricht einem angemessenen Anteil der Aufwendungen des Klägers und wurde von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt.
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Der Klage war daher in vollem Umfang mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO stattzugeben.
16
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.