Inhalt

LG Memmingen, Endurteil v. 13.06.2024 – 24 O 1624/23
Titel:

Kein allgemeines Verbot der Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien

Normenketten:
DSGVO Art. Art. 6 Abs. 1 lit. f, Art. 82 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Leitsätze:
1. Ein Anspruch gegen ein Telekommunikationsunternehmen es zu unterlassen, Positivdaten, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt, besteht nicht. Denn ein solcher Unterlassungsanspruch, der losgelöst von der konkreten Verletzungsform auf ein allgemeines Verbot der Übermittlung sogenannter Positivdaten von Mobilfunknutzern an Wirtschaftsauskunfteien gerichtet ist, ist zu weitgehend, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Datenübermittlung aus Gründen der Betrugsprävention bei datenschutzkonformer Ausgestaltung des Prozesses im berechtigten Interesse des Verantwortlichen i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO liegen kann. (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein allgemeines Verbot der Einmeldung von Positivdaten an Auskunfteien, führt dazu, dass eine Übermittlung selbst bei datenschutzkonformer Ausgestaltung dieses Prozesses – also unter Darlegung, in welchen Szenarien und unter Vorschaltung interner Prüfprozesse etc. eine Übermittlung erfolgt – untersagt wäre, was mit der DSGVO nicht in Übereinstimmung zu bringen wäre. Insofern ist den Telekommunikationsunternehmen ein ihnen nach der DSGVO eingeräumter Gestaltungsspielraum beim Umgang mit Positivdaten zu belassen, den sie in den bestehenden Grenzen gestalten können.  (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Rechtsanwaltskosten, Ersatzpflicht, Schaden, Unterlassung, Vollstreckung, Unterlassungsantrag, Auskunft, Feststellung, Feststellungsinteresse, Ablehnung, Klage, Einwilligung, personenbezogene Daten, Kosten des Rechtsstreits, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Fundstelle:
GRUR-RS 2024, 13684

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 7.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Datenübermittlung der Beklagten an die Sch. ... AG (im Folgenden: SCH.),
2
Die Beklagte erbringt Telekommunikationsdienstleistungen. Für die in diesem Zusammenhang erfolgenden Datenverarbeitungen ist die Beklagte die datenschutzrechtliche Verantwortliche.
3
Der Kläger schloss bei der Beklagten einen Vertrag zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen.
4
Wenn die Beklagte mit dem Verbraucher einen Mobilfunkvertrag abschloss, meldete sie einen bestimmten Datensatz über diesen Vertragsschluss an die SCH.. Konkret übermittelte die Beklagte folgende Daten an die SCH.: Name, Anschrift, Geburtsdatum, Daten von Beginn und Ende eines Telekommunikationsvertrags, Vertragsnummer sowie Meldemerkmal „SK“ – Servicekonto zum Telekommunikationskonto.
5
Der Kläger behauptet, er habe von der SCH. unter dem 26.06.2023 eine Auskunft erhalten in welcher unter anderem folgender Eintrag enthalten war (Vgl. Anlage K3):
„Am 03.03.2022 hat ... den Abschluss eines Telekommunikationsvertrages gemeldet und hierzu das Servicekonto unter der Nummer ... übermittelt. Diese Information wird gespeichert, solange die Geschäftsbeziehung besteht“.
6
Der Kläger behauptet weiter, bei ihm habe sich aufgrund der unberechtigten Datenübermittlung ein Gefühl des Kontrollverlustes und der großen Sorge, insbesondere auch wegen der eigenen Bonität, eingestellt. Seitdem lebe die Klägerseite mit der ständigen Angst vor – mindestens – unangenehmen Rückfragen in Bezug auf die eigene Bonität sowie das allgemeine Verhalten im Wirtschaftsverkehr. Es blieben Stress, Unruhe und ein allgemeines Unwohlsein tagtäglich zurück. Das allgemeine Unwohlsein der Klägerseite steigere sich bis zu einer schieren Existenzsorge.
7
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte mit der Einmeldung bei der SCH. gegen Art.6 Abs. 1 sowie Art. 5 Abs. 1 a) DSGVO verstoßen habe, weil es sich um eine unrechtmäßige Übermittlung der Daten des Klägers gehandelt habe. Die Übermittlung der Daten sei für die Erfüllung des Vertrages nicht erforderlich gewesen, ein rechtmäßiges Interesse habe darüber hinaus ebenfalls nicht vorgelegen.
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Der Kläger beantragte daher zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz für einen immateriellen Schaden in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch EUR 5.000,00 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu Vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten des Klägers, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien, namentlich SCH. ..., zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch die unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten entstanden sind und/oder noch entstehen werden.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 368,78 Euro zu zahlen.den sind und/oder noch entstehen werden.
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Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen des Art. 82 Abs. 1 DSGVO lägen nicht vor. Es liege weder ein Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO vor, noch habe der Kläger einen kausal hierauf beruhenden Schaden erlitten. Die Beklagte ist der Ansicht, die Übermittlung der Vertragsdaten durch die Beklagte könne auf die Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden, sei also rechtmäßig gewesen. Die Einmeldung der Vertragsdaten habe nicht unmittelbar eigenen Interessen der Beklagten gedient, sondern nur mittelbar. Die Beklagte unterstütze durch die Einmeldung der Vertragsdaten solidarisch ein gemeinsames System der Betrugskontrolle, das von der SCHUFA im Interesse der gesamten Kreditwirtschaft betrieben werde.
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In der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2024 wurde der Kläger informatorisch angehört.
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Für den weiteren Sachvortrag wird Bezug genommen auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze samt Anlage, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2024 sowie den sonstigen Akteninhalt.

Entscheidungsgründe

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Die nur teilweise zulässige Klage ist unbegründet.
I.
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1. Das Landgericht Memmingen ist sachlich gemäß § 23 Nr. 1, 71 GVG und örtlich jedenfalls gemäß § 39 ZPO zuständig.
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2. Der Klageantrag zu 2) ist in der abgeänderten Form vom 26.02.2024 mit dem Unterlassung beantragt wird zunächst hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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3. Der Klageantrag zu 3) ist zu unbestimmt und erfüllt nicht die Anforderungen des §§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Denn das festzustellende Rechtsverhältnis ist nicht derart genau bezeichnet worden, dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft der Feststellung keinerlei Ungewissheit besteht. Die Formulierung „unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten“ bleibt vage.
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Zu Recht weist die Beklagte bereits in der Klageerwiderung auch darauf hin, dass es an dem Feststellungsinteresse hinsichtlich des Klageantrags zu 3) fehle, da grundsätzlich für die Feststellung der Ersatzpflicht künftiger Schäden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen muss, dass entsprechende Schäden eintreten werden. Diesbezüglich fehlt es aber einen entsprechenden Vortrag des Klägers, der weder vorträgt, welche materiellen Schäden ihm aus dem behaupteten Datenverstoß entstehen könnten, noch warum er einen Schadenseintritt für wahrscheinlich. Stattdessen trägt die Klageseite im Rahmen der Klageschrift selbst vor, dass nicht absehbar ist, ob und inwieweit künftige Schäden aus der Übermittlung der Daten resultieren können (vgl. So auch LG Wiesbaden, Urteil vom 16.04.2024 – 10 O 100/23).
II.
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Die Klage ist – soweit sie zulässig ist – auch unbegründet.
19
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ersatz des (immateriellen) Schadens gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO i.V.m. Art. 6 Abs. 1, 5 Abs. 1 a) DSGVO zu.
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Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Verantwortlicher in diesem Sinne ist gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO jede natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden.
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Vorliegend fehlt es bereits an einem ersatzfähigen Schaden des Klägers im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO, sodass über die weiteren Umstände nicht zu entscheiden war.
22
Das OLG München führt im Urteil vom 24. April 2024 – 34 U 2306/23 insoweit bezüglich eines in anderer Thematik in Streit stehenden Datenschutzverstoßes aus:
„(aa) Ein immaterieller Schaden ist – anders als die Klagepartei meint – nicht bereits in dem Kontrollverlust zu sehen, der durch das Scraping entstanden ist, sondern kann allenfalls Folge dieses Kontrollverlustes sein (so zutreffend OLG München 27 U 2408/23 e, Beschluss vom 2.2.2024).
Die hieraus folgende Dreistufigkeit der Prüfung (Verstoß gegen DSGVO -> negative Folge, z.B. Kontrollverlust -> Schaden) stellt auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 14.12.2023, C-340/21, GRUR-RS 2023, 35786, Rn. 84 heraus: „Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, nachweisen muss, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen (…).“
Soweit die Klagepartei aus den Erwägungsgründen zur DSGVO schließen möchte, dass bereits der Kontrollverlust als solcher einen immateriellen Schaden darstellt, greift auch diese Betrachtung zu kurz: Zwar scheint Erwägungsgrund 85 einen eingetretenen Kontrollverlust bereits als Schaden anzusehen. Dem steht aber Erwägungsgrund 83 entgegen, der die Risiken einer Verarbeitung persönlicher Daten anspricht und dabei deutlich unterscheidet zwischen den Folgen eines Verstoßes gegen die DSGVO (u.a. Verlust von personenbezogenen Daten) auf der einen Seite und hieraus möglicherweise entstehenden physischen, materiellen oder immateriellen Schäden auf der anderen Seite.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Erwägungsgrund 75. Der Begriff des „Kontrollverlusts“ wird dort zwar in einer längeren Aufzählung von Beispielen erwähnt, die zu einem Schaden führen können. Daraus ist aber gerade nicht zu folgern, dass jeder Kontrollverlust alleine bereits einen Schaden darstellt (so zutreffend auch OLG München, Beschluss vom 14.11.2023, 14 U 3443/23).
Auch der Europäische Gerichtshof hat zuletzt ausdrücklich entschieden, dass nicht schon deshalb ein „immaterieller Schaden“ im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorliegt, weil die betroffene Person befürchtet, dass in der Zukunft eine Weiterverbreitung oder gar ein Missbrauch ihrer Daten stattfindet (EuGH vom 25.01.2024, C-687/21, GRUR-RS 2024, 530).
Schließlich lässt sich aufgrund des Sachvortrags der Klagepartei auch der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Scraping-Vorfall und den von ihr behaupteten Unannehmlichkeiten nicht sicher feststellen. Zwar steht nach dem Vortrag des Klägers das vermehrte Auftreten von belästigenden Anrufen in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Scraping-Vorfall. Abgesehen davon, dass die Beklagte den Vortrag des Klägers hierzu bestritten hat, kann dies allein aber einen Kausalzusammenhang nicht belegen, denn derartige unerbetene, belästigende oder betrügerische Anrufe können grundsätzlich schon deshalb nicht gerade auf den Scraping-Vorfall bei … zurückgeführt werden, weil davon regelmäßig auch Personen, deren Daten nicht gescrapet wurden, in vergleichbarer Weise betroffen sind. Es ist allgemein – und auch den Senatsmitgliedern aus eigener Erfahrung – bekannt, dass Personen, die keine sozialen Netzwerke nutzen, ebenfalls derartige Anrufe erhalten. Selbst wenn zu seinen Gunsten unterstellt wird, dass seine Telefonnummer auf weiteren Websites nicht öffentlich sichtbar oder sonst öffentlich bekannt war, kann doch nicht ausgeschlossen werden, dass Dritte die Telefonnummer des Klägers unbefugt, unabsichtlich oder im Rahmen technischer Vorfälle anderen Personen zugänglich gemacht haben. Ein Zusammenhang zwischen den gehäuften Anrufen ab dem Jahr 2019 mit dem Scraping-Ereignis ist daher nicht belegt oder offensichtlich. Die Befürchtung eines Missbrauchs gründet sich vielmehr auf der allgemeinen Gefahr, die mit der Nutzung eines Telefons einhergeht und die alle Nutzer in ähnlicher Weise trifft und nicht auf den Kontrollverlust durch das Scraping-Ereignis.“
23
Weiter stellt die Klageseite in der Klageschrift auf „Ängste, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen“ für das Vorliegen eines immaterielle Schadens ab, da der Kläger sich mit der Übermittlung der Daten auseinandersetzen musste (Vgl. Bl. 7 d.A.)
24
Nachdem die Kammer den Kläger informatorisch angehört hat, gelangt sie unter Würdigung des gesamten Prozessstoffes nicht gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO zu der Überzeugung, dass unter den gegebenen besonderen Umständen die Befürchtungen des Klägers als begründet angesehen werden kann und dass dem Kläger durch die Einmeldung von Positivdaten an die SCHUFA ein immaterieller kausaler Schaden entstanden ist.
25
Für den Beweis nach § 286 ZPO ist die volle richterliche Überzeugung erforderlich.
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Diese Überzeugung kann nicht mit mathematischen Methoden ermittelt und darf deshalb nicht allein auf mathematische Wahrscheinlichkeitsberechnungen gestützt werden. Es bedarf auch keiner absoluten Gewissheit oder „an Sicherheit grenzender“ Wahrscheinlichkeit. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. statt vieler: BGH, Urteil vom 01.10.2019 – VI ZR 164/18 sowie BGH, Urteil vom 06.05.2015 – VIII ZR 161/14).
27
Die Kammer konnte im Rahmen der informatorischen Anhörung nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger aufgrund eines Kontrollverlusts an Existenzängsten, Stress oder allgemeinem Unwohlsein leidet.
28
Dass bloße negative Gefühle wie Unmut, Unzufriedenheit, Sorge und Angst, die an sich Teil des allgemeinen Lebensrisikos und oft des täglichen Erlebens sind, Grundlage für einen Schadensersatzanspruch sein können, hält das Gericht jedenfalls dann für nicht gerechtfertigt, wenn kein Einfluss auf die Lebensführung ersichtlich und damit ein konkreter Rückschluss von äußeren Umständen auf diese inneren Tatsachen nicht möglich ist (vgl. auch OLG Dresden, Endurteil v. 05.12.2023 – 4 U 709/23).
29
Der Kläger schilderte in der mündlichen Verhandlung vom 21.05.2024, dass im Zuge seiner geplanten Selbständigkeit sämtliche Banken nach Vorlage der SCH.-Auskunft die Kreditanfragen ablehnten. Der Kläger hatte jedoch selbst keinerlei Erkenntnisse, inwiefern dies mit dem Eintrag der Beklagten in der SCH. zusammen hing. Er geht selbst lediglich davon aus, dass „diese Sache hier natürlich ihren Beitrag geleistet“ hat. Der Kläger vermutet dabei weiter, dass er einen niedrigeren Zinssatz für das später gewährte Darlehen erhalten hätte, wenn es den ein oder anderen SCHUFA-Eintrag nicht gegeben hätte. Auf Nachfrage durch das Gericht, ob es sonstige Umstände gebe, die den Kläger dahingehend bewegten, beantwortete der Kläger dies mit „Nein“.
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Der Beklagtenvertreter erklärte sich zu dem geschilderten Zusammenhang zwischen der Eingabe der Daten bei der SCH. und der Ablehnung der Finanzierungen mit Nichtwissen.
31
Das Gericht konnte aus diesen Umständen keine Überzeugung erlangen, dass der Kläger tatsächlich aufgrund der Einmeldung der Beklagten Nachteile im Rahmen seiner Finanzierung erlangte. Insofern konnte das Gericht auch keine daraus resultierenden Folgen im Sinne von Ängsten, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen feststellen.
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Selbst der Kläger schildert, dass es sich um reine Vermutungen handelt. Konkrete Hinweise zum Beispiel durch die ablehnenden Kreditinstitute hat der Kläger nicht erhalten und somit auch dem Gericht nicht zur Kenntnis gebracht. Der Kläger hat darüber hinaus auch keine Umstände vorgetragen, welche den Schluss zulassen, dass er „zwingend“ einen Kredit hätte erhalten müssen und somit als einziger Rückschluss die Einträge bei der SCH. als Ablehnungsgrund verbleiben. Der Kläger schilderte weder seine finanzielle Lage noch seine konkret geplanten Absichten zur Selbständigkeit. Auch die Umstände zu höheren Zinsraten kann das Gericht mangels entsprechend konkreter Darlegung nicht nachvollziehen. Gerichtsbekannt stieg das Zinsniveau im Jahr 2022 konstant an, sodass auch hier unklar bleibt, inwiefern dies mit der SCH. Auskunft zusammen hängt.
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Allgemeine Vermutungen genügen jedoch für eine Überzeugung nach § 286 ZPO nicht. Der Kläger konnte die Kammer damit nicht vom Vorliegen eines kausalen Schadens überzeugen.
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2. Die Klage ist auch in Bezug auf den Klageantrag zu 2. unbegründet.
35
Das Landgericht Frankfurt am Main führte hierzu in seinem Urteil vom 19.03.2024 in einem gleich gelagerten Sachverhalt (2-10 O 691/23, Anlage B21) Folgendes aus:
„Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte, es zu unterlassen, Positivdaten des Klägers, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien, namentlich SCH. ..., zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. F) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken, besteht nicht, da dieser Unterlassungsantrag zu weit gefasst ist. Denn ein solcher Unterlassungsantrag, der losgelöst von der konkreten Verletzungsform auf ein allgemeines Verbot der Übermittlung sogenannter Positivdaten von Mobilfunknutzern an Wirtschaftsauskunfteien gerichtet ist, erweist sich als zu weitgehend, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Datenübermittlung aus Gründen der Betrugsprävention bei datenschutzkonformer Ausgestaltung des Prozesses im berechtigten Interesse des Verantwortlichen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. f DSGVO liegen kann (vgl. OLG Köln, Urteil v. 03.11.2023 – 6 U 58/23, GRUR-RS 2023, 34611, beck-online).
Die Formulierung „insbesondere“ im Klageantrag lässt zudem auch offen, welche weiteren Fallgestaltungen umfasst sein sollen. Der Kläger erstrebt ein allgemeines Verbot der Übermittlung von Positivdaten. Insofern ist zwar auch nach Auffassung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) „eine pauschal vorgesehene Einmeldung von Informationen wie Aufnahme und Beendigung eines Telekommunikationsvertrags verbunden mit Name, Anschrift und Geburtsdatum an eine Auskunftei ohne eine Einwilligung nicht in jedem Fall […] datenschutzrechtlich zulässig“. Hiernach ist es aber weiter möglich, dass eine andere Ausgestaltung des Umgangs mit Positivdaten einem berechtigten Interesse der Beklagten zur Betrugsprävention, die in Erwägungsgrund 46 der DSVGO ausdrücklich erwähnt ist, entsprechen kann. Spräche man indes ein allgemeines Verbot der Einmeldung von Positivdaten an Auskunfteien aus, führte dies dazu, dass eine Übermittlung selbst bei datenschutzkonformer Ausgestaltung dieses Prozesses – also unter Darlegung, in welchen Szenarien und unter Vorschaltung interner Prüfprozesse etc. eine Übermittlung erfolgt – untersagt wäre, was mit dem zitierten Erwägungsgrund der DSGVO ersichtlich nicht in Übereinstimmung zu bringen wäre. Der Beklagten ist ein ihr nach der DSGVO eingeräumter Gestaltungsspielraum beim Umgang mit Positivdaten zu belassen, den sie in den bestehenden Grenzen gestalten kann. Die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Einzelfallbetrachtung hat auch der BfDI zutreffend betont (so auch OLG Köln, Urteil v. 03.11.2023 – 6 U 58/23, GRUR-RS 2023, 34611 Rn. 22, 23, beck-online).“
36
Diesen Erwägungen schließt die Kammer sich nach eigener Prüfung vollumfänglich an.
37
3. Der Klageantrag zu 3) war nicht nur unzulässig, sondern auch unbegründet. Die Klageseite konnte bereits keine bereits eingetretenen Schäden zur Überzeugung des Gerichts nachweisen. Zukunftsschäden sind darüber hinaus nicht ersichtlich.
38
4. Der Klageantrag zu 4) teilt das Schicksal des Hauptantrags und war daher ebenfalls unbegründet.
III.
39
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
40
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
41
Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung folgt das Gericht den Erwägungen in der Klageschrift.